Eingenordeter Journalismus

Von Claus Stille

Der deutsche Journalismus ist – in meinen Augen jedenfalls – seit 2014 (Ukraine-Krise, Maidan-Putsch) gewaltig auf den Hund gekommen. Was Deutschland anbelangt arbeitet er längst nicht mehr im Sinne der vierten Gewalt. Wie immer und überall bestätigen Ausnahmen die Regel. Nun aber in zwei Jahren Corona-Krise ist anscheinend ein vorläufiger Tiefstand erreicht. Alle elektronischen Medien führen vom frühen Morgen bis tief in den Abend hinein Corona im Mund. Die Zeitungen stehen dem nicht nach. Da hilft nur Abschalten bzw. abbestellen. Alle Medien sind quasi als Regierungssprecher tätig. Das Corona-Regierungsnarrativ wird hoch und runter unkritisch nachgebetet. Doch damit nicht genug: Einzelne Medien stechen da noch übel heraus, indem sie die von der Regierung erlassenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung als zu lasch bezeichnen und eigene Vorschläge zur Verschlimmbesserung und ein härteres Kujonieren der Bevölkerung fordern und auf die Titelseiten knallen.

Ähnlich ging es bereits in der Ukraine-Berichterstattung vonstatten. Es zählte das Narrativ der Regierung. Das es oft an der Realität vorbeiging, interessierte den deutschen Journalismus nicht.

Damals konnte uns und erst recht heute kann uns das auf den Gedanken bringen, betreffs der Medien, des Journalismus finde eine Gleichschaltung statt. Oh, böses Wort! Negativ konnotiert. Weil an die Nazizeit erinnernd. Das darf man heute weder sagen, noch schreiben. Böse, böse!

Man muss es aber auch nicht benutzen. Denn da bin mir nämlich ziemlich sicher: eine solche Gleichschaltung findet auch gar nicht statt. Das funktioniert subtiler.

Gerade die Printmedien sind in unseren Tagen aus vielerlei Gründen klamm. Anzeigen sind weniger geworden. Und auch die Zahl der Abonnenten geht zurück. Der Weltenretter Bill Gates, der erstaunlicherweise als „Philanthrop“ durchgeht, rückt ausgewählten Medien über die Bill & Melinda Gates Stiftung schon einmal ein bissel Kohle rüber. Der SPIEGEL etwa erhielt von der Stiftung zweimal (2018 und 2021) über zwei Millionen Euro. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das bringt natürlich das einstige Nachrichtenmagazin, das mal versprochen hatte zu sagen, was ist und gerade seinen siebzigsten Geburtstag feiert, keineswegs dazu, im Gates Sinne zu publizieren.

Wie bereits erwähnt: das läuft subtiler. Das hat auch mit einem seit Jahren grassierendem „Haltungsjournalismus“ zu tun. Das läuft betreffs so mancher Themen. Der Journalist Boris Reitschuster, dem man offenbar übelnimmt, dass er kritischen Journalismus auch gegenüber der Regierung macht (wie es ja sein sollte im Sinne der vierten Gewalt) und den man gerade aus der Bundespressepressekonferenz versucht herauszukanten (momentan käme er ohnehin nicht herein, weil dort 2 G gilt) twitterte einmal: „“Haltungsjournalismus“: Die #ARD#Tagesschau dreht sich die neue Kriminalitätsstatistik dreist so zurecht, dass sie ihr ins ideologische Konzept passt: Alle Gefahr kommt von Rechts. Chronik einer ÖR-Hütchenspielerei auf Kosten von uns Gebührenzahlern“.

Andererseits üben sich Medien in vorauseilendem Gehorsam. Sie wollen halt die Guten sein. Schließlich geht es ja in der Corona-Pandemie um Gesundheit.

Doch, dass man Journalisten auch anders auf Linie bringen kann, zeigt und ein aufgetauchtes Skandalvideo. Am dritten Januar dieses Jahres berichtete der Journalist Norbert Häring darüber: Der CEO des wichtigsten Schweizer Zeitungsverlags, der auch einige internationale Zeitungen herausgibt, hat sich laut einem nun veröffentlichen Video vor 10 Monaten damit gerühmt, dass er veranlasst habe, dass alle Zeitungen der Gruppe die Corona-Politik der nationalen Regierung unterstützen. Sein Dementi ist schwach und schreckt vor Ad-hominem-Attacken nicht zurück.“ 

Lesen Sie den ganzen Beitrag von Häring und schauen Sie sich das Video unter diesem Text an: „Wie ein Medienkonzern seine Journalisten auf bedingungslose Unterstützung der Pandemie-Politik festgelegt hat“.

Der CEO des Medienkonzerns Ringier Marc Walder bemerkte im Rahmen der Gesprächsreihe „Inspirational Talk“ der Schweizerischen Management Gesellschaft, Thema war „Digitale Transformation“:

„Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen. Das mag Sie jetzt überraschen, aber ich will es an einem Beispiel festmachen. Auch die Blick-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter – und vielleicht sagen einige von Ihnen: ‹Ja, macht’s doch bitte, die schlafen alle, die packen’s nicht› – sein. (…) Das nützt im Moment niemandem etwas. Wir müssen versuchen, dass die Politik, ob sie jetzt genug schnell, genug hart, zu wenig hart usw. agiert, das Volk nicht verliert. Und hier dürfen die Medien nicht einen Keil treiben zwischen der Gesellschaft und der Regierung.“

Auch die NachDenkSeiten haben sich heute mit diesem Skandalvideo befasst. Tobias Riegel beschließt seinen Beitrag „Video: Wie man Journalisten auf Linie bringt“ so:

„Sind überhaupt extreme Ausnahme-Situationen denkbar, in denen eine Symbiose von Staat und Journalismus gerechtfertigt sein könnte, um ein höheres gesellschaftliches Gut zu sichern? Möglicherweise ja – aber die Corona-Pandemie ist keine solche Situation.

Viele Mainstream-Journalisten, vermutlich auch solche von Ringier-Medien, werden nun rufen: „In unseren Redaktionen findet eine inhaltliche Bevormundung nicht statt!“ Zahllose Medienbeiträge zeigen aber jeden Tag das Gegenteil. Diese Gleichförmigkeit bei zentralen Themen entsteht entweder nach der im Video beschriebenen „Ringier“-Methode – oder diese Methode ist wegen vorauseilendem Gehorsam vieler Journalisten gar nicht nötig. Beide Varianten sind beunruhigend.“

In der Tat ist das beunruhigend. Aber kann sich noch darüber wundern? Wie ich bereits eingangs meines Beitrags hier schrieb: Der Journalismus ist gewaltig auf den Hund gekommen. Was uns alle dazu veranlassen sollte, einen sauberen, kritischen Journalismus im Sinne der vierte Gewalt vehement einzufordern. Dieses Beispiel – sicher kein singuläres, wie zu vermuten steht – erklärt uns in gewisser Weise auch, warum so viele Medien seit zwei Jahren bereits in der Corona-Krise auffallend gleich tönen bzw. sich so viele Artikel in verschiedenen Zeitungen dermaßen frappierend gleichförmig lesen. Will sagen: dann haben wir es vermutlich mit eingenordeten Journalisten eingenordeter Medien zu tun. Und es läuft bei uns, sie auf eine Linie zu bringen. Da braucht es nicht einmal mehr eine „Reichs-Pressekammer„.

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien auf https://clausstille.blog/ und wird mit freundlicher Genehmigung des Autors hier gespiegelt.
Bild: mdr.de