Profit mit den Jüngsten – in Dortmund wird der Mangel an Betreuungsplätzen für Kinder zur Geschäftsidee

Die alte und neue Berliner Regierungskoalition arbeitet seit einiger Zeit intensiv an der Privatisierung von staatlichen Leistungen. Im Gegensatz zu den Autobahnprivatisierungen steht die Privatisierung des Sozial- und Bildungsbereichs nicht im Licht der Öffentlichkeit. Die aktuellen Entwicklungen in Sachen „Kommunalisierung“ oder zur Schaffung von „Bildungsregionen“ zielen mit ihrem Vernetzungsaktionismus darauf ab, bereits vorhandene private Sozial- und Bildungsinstitutionen gleichberechtigt neben die öffentlichen Angebote zu stellen, die es teilweise schon gar nicht mehr gibt, weil öffentliche Angebote zugunsten privater massiv abgebaut worden sind.

Das Ziel solcher zunächst lokalen Aktionen ist wohl, dass die Bevölkerung sich daran gewöhnt, dass die Kostenstellen für die sozialen Bedürfnisse des Gemeinwesens entweder billig ins Ehrenamt abgeschoben oder von privatwirtschaftlichen Aktivitäten aufgefangen und der privaten oder Gebührenfinanzierung und damit der Profitorientierung preisgegeben werden.

In Dortmund hat man nun die Kinder entdeckt, mit denen man Profit machen kann. Die deutsche Step Kids Kitas gGmbH, eine Gesellschaft des in Schweden börsennotierten Unternehmens Academedia, dem größten europäischen Anbieter für private Bildung mit rund 15.500 Mitarbeitern und einem Jahresgewinn von rund 43 Millionen Euro will eine Kita im Huckarder Jungferntal betreiben.

Die gemeinnützige Gesellschaft Step Kids Kitas arbeitet unter dem Dach des Bildungskonzern Academedia, dem mittlerweile ein Drittel aller Kindergärten in Nordeuropa gehört.

Der Bildungskonzern befindet sich zu 100 Prozent in den Händen des schwedischen Finanzinvestors EQT. Das ist wiederum eine vor allem in Nordeuropa und Asien tätige Investitionsgruppe (Risiko- und Beteiligungskapital) mit Hauptsitz in Stockholm, die vor ein paar Wochen den größten Coup mit insgesamt 10,75 Milliarden Euro eingeworben hatte, zum Umfeld der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg gehört und seit einigen Jahren am ganz großen Rad dreht.

Als EQT mit dem Engagement in Deutschland begann, sprach der Konzern das Ziel aus, dass ein Drittel aller Kindergärten die ihm mittlerweile in Nordeuropa  gehören, auch in Deutschland zu erreichen, bei einer Rendite von 5 bis 6 Prozent, weil besonders der öffentliche Sektor ihm enormes Wachstum bietet.

Derzeit gibt es außer in NRW Kitas der Gruppe auch in Bayern und Brandenburg und EQT möchte der größte Anbieter in Deutschland werden. Mittlerweile werden in NRW 11 Kitas vor allem in Köln und Wuppertal betrieben. Weitere sind geplant oder schon im Bau, wie auch der Neubau an der Bothestraße 40 im Jungferntal in Dortmund. Bis Mitte nächsten Jahres sollen hier 83 Kita-Plätze, 30 davon im U3-Bereich, in fünf Gruppen entstehen.

Während das Dortmunder Jugendamt keine Bedenken mit dem Betreiber Step Kids Kitas gGmbH hat, stößt den Dortmunder Wohlfahrtsverbänden der weitere Konkurrent sauer auf und sie vermuten scheinheilig, dass es bei ihm nur um Gewinne geht. Die Geschäftsleitung von Step Kids Kitas kontert und versichert, dass alle Zuschüsse der Stadt komplett für die Kinder eingesetzt würden und das Geld nicht an die Aktionäre des Mutterkonzerns gehe.

Die Mehrheit der Dortmunder Ratsmitglieder wird das Engagement von Step Kids Kitas begrüßen, weil sie auf der neoliberalen Privatisierungswelle surfen und hoffen, den riesigen Bedarf an Betreuungsplätzen in der Stadt billig bedienen zu können.

Seit 2013 haben die Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und die Stadt Dortmund ist dabei, das Angebot an Kita-Plätzen auszubauen und setzt dabei auch auf andere Träger. Neben den traditionellen Kita-Betreibern wie der städtischen Fabido, den Kirchen, dem DRK und der AWO sind neue Träger, wie Elterninitiativen und Vereine, die Stadtteilschule oder der Kinderschutzbund hinzugekommen. Allesamt sind als gemeinnützige Träger anerkannt, wie Step Kids Kitas gGmbH es auch ist.

Es gibt also keine formalrechtlichen Gründe, die gegen die Trägerschaft von Step Kids Kitas gGmbH sprechen, auch das Landesjugendamt hat auf Grundlage des vorgelegten Konzeptes bereits die Betriebsgenehmigung für die geplante Kita in der Bothestraße in Dortmund in Aussicht gestellt. Das wundert nicht, denn schon seit einiger Zeit ist auch im Bildungs- und Betreuungsbereich für Kinder in Dortmund rein betriebswirtschaftliches Denken und Handeln eingezogen und die Wohlfahrtsverbände sind Teil dieses Systems geworden, obwohl sie sich nach außen gerne als mildtätig darstellen. Um künftige weitere Konkurrenz klein zu halten, machen sie immer wieder erfolgreich ihre Lobbyarbeit, vergießen Krokodilstränen und treffen bei der Politik in der Regel auf offene Ohren. So auch hier.

Der Kinder- und Jugendausschuss, in dem, wie auch im Sozialausschuss über die Parteien Beschäftigte der Wohlfahrtsverbände agieren, gab zwar seine Zustimmung für die neue Kita, er beschloss auf Antrag der SPD aber, die vor einigen Jahren beschlossene Kostenübernahme zu überprüfen, um zu verhindern, dass keine städtischen Mittel an die Muttergesellschaften wie z.B. EQT gehen. Bei den Wohlfahrtsverbänden hatten die SPD Politiker dagegen keine Bedenken und glauben dem, was z.B. der Geschäftsführer der AWO mit SPD-Parteibuch sagt. Er versichert, dass aus nicht verbrauchten Mitteln Rückstellungen gebildet werden, die dann in Sanierungen der Gebäude oder Übernahme von Personalkosten gehen.

Dieses Geplänkel der Verbände soll wahrscheinlich davon ablenken, dass man die Geister, hier die Betriebswirtschaftlichung des Sozialen, die man rief, nun nicht mehr los wird und mittelfristig befürchten muss, selbst von Konzern wie Academedia/EQT beim „freien Spiel der Kräfte“ aus dem Sozial- und Bildungsmarkt verdrängt zu werden.

Und von dem Skandal der fehlenden Plätze im Vorschulbereich in der Stadt, trotz Rechtsanspruch, redet niemand mehr. Von konzeptionellen Diskussionen ganz zu schweigen, es geht lediglich noch um die Verwaltung der „Bildungswüste Dortmund“.

 

 

Quellen: EQT/ Academedia/Step Kids Kitas, Stadt Dortmund, WAZ

Bild: ver.di.de