Das mafiöse ISB Sozialgewerbegeflecht – die Blaupause für die Privatisierung von Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktbereichen in der Kommune

Seit den 1980er Jahren sind in Dortmund aufgrund der hohen Zahl der erwerbslosen Menschen eine Reihe von Initiativen, Gruppen, Vereinen und Körperschaften entstanden, die in dem sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bereich eine immer größere Rolle spielen, denen aber in der Regel die demokratische Legitimation und gesellschaftliche Kontrolle fehlen. So eine Konstruktion ist in Dortmund das Sozialgewerbegeflecht, die Interessengemeinschaft Sozialgewerblicher Beschäftigungsinitiativen – ISB eV.

Immer öfter hat die Stadt Dortmund den ISB-Mitgliedern Aufgaben übertragen, zuletzt noch die Koordination der komplementären Schulsozialarbeit, die nach dem herbei geredeten und medial verbreiteten Gespenst von der Gewalt an Schulen rasch aufgebaut wurde, flankiert durch die Geldmittel aus dem völlig gefloppten „Bildungsteilhabepaket“ aus dem Hartz IV Bereich.

Dieses Vorgehen der Stadt Dortmund passt in den derzeitigen Trend der Politik, den Bildungsbereich zu privatisieren, private Inverstoren für den Wohnungsbau und die Stadtentwicklung anzulocken und gleichzeitig die kommunalen Dienstleistungen für die Bürger abzubauen. Begleitet wird das Ganze von den konzernnahen großen Stiftungen, wie der Bertelsmann Stiftung, die damit zeigen wollen, dass „Privat vor Staat“ vorgeblich effektiver für ein Gemeinwesen ist.

Das ISB-Geflecht in Dortmund bietet sich als Türöffner für die Privatisierung kommunaler Leistung förmlich an und ist schon viel weiter fortgeschritten, als mancher Beobachter wahr haben will.

In der Bundes- und der Landespolitik sowie in vielen Kommunen, wird derzeit intensiv an der Privatisierung von staatlichen Leistungen gearbeitet. Im Gegensatz zu den Autobahnprivatisierungen steht die Privatisierung im Bildungs-, Beschäftigungs- und Gesundheitsbereich nicht im Licht der Öffentlichkeit. Die aktuellen Entwicklungen zielen mit ihrem Vernetzungsaktionismus darauf ab, bereits vorhandene private Bildungsinstitutionen und -trägerschaften gleichberechtigt neben die öffentlichen Angebote zu stellen, die es teilweise schon gar nicht mehr gibt, weil öffentliche Angebote zugunsten privater massiv abgebaut worden sind.

Das Ziel solcher zunächst lokalen Aktionen ist wohl, dass die Bevölkerung sich daran gewöhnt, dass die Kostenstellen für die sozialen Bedürfnisse des Gemeinwesens entweder billig ins Ehrenamt abgeschoben oder von privatwirtschaftlichen Aktivitäten aufgefangen  und der privaten oder Gebührenfinanzierung und damit der Profitorientierung preisgegeben werden.

Dabei werden diese Bemühungen von den großen Stiftungen kräftig unterstützt, in Dortmund ist das vor allem die „Stiftung Soziale Stadt“ die munter mit Millionenbeträgen aus Öffentlichen Mitteln auch für sogenannte ÖPP – die Öffentlich Private Partnerschaften hochgepäppelt wird, ohne jegliche öffentliche Kontrolle.

Für die praktische Umsetzung bietet sich die Interessengemeinschaft Sozialgewerblicher Beschäftigungsinitiativen – ISB eV. regelrecht an.

Die ISB e.V.

In den 1980er Jahren sind in Dortmund aufgrund der hohen Zahl der erwerbslosen und verarmten Menschen eine Reihe von Initiativen, Gruppen, Vereinen und Körperschaften entstanden die in dem sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bereich eine immer größere Rolle spielen, denen aber in der Regel die demokratische Legitimation und gesellschaftliche Kontrolle fehlen bzw. sie agieren davon abgehoben.

Die ISB-Gruppen zeichnen sich durch eine gute Vernetzung bzw. Abschottung nach innen und eine nicht hinterfragte finanzielle Förderung staatlicher Stellen, mit eigener Dynamik, aus und in der Regel werden für die Beschäftigten kaum Arbeitsrechte und –schutzrechte, geschweige denn Mitbestimmgsmöglichkeiten eingeräumt.

Meist aus kleinen Initiativen oder Vereinen entstanden, haben sie sich z.B. in der nördlichen Innenstadt, in die sehr viele Fördermittel fließen, ausgebreitet und einige sind dort neben den Wohlfahrtsverbänden zu großen Sozialkonzernen mit ausgegründeten Unterbetrieben geworden.

Im Jahr 1991 haben sich diese selbsternannten Dortmunder Bildungs- und Beschäftigungsträger als Interessengemeinschaft sozialgewerblicher Beschäftigungsinitiativen (ISB) zusammengeschlossen

Seit Beginn des Jahres 2002 arbeitet die Trägerkooperation in der Rechtsform als eingetragener Verein (e.V.).

Zurzeit gehören der ISB diese Kooperationspartner an:

  • Akoplan – Institut für soziale und ökologische Planung e.V.
  • Arbeitslosenzentrum Dortmund e. V. (ALZ)
  • Caritasverband Dortmund e.V.
  • Christliches Jugenddorf e. V., Dortmund (CJD)
  • Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Dortmund e.V.
  • Diakonisches Werk Dortmund und Lünen gGmbH
  • Dortmunder Bildungs-, Entwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH (dobeq)
  • EWEDO GmbH Dortmund
  • Entwicklungszentrum Dortmund (EWZ)
  • Frauenzentrum Huckarde 1980 e. V.
  • GAD Gesellschaft für Arbeit und soziale Dienstleistungen mbH
  • gGID Gemeinnützige Gesellschaft für interkulturelle Dienstleistungen mbH
  • GrünBau gGmbH
  • IN VIA Dortmund e.V. – Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit
  • Multikulturelles Forum e.V.
  • GEWERKSTATT Gemeinnützige Gesellschaft für berufsbezogene Bildung mbH
  • Stadtteil-Schule Dortmund e. V.
  • Verein zur Förderung interkulturellen Zusammenlebens e.V., Projekt Deutsch lernen (pdL)
  • Werkhof Projekt gGmbH

Zu den Aufgaben, Partnern und Kunden heißt es im Selbstverständnis der ISB:

Die Aufgaben:Die ISB-Mitgliedsorganisationen bieten im Rahmen der regionalen Arbeitsmarktpolitik eine Vielfalt von Beratungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsangeboten an. Durch berufliche Qualifizierung, begleitet von Maßnahmen der persönlichen Stabilisierung, wird die Integration der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Arbeitsmarkt nachhaltig unterstützt.

Die Angebote der ISB – Mitgliedsorganisationen richten sich an:

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  • Arbeitslose und Langzeitarbeitslose
  • Jugendliche
  • Schülerinnen und Schüler
  • Migrantinnen und Migranten
  • Flüchtlinge
  • gesundheitlich beeinträchtigte Menschen
  • Berufsrückkehrerinnen nach der Familienphase
  • Kleine und mittlere Betriebe (KMU)


Die Mitgliedsorganisationen der ISB entwickeln Bildungs- und Qualifizierungsangebote für unterschiedliche Berufsfelder. Dies sind u.a.:

  • Kaufmännisch-verwaltender Bereich,
  • Handel, Lager, Logistik
  • IT, MINT-Berufe
  • Dienstleistungsbereiche (wie Pflege, Gastronomie, Umweltservice, haushaltsnahe Dienstleistungen),
  • Garten- und Landschaftsbau, ökologischer Gemüsebau,
  • Handwerk und Industrie.


Darüber hinaus bieten ISB-Mitgliedsorganisationen Beratungsleistungen für unterschiedliche Zielgruppen und Organisationen an.

Partner und Kunden:

Bei der Planung und Umsetzung der Angebote arbeiten die ISB e. V. und seine Mitgliedsorganisationen mit folgenden anderen arbeitsmarktrelevanten Institutionen zusammen:

  • Agentur für Arbeit Dortmund,
  • Jobcenter Dortmund,
  • Stadt Dortmund (Sozialamt, Jugendamt, Regionales Bildungsbüro, Stadterneuerung, andere Fachämter),
  • Wirtschaftsförderung Dortmund
  • Kammern und Innungen,
  • Betriebe und Schulen“

Das Leistungsspektrum der ISB hat sich analog der zunehmenden Verarmung, einem sehr hohen Sockel an langzeitarbeitslosen Menschen, hoher Überschuldungsquote, Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsnot und damit einhergehenden Aufstockung der Fördermittel immens vergrößert. Einen gewaltigen Schub gab dem Ganzen die Umsetzung der Hartz-Gesetzgebung bei der die Jobcenter Maßnahmeträger für die „Eingliederungsprogramme“ in den ersten Arbeitsmarkt oder für Arbeitsgelegenheit bzw. 1 Euro-Jobs benötigten.

Im Laufe der Zeit ist eine eigenständige, aufblühende Förderlandschaft entstanden, die sich in Dortmund so darstellte:

Die Förderlandschaft:

In den vergangenen Jahren wurden ganze Förderketten geschmiedet und Unsummen in Aktivitäten wie z.B.

  • Arbeitsgelegenheiten (AGH),
  • Bürgerarbeit,
  • Jobperspektiven,
  • DOGELA,
  • besondere Förderung von Schwerbehinderten und Rehabilitanden, ältere Menschen und Migranten,
  • Förderung der beruflichen Weiterbildung (FdW),
  • Minijobprojekt,

und

die finanzielle Beteiligung an Integrationsbetrieben gesteckt.

 

Für die Arbeitgeber/Maßnahmeträger sind besonders attraktiv die Programme wie z.B.

  • Öffentlich geförderte Beschäftigung (ÖGB – Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent für maximal 24 Monate)
  • Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV – Zuschuss zwischen 50 -75 Prozent des Arbeitsentgeltes, bei schwerbehinderten Menschen bis 100 Prozent, Dauer 12 Monate, Verlängerung möglich)
  • Eingliederungszuschüsse (EGZ – hier kann der monatliche Zuschuss für den Arbeitgeber bis zu 50 Prozent des Entgelts betragen und bis zu 12 Monaten gezahlt werden)
  • Einstiegsgeld (ESG – 75 Prozent des Regelsatzes nach § 20 SGB II mindestens 15 Wochenstunden sozialversicherungspflichtige Beschäftigung max. 6 Monate)
  • Maßnahmen bei einem Arbeitgeber (MAG – Übernahme der angemessenen Kosten für die Teilnahme und Weiterleistung von Arbeitslosengeld)

und aktuell die 100-prozentige Bezuschussung der Lohnkosten für die ersten 2 Jahre nach dem Teilhabechancengesetz.

Trotz dieses hohen Einsatzes ist die Langzeitarbeitslosigkeit in Dortmund das Problem überhaupt – auch wenn die offiziellen Zahlen etwas anderes sagen und jede prozentuale Änderung auf dem Arbeitsmarkt frenetisch beklatscht wird.

Beispiele für die Auswüchse der Förderungspraxis:

  • Es gibt Menschen in Dortmund, die seit Jahren immer noch unter besonderen „Vermittlungshemmnissen“ leiden. Sie haben seit 10 – 12 Jahren immer die gleiche Beschäftigung beim gleichen Maßnahme- bzw. Anstellungsträger. Sie haben auch alle Programme durchlaufen, wie z.B. die AGH/1Euro-Jobs, über AGH-Entgeltvariante, DOGELA und Jobperspektive und sind nun in der Öffentlich Geförderten Beschäftigung z.B. (FAV) gelandet. Flankiert wurden sie über den § 16 SGB 2 entschuldet. Vom ersten Arbeitsmarkt werden sie immer noch strikt ferngehalten, auch weil sie für die Maßnahmeträger gut eingearbeitete vollwertige Arbeitnehmer sind.
  • Der Einsatz der „Programmkräfte“ hat dazu geführt, dass der Maßnahme- bzw. Anstellungsträger Dienstleistungen für sich selbst nicht mehr bei Fremdfirmen mit tarifgerechten Entgelt einkaufen muss, sondern z.B. die Reinigungen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten durch die „Programmkräfte“ erledigen lässt.
  • Diese Menschen werden dann noch in privaten Haushalten eingesetzt, die dann für eine Stunde Reinigungsarbeit 17,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten, die Privathaushalte an den Maßnahme- bzw. Anstellungsträger zahlen müssen.
  • Wenn es der Betriebsablauf notwendig macht, werden bei den Arbeitsgelegenheiten auch mal Überstunden angeordnet, die dann großzügig mit 1,50 Euro in der Stunde vergütet werden.
  • Bei einigen Maßnahmen werden monatlich pro Teilnehmer bis zu 500 Euro „Regiekosten“ an die Maßnahme- bzw. Anstellungsträger gezahlt. Wer diese Summe pro Träger und Teilnehmer zusammenrechnet und dann noch schaut, wie viele „Regisseure“ in Wirklichkeit tätig sind, sieht, wie lukrative diese Förderketten sind.
  • Da wundert es nicht, dass es, wie in anderen Städten schon geschehen, den Beschäftigten der Arbeitsverwaltung in den Fingern juckt, selbst Maßnahmeträger werden und ihre Kontakte und ihr know how nutzen zu können.
  • Wenn die Zusätzlichkeit nach den etwas verschärften Kriterien nicht gegeben ist, müssen „Projektbezüge“ hergestellt werden.
  • Dann kann auch z.B. eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ für alle Gewerbe, die im Aktionsraum liegen, vom Einzelhandelsverband bereitgestellt und der Arbeitsverwaltung vorgelegt werden.
  • Oder in Läden in denen Ware verkauft wird, eine Erklärung abgegeben wird, dass nur an Bedürftige verkauft wird oder für eine Zeit lang Waren nicht mehr verkauft, sondern gegen eine Spende ausgegeben werden.
  • Wenn einmal einige geförderte Maßnahmen nicht anlaufen, kann man immer noch auf die Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) umschalten (Förderung durchschnittlich 65 Prozent).
  • Wenn es eng wird und alles nicht mehr gegenüber der Arbeitsverwaltung beeinflussbar ist, kann die Rettung eine Umwandlung des Ganzen in einen Integrationsbetrieb sein. Dass dieser Tipp nicht immer gut ist, wurde deutlich, als am 01.08.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Diakonischen Integrationsbetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gGmbH eröffnet (AZ: 255 IN 45/14) wurde. 34 Menschen, davon über die Hälfte mit Beeinträchtigungen, die in den „CAP-Märkten“ gearbeitet hatten, mussten entlassen werden. Die Folge von Missmanagement und vor allem mangelhafter Kontrolle der eigenen Aufsichtsgremien und öffentlicher Mittelgeber.
  • Einer jungen Frau wurde zur Arbeitsaufnahme noch kurz vor ihrem Insolvenzverfahren ein Kredit für die Anschaffung eines KFZ durch das Jobcenter gewährt, der Arbeitsplatz selbst wurde mit 75 Prozent Lohnkostenzuschuss gesponsert und der Arbeitgeber bestand frech auf das KFZ, weil die Frau als Vertreterin für Medizintechnik Arztpraxen anfahren musste – so etwas geben die Richtlinien für die freie Förderung her. Das Arbeitsverhältnis wurde nach 3 ½ Monaten beendet.
  • Da werden zweckgebundene öffentliche Personalmittel, wie für die Schuldner- und Insolvenzberatung bei den Anstellungsträgern in andere Kanäle gelenkt und die überschuldeten Menschen erhalten keine Beratung, da die voll ausfinanzierten Stellen nicht besetzt sind.
  • Das neue Teilhabechancengesetz macht die Träume der ISB-Branche  und der Leiharbeitsfirmen wahr. Sie können ab sofort einen Menschen für 24 Monate anstellen, sich die kompletten Lohnkosten vom Staat bezahlen lassen und das Geld, das sie für die Verleihung der Menschen erhalten, als Gewinn einstreichen. Der Mensch mit der geförderten Beschäftigung darf nicht mal kündigen, da ihm dann Sanktionen vom Jobcenter drohen.

Wen wundert es da, dass niemand so recht an der bisherigen Förderpraxis etwas ändern möchte und froh ist, dass diese Beschäftigten nicht auf den 1. Arbeitsmarkt abwandern können, da dort schlicht die Arbeitsplätze fehlen.

„Koop-kurenz“

Damit alles so weitergehen kann, haben sich die Maßnahme- und Anstellungsträger zur ISB  e.V. zusammengeschlossen. Die Mitglieder der Gemeinschaft haben vereinbart, dass sie sich der „Koop-kurrenz“, (bezeichnet die Dualität von Konkurrenz und Kooperation auf Märkten) in einer für alle Mitgliedsorganisationen zufriedenstellenden Weise widmen und sich schon in der Planungsphase bei neuen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung abstimmen.

Das Ganze scheint ein recht geschlossenes System zu sein.

Die Beschäftigten

Bei den Beschäftigten der ISB Kooperationspartner handelt es sich um eine bunte Schar von Angestellten bzw. Teilnehmern, deren Arbeitsverhältnis sich aus dem entsprechenden  Rechtskreise für die Anstellung ergibt. Derzeit sind es grob zwei Gruppen von Beschäftigten:

Die Maßnahme- und Programmteilnehmer:

Deren Beschäftigung gründet sich in den Maßnahmen und Programmen auf die Sozialgesetzgebung (SGB). Der Arbeitnehmerstatus gilt für sie nicht und für die Beschäftigten in Maßnahmen und Programmen gelten ebenso wenig Arbeitsschutzrechte geschweige denn Mitbestimmungsrechte. Sie können keine Vertretung wählen und das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit ist ihnen verwehrt. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 SGB II stellt unmissverständlich klar, dass z.B die zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen. Deshalb war in der Rechtsprechung bisher umstritten, welcher Rechtsnatur die Beziehung zwischen dem „Ein-Euro-Jobber“ und dem Dritten ist, der die Arbeitsgelegenheit anbietet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun ausdrücklich in einer Entscheidung noch einmal festgestellt, dass das Rechtsverhältnis zwischen einem Ein-Euro-Jobber und dem Dritten, bei dem die Tätigkeit erbracht wird, kein Arbeitsverhältnis ist, sondern vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur.

Die Angestellten der einzelnen Kooperationspartner:

Hier tummeln sich die Beschäftigten in allen derzeit möglichen Arbeitsverhältnissen, begonnen von Abrufarbeit, Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung, Zeitverträgen (auch programmgebunden) bis hin zu den gut dotierten frei ausgehandelten Managergehältern. Bis auf ein paar Ausnahmen, wie z.B. die AWO, wird den Gewerkschaften das Zutrittsrecht zum Betrieb verweigert und keine Tarifverhandlungen geführt. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Personalvertretungsgesetze finden keine Anwendung, sodass eine sachgerechte Interessenvertretung der Beschäftigte durch die Gewerkschaften nicht möglich ist, auch weil ihnen die Zutritts-, Werbe-, Informations-, und das Aushangrechte erst gar nicht gewährt werden. Die von den Gewerkschaften mühsam erkämpften Rechte und Regelungen wie Kündigungsschutz, Tarifverträge, festgelegtes Entgelt, Arbeitszeit, Arbeitszeitbestimmungen und Mitbestimmungsrechte fehlen dort zum Teil oder ganz.

Andauernden Verstößen gegen das Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetz sind so Tür und Tor geöffnet.

Die neuen Beschäftigungsverhältnisse auf dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ – Lizenz zum Gelddrucken

Das neue Teilhabechancengesetz ist seit Anfang 2019 in Kraft, der Geldregen bringt die ISB-Branche richtig in Schwung, es sieht im Einzelnen vor, dass

  • eine Dauer der Maßnahme von fünf Jahren oder auch eine kürzere Befristung mit optionaler einmaliger Verlängerung explizit erlaubt ist.
  • nach 5 Jahren keine Verpflichtung für die Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung, besteht und ein Großteil der Betroffenen wieder in den Hartz-IV-Bezug gehen wird.
  • der typische Arbeitsvertrag im Rahmen dieser Förderung voraussichtlich zunächst auf zwei Jahre angelegt sein wird und bei guter Führung und Leistung anschließend für drei Jahre verlängert werden kann.
  • es sich nur zum Teil um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Da keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhoben werden, ist am Ende nur der Hartz-IV-Bezug möglich und das Hartz IV-System greift wieder. Es braucht nicht Arbeitslosengeld 1 nach dem SGB III gezahlt werden und es fallen keine Vermittlungskosten an.
  • die Jobcenter zusammen mit den potentiellen Arbeitgebern entscheiden, welcher Mensch welche Stelle annehmen muss. Der Arbeitszwang seitens der Jobcenter steht dabei der Selbstbestimmung des Einzelnen entgegen.
  • ein Angebot nicht abgelehnt werden kann. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter.
  • der Mindestlohn, selbst in Vollzeit sind das etwa 1.550 Euro brutto, zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. Schon gar nicht kann man davon seine Familie ernähren
  • es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt und sich damit kein Arbeitsverhältnis begründet. So sind Verstöße gegen Arbeitsrechte und Arbeitsschutz vorprogrammiert.
  • dass im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in nicht zu vernachlässigendem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst würden.
  • Maßnahmeteilnehmer aus der Maßnahme durch die Arbeitsverwaltung abberufen werden können, z.B. für Bildungsmaßnahmen oder eine andere Arbeitsaufnahme

und dass die Beschäftigten immer noch unter der Knute der Jobcenter stehen. Da es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt, sind sie während der gesamten Laufzeit nicht nur ihren Unternehmen, sondern auch der „Betreuung“ durch die Jobcenter unterworfen.

Sanktionen können auch hier greifen

Im § 31 des SGB II wird unter dem Begriff „Pflichtverletzungen“ festgelegt, dass langzeitarbeitslose Menschen vom Jobcenter sanktioniert werden können, wenn sie z.B. eine Maßnahme nicht annehmen oder unterbrechen. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter. Dies kann dazu führen, dass die Menschen gar kein Einkommen mehr erhalten, je nachdem, wie viel Prozent laut Vorgaben vom laufenden Bezug gestrichen werden.

Das Gothaer Sozialgericht war bundesweit das erste Gericht, das die Frage aufgeworfen hat, ob die Sanktionsmöglichkeiten der Jobcenter mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Es fragt, ob auch neben der Verletzung der Gewährleistungspflicht des Existenzminimums und damit auch des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch Sanktionen berührt werden dürfen.

In der nächsten Zeit wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber entscheiden müssen, ob die Sanktionen im SGB II mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Sanktion ist immer Strafe und Legitimation zugleich. Einmal wird bestraft und zum anderen den Menschen gezeigt, dass der Staat dazu das Recht hat, dass er das tun darf. Ohne Sanktionen würde das Hartz-IV-System seine Effektivität und Abschreckung als Mittel zur Lohnsenkung verlieren.

Grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ausgehebelt

Die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ebenfalls berührt, wenn die Menschen gezwungen werden, jede Arbeit, Beschäftigung oder Maßnahme anzunehmen.

Der Aspekt der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit hat in den seit Jahren geführten Diskussionen um die Sanktionsmechanismen praktisch so gut wie nie eine Rolle gespielt.

Die Menschen, die im Hartz-IV-Bezug sind, stehen permanent unter Druck möglicher Sanktionen, weil jeder Vermittlungsvorschlag des Jobcenters ein „nicht ablehnbares Angebot“ sein kann. Die Freiheit der Berufswahl gibt es für sie nicht.

Es wird hierbei die SGB II Vorschrift des § 10 Abs. 2 angewandt. Danach ist einem erwerbslosen Menschen jede Arbeit zumutbar und er kann nur ausnahmsweise Arbeitsangebote ablehnen, z.B. nur, wegen besonderer körperlicher Anforderungen oder wegen der Gefährdung der Erziehung des Kindes. Ausdrücklich kein „Wichtiger Grund“ zur Ablehnung eines Vermittlungsangebots sollte sein, dass die „Arbeitsbedingungen ungünstiger“ als die Bedingungen des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses sind. Das ist der Hebel, mit dem man die Beschäftigten mit staatlichem Zwang in den Niedriglohnsektor drängt.

Staatlich subventionierte Leiharbeit

Neu beim Teilhabechancengesetz ist auch, dass Zeitarbeitsfirmen nicht als Förderberechtigte ausgeschlossen werden. Die Branche, die schon jetzt größter Abnehmer von langzeitarbeitslosen Menschen und Profiteur der Agenda 2010 ist, trommelt für das Gesetz am lautesten. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. bietet bereits Seminare an und plant eine Broschüre, um seinen Mitgliedern Anleitungen für das Ausschöpfen des neuen Fördertopfs an die Hand zu geben. Denn das neue Gesetz macht die Träume dieser Branche wahr. Sie können ab sofort einen Menschen für 24 Monate anstellen, sich die kompletten Lohnkosten vom Staat bezahlen lassen und das Geld, das sie für die Verleihung der Angestellten erhalten, als Gewinn einstreichen. Der Leiharbeiter darf nicht mal kündigen, da ihm dann Sanktionen vom Jobcenter drohen.

Coaching als Disziplinierung

Bisher war es so, dass die langzeitarbeitslosen Menschen systematisch vom ersten Arbeitsmarkt strikt ferngehalten wurden, auch weil sie für den Maßnahmeträger gut eingearbeitete vollwertige Arbeitnehmer sind und in den sogenannten Zweckbetrieben der Wohlfahrtsverbände und gemeinnützigen Unternehmen für Profit sorgten. Weil sie aber immer noch unter Vermittlungshemmnissen litten, mussten sie wieder in eine Maßnahme mit sozialpädagogischer Begleitung. So gibt es Menschen die in den vergangenen 14 Jahren Hartz IV-System nur in Maßnahmen beschäftigt waren, wegen ihrer Vermittlungshemmnisse.

Mit dem neuen Gesetz werden nun die Vermittlungshemmnisse innerhalb von 3 Monaten durch die Coaches behoben und die Menschen können dann sofort auf den ersten Arbeitsmarkt in den Niedriglohnsektor geworfen werden.

Weiterer Ausbau des Niedriglohnsektors mit Hilfe der ISB-Branche

Die Schaffung von voraussichtlich bis zu 800.000 zusätzlicher Beschäftigungs-/Maßnahme/- Arbeitsplätzen bundesweit, wird die Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen aller Beschäftigten beeinflussen. Sie wird eine Umschichtung in den Betrieben zur Folge haben und reguläre Stellen abbauen.  Die verbleibenden Beschäftigten werden zunehmend Ängste um ihren Arbeitsplatz entwickeln und leisten, wenn sie Glück haben, bezahlte Mehrarbeit. Dadurch verhindern sie Neueinstellungen und können ihre familiären und sozialen Beziehungen nicht mehr pflegen. Sie verzichten auf die notwendige Genesungszeit bei Krankheit, schädigen damit ihre Gesundheit und verursachen mehr Kosten für das Gesundheitssystem. Gesamtgesellschaftlich wird eine angstgetriebene Hoffnungslosigkeit erzeugt und die Konkurrenz bestimmt noch mehr den Alltag.

Immer mehr öffentliche und private Unternehmen ziehen sich weiter aus ihrer Verantwortung zur Schaffung von regulären Arbeitsplätzen zurück. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass eine bewusst erzeugte Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte forciert wird: mit Hinweis auf die leeren Kassen wird eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gefördert, notwendige Arbeiten durch Arbeitskräfte aus dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ erledigen zu lassen.

 

 

Quellen: SGB II, SGB II, konkret 4/19, Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.,waz, Quelle: Stadt Dortmund, WAZ, ISB e.V.

Bild: isb