Ein Bauwagen auf dem Nordmarkt hatte in der Vergangenheit immer gute Gefühle ausgelöst. Entweder stand ein Bauwagen oder Container da, um in der Umbauphase Spielmaterial an Kinder und Jugendliche auszuleihen, in ihm wurden sozialpädagogische Angebote mit geschulten Fachkräften durchgeführt oder Drogenabhängige konnten in ihm Rat und Hilfe und sterile Spritzen holen.
Nun steht er dort als Symbol für Recht und Ordnung.
Damit jeder Nutzer des Nordmarktes sieht, dass nun Schluss mit lustig ist und man ernst macht, wurde er in diesem Jahr genutzt, um von dort aus Personenkontrollen und erkennungsdienstliche Behandlungen öffentlichkeitswirksam mit den Ärmsten der Armen von Dortmund zu inszenieren.
Da die Stadt Dortmund mit ihrer Sozialpolitik in der „abgehängten“ Nordstadt gescheitert ist, schlägt sie nun brutal um sich und bekämpft im Verbund mit der Polizei nicht die Armut, sondern die Armen. Es wird Tag und Nacht „Präsens“ gezeigt und „konsequent, auch bei kleineren Verstößen“ durchgegriffen. Das beginnt mit massiver Polizeipräsenz im Alltagsbild der Nordstadt, geht über martialische, überzogene Polizeieinsätze, auch schon bei Bagatelldelikten und endet bei den aggressiven Durchsuchungen und Totalabsperrungen ganzer Wohnquartiere mit Hunderten von Einsatzkräften.
Immer mehr Menschen werden zu Opfern von Gewalt und Willkür der Ordnungskräfte.
Präsens zeigen
Es wird immer mal wieder die seit Jahren schon ständige Präsenz der Ordnungskräfte im Alltagsbild der Nordstadt erhöht und zwar so, dass sich die Einwohner der Nordstadt unter ständigem Verdacht gestellt fühlen.
Die Nutzer des Nordmarktes müssen sich gefallen lassen, dass immer wieder Personenkontrollen bei ihnen durchgeführt werden, bei denen Einzelpersonen von bis zu 6 Ordnungskräften umringt sind, Befragungen ausgesetzt werden und Platzverweise bekommen. Als friedliche Nutzer der Sitzbänke werden sie mal vom südlichen, mal vom westlichen Teil des Platzes verjagt und förmlich weggehetzt. Ganze Teile des Nordmarktes werden ohne Grund geräumt, die Sitzbänke sind leer, nur so.
Demonstratives Befahren des Nordmarktes von Polizei und Ordnungsamt sind Alltag. Die sogenannten Problemgruppen werden auf Trapp gehalten. Der Nordmarkt als letzter Rückzugsraum soll für sie unattraktiv gemacht werden, ihr Unerwünschtsein überhaupt soll demonstriert werden. Das Abriegeln ganzer Quartiere mit Personenkontrollen, keiner kommt rein, keiner geht raus, soll die Tatkraft der Ordnungskräfte unter Beweis stellen. Dazu gehören auch das martialische Auftreten von Polizei und Ordnungskräften und das öffentlichkeitswirksame Zelebrieren von Durchsuchungen mutmaßlicher Dealer.
Endlich können die Angestellten des Ordnungsamtes mit gestelzter Brust durch die Nordstadt gehen. Ihre neue Uniform haben sie bei der Polizei abgeschaut. Sie soll sie ernsthafter und gefährlicher erscheinen lassen. Die grünen Barette und das weiße Hemd waren doch viel zu freundlich. Freundlich wurden die AGH-Ordnungsamtsleute noch „Rotkäppchen“ genannt.
Regeln einhalten
Es gibt immer wieder Schwerpunkteinsätze der Ordnungs- und Polizeikräfte in der Nordstadt mit besonderem Fokus auf dem Nordmarkt und die nähere Umgebung. Als Gründe dafür werden genannt, dass nach „überwiegend regelkonformen Verhalten“ der unterschiedlichen Nutzergruppen (Drogenkonsumenten, Alkohol trinkende Menschen, Zuwanderer aus Südosteuropa) das „Verhalten sich zunehmend verschlechtert“ hätte.
Bei so viel Bemühen, um eine Verhaltensänderung herbei zu führen und die vollkommene Rückendeckung durch die Politik, schießen die Ordnungskräfte schnell über ihr gesetztes Ziel hinaus.
Da schaukeln sich Stresssituationen zwischen Ordnungskräften und alten Menschen hoch zu einem Katz- und Mausspiel, wie das Beispiel der 78 –jährigen Frau zeigt, der förmlich aufgelauert wurde, um ihr immer wieder Ordnungswidrigkeiten vorzuwerfen, die da lauten: einen Hund verbotswidrig unangeleint ausgeführt zu haben, z.B. Kassenzeichen 5414301_ _ mit 48,50 € und Kassenzeichen 5450317_ _ mit 73,50 €. Ihr 16 Jahre alter Hund, alterserlahmt, war jedes Mal ohne Leine hinter der Frau zu ihrer Stammsitzbank auf dem Spielplatz hinter ihr her getrottet. Als sie das Tier einige Zeit später ordnungsgemäß angeleint auf dem Bürgersteig führte, wurde dem Hund vorgeworfen, einen Unfall verursacht zu haben und ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 € (Kassenzeichen 2260055_ _) auferlegt. Der Grund: Sie hatte gegen die Ordnungsverfügung verstoßen, „ihren Hund mit mehr als die erlaubte 1,50 m Leinenlänge geführt zu haben, so dass der Hund ca. 3 Meter in Richtung Straße laufen konnte.“ Die Frau befindet sich im Insolvenzverfahren und muss ihre kleine Altersrente mit der Grundsicherung aufstocken.
Um die angeblichen Regelverstöße auf dem Nordmarkt zu unterbinden, kann der Nordstadtbewohner beobachten, wie Ordnungskräfte mit Hinweis-Tafeln auf rumänisch und bulgarisch ausgestattet über den Platz laufen. Falls die Angesprochenen des Lesens nicht mächtig sind, zücken sie Piktogramm-Tafeln. Die Darstellung von sich in der Öffentlichkeit entleerenden Menschen ist entwürdigend. So wird Vieh dargestellt. Menschen in der Nordstadt braucht man angeblich nicht würdevoll und anständig zu behandeln.
Selbst auf den Bürgersteigen wurden Platzverweise ausgesprochen. Die Personenansammlungen auf den Gehwegen der Mallinckrodtstraße wurden durch die Ordnungskräfte aufgelöst. Fußgänger aus den schrittfahrenden Bullis der Ordnungskräfte angesprochen und gemaßregelt und junge Migranten Personenkontrollen unterworfen, denen eine öffentlichkeitswirksame Körperdurchsuchung vorausging. Was hatten die Jungen verbrochen? Sie sind schneller als üblich gegangen – also scheinbar geflüchtet.
Vom Kampf den Drogen zum Kampf gegen „Dealer und Junkies“
Nachdem vor einigen Jahren schon die Abhängigen aus der Innenstadt verdrängt wurden und sich nicht mehr öffentlich treffen können, da ihr letzter Treffpunkt auf dem Nordmarkt systematisch zerschlagen wurde, sind viele von ihnen völlig aus dem öffentlichen Bild verschwunden. Sie mussten sich dem Verfolgungsdruck beugen. Kommt es zu größeren Ansammlungen wie manchmal auf dem Nordmarkt, dem Schleswiger Platz oder der Heroldwiese, wird sofort der Verfolgungsdruck wieder erhöht. Die Menschen sind dann den Drogenfahndern und Strafverfolgern mit den immer neuen Grundrechte einschränkenden Fahndungsmethoden, die das Betäubungsmittelgesetz und die Rechtsprechung mehr oder weniger bieten, ausgesetzt.
Schon seit einigen Jahren ist man in der Dortmunder Nordstadt nicht mehr im „Kampf den Drogen“, sondern kämpft jetzt angeblich gegen die Dealer und die Drogenkriminalität.
Laut WAZ will auch der Erste Polizeihauptkommissar in der Nordstadt, Detlef Rath, dem Drogenhandel den Nährboden entziehen. Das allerdings nicht allein durch die Polizei, sondern in einem Verbund aus Bürgern, Stadt, Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei. Die Kooperation mit der Stadt funktioniere in diesem Bereich sehr gut, sagt er. Zu einer besseren Kooperation hätten zweifelsohne auch die Ordnungspartnerschaften zwischen Stadt und Polizei beigetragen. Bei der Polizei seien nun die verschiedenen Kommissariate und Einheiten besser vernetzt, wie die Mitarbeiter der Wache Nord, der Schwerpunkteinheit Nordstadt, zivilen Einsatztrupps und den Beamten des Rauschgiftkommissariates. Stadt und Polizei gingen gemeinsam vor, nutzen repressive Maßnahmen der Polizei parallel zu ordnungsrechtlichen-, baurechtlichen und gewerberechtlichen Maßnahmen der Stadt.
Die Stadt Dortmund lässt stolz verlauten: „Auch wenn die städtischen Einsatzkräfte in der strafrechtlich relevanten Bekämpfung von Drogenkriminalität keine Eingriffsbefugnisse haben, so unterstützen sie im Rahmen der Ordnungspartnerschaft dennoch die wichtige Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft. Ordnungspartnerschaft und Task Force Nordstadt – ein Erfolgsmodell. Die Task Force Nordstadt war 2013 in über 25.000 Einzelfällen aktiv.“
Den Verbund Bürger und Polizei haben einige Bewohner der Nordstadt wohl zu wörtlich genommen, z.B. schießt die stadtteilbekannte Oma öfter mal übers Ziel hinaus oder im Stil der Selbstjustiz wird mit einer Plakataktion ein mutmaßlicher Dealer in die Öffentlichkeit gezogen. Vor allem aber die sicherheitspolitische Offensive von Polizei und Stadt Dortmund nach dem Zuzug von Menschen aus Osteuropa in Verbindung mit den Möglichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes bei der „Bekämpfung der Drogenkriminalität“ haben mittlerweile die Bewohner der Nordstadt unter Generalverdacht gestellt.
Wie der Kampf gegen Dealer und Drogenkriminalität für den einzelnen Menschen aussehen kann
Im März 2014 gegen 21.00 Uhr taucht in der Münsterstraße in Höhe des „Nordpol“ ein bulliger junger Mann mit Hooligan-Outfit auf, wirft sich unvermittelt auf einen jungen schwarzen Mann und schlägt ihn zu Boden.
Drei junge Leute mischen sich ein und wollen dem Überfallenden helfen. Da gibt der Angreifer sich als Zivilpolizist aus und eine junge Frau, die sich ebenfalls als Zivilpolizist ausgibt, kommt dazu. Der junge Mann am Boden wird weiter geschlagen und dann verhaftet.
Die drei jungen Leute, die dem Opfer helfen wollten, fahren zum Polizeipräsidium, um eine Anzeige gegen den Zivilpolizisten zu stellen. Während die Anzeige aufgenommen wird, bimmelt das Telefon im Polizeipräsidium. aufgegeben wurde. Er soll sich in einen Konflikt zwischen dem schwarzen jungen Mann und Zivilpolizisten eingemischt haben und versucht haben, den Verhafteten zu befreien.
Gegen den jungen Mann, der der Gefangenenbefreiung angezeigt war, wurde im November 2014 verhandelt. Er wurde freigesprochen. Der Richter und der Staatsanwalt lobten ihn noch für seine mutige und uneigennützige Hilfe für das Opfer dieser Polizeiaktion.
Das Verfahren gegen den prügelnden Zivilpolizisten wurde schon vorher eingestellt!
Kampf der Prostitution
Stolz präsentiert die Rechtsdezernentin Diane Jägers im Dezember 2014 den Medien die erfolgreiche Arbeit der „Task Force Nordstadt“. Nach dem die Sperrbezirksverordnung seit Mai 2011 gilt, wurden 600 Anzeigen gegen Prostituierte, die ihren Drogenkonsum so finanzieren müssen, ausgesprochen – einzelne Frauen erhielten mehr als 20 Anzeigen. Im Verbund mit typischen Drogendelikten wurden mehre Frauen zu Haftstrafen von mehreren Monaten bis hin zu vier Jahren verurteilt.
Aktuell sind mindestens 13 Frauen, die als Prostituierte arbeiteten, in Haft.
Wer so etwas stolz bilanziert und als Erfolg verkauft, hat in seinem Leben rein gar nichts begriffen. So ein Mensch ist für einen Dezernentenposten schlichtweg ungeeignet.
Und wenn dann die Beratungsstelle Kober mal zu viel Partei für die Frauen auf der Straße ergreift, wird sie abgestraft. An die Fleischtöpfe der öffentlichen Förderung darf sie dann nicht heran – in dieser Runde bekommt eben die evangelische, angepasste Konkurrenz mehr Geld als sonst und alles ist gut.
Neue Fahndungs- und Überwachungsmethoden in Dortmund
Die praktische Handhabe des Betäubungsmittelgesetzes bietet den Strafverfolgern mittlerweile eine Vielzahl von erlaubten und nicht erlaubten Mitteln, wie Funkzellen-Auswertungen, elektronische Auswertung von Datenströmen, Trojanereinschleusung, Zugriff auf ausländische Server, Handy-Überwachungen, Bewegungsbilder, Wanzeneinsatz, Positionsbestimmung per GPS, IMSI-Catcher (Geräte zum Auslesen von Handys), Observationen, Innenraum-Überwachungen, heimliche Durchsuchungen, Strukturermittlungsverfahren, Video-Überwachungen, Finanzermittlungen, Verfallsanordnungen von Geld und Wertsachen, Einsatz von V-Leuten, vorgefertigte Sperrerklärungen zur Aktenunterdrückung und vieles mehr. Hierbei sind nicht mehr die Staatsanwälte und Richter die Herren des Verfahrens, sondern der Zoll und die Polizei. Bei ihren konspirativen Aktionen entziehen sie sich weitgehend der Kontrolle. Die „Bekämpfung der Drogenkriminalität“ rechtfertigt für sie all das, was sie machen und wie sie es machen.
Im Juni 2014 wurde bekannt, dass die Überwachung mit „stiller SMS“ erheblich zugenommen hat. Dortmund ist Spitzenreiter in NRW: Unglaubliche, knapp 30 000 mal wurde diese umstrittene Methode in Dortmund im Jahr 2013 angewandt – wie viele Handy- Anschlüsse damit erreicht wurden, liegt im Dunkeln. Weder das Innenministerium in Düsseldorf noch der Polizeipräsident in Dortmund äußern sich dazu. Die Partei Piraten in Dortmund geht nach einer großen Anfrage allerdings davon aus, dass vom Polizeipräsidium Dortmund vom 01.01. bis zum 20.03.2014 allein 20 512 „stille SMS“ entsandt wurden.
Wie funktioniert das: Die Handynummer des Überwachten reicht aus, an diese Handy eine SMS zu senden. Der Empfänger bekommt davon nichts mit, das Handy zeigt nämlich nichts an, aber es nimmt Kontakt zur nächsten Funkzelle auf – so ist dann ganz präzise der Standort bestimmt.
Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen und zwar eine Bilanz von der rechtsstaatlichen Art.
Es muss dringend mal genau geprüft werden, inwieweit das Vorgehen gegen Bürger der Nordstadt mit Recht und Gesetz, mit der Verhältnismäßigkeit, sowie mit der aktuellen Rechtsprechung überhaupt in Einklang zu bringen ist.
So eine Bilanz könnte Frau Jägers aufgrund ihrer Ausbildung (Zweites Juristisches Staatsexamen) doch mal abliefern.
Aber lieber droht sie schon mal prophylaktisch: Sollte sich die Situation wieder zuspitzen, dann wird sie den Bauwagen wieder einsetzen!
Mehr Infos Artikel: Drogentote in Dortmund https://gewerkschaftsforum.de/mehr-drogentote-in-dortmund-das-betaeubungsmitttelgesetz-ist-das-problem/
Quellen: WAZ; Bürgerfunk
Bild: privat