Bundesarbeitsgericht urteilt: Ausschlussfrist oft hinfällig – hohe Nachforderungen möglich – indirekte Folge des Mindestlohngesetzes

Günstig für viele Beschäftigte: Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und demnach auch der gesetzliche Mindestlohn nach einer bestimmten Frist verfallen, ist komplett rechtsunwirksam – jedenfalls  dann, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 abgeschlossen worden ist.

Komplett rechtsunwirksam

So hat es im September 2018 der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden. Es ging um einen Fußbodenleger, dem nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb die Urlaubsabgeltung in Höhe von 1687,20 Euro vorenthalten worden war, weil er sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht habe. Die Erfurter Richter/innen argumentierten, diese Ausschlussklausel verstoße gegen Paragraf 307 Abs.1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), demzufolge solche Bestimmungen nämlich „klar und verständlich“ sein müssen.

Und das sind sie laut BAG nicht, wenn sie pauschal alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit – stillschweigend – auch den Mindestlohn umfassen. Denn letzteres Ist wiederum nach Paragraf 3 Satz1 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) unzulässig: „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“

Nach der vorliegenden BAG-Entscheidung gilt:

  • Hinfällig sind alle Verfallsklauseln, die nicht klarstellen, dass jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn unverfallbar ist.
  • Stattdessen gilt Paragraf 195 des BGB: „Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.”
  • Betroffen sind praktisch alle Ansprüche (nicht nur der auf den Mindestlohn) aus allen Arbeitsverträgen, die nach dem 31. Dezember 2014 abgeschlossen worden sind, seien sie bereits beendet oder noch in Kraft.

Das Unternehmer-Magazin „Wirtschaftswoche“ sieht mit der  höchst Richterlichen  Entscheidung „hohe Nachforderungen“ auf die Arbeitgeber zukommen und zitiert einen Fachanwalt für Arbeitsrecht: „Das Urteil ist ein Erdbeben.“ Weiter: „Die allerwenigsten unmittelbar nach Einführung des Mindestlohngesetzes geschlossenen Arbeitsverträge dürften eine wirksame Ausschlussfrist enthalten.“

Forderungen geltend machen

In der Tat besteht jetzt–auch nach Auffassung des DGB-Rechtsschutzes (www.dgb-rechtsschutz.de) – für Arbeitnehmer/innen die Möglichkeit, „etwaig noch offene Forderungen gegenüber ihren früheren Arbeitgebern zu verfolgen“. Aber auch in bestehenden Arbeitsverhältnissen dürften–unter den genannten Voraussetzungen–Ansprüche aus früheren Jahren gerichtlich durchsetzbar sein, die bereits geltend gemacht sind oder noch werden. Ansprüche aus dem Jahre 2015 verjähren nach demerwähntenParagrafen195BGB allerdings mit dem 31. Dezember 2018. Aktenzeichen: 9 AZR 162/18

 

 

Quelle: ver.di News http://www.verdi-news.de/wp-content/uploads/2018/10/14_2018_news.pdf

Bild: dgb.de