Zur konkreten Lebenssituation armer und erwerbsloser Menschen – Opfer der reibungslosen Zusammenarbeit von Jobcentern, Staatsschutz und Wohlfahrts- und Beschäftigungsunternehmen

Grundsätzlich wurde und wird den erwerbslosen Menschen von den Jobcentern unterstellt, dass sie an individuellen Vermittlungshemmnissen, von „familiären Problemen über Fettleibigkeit bis hin zur Sucht“ leiden und die Sekundärtugenden wie frühes Aufstehen, Pünktlichkeit und regelmäßige Arbeitsabläufe einhalten erst wieder trainieren müssen. Dafür hat die Arbeitsverwaltung immer schon eigene Maßnahmen entwickelt.

Bisher war es so, dass die langzeitarbeitslosen Menschen systematisch vom ersten Arbeitsmarkt ferngehalten wurden, auch weil sie für die Maßnahmeträger gut eingearbeitete, vollwertige Arbeitskräfte sind und in den sogenannten Zweckbetrieben der Wohlfahrtsverbände und gemeinnützigen Unternehmen für Profit sorgten. Weil sie aber vorgeblich noch unter Vermittlungshemmnissen leiden, mussten und müssen sie sich immer wieder in eine Maßnahme mit sozialpädagogischer Begleitung begeben. So gibt es Menschen, die in den vergangenen 19 Jahren der Hartz-IV/SGB II- Gesetzgebung nur in Maßnahmen beschäftigt waren, wegen ihrer Vermittlungshemmnisse.

In dieser Zeit haben sich naturgemäß Netzwerke aufseiten der Wohlfahrtsunternehmen, Sozialkonzernen und Beschäftigungsinitiativen gebildet, aber auch zwischen den Jobcentern als Mittelgeber und den Maßnahmeträgern als Mittelempfänger, hat sich ein gegenseitiges Geben und Nehmen verfestigt, mit eigenen Kommunikationsstrukturen, von denen sogar der Staatsschutz profitiert.

Die Beschäftigung der Menschen in den Maßnahmen und Programmen der Arbeitsverwaltung gründet auf der Sozialgesetzgebung (SGB). Der „Arbeitnehmerstatus“ gilt für sie nicht und für die Beschäftigten in Maßnahmen und Programmen gelten ebenso wenig Arbeitsschutzrechte, geschweige denn Mitbestimmungsrechte. Sie können keine Vertretung wählen und das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit ist ihnen verwehrt. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 SGB II stellt unmissverständlich klar, dass z.B die zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen. Deshalb war in der Rechtsprechung bisher umstritten, welcher Rechtsnatur die Beziehung zwischen dem „Ein-Euro-Jobber“ und dem Dritten ist, der die Arbeitsgelegenheit anbietet.

Die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ebenfalls berührt, wenn die Menschen gezwungen werden, jede Arbeit, Beschäftigung oder Maßnahme anzunehmen. Dafür erhalten sie einen Lohn von 1,50 Euro pro Stunde oder arbeiten nur für einen Appel und ein Ei.

Die Menschen, die im Hartz-IV/Bürgergeld-Bezug sind, stehen permanent unter dem Druck möglicher Sanktionen, weil jeder Vermittlungsvorschlag des Jobcenters ein „nicht ablehnbares Angebot“ sein kann. Die Freiheit der Berufswahl gibt es für sie nicht.

Es wird hierbei die SGB II Vorschrift der § 10 Abs. 2 angewandt. Danach ist für einen erwerbslosen Menschen jede Arbeit zumutbar und er kann nur ausnahmsweise Arbeitsangebote ablehnen, z.B. nur, wegen besonderer körperlicher Anforderungen oder wegen der Gefährdung der Erziehung des Kindes.

Ausdrücklich kein „Wichtiger Grund“ zur Ablehnung eines Vermittlungsangebots sollte sein, dass die „Arbeitsbedingungen ungünstiger“ als die Bedingungen des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses sind. Das ist der Hebel, mit dem man die Beschäftigten mit staatlichem Zwang in den Niedriglohnsektor drängt.

Damit das auch funktioniert, wird besonders Wert auf eine reibungslose Zusammenarbeit von Jobcentern, Staatlichen Stellen und Sozialunternehmen zur Förderung erwerbloser Menschen gelegt. Um sie weiter ausbeuten zu können, muss ihnen immer wieder bescheinigt werden, dass sie noch psychisch instabil sind und noch vielfache Vermittlungshemmnisse aufweisen.

Diesem guten Klima des Gebens und Nehmens zwischen den beteiligten Stellen, sollen auch die Berichte über die Menschen in den Maßnahmen und Programmen dienen. Die von den Leitungen der Maßnahmeträger angeordneten und von ihren Sozialfachkräften angefertigten Berichte, die zu einer umfassenden Psychiatrisierung der Menschen führen, sollen sicherstellen, dass die Beschäftigten möglichst lange in den Maßnahmen als billige Arbeitskräfte schuften und vom ersten Arbeitsmarkt ferngehalten werden.

Drei Berichte über Frauen in Programmen für erwerbslose Menschen bei einem Wohlfahrtsverband bzw. Sozialunternehmen zur Beantragung der Verlängerung der Maßnahmen an das Jobcenter.

Frau A. berichtet, dass sie sich bei der Erledigung ihrer Aufgaben sehr bemüht, aber bei der Umsetzung in konkreten Situationen Schwierigkeiten hat, wie

  • Schwierigkeiten bei der Erledigung komplexer Arbeiten
  • Konzentrationsprobleme bei zeitintensiven Aufgaben
  • Unfähigkeit der Eigenregulation in emotional schwierigen Situationen

und Überforderung bei der Bewertung der anstehenden Aufgaben hinsichtlich der Prioritäten.

Frau A. hat nach wie vor große Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Reflexionsfähigkeit von Arbeitssituationen. Beispielsweise ist sie nicht in der Lage, ihr Verhalten an sich verändernde Situationen anzupassen. Zu beobachten ist ebenfalls, dass sie im Umgang mit Kunden zwar stets um Freundlichkeit bemüht ist, jedoch in Stresssituationen ein unangemessenes Sozialverhalten zeigt. Frau A. ist meist mit Sonderaufgaben überfordert, was sich entweder in unangemessen extrovertiertem Verhalten oder in komplettem Rückzug äußert. Frau A. benötigt unmittelbare Hilfe durch die Fachanleitung oder eine Führungskraft. Es bedarf der Reflexion ihres Verhaltens, um Handlungsalternativen einzuüben und eine Eskalation zu vermeiden…

Für den Fall, dass eine Weiterbeschäftigung im Projekt JobPerspektive bis zur Überleitung in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist und damit die mühsam erarbeitete Stabilisierung und Integration von Frau A. in einem sicheren und engen Betreuungsrahmen entfällt, muss mit einer erneuten Destabilisierung und sozialem „Abrutsch“ gerechnet werden.

Darüber hinaus würde sie ein Einsatz auf dem freien Arbeitsmarkt zum jetzigen Zeitpunkt überfordern und es ist zu befürchten, dass sie durch eine berufliche Überforderung und mangels Unterstützung ihren Arbeitsplatz wieder verliert. Nach bisherigen biografischen Hintergründen muss auch in dem Fall davon ausgegangen werden, dass sie dann in alte Verhaltensmuster und vorherige soziale Strukturen zurückfällt. Aufgrund der geschilderten Sachlage und trotz Würdigung der bereits erfolgten Fortschritte ist eine Vermittlung in den 1. Arbeitsmarkt aus heutiger Sicht weder realistisch noch sinnvoll.

Frau T. hat schwerste Migräneattacken. Im Durchschnitt hat sie im Abstand von 2 Monaten für ca. 1 Woche durchgehend Migräne. Üblich ist mindestens ein Migräneanfall pro Woche. Unabhängig von den Migräneattacken, ist Kopfschmerz oft latent vorhanden…

Der Schlaf- und Wachrhythmus ist durch die Migräne bestimmt. So berichtet Frau T., dass sie eine Schlafphase von 6 Stunden nicht überschreiten darf, weil eine längere Dauer den Kopfschmerz unmittelbar nach dem Aufwachen hervorruft.

Frau T. legt keine Gutachten über etwaige psychische Erkrankungen vor. Im persönlichen Gespräch wird jedoch deutlich, dass es ihr insbesondere in Zeiten der Arbeitslosigkeit seelisch sehr schlecht geht.

Auf Nachfrage gibt sie konkret an, in dieser Zeit antriebslos gewesen zu sein, die Hausarbeit zu vernachlässigen und nicht regelmäßig Nahrung zu sich zu nehmen. Ferner habe sie viel ferngesehen, sich nicht mit Menschen getroffen und fast permanent Kopfschmerzen (u.a. Migräne) gehabt.

Nach Würdigung aller geschilderten Sachverhalte ist eine Vermittlung von Frau T. in den ersten Arbeitsmarkt zum derzeitigen Zeitpunkt allerdings unrealistisch. Vielmehr scheint es sinnvoll, die bereits erzielten Erfolge weiter auszubauen bzw. die Grenzen ihrer Belastbarkeit im Hinblick auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.

Frau R. hat sehr oft Kopfschmerzen, bisweilen auch starke Migräneattacken. Die Eigenbehandlung erfolgt mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln. Der Schlafrhythmus ist durch den Kopf- und Rückenschmerz bestimmt. So berichtet Frau R. dass sie oft nicht einschlafen kann und auf die Einnahme von Schlafmedikamenten angewiesen ist. Ihr geht es insbesondere in Zeiten der Arbeitslosigkeit seelisch sehr schlecht. Auf Nachfrage gibt sie konkret an, in dieser Zeit antriebslos zu sein, kaum zu schlafen und starke Nervosität bzw. Unruhe zu verspüren. Frau R. ist nicht in der Lage, die Anforderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erfüllen. Ihr sprachlicher Ausdruck ist zwar völlig ausreichend, um einfache Strukturen und Abläufe zu verdeutlichen bzw. sich im Alltag zu verständigen, das Schreibniveau erfüllt jedoch nicht die Anforderungen, da sie nur die Inhalte sehr einfacher Texte formulieren kann.

Eine Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt im kaufmännischen Bereich ist zudem wegen mangelnder PC- Kenntnisse nicht vorstellbar. Darüber hinaus stellt eine Vermittlung sich wegen ihres Alters ebenfalls als schwierig dar. Jüngere Bewerber werden zumeist bevorzugt eingestellt.

Nach Würdigung aller geschilderten Sachverhalte ist eine Vermittlung von Frau R. in den ersten Arbeitsmarkt zum derzeitigen Zeitpunkt allerdings unrealistisch. Vielmehr scheint es sinnvoll, die bereits erzielten Erfolge weiter auszubauen bzw. die Grenzen ihrer Belastbarkeit im Hinblick auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Ein Verlust des Arbeitsplatzes und eine Konzentration auf ihre privaten Aufgaben, würden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in die oben dargestellte depressive Haltung zurückversetzen und die bereits erzielten Erfolge gefährden…“

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Die Berichte an das Jobcenter wurden ohne Wissen der betroffenen Menschen verfasst und weitergegeben. Erst später, nach zaghaften Protesten ihrer „Betreuer“ wurden sie aufgefordert, die Berichte gegenzuzeichnen. Die Beurteilungen werden im Jobcenter für die persönlichen Gespräche genutzt, zu den Akten gefügt und können die Menschen ihr Leben lang negativ begleiten, ohne, dass sie sich dagegen wehren können.

Mehr noch, für die beurteilten Frauen waren die Berichte an die Jobcenter Teil ihrer Bemühungen der Mitwirkung, wie es gemäß dem SGB verlangt wird. Für die Sozialunternehmen die Garantie in ihren Betrieben die Menschen weiterhin ausbeuten zu können.

Wen wundert es da, dass niemand so recht an der bisherigen Förderpraxis etwas ändern möchte und froh ist, dass diese Beschäftigten nicht auf den ersten Arbeitsmarkt abwandern können, da dort schlicht die Arbeitsplätze für sie fehlen.

Damit alles so weitergehen kann, haben sich in vielen Städten die Wohlfahrtskonzerne, Sozialunternehmen und Beschäftigungsinitiativen zu Interessenvereinen zusammengeschlossen. Die Mitglieder der Gemeinschaft haben vereinbart, dass sie sich der „Koop-kurrenz“, (bezeichnet die Dualität von Konkurrenz und Kooperation auf Märkten) in einer für alle Mitgliedsorganisationen zufriedenstellenden Weise widmen und sich schon in der Planungsphase bei neuen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung abstimmen.

Die örtlichen institutionellen Hartz-IV/Bürgergeld-Profiteure sind zu einem geschlossenen System geworden mit mafiaähnlichen Strukturen und beschäftigten Menschen die ausgebeutet und obendrein noch psychiatrisiert werden.

Diese Praxis, die schon rund zwei Jahrzehnten andauert und auch von den kirchlichen Unternehmen bzw. den kirchlichen Maßnahmeträgern angewandt wird, hat in ihrer Verkommenheit auch dazu geführt, dass immer mehr Hemmschwellen auf den Ebenen der Unternehmensleitungen und Geschäftsführungen fallen und dann sogar mit dem Staatsschutz zusammengearbeitet wird.

So auch im Beispiel eines Kirchenunternehmens mit angeschlossener Beratungsstelle für wohnungslose Menschen. Dort müsste eigentlich absolutes Vertrauen und Verschwiegenheit zwischen Klienten/Ratsuchenden und den kirchlichen Sozialfachkräften bestehen. Die im Folgenden zitierte E-Mail von einer Sozialarbeiterin an ihre acht Kolleginnen der Beratungsstelle gesendet, sagt aber etwas anderes:

„Hallo,

Beamte vom Polizeilichen Staatsschutz haben am Freitag hier vorgesprochen und um Mithilfe gebeten. Herr S. ist vor einiger Zeit dem Islam beigetreten und ist in seinem Gedankengut extremistisch. (er hatte bereits eine Schulung in Ägypten und spricht arabisch). Laut den Beamten plant er zurzeit an einer Ausreise in ein Ausbildungslager (Selbstmordattentäter) in Pakistan. Das möchte der Staatsschutz unbedingt verhindern. In letzter Zeit habe er sich in verschiedenen Städten im Umkreis, Postanschriften eingerichtet, um seinen Bewährungshelfer zu täuschen und die Ausreise vorzubereiten.

Die Beamten bitten um eine Benachrichtigung, wenn Herr S. hier wieder vorspricht oder auch wenn er einen Glaubensbruder mit Vollmacht, wie in anderen Städten schon vorgekommen, vorschickt.

  • Kontakt: Kriminalhauptkommissar Jürgen N. – Tel: ……..-…. oder….

Gruß

M. Sch.“

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Es ist erschreckend, wie selbstverständlich und reibungslos eine jahrelange Zusammenarbeit von Beschäftigten in Kirchen- und Sozialunternehmen mit sanktionierenden Jobcentern und verfolgendem Staatschutz bzw. Polizei- und Ordnungskräften vonstatten geht. Man scheint sich sicher zu sein, auf der richtigen Seite zu stehen, zu den Guten zu gehören. Man meint, die armen Menschen, die in den Arbeitsprojekten für einen Appel und ein Ei schuften, brauchen nicht nur Anleitung, sondern auch erbarmungslose Kontrolle und Beaufsichtigung, um den Anforderungen von Jobcentern und Sicherheitsbehörden zu genügen.

Wenn notwendig, muss halt nachgeholfen, Berichte an die staatlichen Stellen gefälscht und die Menschen psychiatrisiert werden.

 

 

 

 

 

 

Quellen: BA, SGB, Berichte von Betroffenen 
Bildbearbeitung: L.N.