Schlagwort-Archive: Griechenland

„Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!“

Von Arno Luik

Wolfgang Schäuble ist gestorben. Statt eines Nachrufs Bemerkungen des einstigen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis kurz nach seinem Rücktritt 2015 über seine Begegnungen mit dem deutschen Politiker.

„Sie hielten Tsipras, unserem Regierungschef, die Pistole an die Schläfe – und so verhandelt es sich schlecht. Wie soll man da frei entscheiden, wenn einem gesagt wird, klipp und klar: „Wenn du nicht zustimmst, bleiben die Banken zu. Wir zerquetschen dich!“

Kurz vor meinem Abflug nach Athen im Juli 2015 meldet sich Yanis Varoufakis, der ein paar Tage zuvor noch griechischer Finanzminister war, am Telefon. Es seien „hektische, harte Zeiten“, es fänden ständig Sitzungen, Konferenzen, kurzfristig anberaumte Parlamentsdebatten statt, Zeit für ein „substanzielles Gespräch“ habe er kaum. Um sicherzugehen, dass es überhaupt zu einem ernsthaften Gespräch komme, solle ich doch zu ihm in die Wohnung kommen, das sei die einzige Möglichkeit.

Drei Tage war ich in Athen, und es war dann, wie Varoufakis gesagt hatte: hektisch. Mal war er in seiner Wohnung, dann im Parlament, er war hier, er war dort, kaum greifbar. Unser Gespräch (das im stern in einer stark gekürzten Version erschien, hier nun die Originalfassung) fand in neun Etappen statt. Mal nur für ein paar kurze Augenblicke, mal für eine, mal für zwei Stunden, mal für 30 Minuten; mal trafen wir uns kurz vor Mitternacht, nach Mitternacht, mal mittags, mal in der Küche bei einem schnellen Kaffee, oder spätabends im Restaurant – wonach wir dann, er mit seinem Motorrad vorneweg, seine Frau mit ihrem Motorrad hinterher und mit mir auf dem Soziussitz, durch Athen zu seiner Wohnung bretterten.

Nur fünf Monate lang war Yanis Varoufakis griechischer Finanzminister der sozialistischen Partei Syriza. Aber das hat gereicht, um seine Kollegen, Europas Finanzminister und Präsidenten und Kanzler, fast in den Wahnsinn zu treiben – und seine Fans in Ekstase. Wer ist dieser Yanis Varoufakis? Der unter Beschuss war und ist, national, international – der umstrittenste Politiker in Europa, der mich in seine Wohnung ließ, einfach so, einen Fremden? „Feel at home“, hatte er bei der Begrüßung gesagt. „Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!“ weiterlesen

Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!“

Von Arno Luik

„Sie hielten Tsipras, unserem Regierungschef, die Pistole an die Schläfe – und so verhandelt es sich schlecht. Wie soll man da frei entscheiden, wenn einem gesagt wird, klipp und klar: „Wenn du nicht zustimmst, bleiben die Banken zu. Wir zerquetschen dich!“

Kurz vor meinem Abflug nach Athen im Juli 2015 meldet sich Yanis Varoufakis, der ein paar Tage zuvor noch griechischer Finanzminister war, am Telefon. Es seien „hektische, harte Zeiten“, es fänden ständig Sitzungen, Konferenzen, kurzfristig anberaumte Parlamentsdebatten statt, Zeit für ein „substanzielles Gespräch“ habe er kaum. Um sicherzugehen, dass es überhaupt zu einem ernsthaften Gespräch komme, solle ich doch zu ihm in die Wohnung kommen, das sei die einzige Möglichkeit.

Drei Tage war ich in Athen, und es war dann, wie Varoufakis gesagt hatte: hektisch. Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!“ weiterlesen

Distomo – 10. Juni 1944: Nicht verjährt, nicht entschädigt, nicht vergessen

Von Arbeitskreis Distomo

Deutschland ist ein schwieriges Land. Es ist das wirtschaftlich und politisch stärkste Land in Europa. Der Reichtum stützt sich auch auf die Tatsache, dass nach dem 2. Weltkrieg die auf der Pariser Reparationskonferenz von 1946 festgelegten Verpflichtungen zur Zahlung nie erfüllt worden sind. Obwohl besiegt, behielt Deutschland das Raubgut, behielt die Vorteile aus der Zwangsarbeit. Für die tausendfachen Morde und die Zerstörung der überfallenen Länder wurde so gut wie nichts gezahlt. Distomo – 10. Juni 1944: Nicht verjährt, nicht entschädigt, nicht vergessen weiterlesen

Griechenland nach Ende des EU-Memorandums: Welche Chancen? Not und Widerstand, Solidarkliniken als Teil einer Graswurzelbewegung

Von Joachim Sohns

Am 21. August endete das dritte EU-Memorandum für Griechenland und damit das seit 2010 geltende EU-Reform und -Sparprogramm. Die Einigung mit der Eurogruppe über die Zeit nach dem Memorandum sei gleichbedeutend mit einer „endgültigen Lösung der GriechenlandKrise,“ erkärte Ministerpräsident Tsipras. Ähnliche Äußerungen gab es von der EU-Kommission in Brüssel. Tsipras versprach, ab 2019 die Steuern zu senken und den Sozialstaat zu stärken. Griechenland nach Ende des EU-Memorandums: Welche Chancen? Not und Widerstand, Solidarkliniken als Teil einer Graswurzelbewegung weiterlesen

Griechenland extra

In diesen Tagen endet das dritte Kreditprogramm für Griechenland – aber die Krise ist noch längst nicht vorbei. Die Gläubiger haben bis weit in die Zukunft Auflagen festgeschrieben, die ökonomische und soziale Lage ist durch die Austeritätspolitik der vergangenen Jahre verschärft worden, die Staatsschulden sind immer noch dramatisch hoch. Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation langsam bessert – die Herausforderungen bleiben groß, zumal für eine linke Regierung.  Was ist seit dem ersten Kreditprogramm von 2010 passiert? Und was lässt sich daraus lernen?

In den 7 folgenden Beiträgen wollen wir Antworten auf diese Fragen geben. Griechenland extra weiterlesen

Das brachte die Troika-Diktatur Griechenland: die meisten Arbeitnehmer in Griechenland sind arm

Schon vor dem Regierungswechsel 2015 in Griechenland war die Strategie klar. Die Existenz einer funktionierenden Links-Regierung in der Europäischen Union (EU), die wohlmöglich gegen die Austeritätspolitik kämpfen und die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung Deutschlands infrage stellen könnte, konnte unter keinen Umständen geduldet werden. So drehten die Kreditgeber und der damalige Bundesfinanzminister Schäuble den Spieß um und arbeiteten daran, Griechenland zum Modell für ihre neoliberalen Pläne für Gesamteuropa zu machen.

Die Kredite und die Memoranden waren von Anfang an politisch nicht neutral, sondern wurden instrumentalisiert und hier konnte man nach dem Regierungswechsel den Hebel ansetzen. Die Kreditvergabe wurde noch strenger als zuvor an eine breite und unkontrollierte Treuhandschaft gebunden und die direkte Einmischung in Landesangelegenheiten ausgeweitet, die weit über die fiskalischen Regelungen hinausging.

Von Beginn an stand die Zerschlagung der einst starken Gewerkschaften und das Schleifen der Arbeitsrechte ganz oben auf der Maßnahmeliste der Troika. Vorläufiger Höhepunkt war, dass das griechische Parlament vor kurzem die freien Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern vorläufig verboten hat, die Beschäftigten, wie auch die erwerbslosen Menschen dem „freien Spiel der Kräfte“ schutzlos ausgeliefert sind und demonstriert wird, wie „Kerneuropa“ mit der Peripherie Europa umspringen kann. Das brachte die Troika-Diktatur Griechenland: die meisten Arbeitnehmer in Griechenland sind arm weiterlesen

Η ΕΛΠΙΔΑ EXEI ΦYΓEI: die Hoffnung ist vergangen – es ist an der Zeit, den Schaden, den Deutschland in den vergangenen 80 Jahren in Griechenland angerichtet hat, zu beziffern

Η ΕΛΠΙΔΑ ΕΡΧΕΤΑΙ (Die Hoffnung kommt) war der Titel eines Beitrags auf dieser Seite, als der Machtwechsel in Griechenland für viele Gewerkschafter große Erwartungen, auch auf einen Politikwechsel in Griechenland weckte, mit Einfluss auf die hiesige Kolonialpolitik der Bundesregierung gegenüber dem geschundenen Land.

Doch schon allein die Existenz einer funktionierenden Links-Regierung, die gegen die Austeritätspolitik kämpfen und die politische und wirtschaftliche Hegemonie Deutschlands beschneiden möchte, bedeutete von Anfang an, das Experiment in Griechenland nicht zu dulden. Mehr noch, die Kreditgeber und der Bundesfinanzminister Schäuble arbeiten nach wie vor daran, Griechenland zum Modell für ihre neoliberalen Pläne für Gesamteuropa zu machen. Die Kredite und die Memoranden waren von Anfang an politisch nicht neutral, sie waren an eine breite und unkontrollierte Treuhandschaft gebunden, deren Anspruch auf Einmischung in Landesangelegenheiten weit über die fiskalischen Regelungen hinausging.

Das sollte der Anlass sein und es ist an der Zeit, einmal konkret zu benennen, was Deutschland in den letzten 80 Jahren in Griechenland angerichtet hat.

Auch muss das Tabu gebrochen werden, die Kosten des deutschen Überfalls auf Griechenland 1941 und die heutigen Kosten des Elends der griechischen Bevölkerung gegenüber Deutschland zu addieren, ja zu addieren und nicht aufzurechnen. Η ΕΛΠΙΔΑ EXEI ΦYΓEI: die Hoffnung ist vergangen – es ist an der Zeit, den Schaden, den Deutschland in den vergangenen 80 Jahren in Griechenland angerichtet hat, zu beziffern weiterlesen

Ein Plan B für Europa – aus dem Finanzstaatsstreich gegen Griechenland müssen Lehren gezogen werden

GRjpgwww.gewerkschaftsforum-do.de dokumentiert einen Text von Oskar Lafontaine (Die Linke, ehemaliger deutscher Finanzminister), Jean-Luc Mélenchon (Parti de Gauche, ehemaliger französischer Minister für Berufsbildung), Stefano Fassina (ehemaliger italienischer Vizefinanzminister), Gianis Varoufakis (ehemaliger griechischer Finanzminister) sowie Zoi Konstantopoulou (Volkseinheit, bisherige Präsidentin des griechischen Parlaments). Die Erklärung wurde am Samstag, dem 12.09.2015 auf der Fête de l’Humanité in Paris vorgestellt: Ein Plan B für Europa – aus dem Finanzstaatsstreich gegen Griechenland müssen Lehren gezogen werden weiterlesen

Offener Brief der Europäischen Gewerkschaften: Jetzt muss sich zeigen, was die EU ausmacht

ellas euRund 20 europäische Gewerkschaften haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie an die EU-Staats- und Regierungschefs, die EZB, die Eurogruppe und den IWF appellieren, gemeinsam mit Griechenland einen „vernünftigen Kompromiss“ zu finden. Die Lösung der Krise dürfe nicht rein „technisch“ sein oder allein der EZB überlassen werden. Es müsse eine politische Lösung sein.

Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Briefs gehören unter anderem der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) Bernadette Ségol, der Präsident des griechischen Gewerkschaftsbundes GSEE Yannis Panagopoulos, der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) Erich Foglar sowie weitere Gewerkschaftsvorsitzende, unter anderem aus Großbritannien, Spanien, Italien, Tschechien und Bulgarien.

Die Forderung der Europäischen Gewerkschaften lautet: Verhandlungen wieder aufnehmen – mit dem Ziel einer sozial gerechten und wirtschaftlich nachhaltigen Vereinbarung mit der griechischen Regierung. Offener Brief der Europäischen Gewerkschaften: Jetzt muss sich zeigen, was die EU ausmacht weiterlesen

Erste Ausgabe der Zeitung „FaktenCheck:Hellas – Solidarität mit der Bevölkerung in Griechenland” ist da

8362657_origAm Samstag, dem 04. April 2015 war es soweit – die erste Ausgabe der Zeitung “FaktenCheck:Hellas – Solidarität mit der Bevölkerung in Griechenland” ist fertig. Diese Zeitung erscheint in einer Zeit, in der die EU den Wirtschaftskrieg gegen die griechische Regierung intensiviert. In einer Zeit, in der die Berliner Regierung die deutsche Kriegsschuld aus der Zeit der NS-Besatzung Griechenlands ignoriert und sich der Forderung nach Reparationen verschließt. In einer Zeit, in der sich die soziale und finanzielle Krise in Griechenland, unter der in erster Linie die Bevölkerung leidet, dramatisch verschlechtert. In einer Zeit, in der Millionen Menschen in Europa hoffen, dass der demokratische Neubeginn in Griechenland sich zu einem demokratischen und sozialen Aufbruch in ganz Europa entwickelt. Erste Ausgabe der Zeitung „FaktenCheck:Hellas – Solidarität mit der Bevölkerung in Griechenland” ist da weiterlesen

Η ΕΛΠΙΔΑ ΕΡΧΕΤΑΙ (Die Hoffnung kommt) – der ersehnte Machtwechsel in Griechenland ist da

SyrizaGriechenland hat gewählt und viele Gewerkschafter bei uns erhoffen sich viel von der neuen griechischen Politik. Manche sind sehr optimistisch und spekulieren bereits darüber, dass bei den Parlamentswahlen, die in mehr als einem Drittel der EU-Mitgliedsstaaten in diesem Jahr und Anfang 2016 stattfinden, ähnliche Ergebnisse erzielt werden. Die ganz optimistischen Kolleginnen und Kollegen sprechen sogar vom Beginn eines „europäischen Frühlings“.

Aber gemach, gerade SYRIZA (griech. „Koalition der Radikalen Linken“) hat wieder einmal nachgewiesen, dass bevor sich solche Wahlerfolge einstellen, sehr viel Arbeit, ein langer Atem, großer Wille zur eigenen Öffnung und vor allem ein gesellschaftliches Klima für Veränderung und Protest vorhanden sein muss.

Die griechischen Parlamentswahlen waren auch eine Abstimmung über die europäische Krisenpolitik der vergangenen Jahre und die Abrechnung mit dem „Neoliberalismus“, unter dieser menschenfeindlichen Politik hat von den europäischen Staaten Griechenland am schrecklichsten zu leiden. Η ΕΛΠΙΔΑ ΕΡΧΕΤΑΙ (Die Hoffnung kommt) – der ersehnte Machtwechsel in Griechenland ist da weiterlesen

Wie würde uns die „Medizin“ für Griechenland schmecken?

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Bild: 20zwölf.de

Nach den Richtlinien der Troika, d.h. der Europäischen Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank soll der Lohn- und Sozialabbau in Griechenland weiter andauern, obwohl Griechenland mit 40,0 Wochenstunden über denen in Deutschland (37,7) und Frankreich (35,5) liegt. Die jährliche Gesamtarbeitszeit weist in Griechenland einen Mittelwert von 1.816 Stunden gegebenüber Deutschland mit 1.658 und Frankreich mit 1.601 Stunden auf.

Durch die „Medizin“ der Troika ist schon die Wirtschaftsleistung im Jahr 2011 um 6,8 % geschrumpft, die Staatsschulden um 350 Milliarden Euro gestiegen und das private Geldvermögen hat sich verdoppelt. Wie würde uns die „Medizin“ für Griechenland schmecken? weiterlesen