Die Angst der Konzerne vor den aggressiven großen Fonds – die Vertreter der Spitzenfonds machen Druck

Für jeden normalen Menschen war es ein riesiger Widerspruch, auch altgedienten Gewerkschaftern trieb es die Zornesröte ins Gesicht, als der Vorstandsvorsitzende von Siemens im November 2017 ankündigte, 6.900 Stellen abzubauen, die Werke in Görlitz und Leipzig zu schließen und das bei einem gleichzeitigen aktuellen Rekordgewinn von 6,2 Milliarden Euro nach Steuern.
Für dieses scheinbar widersinnige Vorgehen ist der Unternehmenswert, nach dem das Unternehmen gehandelt wird, wichtiger als die Gewinnlage.
Wie auch bei anderen großen Unternehmen, kann auch bei Siemens die praktische Unternehmenspolitik nur unter der Fuchtel der riesigen Fonds gemacht werden.

Lange Zeit war der Einfluss der großen Vermögensverwaltungsfonds den meisten Menschen hierzulande nicht bekannt. Mittlerweile sind die Informationen über das Volumen der Kundengelder bei den Fondsgesellschaften, ihre Geschäftspraktiken, ihr Besitz bzw. Anteile an Banken, Versicherungen, Medienhäusern, Aktien- und Anleiheverwaltungen und Konzernen bekannt geworden.

Ihre Einflussmöglichkeiten in Politik und Gesellschaft sind riesengroß und sie konzentrieren mit einem Geflecht an Firmenbeteiligungen ein schockierendes Ausmaß ökonomischer Macht.

Es ist einfach beängstigend, was da abläuft.

In den 1960/70er Jahren war es noch so, dass die öffentlichen Banken mithilfe der Nationalbanken die Kapitalströme in die strategisch wichtigsten Sektoren der Wirtschaft leiteten. Sie richteten sich an den wirtschaftlichen Erfordernissen der Gesamtwirtschaft aus und unterstanden der Kontrolle durch die Öffentlichkeit.

Seit den 1980er Jahren werden die Finanzmärkte zunehmend liberalisiert. Die staatlichen Kontroll- und Steuerungsmechanismen sind systematisch zurückgedrängt worden, mit der Folge, dass am Ende dieses Prozesses private Monopole stehen, die mächtiger sind als jede Nationalbank vor 50 Jahren.

Die neu entstandenen Monopole orientieren sich ausschließlich am Profit. Unter Umgehung der Kartellgesetze machen sie ihre Milliardengeschäfte, ohne irgendwelchen Kontrollen zu unterliegen. Scheinbar unbegrenzt sprudelt das Kapital in die Fondsgesellschaften von vermögenden Individuen, Familien, Stiftungen, aber auch von sogenannten institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungen sowie die großen Staatsfonds der erdölexportierenden Länder.

Die Fondsgesellschaften betreiben einerseits Indexfonds, deren Firmenbeteiligung genau einen Börsenindex widerspiegeln, wie bei uns der DAX. Sie beschäftigen sich andererseits auch mit strategischen Investment, um in gewissen Branchen eine marktbeherrschende Position zu erhalten. So ein strategisches Investment ist z.B. die Übernahme des Chemiekonzerns Monsanto durch den deutschen Riesen Bayer. Für 59 Milliarden Dollar Kaufpreis soll der größte Agrarchemiekonzern der Welt entstehen. Bei diesem internationalen Spiel ist Vermögensverwaltungskrake BlackRock der Mehrheitseigentümer und zeigt hierbei, in welcher Liga er spielt.

Am Beispiel BlackRock wird die grenzenlose Macht der transatlantischen Finanzkonzerne deutlich. Diese Finanzkraken

  • agieren an den Börsen, deren Mehrheitseigner sie sind,
  • wirken in den Steueroasen, die sie vor dem Zugriff jeglicher Kontrolleure schützen,
  • hetzen Konzerne aufeinander, wobei sie bei beiden bestimmte Beteiligungen haben,
  • verdienen am Aufstieg von Unternehmen genauso wie an deren Zerschlagung,
  • erpressen ganze Staaten, nicht zuletzt durch die Arbeit der Ratingagenturen, an denen sie bestimmende Mehrheiten halten

und betreuen die Datenverwaltungssysteme von Staatsfonds und von 50 Zentralbanken.

Auch wenn die Beteiligung von BlackRock wie bei Siemens nur bei 5,93 Prozent liegt, ist  der Einfluss im Hintergrund, auch durch die internationale Vernetzung, enorm. Die großen Fonds nehmen mittlerweile direkten Einfluss auf die Geschäftsführung der Konzerne. Sie agieren dabei nicht nur über die Hauptversammlung und den Aufsichtsrat, sondern sie bestimmen oder befehlen gar, was gemacht werden soll. Zugunsten ihrer globalen Strategien und zulasten der kleineren Eigentümer und Anleger, der Beschäftigten und der Allgemeinheit. Die unglaublich hohen Gewinne und Renditen der großen Player, bei gleichzeitig Null-Zinsen für die kleinen Sparer, sind nur so zu erklären.

Die ehrliche Empörung darüber bei den Partei- und Gewerkschaftsmitgliedern erreicht aber in der Wirklichkeit nur die mittlere Organisationsebene. War es doch die rot-grüne Regierung, die im Jahr 2002 die Befreiung der beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen realisierten versteckten Gewinne von der Einkommensbesteuerung zu verantworten hat. Diese Steuerbefreiung hat es erst ermöglicht, dass auch die deutschen Unternehmen in die Portfolien der großen Investoren gelandet sind und diese so mächtig gemacht hat. Alle Regierungsparteien versichern zwar in Sonntagsreden diese „Steuerreform“ wieder zurückzunehmen, doch ist dieser Prozess mittlerweile unumkehrbar geworden.

Es ist geklärt, wer Koch und wer Kellner ist und wenn jemand aufmuckt, wird Druck ausgeübt.

Das bestätigt auch Siemens Vorstandsvorsitzender Kaeser, der auf  Spiegel Online Ende November 2017 sagte, das Wohl aller Beteiligten gehe über den Aktienwert, aber man müsse die Performance in Ordnung bringen, bevor man von aggressiven Investoren zu noch radikaleren Schritten gezwungen wird.

 

 

Quellen: Werner Rügemer, Alex Ockenfels, NachDenkseiten-Albrecht Müller, SpiegelOnline

 Bild: mdr.de