Tarifrunde Metall: Wohin geht der Weg?

Von Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften
Richtig schwer hat sich der Apparat der IG Metall getan, bis die Forderungen für die nächste Runde standen: Es soll nämlich nicht nur um mehr Geld gehen, sondern auch um kürzere Arbeitszeit.

Beschlossen wurde:
  • 6 Prozent mehr Entgelt
  • Arbeitszeiten, die zum Leben passen

Darunter ist zu verstehen, dass Beschäftigte zeitweilig auf eine 28-Stunden Woche wechseln und dann auf ihr „Normalarbeitsverhältnis“ zurückkehren dürfen.

Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit reduzieren, um Kinder unter 14 Jahren oder Pflegebedürftige zu betreuen, sollen einen Zuschuss von bis zu 200 Euro/Monat erhalten. SchichtarbeiterInnen und andere gesundheitlich besonders Belastete sollen bis 750,- Euro Zuschuss pro Jahr bekommen.

Allgemeine Arbeitszeitverkürzung ist in der IG Metall, die einst die 35 Stundenwoche mit einem 6-wöchigen Streik durchgesetzt hat, ein Tabu geworden. Die Spitzen der Gewerkschaft und die Betriebsräte sind so in Standortdenken verhaftet und um die Position der deutschen Metallindustrie im internationalen Wettbewerb bemüht, dass sie diesen Gedanken gar nicht zulassen. Es kamen Forderungen auf wie „5 Tage zusätzlich frei für alle“ – eine Forderung, die auf jeden Fall mobilisierungsfähiger gewesen wäre, da dies alle gleich bekommen hätten, und nicht nur besondere Beschäftigtengruppen.

Warum ist der Vorstand diesen Weg gegangen?

Das ganze Vorgehen lässt darauf schließen, dass der Führung klar war, dass sie irgendwann an dem Thema Arbeitszeitverkürzung nicht mehr vorbei kommt. Die Verträge sind seit Jahren kündbar. Will sie Ruhe an dieser Front, muss sie sie jetzt neu aushandeln und dann mit langer Laufzeit die Manteltarife zumachen, die die Arbeitszeiten regeln. Dazu hat sie sich eine Forderung ausgedacht, die dem Kapital nicht wirklich weh tut – so sehr sie jetzt auch heulen. Auch das gehört zum Ritual einer Tarifrunde.

Die Gefahr besteht, dass mit solch einem Vorgehen allgemeine Arbeitszeitverkürzungen für alle für lange Zeit nicht mehr eingefordert  werden können, da der Manteltarif nicht kündbar ist.

Ein Desaster, kommt doch mit der Digitalisierung und Industrie 4.0 eine Welle von Arbeitsplatzabbau auf uns zu. Nach unterschiedlichen Berechnungen sollen 40 bis 70 % aller Arbeitsplätze bedroht sein. Wollen wir einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern, wird dies nur über radikale Arbeitszeitverkürzungen möglich sein.

Ganz anders als die Arbeitszeitforderung wurde die Entgeltforderung sehr schnell durchgedrückt ohne viel Zeit zur Diskussion. Es ist jetzt schon zu befürchten, dass jeglicher „Erfolg“ bei der Arbeitszeit auf das Lohnergebnis angerechnet werden dürfte, das zugleich – wie zuletzt üblich – mit Laufzeit und mehreren Stufen so gestaltet werden dürfte, dass es kaum nachzurechnen geht.

Im Osten für die 35

Ebenfalls mit aufnehmen musste der Vorstand die Forderung aus dem Osten, die 35-Stunden-Woche endlich wieder anzugehen. Dort werden noch immer 38-Stunden pro Woche gearbeitet. Hier spielte sich eine Schlacht in der Gewerkschaft ab, und das dürfte der größte Erfolg der Basis innerhalb der IG Metall seit dem von unten erzwungen Streik in der Tarifrunde 2003 sein.

Während in Mecklenburg-Vorpommern als Teil des Bezirks Küste sowie Sachsen-Anhalt im Verbund mit Niedersachsen und Thüringen als Teil des Bezirks Mitte der Apparat die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung unterdrücken konnte, gelang dies im Tarifgebiet Berlin-Brandenburg-Sachsen (BBS) nicht. Gegen den Willen des vom Vorstand eingesetzten Bezirksleiters fassten die dortigen Gremien die entsprechenden Beschlüsse. Wo immer sie die Gelegenheit hatten, bei der Bundesvertrauensleutekonferenz oder der Arbeitszeitkonferenz, ergriffen VertreterInnen aus BBS das Wort.

Die Informationssperre des Vorstands – kein Wort in der „metall“-Zeitung, kein Wort in den Berichten der west-deutschen Bezirksleitungen an die Tarifkommissionen – konnte so durchbrochen werden.

Zwei Pfeile haben die Spitzen-BürokratInnen noch im Köcher, um den Kampf für diese Forderung zu unterlaufen:

       Ein schneller Abschluss: Die Laufzeit für die 38 Stunden in BBS endet ein halbes Jahr später als die Kündigungsfristen der Manteltarifverträge, die auch die Arbeitszeit regeln. Deren Kündigungsfristen hat die IG Metall jetzt gemeinsam mit Gesamtmetall noch harmonisiert – ausdrücklich ohne BBS. Ein schneller Abschluss ließe BBS allein im Regen stehen.

       Spaltung: Natürlich ist der Druck bei den Autoherstellern BMW, Porsche und VW höher als in anderen Betrieben im Osten. Jetzt lanciert der Vorstand eine „betriebliche Lösung“ bei der dortigen Arbeitszeit – und würde damit die Tarifeinheit zerstören, indem die kampfkräftigsten Belegschaften Verbesserungen erhalten und die anderen im Stich gelassen werden.

Beides gilt es zu verhindern.

Die Tarifrunde 2018 birgt durchaus politische Sprengkraft vor dem Hintergrund einer neuen Regierung und des Kampfes um die 35-Stundenwoche im Osten. Können wir im Osten Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen, kann dies Ausstrahlen auf andere Branchen und andere Bundesländer und neuen Schwung bringen in eine Bewegung für allgemeine Arbeitszeitverkürzungen – hin zur 30-Stundenwoche bei vollem Entgelt- und Personalausgleich.

 

Quelle: Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke, Nr 66

Bild: IGM