In Dortmund wird Menschen mit Schulden der Zugang zu preiswerten Wohnungen systematisch verweigert

In Deutschland fehlen derzeit mindestens 4 Millionen Sozialwohnungen. Laut Deutscher Mieterbund wird bis Ende 2017 der Fehlbedarf um weitere 825.000 Sozialwohnungen steigen. Mittlerweile wohnen nur noch 9 Prozent der Mieter in Wohnungen von Genossenschaften oder Stiftungen. Der Sozialwohnungsbau in den Ländern ist faktisch zum Erliegen gekommen und für Finanzinvestoren lohnt sich der Aufkauf ganzer Pakete von Mietwohnungsbeständen, begleitet von den großzügigen Gewinnversprechen der Hedgefonds. In dieser Situation ist es fatal, dass die Wohnungsgesellschaften in Dortmund Wohnungssuchende ablehnen, weil sie Schulden und eine „schlechte Schufa“ haben.

Die Entwicklung des Wohnungsmarktes in den letzten Jahren ist dadurch gekennzeichnet, dass

·       beim Wohnungsneubau ein Tiefpunkt erreicht ist und der Bestand an Sozialwohnungen kontinuierlich um 100.000 Einheiten pro Jahr zurückgeht,

·       nach dem Boom des Wohnungsbaus zwischen 2005 und 2008 der Bund sich immer weiter  aus der Verantwortung für den Bau von Wohnungen zurückgezogen und mit der Förderalismusreform 2006 sie auf die Bundesländer abgewälzt hat,

·       die Bundesländer selbst ihre Kosten der Wohnungsraumförderung zwischen 2002 und 2010 von 2,5 Milliarden Euro auf 0,5 Milliarden Euro jährlich zurückgefahren haben,

·       mehr und mehr die Mittel für den Wohnungsbau in die Förderung von Wohneigentum umgeschichtet werden, so dass mittlerweile die Förderung des Erwerbs von bestehenden Wohnungen die Förderung von neu gebauten Wohnungen übersteigt,

·       ein Rückgang und ungenügender Ersatz der Sozialwohnungen im Jahr 2002 von 2,5 Millionen  auf 1,7 im Jahr 2010 zu verzeichnen ist,

·       bei Neuvermietungen die Miete zwischen 12 bis über 40 Prozent steigt,

·       seit Mitte der 1990er Jahre die Bauleistung rückläufig ist, mit rund 215.000 Baufertigstellungen im Jahr 2013 wird nur noch die Hälfte der notwendigen Einheiten gebaut,

·       die Förderung der Sozialwohnungen von 32.000 im Jahr 2010 auf 16.000 im Jahr 2012 verringert wurde, dabei müssten jährlich ca. 100.000 Mietsozialwohnungen fertiggestellt werden, um die Anzahl der Sozialwohnungen nicht weiter zu senken und besondere Bedarfe in benachteiligten Stadtteilen abzudecken,

·       von den rund 41 Millionen Wohnungen bundesweit nur rund 12 Prozent (also etwa 5 Millionen Wohnungen) im Besitz von sozialwirtschaftlich ausgerichteten Trägern sind, nur die Hälfte von ihnen  sind in kommunaler Trägerschaft,

·       die unteren 20 Prozent der Menschen, die ein Einkommen beziehen, mittlerweile über 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Miet- und Heizkosten verwenden müssen,

·       neben der ungenügenden Einkommensentwicklung und den steigenden Mieten der enorme Anstieg der Energiekosten die Wohnungsnot verschärft. Zwischen den Jahren 2005 und 2014 erhöhten sich die Kosten für Haushaltsenergie um 49 Prozent. Mittlerweile leben 2,9 Millionen Menschen in Haushalten, die zeitweise Energierückstände hatten und 1,6 Millionen, die bei der Mietzahlung ins Stocken geraten sind. Diese Menschen sind permanent von der Wohnungslosigkeit bedroht,

·       seit dem Jahr 2005 auch große, internationale Großinvestoren den Wohnungsmarkt in Deutschland für sich entdeckt haben und sich nicht mit den Mieteinnahmen begnügen, sondern sehr daran interessiert sind, Gebäude und Grundstücke weiterzuverkaufen, um die Renditeversprechen erfüllen zu können

und um ein Ansteigen der Wohnungsnot, vor allem in den Ballungsräumen, zu verhindern, als erste Maßnahme jährlich 100.000 Sozialwohnungen gebaut werden müssten.

 

Das Geschäft mit dem eigentlichen Grundrecht auf menschenwürdiges Wohnen wird deshalb immer rentabler, weil aufgrund der verfehlten Wohnungspolitik der vergangenen Jahre, die Nachfrage nach Wohnraum kräftig ansteigt. So hat sich die Bundesregierung aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen und sie den „freien Kräften des Marktes“ – hier des Wohnungsmarktes – überlassen. Große Teile des Wohnungsbestands der öffentlichen Hand sowie öffentlicher Unternehmen wurden privatisiert und von den neuen Eigentümern unter Finanzmarktaspekten optimiert.

Diese Vermieter sind nicht mehr auf die einkommensschwachen Menschen, Hartz-IV- oder Wohngeldbezieher angewiesen.

Die Verlierer sind vor allem diejenigen Menschen, die bislang auf den Schutz des Sozialstaates angewiesen waren. Doch genau in dieser Situation und in diesem Aufgabenbereich versagt er, ist mehr oder weniger nutzlos geworden und verschärft sogar noch das Wohnungsproblem. Das staatliche Korrektiv zum Markt ist zu dessen Spielball geworden.

Diese Entwicklung ist auch bei den Wohnungsgenossenschaften und gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften angekommen. Die folgenden zwei Beispiele zeigen, dass diejenigen Menschen, die überschuldet sind und durch eine Insolvenzverfahren sich rehabilitieren wollen, gerade von den Gesellschaften abgelehnt werden, die für sie ursprünglich mal gedacht waren.

  • Eine Frau, alleinerziehend, arbeitet Vollzeit und ist im Insolvenzverfahren. Der Spar- und Bauverein eG teil mit: „Wie wir erfahren haben, wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Wir nehmen vorerst von einer Neuvermietung an Sie Abstand und werden ihnen während der Wohlverhaltensphase keine Wohnung vermitteln“.
  • Ein Mann, vollzeitbeschäftigt, 3. Jahr im Insolvenzverfahren, die Dortmunder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH (DOGEWO 21) teil ihm mit, „dass keine Vertragsverhältnisse bei ´Schufa-Eintrag ` eingegangen werden, ebenso wird bei durchlaufendem Insolvenzverfahren gehandelt“.

Die DOGEWO 21 (16.000 Wohnungen in Dortmund) wurde1918 als Dortmunder Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft mbH ins Leben gerufen. In ihrem Selbstverständnis nennt sie heute als Ziel „minderbemittelten Personen und Familien zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten und errichteten Häusern zu billigen Preisen zu verschaffen“.

Die 1893 gegründete Spar- und Bauverein eG Dortmund (12.000 Wohnungen in Dortmund) als standortgebundene Wohnungsbaugenossenschaft wirbt noch heute mit dem Genossenschaftsgedanken: Sie lädt die zukünftigen Genossen herzlich ein, „die Vielfalt und Attraktivität genossenschaftlichen Wohnens zu entdecken, in den aktuellen Wohnungsangeboten zu stöbern und sich über alle Vorteile einer Wohnung und einer Mitgliedschaft in unserer Genossenschaft zu informieren. Als Genossenschaft stehen wir für urbanes Wohnen, das von lebendiger Nachbarschaft und sozialem Miteinander geprägt ist. Das Wohl unserer Mitglieder hat bei uns absolute Priorität. Wir bieten ihnen ein mitbestimmtes Dauerwohnrecht, zeitgemäßen Wohnkomfort zu moderaten Preisen und kontinuierliche Investitionen in Wohn- und Lebensqualität“.

Hier ist die Politik gefordert, die Wohnungsgesellschaften, die teilweise in städtischer Hand sind, mal auf die Finger zu hauen und die Interessen des ärmeren und verschuldeten Teils der Dortmunder Bevölkerung wahrzunehmen.

Oder gibt es in der örtlichen politischen Landschaft keine Interessenvertretung für diese Menschen mehr?

 

Quelle: DOGEWO, Spar- und Bauverein, Mieterverein , Bundesamt für Statistik, WAZ

Bild: Stadtmisssion Nürnberg