Militär, Staatsapparat und extreme Rechte

Von Ulrich Sander

Das Militär im kapitalistischen Deutschland hat stets mehr oder weniger Einfluss auf den Staatsapparat, das Sicherheitssystems und die Ideologiefabrikation ausgeübt. Es fungiert als Staat im Staate, Schule der Nation. Rudolf Augstein hat einmal die BRD als Gründung einer Armee plus Staatsapparat genannt, nicht eines Staates mit einer Armee. Militaristische Propagandisten loben die Bundeswehr als Instrument der Demokratie, den einzelnen Soldaten als Vertreter der „inneren Führung“ und Staatsbürger in Uniform – und bei „rechtsextremen Vorkommnissen“ handele es sich um Einzelfälle. In der „If – Zeitschrift für Innere Führung“ der Bundeswehr (4/17) wird „die Seele der Bundeswehr“ auf den „Geist von Himmerod“ zurückgeführt, der wirke „bis heute fort“. Das ist ein ungeschminktes Bekenntnis zur Bundeswehr als Fortsetzerin der faschistischen Wehrmacht.

Im Eifelkloster Himmerod formulierten im Oktober 1950 ehemalige Generäle Hitlers – im Auftrag des Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU), aber in Widerspruch zum Grundgesetz – eine geheime Denkschrift zur Aufstellung und Ausrüstung einer neuen Wehrmacht für die BRD. Sie sollte nur nicht so heißen. Die Generäle, die bald zu den militärischen Gründern der Bundeswehr werden sollten, stellten klar: Wir machen nur mit, wenn die Bestrafung ehemaliger SS- und Wehrmachtsangehöriger wegen ihrer Kriegsverbrechen aufhört und diese Männer wieder in die Armee aufgenommen werden, sie rehabilitiert werden. Nicht ein einziger Wehrmachtssoldat, der zur Bundeswehr kam, wurde wegen seiner Kriegsverbrechen verurteilt. Die Bundeswehr war und blieb ein Hort der Nazis und Neonazis, die Justiz bewahrte sie vor Ermittlungen und Bestrafung.

Noch heute gibt es Kasernen, deren Namen von der Wehrmacht hergeleitet sind. Der Bundeswehrverband hat einen Bildungswerk mit Namen „Karl-Theodor Molinari Stiftung“. Molinari war in Frankreich wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Das Todesurteil wurde nie aufgehoben.

Neonazis werben für den Dienst in der Truppe

Wie die Alten, so auch die Jungen. „Geh zur Bundeswehr oder Polizei“ heißt es in einem Neonazi-Aufruf: „ Junge „Kameraden und Kameradinnen“ in der Berufswahl sollten „eine Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei in Erwägung ziehen, mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen.“ Denn: „Widerstand, der auf die Beseitigung eines volksfeindlichen Systems zielt, muß professionell geplant sein.“ (lt. Steffen Hupka in der NPD-Jugendzeitschrift Umbruch aus dem Jahr 1995)

Der Aufruf war erfolgreich. Zahlreiche Anhänger des Neofaschismus, auch Nazischläger, gehörten der Bundeswehr an oder sind noch Mitglieder des Reservistenverbandes und Bundeswehrverbandes, ferner der Polizei. Zusätzlich formieren sie sich in halnlegalen „Vetreanenpools“ und Prepper-Gruppen (aus dem Englischen: to prepare, vorbereiten).

Der „Geist von Himmerod“ wehte auch über der Armee der Einheit. Der stellvertretende Chef der Bundeswehr Ost, General von Scheven, hatte am 3. Oktober 1990 in Strausberg NVA-Offizieren klargemacht, wo es lang geht in der bundesdeutschen Wehr: „Die Leistungsfähigkeit ihrer Soldaten und ihrer Waffen soll nach unserer Überzeugung nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht zurückstehen.” Genau 30 Jahre später sprach Heeresinspekteur General Alfons Mais Klartext: Das Heer müsse »kriegsbereit und siegesfähig« sein, das deutsche Militär müsse »letztendlich gewinnen können« (aus der Schrift: »Das Deutsche Heer im Lichte eingegangener Bündnisverpflichtungen“, Nov. 2020). Gesiegt werden soll auch mittels  bewaffneten Drohnen.

Auch die alten Strukturen soll es wieder geben, ergänzt durch ein neues Element. Gab es einst bei den Preußen das Marineministerium, das Heeresministerium und bei den Nazis auch noch das des Luftwaffenministers, so soll es nach Reformplänen auch bei der Bundeswehr eine Aufteilung in Organisationsbereiche Heer, Luftwaffe und Marine geben mit jeweils eigenem Sanitätswesen und Kommandostrukturen, ferner die neue Teilstreitkraft Cyber- und Informationstruppe CIR. Diese Teilstreitkraft wird gemeinsam von Bundeswehr und Polizei betrieben (lt. gemeinsamer Presseerklärung vom November 2020). Je ein Zentrales Führungskommando für das Ausland wie für das Inland soll geschaffen werden. General Mais sieht neben den vier Teilstreitkräften noch Aufgaben im Weltraum und bei hybriden Methoden der Kriegsführung. Zudem: Jährlich werden eintausend junge Menschen für den neuen „Heimatschutz“ angeworben, sie sollen nur ein Jahr dienen – doch sie bleiben einsatzbereite Reservisten.

Nach wie vor Vorbild: Die Naziwehrmacht

Die Bundeswehr marschierte in die DDR ein. Und so wie jede Behörde West zur Kolonialbehörde im Osten wurde, so wollte auch die West-Truppe nicht abseits stehen. Die Gebirgsjäger der Bundeswehr bestanden darauf, aus den Alpen (bis zu 2900 m ü. M.) ins Erzgebirge nach Schneeberg (470 m) herunter zu steigen. Schneeberg wurde dann oft im Zusammenhang mit „Vorkommnissen“ genannt. Chef war General Reinhard Günzel, der später das berüchtigte Kommando Spezialkräfte mit aufbaute und stets bemüht war, die Wehrmacht als vorbildlich zu preisen, besonders die NS-Spezialeinheit „Brandenburger“ mit ihren zahlreichen Kriegsverbrechern.

Das Kommando Spezialkräfte KSK wurde 1996 gegründet, vor allem, um die Polizeieinheit GSG 9 zu ersetzen, die 1977 von einem arabischen Terrorkommando entführte Deutsche befreite. In einem Prozess gegen einen Terrorverdächtigen KSK-Mann, der Unmengen von Waffen und Munition von Calw, dem Sitz des KSK in seinen heimischen Garten nach Sachsen verbracht, wurde kürzlich ein mildes Urteil gesprochen. Der Mann habe gestanden, wurde ihm zugebilligt. Weitere Munitionsdiebstähle in Größenordnungen wurden vom KSK-General Markus Kreitmayr ganz ohne Bestrafung geklärt. Die Diebe sollten ihr Diebesgut anonym zurückgeben, was wohl auch einige taten. Andere wohl nicht. Allein zwischen 2017 und 2020 wurden 26 KSK-Angehörige aus dem Kommando entfernt. 20 Verdachtsfälle, darunter Verdacht auf Rechtsterrorismus, waren im März 2021 noch unerledigt. (lt. Süddeutsche Z. vom 29. März 21)

Große Teile der Bundeswehr und ihrer Reservisten verkörpern aktuell ein reaktionäres militaristisches, ja ultrarechtes Netzwerk. Ein wichtiges Datum auf dem Weg dahin war der 17. Februar 2005. Da wurde des Nachts vom Bundestag das Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes beschlossen. Ohne mündliche Aussprache – und fast ohne Berichterstattung der Medien. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60 Jahre, inzwischen sogar auf 65 Jahre, bis zu dem Zeitsoldaten als Reservisten mobilisiert werden können. Reservistinnen und Reservisten werden in den Umbau – man sagt hier „Transformation“ – der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee aktiv einbezogen. Mit § 6c des Gesetzes wird der Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland geregelt. Er weist Reservistinnen und Reservisten entsprechende Aufgaben zu. Sie sind Teil einer zehn Millionen umfassenden Veteranenarmee, die bis zum Rentenalter zu den Fahnen gerufen werden kann und für ihr ganzes Leben Uniform tragen darf. Dies auch in der Deutschen Bahn, ohne zu zahlen. Wir erleben eine Militarisierung, eine Uniformierung der Öffentlichkeit, wie seit Kaisers und Hitlers Zeiten nicht mehr.

KSK-Kader auch außerhalb der Truppe aktiv

Besonders das Kommando Spezialkräfte (KSK) mit seinen 1.100 insgeheim wirkenden Soldaten kommt immer wieder in den Fokus, entweder, weil deren Schwerpunkt „Extremismusbekämpfung“ äußerst fragwürdig ist oder weil in den KSK-Reihen fast wöchentlich „Problemfälle“ auftreten, wie die Fälle von Naziaktivitäten in der Bundeswehr verharmlosend genannt werden. Wie in der Bundeswehr, so auch bei der Polizei sind rechte Kader aktiv. Besonders aus Hessen werden die Fälle gemeldet, so u.a. vom 1. Innenstadtpolizeirevier in Frankfurt am Main, wo sich eine rechtsextreme Watsapp-Gruppe gebildet hat, die Drohbriefe, so an Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwältin aus dem NSU-Prozess, versendet und rechte Bilder und Schmähschriften breit streut. Es wird nicht wirklich etwas dagegen seitens des Innenministers unternommen.

Die Basis all dieser geschilderten Geheimbünde sind die Reservistenverbände der Bundeswehr. Ferner die ZMZ-Strukturen.

Derzeit stehen KSK/Kommando Spezialkräfte, ZMZ/ Zivil- Militärische- Zusammenarbeit, SEK/Spezial-Einsatzkommandos und Bundespolizei im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit (oder sollten es stehen) der besorgten demokratischen Kräfte. Dazu gibt es viel Anlass: Sondereinsatzkommandos der Polizei mit militärischer Bewaffnung, Kommando Spezialkräfte, die im geheimen operieren und deren Mitglieder oftmals bei Beiseiteschaffen von Waffen und Munition, bei Aufstellung von Drohlisten, bei Beratungen in Chatgruppen über die Vorbereitung des Tages X enttarnt wurden. Und wer die Praxis der Zivilmilitärische Zusammenarbeit kennt, weiß zu beurteilen, wie Polizisten und Soldaten die Kenntnis von Daten erlangen, wie diese dann in „falsche“ Hände gelangen.

Zivil-Militärische Zusammenarbeit im ganzen Land

ZMZ und das dazu gehörige Konzept begünstigen die Herausbildung militärischer Kommandostrukturen im zivilen Bereich und neuer extrem rechter Formationen. Es waren die Feuerwehrleute und ihr Verband – nicht etwa die Gewerkschaften -, die bei der Formierung der je zwölf Offiziere und Unteroffiziere d.R. in 441 ZMZ-Kommandos in den Städten und Landkreisen warnten: „Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstruktur des Hauptverantwortlichen Beamten (HVB) ist zu beachten, dass die Bundeswehr zwar wertvolle Katastrophenhilfe leisten kann, jedoch keinesfalls Führungsfunktionen im Katastrophenschutz übernehmen darf.“ Noch deutlicher geht es gegen die Reservistenverbände: „Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstrukturen des jeweiligen HBV ist präzise zwischen der Funktion des ‚Beauftragten der Bundeswehr für die zivil-militärische Zusammenarbeit’ (BeaBwZMZ), welche durch einen Reservisten der Bundeswehr wahrgenommen wird, einerseits und den Reservistenverbänden andererseits zu unterscheiden. Eine Einbindung der Reservistenverbände (als ‚e.V.’) in die Gefahrenabwehr kann nicht in Betracht kommen.“

Inzwischen wurden umfassende Vorbereitungen zur Militarisierung in den Kommunen getroffen. Räume für einen Krisenstäbe unter Leitung der Bundeswehr wurden bereitgestellt. Bleibt die Frage: Wer zahlt das Alles. Wo lagern die Waffen der Reservisten?

Bundeswehr leistet „Amtshilfe“ für die Polizei und Gesundheitswesen

In größerem Umfang wurde ZMZ bekannt beim Einsatz bei sogenannten Großereignissen wie dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und dem Nato-Gipfel im Frühjahr 2009 in Kehl und Straßburg. In einer Antwort der Bundesregierung an den Bundestag schloss das Bundesverteidigungsministerium nicht aus, dass die ZMZ-Kommandos auch künftig bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Dies obliege allein den Landesbehörden. Selbst der Militäreinsatz anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird nicht ausgeschlossen – eine Entscheidung darüber sei „dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten“. Im Rahmen der Corona-Pandemie kamen die Bundeswehrkräfte ganz groß zum Einsatz; die halfen den Notstand zu überwinden, der im Gesundheitswesen entstand, weil falsche finanzielle Schwerpunktsetzungen für eine Schwächung der Krankenhäuser und eine Stärkung der Truppe gesorgt haben.

Ein bundesweiter NSU

Eng mit all dem verbunden: Die Inlandgeheimdienste namens „Verfassungsschutz“. Vorgesehen waren diese Einrichtungen beim Start der Republik mit ihrem Grundgesetz und den Länderverfassungen nicht. Aber Ex-NS-Geheimdienstchef Reinhold Gehlen setzte bei Adenauer die Schaffung des VS in Bund und Ländern und eines BND (Bundesnachrichtendienstes auf Bundesebene durch. Und diese Dienste halfen, den NSU zu vertuschen und seine Mitgliedszahl auf drei zu begrenzen – in den Akten jedenfalls.

Es besteht heute ein nationalsozialistischer Untergrund im Lande – im Wortsinne und ganz ohne Abkürzung NSU. Seine Bestandteile sind u.a. Strukturen aus rechten Terroristen, Prepper-Gruppen, Hannibal-Formationen und Nordsternbünden, ausgerüstet mit Munitionsdepots aus SEK- und Bundeswehrbeständen. Sie üben im Geheimen – und niemand wird ihrer Herr, so klagt man. Schießtrainings für Polizei-Einheiten aus mehreren Bundesländern und in- und ausländische Spezialkräfte werden durchgeführt.

Eine gut vernetzte extreme Rechte innerhalb des Staatsapparats ist entstanden. Die traditionellen Neo-Nazis werden gestärkt durch eine immer einflussreichere Entwicklung der AfD hin zum Rechtsextremismus. Und durch eine außerparlamentarische PEGIDA- und Querdenkerbewegung der Rechten. Während da und dort der parlamentarische Arm des rechten Spektrums geschwächt erscheint, sind wir konfrontiert mit einer bisher nicht gekannten rechten geheimen behördlichen und militärischen Struktur.

Rechte Netzwerke werden regelmäßig enttarnt – auch durch Behördenleitungen -, aber gewiss ist: Hierbei kann nur von der Spitze des berühmten Eisbergs gesprochen werden. Denn offen bleibt die Frage, was noch an Enthüllungen bevorsteht. Die staatlichen rechten Akteure nehmen zahlenmäßig und mit ihrem Einfluss zu. Das gilt besonders für Reservisten aus dem Kommando Spezialkräfte.

Prepper und Hannibal planen Verbrechen

Aufsehen erregte der Fall des Franco Albrecht, der als Bundeswehroffizier Anschläge vorbereitete, um diese den islamistischen Kreisen in die Schuhe zu schieben, was dann bürgerkriegsartige Zustände auslösen sollte.

Albrecht ist kein Einzelfall. Mitte November 2018 hatte ein Rechercheteam der „taz“ unter dem Titel „Hannibals Verein“ über ein Netzwerk vorwiegend aus Bundeswehrsoldaten berichtet, die sich angeblich auf einen „Tag X“ vorbereiten. Einer der Drahtzieher dieser Vernetzung, André S., ein ehemaliger KSK-Soldat (Kommando Spezialkräfte), nannte sich in den Gruppenchats „Hannibal“. André S. wirkt immer noch auf das KSK, auf die geheime Tötungsgruppe der Bundeswehr ein, er hat ein Netzwerk aufgebaut, den Verein „Uniter“ – und der wirkt ganz legal; ein e.V. mit Gemeinnützigkeitsstatus. Mitglieder sind Polizisten, Soldaten, Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die unter konspirativen Bedingungen einen Plan hegen: Wenn sie ein bestimmtes Signal sehen, wenn der „Tag X“ da ist, wollen sie zu den Waffen greifen. Sie reden auch über Erschießungen, ja auch das Wort „Endlösung“ soll gefallen sein, berichtete Otto Köhler in der Zeitschrift „Ossietzky“.

55.000 Patronen für den Tag X und Todeslisten wurden in Mecklenburg gefunden, und ein Ex-Elitepolizist stand deshalb in Schwerin vor Gericht. Er soll zur rechtsextremen Prepper-Gruppe Nordkreuz gehört haben. Auf den Todeslisten der Nazigruppe Nordkreuz sind 25.000 Frauen und Männer aufgeführt, die die Gruppe am Tag X beseitigen will. Ermittler fanden die Munition dafür beim Angeklagten in Kisten und Tresoren, sogar in der blauen Mülltonne vor seiner Tür. Er war Polizist im Spezialkommando SEK. Und mit ihm trainierten SEK-Polizisten aus NRW. Sie trainierten vor allem auf einer privaten Anlage in Güstrow. 500 bis 700 Schuss pro Mann und Tag seien dort normal gewesen, so der Angeklagte Marko G.

Eine rechtsextreme Bundestagsfraktion entstand

Wer vom Rechtsextremismus im Staatsapparat spricht, darf den Bundestag nicht unerwähnt lassen. Darin hat sich eine vertrauliche Bundeswehrfraktion gebildet – alles Mitglieder der AfD.

Darum geht es ihr: Die AfD will die Militarisierung der Gesellschaft vorantreiben, die Wehrpflicht möchte sie wieder einführen und ist offen für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren wie Äußeren. Die AfD will Migrationsfrage militärisch lösen, mit Militär an der Grenze gegen die Migranten vorgehen.

Neben den militärischen MdB und ihren Mitarbeitern wie Jens Kestner, Ex-Oberfeldwebel bei der Panzertruppe, Peter Felser, früher Kommandeur in Bosnien, kommen weitere führende Leute der AfD aus der Bundeswehr: Exemplarisch seien genannt Rüdiger Lucasse (NRW-AfD-Chef, ehemals Bundeswehroberst im Generalstab), General a.D. Joachim Wundrak (ehemals Bundeswehr- und NATO-Chef der gesamten Lufteinsätze von Kalkar/Uedem aus, nun Politiker der AfD in Niedersachsen). Sodann Uwe Junge, Oberstleutnant a.D., Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz. Ferner Georg Pazderski, Bundeswehroffizier und AfD-Chef von Berlin, Mitglied im Abgeordnetenhaus).

Im Juli 2019 hat der mit hohen ehemaligen Militärs besetzte „Arbeitskreis Verteidigung“ der AfD-Bundestagsfraktion das militärpolitische Programm „Streitkraft Bundeswehr“ mit dem Untertitel „Der Weg zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands“ veröffentlicht. Zu diesem Weg brauche es den Wehrwillen des Volkes: „Mit dem Wehrdienst wird auch der Wehrwille des deutschen Volkes gestärkt.“ Ansonsten will die AfD eine Kooperation von Bundeswehr und Polizei: „Die Bundeswehr übt regelmäßig die Kooperation mit Polizei und zivilen Organisationen. Diese Übungen zum Bevölkerungsschutz werden einmal jährlich unter Einsatz aller Kräfte stattfinden.“ (S. 32) Ebenso fordert die AfD die Kooperation von Bundeswehr mit Wissenschaft und Forschung: „Die Bundesrepublik fördert die Kooperation der Wehrindustrie mit deutschen Universitäten.“ (S. 42) Generell soll der Bundeswehr in der Öffentlichkeit mehr Platz eingeräumt werden: „Dazu erhöhen sie unter anderem die Zahl öffentlicher Gelöbnisse, Tage der offenen Tür und zivil-militärische Veranstaltungen. Die Bundeswehr und ihre Soldaten präsentieren sich am Tag der deutschen Einheit mit einer Hauptstadt–Parade“. „Zur Gefahrenabwehr unterhalb der Schwelle des Verteidigungsfalles“, soll die Bundeswehr zukünftig im Rahmen eines „erweiterten militärischen Einsatzes“ im Inland eingesetzt werden.“ (S. 32)

Ein Reservekorps soll als Ersatz-Grenzschutz dienen: „In einer zukünftigen Struktur der Bundeswehr wird die Reserve darüber hinaus stärker mit der territorialen Verteidigung und dem Schutz kritischer Infrastruktur beauftragt. Das Reservekorps der Bundeswehr wird zum Grenzschutz im Frieden befähigt.“ (S. 17) Erinnert sei hier daran, dass führende Politikerinnen der AfD, wie MdB Beatrix von Storch, den Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze öffentlich befürworteten. Der Einsatz der Armee gegen Geflüchtete ist aber auch insofern nur konsequent, da AfD und Co. ohnehin die Fluchtmigration als „Invasion“ und Geflüchtete als „Invasoren“ ansehen. Der bewaffnete Einsatz der Bundeswehr im Innern (außer bei Bundestagsbeschluss im Rahmen der Notstandsgesetze) und die Militarisierung der Grenzbewachung sind derzeit noch grundgesetzwidrig, weswegen das Grundgesetz dafür verändert werden soll: „Die Sperrwirkung des Grundgesetzes ist anzupassen.“ (S. 32)

Zwei merkwürdige Innenminister

Die CDU-Innenminister in Schwerin Lorenz Caffier und der Landesinnenminister von NRW Herbert Reul mit seinem Landeskriminalamt machten seit über einem Jahr Schlagzeilen, was die Begünstigung einer rechten Terrorszene anbelangt.

Wie jene über der Meldung vom 15. Mai 2020 in den Dortmunder „Ruhrnachrichten“, mit der schon genannte Vorfälle bestätigt wurden: Das Sondereinsatzkommando der Dortmunder Polizei und der SEKs anderer NRW-Städte trainiert in Güstrow/ Mecklenburg-Vorpommern auf einem Schießstand der rechtsterroristischen Gruppe „Nordkreuz“. Dies wurde vom Landeskriminalamt bestätigt. Am Raub von Munition bei Bundeswehr und Polizei zum Einsatz für den Tag „X“ sind demnach auch Polizisten aus Nordrhein-Westfalen beteiligt gewesen. Gruppen wie „Nordkreuz“ haben Todeslisten aufgestellt, um die darin verzeichneten Demokraten „wegzumachen“.

Die VVN-BdA von NRW erklärte: „Sofort sind alle SEK-Kräfte, die ausgerechnet ins 550  km entfernte Güstrow zum Schießstand fahren – offenbar um sich mit ‚Nordkreuz‘-Leuten zu treffen – aus dem Dienst zu entfernen.“ Doch weder bekam die VVN-BdA in NRW eine Antwort, noch wurde ihre Erklärung in den Medien aufgegriffen. Anders in Mecklenburg-Vorpommern.

Dort hat nach einer Information des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Peter Ritter (Rostock), die Regierung Medienberichte bestätigt, „die auf enge Verflechtungen des Innenministeriums zu dem dubiosen Schießplatz in Güstrow hinwiesen“. Dieser könne dem Nordkreuz-Netzwerk als Munitionsumschlagsplatz gedient haben. Teile der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten legte das Innenministerium gleich in die Hände einer den Schießplatz betreibenden Firma, die laut LINKE „Verbindungen zum potentiell rechtsterroristischen Nordkreuz-Netzwerk aufweisen soll.“ Nach dem Auffliegen der Nordkreuz-Machenschaften im August 2017 wurde „diese Zusammenarbeit nicht unmittelbar beendet“. Nur ein Scharfschützenlehrer, der auch Munition in Größenordnungen klaute, bekam gerade mal zwei Jahre mit Bewährung.

Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern war in das Netzwerk verstrickt und trat inzwischen zurück. Es war ihm nachgewiesen worden, sich mit einer Waffen bei den rechten Gruppen versorgt zu haben. Sein Kollege von NRW war schlauer, trat die Flucht nach vorn an und wurde zum „Oberaufklärer“. Er veröffentlichte Enthüllungen über Polizistengruppen, die insgeheim in Chatgruppe Nazipropaganda machten und den Tag „X“ vorbereiteten. Eine „Schattenarmee“ wollte er aber nicht ausgemacht haben.

Aufsehen erregende Enthüllungen

Der Enthüllungsjournalist Thomasz Konicz fasste die Veröffentlichungen über eine „Schattenarmee“ u.a. von TAZ und Focus, aber auch eigene Recherchen zusammen und fragte: „Verschleppen staatliche Stellen die Aufklärung über Nazimilizen in Bundeswehr und KSK? Sind Teile der AfD in das rechtsextreme Untergrundnetzwerk verstrickt?“

Wörtlich: „Stell dir vor, im Herzen der deutschen Sicherheitsdienste mobilisieren Nazimilizen für den faschistischen Staatsstreich – und kaum jemand will etwas davon wissen. Die weitgehende öffentliche Ignoranz nach den Enthüllungen der TAZ und des Focus über ein Netzwerk von Hunderten von Elitesoldaten, Polizisten und Rechtsextremisten, das sich auf die massenhafte Liquidierung politischer Gegner im Krisenfall vorbereitete, kann inzwischen sicherlich als Teil des Skandals betrachtet werden. – Diese weitgehende Stille einer veröffentlichten Meinung, die sich stattdessen von der AfD Phantomdebatten über unverbindliche Unvereinbarkeitserklärungen oktroyieren ließ, ist genauso besorgniserregend wie die Enthüllungen selber. Sie deuten auf eine sich etablierende rechte Hegemonie im öffentlichen Diskurs hin.“ In Deutschlands Staatsapparat sei „ein Untergrundnetzwerk entstanden, an dem ‚Soldaten, Reservisten, Beamte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes beteiligt‘ seien, bemerkte etwa der Deutschlandfunk, doch schlage der Bericht kaum Wellen.“

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Von Eich Kästner wird oft der Satz aus dem Jahr 1958 zitiert: »Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“ Was besagt das für uns heute? Zwar bröckelt die deutsch-nationale, rassistische AfD ein wenig, was Wählerstimmen anbelangt. Aber es wächst ihr NS-Flügel. Und es wachsen rechte Bewegungen auf den Straßen und Plätzen. Vorhanden, aber kaum sichtbar sind auch wieder finanzielle Quellen für die Rechten aus dem Kreis der Hochfinanz.

Oben schildere ich den Widerstand des Feuerwehrverbandes gegen den bestimmenden Einfluss des Militärs auf die Einrichtungen der ZMZ. Die Geschichte hat eine Fortsetzung. Der Vorsitzende des Feuerwehrverbandes wurde von inzwischen dominierenden faschistischen Kräften bedrängt und bedroht – von seinen Stellvertretern! Er wich aus Furcht. Zugleich strebte der Leiter der Feuerwehr Dortmunds eine Karriere in der Nazi-„Rechten“ an. Das führte zu seiner Entlassung, ja jetzt sogar zur Haft. Er hat einen Fehler gemacht. Er hat nicht weiterhin verdeckt im Feuerwehrverband gewirkt, einer Massenorganisation mit 1,3 Mio. Mitgliedern.

Der Weg nach ganz Rechts geht über den Staatsapparat, über die Rüstungswirtschaft, über Armee, die Polizei. Aber wäre das so anders als zu Zeiten, da der Schneeball zur Lawine wurde?

 

(Der Autor ist Aktivist in der VVN-BdA, Publizist und Buchautor)

 

 

 

Bildbearbeitung: L.N.