Von Marcus Kloeckner
Warum bewegen „die Guten“ die Ukraine nicht zur Aufgabe? Die Beantwortung dieser Frage führt in einen politischen und moralischen Abgrund.
Stellen wir uns Folgendes vor: Am 24. Februar dieses Jahres marschiert Russland in die Ukraine. Der ukrainische Präsident erteilt den Befehl, dass von seiner Armee nicht ein Schuss abgefeuert wird. Er teilt in einer Fernsehansprache den Ukrainern mit, dass er trotz des schweren Völkerrechtsbruchs Russlands eine friedliche Lösung für sein Land möchte und im Sinne des Friedens bereit ist, mit Putin zu verhandeln.
Was wäre dann passiert? Wie würde die Ukraine heute aussehen? Hätten die russischen Soldaten das Feuer aus ihren Gewehren und Panzern gegen die Ukrainer eröffnet? Hätten russischen Soldaten vor den Augen der Weltöffentlichkeit auf ein friedliches Volk geschossen, dass sich nicht einmal verteidigt, wenn eine Invasion im eigenen Land stattfindet? Die Realität sähe vermutlich wie folgt aus: Den Ukrainern wären die Sympathien der gesamten Welt sicher gewesen. Die russische Armee wäre zunächst perplex gewesen. Sie ist gekommen, um zu kämpfen, aber kein Ukrainer ist bereit, sich auf diesen Kampf einzulassen. Teile der ukrainischen Machtelite, die eine Kooperation mit Russland verweigert hätten, wäre es an den Kragen gegangen. Vermutlich hätte es trotz der Friedfertigkeit der Ukrainer, alleine schon aufgrund der Eigendynamik eines solchen Einmarsches, auch Übergriffe und Verbrechen gegeben. Von den massiven Auswirkungen eines Krieges, wie sie nun heute jeden Tag in den Nachtrichten zu hören sind, wäre die Ukraine verschont geblieben.
Die Auswirkungen für die Ukraine würden sich hauptsächlich auf der politischen Ebene bewegen. Die Ukraine würde zu einer Art Satellitenstaat Russlands.
Eine große Anzahl von Politikern, Medienvertretern und anderen Akteuren wird diese Ausführungen als „ungeheuerlich“ betrachten. Sie werden einwenden, dass es das Recht der Ukraine sei, sich zu verteidigen. Wenn hier einer Recht gebrochen habe und die Waffen niederlegen solle, dann sei das Russland.
An dieser Stelle gilt es innezuhalten. Politik der gespaltenen Zunge: Sie reden vom Frieden, aber wollen den Krieg weiterlesen →