Chronologie der Kriegsendphasenverbrechen im April/Mai 1945

Von Ulrich Sander

Kurz vor der Befreiung wurden im Frühjahr 1945 tausende Nazigegner »ausgeschaltet«. Gegen deutsche und ausländische Antifaschisten wie gegen Wehrmachtssoldaten, die sich am Wahnsinn nicht mehr beteiligen oder ihm ein Ende bereiten wollten, wurde ein groß angelegter Mordfeldzug in Gang gesetzt, um einen antifaschistischen Neubeginn nach dem Krieg im Keime zu ersticken. SS, Gestapo, aber auch einfache NSDAP-Mitglieder, Volkssturmmänner und Hitlerjungen nahmen teil an Massakern im Ruhrkessel, an Erschießungen in vielen Städten und Dörfern, am Mord an Gefangenen aus KZs und Zuchthäusern auf Todesmärschen, an Standgerichten gegen Deserteure.

Die Verbrechen in der allerletzten Phase des Krieges waren sowohl örtliche Amokläufe als auch Teil der Nachkriegsplanungen des deutschen Faschismus.

Chronologie der Kriegsendphasenverbrechen im April/Mai 1945

Bis April 1945
Olmütz/Tschechoslowakei

Fahnenflüchtige deutsche Soldaten, ein Reichsbahnbeamter und 26 tschechische Widerstandskämpfer werden in der Zeit von Januar bis April 1945 ermordet.

Bis April
Lüdenscheid

In den Monaten Januar bis April 1945 verlieren in Lüdenscheid 65 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ihr Leben: neben 14 sowjetischen Häftlingen, weitere 18 Russen, elf Niederländer, sechs Deutsche, vier Polen, drei Italiener, ein Belgier, ein Franzose, ein Rumäne und 20 Menschen unbekannter Nationalität. Davon sterben 20 Personen im Arbeitserziehungslager Hunswinkel. Von Lüdenscheid aus werden Paul Anton Weber und Alex Uesseler nach Dortmund gebracht und dort im April 1945 ermordet. Am 9. April 1945: Exekution von drei sehr jungen deutschen Soldaten – Alex Kamp, Fritz Gass, Heini Wiegmann, denen Fahnenflucht vorgeworfen wurde. Ihre Leichen wurden zur »Abschreckung« öffentlich auf dem damaligen Adolf-Hitler-Platz (heute: Rathausplatz) zur Schau gestellt. Noch eine halbe Stunde vor Einmarsch der US-Truppen tötete ein Zahlmeister der Wehrmacht am 13. April 1945 den als Kommunisten und Gegner des NS-Regimes bekannten Friseur Hermann Massalsky im Wefelshohler Wäldchen, weil er Soldaten zur Desertion aufgefordert hatte.

April
Apolda

Im April 1945 wurden auf dem Sportplatz Bismarck-Höhe sechs fahnenflüchtige Wehrmachtsdeserteure erschossen. Zum Gedenken an die drei namentlich bekannten jungen Soldaten Gerd Funke, Anton Müller und Gerhard Volk wurden am 18. August 2009 unweit des Tatortes drei Stolpersteine gelegt.

April
Bad Doberan

Im April 1945 wird eine Gruppe von sowjetischen Soldaten vom »Werwolf« Bad Doberan erschossen. Herbert August Wilhelm St. wird dafür 1950 zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

April
Bautzen

Zwei polnische Kriegsgefangene werden im April 1945 erschossen.

April
Beerfelden (Odenwald)

Im Auftrag des örtlichen Bürgermeisters hat Hitlerjunge Hans-Dieter R. im April 1945 einen Übersetzer der US-Armee namens Heinrich Becker ermordet.   (lt. Hessischer Rundfunk, 9. 5. 2019)

April
  1. April 1945: Die Soldaten Johann Hansjosten (17), Helmut Hawes (18) und Hans van der Mee (21) waren die letzten Todesopfer des NS-Gewalt- und Spitzelsystems in Essen. Als sie nicht mehr an die Front zurückgingen, wurden sie verraten, zum Tode verurteilt und erschossen. Zu dem Zeitpunkt standen die Amerikaner schon vor den Toren der Stadt. – Der Journalist Otto Köhler berichtet  über  ein  undatiertes  Massenverbrechen der Industrie: »Krupp beispielsweise, das berichtete der US-amerikanische Chefankläger im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess, Benjamin B. Ferencz in ‚Lohn des Grauens‘, hatte 2.000 Männer angefordert und musste sich mit 520 ungarischen Jüdinnen, zwischen zwölf und 25 Jahre alt, zufrieden geben. Sie hatten vorher mit ansehen müssen, wie ihre Eltern und Verwandten in die Gaskammern geschickt wurden. Bei Krupp war man mit der gelieferten Ware, den ‚Stücken’, wie man sie dort nannte, unzufrieden. Die Mädchen werden mit Hundepeitschen zur Arbeit angetrieben, einige totgeschlagen. Als die US-Truppen nach Essen vordringen, müssen die Mädchen verschwinden. Trotz aller Transportschwierigkeiten beschließt Krupp, die Mädchen, welche die Arbeit überlebt hatten, „zur weiteren Veranlassung“ nach Buchenwald zu schicken. Bei Krupp und später im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess ging man davon aus, dass das Problem seine Endlösung gefunden habe. Doch die Tötungskapazitäten in Buchenwald waren kurz vor Kriegsende überfordert. Die Jüdinnen wurden weiter nach Bergen-Belsen überstellt. Viele überlebten – viele aber auch nicht.«  (Aus Junge Welt, 3. August 2007)
April
Frankenhain, Krs. Arnstadt /Thüringen

Im April 1945 werden fünf geflüchtete deutsche Häftlinge, die sich in Scheunen versteckt hatten, von der SA Frankenhain ermordet.

April
Hagen

Etwa am 3. April 1945 wurden im Gebäude des Albrecht-Dürer-Gymnasiums, dem damaligen Wehrmeldeamt, durch den Standortoffizier Major Hans Z. der Gestapo Hagen zehn ungarische Hilfswillige übergeben, die wegen Plünderns durch ein Kriegsgericht in Hagen zum Tode verurteilt gewesen sein sollen. Die Ungarn wurden auf Anordnung des vorletzten Leiters der Gestapo Hagen, Kriminalkommissar Friedrich Hollborn, durch Angehörige der Gestapo Hagen erschossen. Der elfte Tote war der abgestürzte kanadische Flight Sergeant T. D. Scott, der ebenfalls der Gestapo zur Erschießung mitgegeben wurde. Hollborn und vier andere Polizisten wurden wegen der Ermordung dieses Kriegsgefangenen am 9. Oktober 1946 von einem britischen Militärgericht in Iserlohn zum Tode durch den Strang verurteilt. Lediglich Hollborn wurde hingerichtet.

12. April 1945: Gestapo erschießt in der Donnerkuhle bei Hagen acht deutsche und vier sowjetische Gefangene aus Hagener Gefängnissen. Unter den deutschen Häftlingen befanden sich zwei »fahnenflüchtige« Wehrmachtsangehörige, ferner Bürger aus Altena, Düsseldorf, Wermelskirchen und Wuppertal (aus: Peter Brandt, Beate Hobein, Eva Ochs, »Der Hagener Gestapoprozess 1946/1996«, Essen 1996). Dutzende weitere Leichen von Naziopfern wurden in und um Hagen nach Kriegsende gefunden.

April
Handeloh

KZ-Züge fuhren auf der Heidebahn aus Norden Richtung KZ Bergen-Belsen. Unterwegs wurden die sterblichen Überreste von Häftlingen abgeladen. Endgültig wurden sie nach dem Krieg mit dem Schild »Hier ruhen 64 KZ-Häftlinge« auf dem Friedhofe von Handeloh bestattet. »Sie gehörten zum Häftlingstransport in einem Güterzug, der im März/April 1945 tagelang auf der Strecke Buchholz-Soltau gestanden hatte. Die Gefangenen starben an Hunger, Kälte, Erschöpfung und Krankheiten.«  (lt. Böhme-Zeitung vom 5. 10. 1988) (Siehe auch Tatort Soltau)

April
Kleinbodungen

Einer der letzten Todesmärsche im April 1945 führte vom Konzentrationslager Kleinbodungen – ein Außenlager des KZ Dora bei Nordhausen am Harz – nach Bergen-Belsen. Häftlinge, die den Strapazen nicht gewachsen waren, wurden von der begleitenden SS erschossen. Noch auf den letzten Kilometern wurden bei Hustedt nachweislich acht Häftlinge ermordet. Von 613 Häftlingen, die losgegangen waren, kamen 583 in Bergen-Belsen an.

April
Mauthausen/Österreich

Am 7. April 1945 beträgt die Zahl der Gefangenen im Konzentrationslager Mauthausen 74.306 Menschen, darunter 12.333 Juden aus Polen und Ungarn. Szabolcs Szita schildert in »Zwangsarbeit, Todesmärsche, Überleben durch Hilfe« (Budapest 2004) die Lage im Lager, die bald durch die Ankunft von Todesmärschen aus Ungarn im Lager, durch die Entsendung solcher Märsche nach Westen und durch Massenerschießungen gekennzeichnet war.

Am 7. April 1945: Beginn einer von Gauleiter August Eigruber angeordneten Mordserie. Sämtliche Todesurteile werden vollstreckt, Häftlingsgruppen aus Oberlanzdorf, Wien, Linz, Jihlava und Brno werden ohne Registrierung sofort vergast.

  1. April 1945: Mord an vier ungarischen Juden.
  2. April: Erschießung von 45 Russen, obwohl diese zur SS übergelaufen waren.
  3. April: Mord an 250 in erster Linie österreichischen Gestapo-Häftlingen.
  4. April: 67 Gefangene werden ermordet, 15 Österreicher im Gas erstickt.
  5. April: 159 vollkommen geschwächte Häftlinge werden aus dem Lager III in die Gaskammer kommandiert, und noch am selben Tag leitet die SS »Zyklon B«-Gas in die Baracke 31 des Nebenlagers Gusen, in der sich 850 Gefangene befinden.
  6. April: In der Gaskammer des Hauptlagers werden 136 Gefangene ermordet, im Nebenlager Gusen II 600 kranke und schwache Häftlinge mit Äxten und Stangen erschlagen.

Bis zur letzten Exekution am 3. Mai 1945 finden noch fünf Massentötungen statt, denen nachweislich 458 Gefangene zum Opfer fallen.

Im April 1945 werden im Lagersystem Mauthausen insgesamt 10.868 Todesfälle gemeldet.

April
Mühldorfer Hart/Landkreis Mühldorf/Inn

Bis zum 28. April 1945 mussten über 8300 Zwangsarbeiter im Dachauer KZ-Außenlager Mühldorfer Hart (nahe dem Inn) unter mörderischen Bedingungen schuften. Es sollte eine Fabrik für Düsenflugzeuge vom Typ Me262 aufgebaut werden. Wohl die Hälfte der Arbeitssklaven ist dabei umgekommen; sie starben an dem Prinzip »Vernichtung durch Arbeit«. 2909 Tote erfassten die US-Amerikaner nach dem Befreiungstag. Die Süddeutsche Zeitung vom 23. 3. 2011: »Es gab Häftlinge, die vor Erschöpfung in den Mörtel fielen und eingemauert wurden. Die anderen Toten verscharrte man in einem Massengrab. Manche Männer wurden erschossen oder auf dem Prügelblock erschlagen.«   (Weitere Informationen http://www.kz-gedenk-mdf.de/; KZ Gedenkstätte Mühldorf.)

April/Mai
Kaufbeuren

Zu den Tötungseinrichtungen des Euthanasieprogramms gehörte die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren. Dort wie in anderen Pflegeanstalten wurden Menschen, denen die Nazi-Ideologie das Recht auf Leben absprach, intensiv auch in der letzten Kriegsphase getötet,  teilweise über den 8. Mai hinaus. So wurde in Kaufbeuren noch am 29. Mai 1945 gemordet, der Täter war Dr. Martin Faltlhauser. (lt. Informationen Nr. 80 des Studienkreises Deutscher Widerstand. In diesem Heft wird auch berichtet, dass die Todesart Hungersterben für Euthanasieopfer noch Jahre nach dem 8. Mai 1945 angewandt wurde.)

April
Ravensbrück

Die Lage im April 1945 im KZ Ravensbrück: Die völlig unzureichende Versorgung in der letzten Kriegsphase und die »Vernichtung durch Arbeit« führen zum Tod unzähliger Häftlinge. Viele Häftlinge werden im Rahmen der »Aktion 14 f 13« zur Vernichtung »lebensunwerten Lebens« ermordet, so benannt nach einem Aktenzeichen in der Dienststelle des Inspekteurs der Konzentrationslager. Zwischen 1.500 und 3.000 meist weibliche Häftlinge werden in der Endphase mit Gas ermordet. Dies geschieht zum Teil in der eigens dafür errichteten Gaskammer, zum Teil auf dem Gelände des »Jugendschutzlagers Uckermark«. Die Rote Armee konnte am 30. April 1945, einige Tage nach der Räumung des Lagers durch die SS, nur noch 3.500 Kranke und Kinder befreien, die zu schwach für die Evakuierungsmärsche gewesen waren. (Lt. Home Page der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, 16798 Fürstenberg / Havel)

April
Sandbostel/Niedersachsen

In den letzten Kriegswochen bis April 1945 werden 3.000 Insassen des KZ Neuengamme in das Strafgefangenen- und KZ-Auffanglager Sandbostel, nördlich von Bremen, gebracht und kommen hier ums Leben. (Frankfurter Rundschau 18. 10. 2004) Ein Teil der Transportunfähigen aus dem KZ Neuengamme wurde im Kriegsgefangenenlager Sandbostel mit Flecktyphus und Ruhr zurückgelassen. Alleine in Brillit/Krs. Rotenburg wurden über 300 Tote begraben.

Aus einem Bericht des britischen Militärarztes Hans Engel, abgefasst kurz nach der Befreiung des Lagers: »3000 Leichen lagen zum Teil wirr übereinander gestapelt im Freien. In den Baracken kauerten unzählige Gefangene dicht nebeneinander auf dem nackten Holzboden in ihren eigenen Exkrementen. Es stank erbärmlich.« Ein unfassbarer Anblick. »Diesen Schrecken werde ich nie vergessen.« Überlebende des Wehrmachts-KZ Sandbostel hatten ihren ermordeten Kameraden gleich nach der Befreiung ein Denkmal errichtet – mit der Inschrift: »Hier ruhen 46.000 sowjetische Soldaten und Offiziere, zu Tode gequält in der Nazigefangenschaft.« Bereits 1949 wurde der gesamte Friedhof umgepflügt, 1956 auch das Ehrenmal gesprengt,  – vermutlich wurde die Inschrift als anstößig empfunden. »Mit Presslufthämmern und zum Abschluss sogar mit einer Sprengladung räumte eine Firma aus der Nähe von Celle [Bergen-Belsen] das »Russendenkmal« beiseite. (Bremervörder Zeitung vom 27. Oktober 1956)

April
Schneverdingen

KZ-Züge fuhren auf der Heidebahn aus Norden Richtung KZ Bergen Belsen. Unterwegs wurden die sterblichen Überreste von Häftlingen abgeladen und mit dem Schild »62 unbekannte KZ-Tote« auf dem Friedhof Schneverdingen bestattet. »Sie gehörten zum Häftlingstransport in einem Güterzug, der bisApril 1945 tagelang auf der Strecke Buchholz-Soltau gestanden hatte. « (lt. Böhme-Zeitung vom 5. 10. 1988) (Siehe auch Tatort Soltau und Handeloh

April
Wetterfeld

Ein Hitlerjunge im hessischen Wetterfeld erhält vom Bürgermeister im April 1945 einen Mordauftrag; er hat daher  einen angeblichen »Verräter« aus dem Weg geschafft, wie der damals 16-Jährige später berichtete.  (lt. Hessischer Rundfunk, 9. 5. 2019)

April

Todesmarsch vom KZ Flossenbürg nach Dachau: Der spätere DDR-Wirtschaftsexperte  und  Minister Fritz  Selbmann beschreibt in seinem Buch »Die lange Nacht« den Todesmarsch aus Flossenbürg, auf dem er fliehen konnte. Veranlasst hatte den Marsch der Lagerkommandant Max Koegel. Nach Kriegsende wurden über 5.000 Tote entlang den Routen entdeckt.

April

Vom KZ Dora-Mittelbau in Nordhausen nach Gardelegen: Todesmarsch aus dem KZ Dora durch den Harz mit 3.500 Dora-Häftlingen. Erste Erschießung in Osterode. Weiter ging der Marsch nach Goslar, Bahnhof Oker. Unterwegs wurden zahlreiche Häftlinge erschossen. Ein weiterer Treck begann in Gandersheim, führte nach Braunlage. Auch hier Morde durch die SS. Über den dritten Todesmarsch aus diesem Komplex, genannt »Todesmarsch der III. SS-Baubrigade« berichteten die »Arbeitsgemeinschaften Spurensuche« im Rahmen ihres »Wegezeichenprojekts« 2001: »In der Nacht vom 7. auf den 8. April 1945 wurden im KZ Stammlager Wieda der III. SS-Baubrigade zu den 250 vorhandenen noch ca. 900 Häftlinge gepfercht, die aus den drei Außenlagern Mackenrode, Nüxei und Osterhagen anmarschiert waren. Einige der überlasteten Bettgestelle brachen, sechs Häftlinge wurden erdrückt.

April

Todesmarsch von der burgenländischen Grenze nach Mauthausen: In den letzten Kriegsmonaten wurden Tausende ungarische Juden, die beim Bau des sogenannten Südostwalls eingesetzt waren, in Todesmärschen durch die Steiermark in das KZ Mauthausen getrieben. Im April 1945 haben am Berg Präbichl Mitglieder des »Eisenerzer Volkssturms« in die Reihen der ausgehungerten Menschen gefeuert, wobei 200 Häftlinge erschossen wurden.

April

Todesmarsch vom KZ Frankfurt-Adlerwerke nach Hünfeld, von dort im Zug nach Buchenwald, ca. 70 Tote nachweisbar.

April

Der Kochendorfer Todesmarsch führte über Waldenburg, Hütten nach Wasseralfingen, dann mit dem Zug weiter nach Dachau. Die Zahl der Toten ist ungeklärt. (Vgl.  Detlef  Ernst/Klaus  Riexinger:  Vernichtung  durch Arbeit. Die Geschichte des KZ Kochendorf, Bad Friedrichshall 1996, S.161 ff.)

April

Der Neckarelzer Todesmarsch ging über Öhringen, Kupferzell, dann mit dem Zug nach Schwäbisch Hall. Er kostete 181 Menschen das Leben. Ein weiterer Marsch vom KZ Neckarelz (Nordbaden) führte über Waldenburg nach Dachau.

April

Todesmärsche durch  die Muldenwiesen bei Wurzen/Sachsen. Zeitgenössischer Bericht: »Der Vorstoß der Roten Armee und der Alliierten veranlasste die SS zu überstürzter Eile bei der Räumung der Arbeitslager und dem Abtransport der Häftlinge. Am 13. April 1945 erreichten die US-Amerikaner Weißenfels. Der größte Teil der Leipziger Lager ging an diesem Tag am späten Nachmittag auf Nachtmarsch in Richtung Wurzen. Vorgegebenes Ziel war der kürzeste Weg zur Überquerung der Mulde bei Wurzen und der Elbe bei Riesa bis Glaubitz. Von den Lagern führten die Wege zur Hauptroute, zur damaligen Fernverkehrsstraße F6«. Weitere Marschkolonnen kamen aus dem Auschwitznebenlager Groß-Rosen und erreichten Dehnitz. Märsche führten u. a. von Leipzig-Schönau nach Bernburg, von Markkleeberg – mit 1.500 Frauen – über die F6 nach Bennewitz und den Muldenwiesen. 4.500 Häftlinge werden von Schönefeld und 1.500 von Taucha nach den Muldenwiesen getrieben.

  1. April
St. Oswald in Freiland

Auf dem Gelände des Arbeitsdienst-Lagers in St. Oswald in Österreich wurden fünf Partisanen auf Geheiß des Kreisleiters von Deutschlandsberg, Hugo Suette, nach einem Verhör erschossen., einer von ihnen war trotz schwerer Verletzungen hilflos liegengelassen worden. Die Tat wurde im Grazer Partisanenmordprozess behandelt.

  1. April
Stukenbrock b. Bielefeld

Nachdem das Stalag 326 VI-K Stukenbrock bei Bielefeld von den Deutschen geräumt wurde, sind Teile der Lagerbelegschaft nach Osten verlegt worden. In dem Lager kamen insgesamt 65.000 Gefangene ums Leben. Nur 8.610 sowjetische und französische Kriegsgefangene sind noch am Leben, als am 2. April US-Streitkräfte das Lager erreichen.

  1. April
Siegen-Wittgenstein

In Klafeld wird Ignatz Bruck wegen Hissens einer weißen Fahne von Volkssturmangehörigen festgenommen, misshandelt und öffentlich erschossen, nachdem die Täter erfolglos versucht hatten, ihn zu erhängen.

Im April 1945 werden in Eiserfeld drei Zwangsarbeiter, die angeblich versucht hatten, zu den heranrückenden US-Truppen überzulaufen, durch Genickschuss hingerichtet. Weitere Tötungen von Zwangsarbeitskräften in der Endphase sind überliefert aus Aue, dem Raum Berleburg, aus Erndtebrück, Feudingen, Netphen, Niederscheiden, Siegen, Steinbach, Weidenau und Wormelsdorf. Täter waren Angehörige der Gestapo, der SS und der Wehrmacht. (lt. Hans Klappert, Ulrich Opfermann, Dieter Pfau, Ernst Born, Albert Hof, Heinz Strickhausen, Wilhelm  Völkel,  Edgar  Dietrich,  im  Hauptstaatsarchiv  Düsseldorf und Wikipedia vom 30. 10. 2007)

  1. April
Ohrdruf/Thüringen

Nachdem eintausend Zwangsarbeiter von Ohrdruf nach Bergen-Belsen transportiert wurden – unzählige waren gestorben – erreichen am 4. April die US-Amerikaner das Außenkommando Ohrdruf des KZ Buchenwald, als S III bezeichnet. Rund 12.000 Häftlinge waren zuvor Richtung Buchenwald getrieben; es kommen nur 9.000 dort an. Die US-Army findet sie eine nicht bezifferte Zahl von verbrannten Körpern und einige Überlebende vor. Wenige Tage später besucht der damalige Oberbefehlshaber General Dwight D. Eisenhower das Ohrdrufer KZ. Er schreibt: »Die Dinge, die ich sah, spotteten jeder Beschreibung. Die sichtbaren Beweise und Zeugenaussagen über Hunger, Grausamkeit und Bestialität waren überwältigend. Ich habe diesen Besuch in der Absicht gemacht, als Augenzeuge berichten zu können, wenn es in Zukunft einen Versuch geben sollte, diese Dinge als Propaganda abzutun«. Vor den Bewohnern von Ohrdruf hielt der Oberst der US-Army eine Rede: »Hier sehen Sie, warum wir nicht Ihre Freunde sein können!«

  1. April

Todesmarsch vom KZ Buchenwald über Flossenbürg nach Dachau: Dieser Marsch nahm nach den vorliegenden Zeugenaussagen am 4. April 1945 seinen Ausgang im Konzentrationslager Buchenwald. Er soll zu Beginn etwa 1.500 Häftlinge umfasst haben und über Flossenbürg nach Oberbayern gelangt sein, wo er am 29. April bzw. 1. Mai 1945 in zwei Kolonnen in Kraiburg ankam. Es ließ sich feststellen, dass eine Marschkolonne von KZ-Häftlingen am 29. oder 30. April und eine weitere wahrscheinlich am 1. Mai 1945 durch Kraiburg zog. Die erste Kolonne marschierte von Kraiburg über Ensdorf, Oberneukirchen mit dem Ziel, über Laufen nach Österreich zu gelangen, während die zweite von Kraiburg aus in Richtung Wasserburg zog. Auf ihrem Weg wurden marschunfähige Häftlinge sofort von der SS-Bewachungsmannschaft erschossen. Die Leichen wurden neben der Straße liegen gelassen oder nur ganz oberflächlich mit Erde bedeckt.

4.-6. April
Hildesheim

Zwischen dem 4. und 6. April 1945, kurz vor der Befreiung der Stadt durch die US-Armee am 7. April 1945, hat die Hildesheimer Gestapo alle Gefangenen des Polizei-Ersatzgefängnisses auf dem Nordfriedhof hingerichtet. Insgesamt wurden in Hildesheim in den letzten Kriegstagen 209 Menschen ermordet.

  1. April 1945:
Bochum

Im Zwangsarbeiterlager der Westfalia-Dinnendal-Gröppel AG nahe der Herner Straße erschießt ein Gestapo-Kommando einen sowjetischen Zwangsarbeiter und fünf Zwangsarbeiterinnen aus »Vergeltungs- und Abschreckungsgründen«. 5. bis 8. April 1945: 20 politische Häftlinge und Zwangsarbeiter werden im Keller der Bochumer Gestapo-Außenstelle an der Bergstraße erschossen, darunter der frühere KPD-Landtagsabgeordnete Straube und der Sozialdemokrat Hüser. Fünf weitere Häftlinge werden nach Dortmund transportiert und dort erschossen (im Rahmen der Rombergpark-Morde). 14. April 1945: Nazis und Angehörige der Hitlerjugend überfallen ukrainische Zwangsarbeiter und erschießen drei von ihnen.

  1. April
Gotha

Einen Tag nach der Kapitulation Gothas wurde Josef Ritter von Gadolla in der Weimarer Mackensen-Kaserne wegen der »Aufgabe des festen Platzes Gotha« zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen. Als seine letzten Worte sind überliefert: »Damit Gotha leben kann, muss ich sterben!« Mit dem Todesurteil wurde von Gadolla ein Opfer der NS-Militärjustiz. Das Urteil wurde 1997 aufgehoben und er damit rehabilitiert.

  1. April
Hagen-Rummenohl/Sterbeckerhammer

118 Zwangsarbeiter des Stalag VI A in Hemer aus Montenegro/Jugoslawien wurden auf Befehl des Gauleiters Albert Hoffmann »abgeführt«. Ziel (so die Akten im Lüdenscheider Stadtarchiv) »unbekannt«. Später gehörten 107 Jugoslawen, die erst kurz zuvor angekommen waren, zu den Mitte April 1945 von den US-Truppen befreiten rund 23.000 Kriegsgefangenen. Es wurde nicht geklärt , ob es sich dabei um die Häftlinge von Sterbeckerhammer handelte. (Siehe »Stalag VI A Hemer – Kriegsgefangenenlager 1939-1945 – Eine Dokumentation«, herausgegeben 1995 durch die VHS Hemer)

  1. April
Herne

Wenige Tage vor der Befreiung seiner Heimatstadt, wird der jüdische Kommunist Kurt Baum aus Herne im KZ Buchenwald von der SS erschossen. Kurz danach befreien sich die Lagerhäftlinge selbst. Im April 1945 verlieren sich die Spuren der kommunistischen Gewerkschafter Viktor Reuter, Paul Stawinski und Julius Rantowski (alle aus Herne) im KZ Bergen-Belsen.

  1. April
Hessentaler

Evakuierungsmarsch (Hessentaler Todesmarsch) von Häftlingen der Konzentrationslager Hessental und Kochendorf.

  1. April
Rinteln

Friedrich-Wilhelm Ande, der sich während der Kämpfe um Rinteln beim deutschen Kampfkommandanten der Stadt für die Freilassung zweier festgesetzter US-amerikanischer Parlamentäre einsetzte, die von der 5th Armoured Division der US-Army zu Übergabeverhandlungen nach Rinteln gesandt worden waren, wurde von anwesenden höheren NS-Parteifunktionären und SS-Offizieren wegen »Feigheit vor dem Feind« verhaftet. Andere wurde später in Garbsen in der Nähe von Hannover erschossen aufgefunden.

  1. April
Wattenscheid

20 oder 22 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter werden in Wattenscheid-Höntrop in einem Waldstück an der Talstraße erschossen. Die Ermordeten gehören zu einem Lager des Bochumer Vereins am Mariannenplatz.

  1. April
Weimar

Gestapobeamte bringen 149 Insassen des Polizeigefängnisses und anderer Justizanstalten ums Leben. Darunter befinden sich ausländische Zwangsarbeiter, Widerstand leistende deutsche Beschäftigte der Rüstungsindustrie, Homosexuelle, Deserteure und angebliche Plünderer. Die Ermordeten werden in Bombentrichtern verscharrt. (Siehe die Reihe »Quellen zur Geschichte Thüringens«: M. Gräfe/B. Post/A. Schneider, darin »Die Geheime Staatspolizei im NS-Gau Thüringen 1933 – 1945, Erfurt 2005.  In den »Quellen« gibt es eine Aussage von Hans-Helmut Wolff, dem letzten Leiter der Stapo-Stelle Erfurt, über die von ihm angeordnete Ermordung von 149 Gefangenen auf Grund eines Befehls des Reichssicherheitshauptamts (RSHA). Von den 149 Ermordeten konnten nur 43 identifiziert werden.

  1. bis 7. April
Dautmergen b. Balingen

Am 5. / 7. 4. 1945 werden im »Wüste«-Lager Dautmergen b. Balingen, Außenlager von Natzweiler-Struthof, 23 Offiziere der sowjetischen Armee nachts im Scheinwerferlicht von Lkw erschossen.

5. bis 15. April

Der Hessentaler Todesmarsch aus dem KZ Hessental (Gemeinde Schwäbisch Hall, Württemberg) in das Außenlager Allach des KZ Dachau, vom 5. bis 15. April 1945,  hat vermutlich 150 bis 200 Menschen das Leben gekostet.

  1. April
Hannover

Todesmarsch von etwa 850 Häftlingen ab KZ-Außenlager Hannover-Ahlem. Die SS trieb 600 Häftlinge in einem Todesmarsch in das KZ Bergen-Belsen. Rund 250 nicht marschfähige Häftlinge blieben zurück. Auf dem Marsch wurden mehrere Häftlinge erschossen. Am 8. April erreichten die überlebenden Häftlinge Bergen-Belsen.  Am 6. April 1945 trafen in Fuhrberg drei »Todesmärsche« aus KZ-Außenstellen Hannovers ein. Die entkräfteten Gefangenen »übernachteten« in Fuhrberg in mehreren Scheunen und wurden am nächsten Tag zum Konzentrationslager Bergen-Belsen weitergetrieben. – Angehörige der Gestapo-Dienststelle in der früheren Israelitischen Gartenbauschule Ahlem trieben vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter auf den Seelhorster Friedhof in Hannover und töteten 154 Menschen. Auf dem Seelhorster Friedhof befanden sich etwa 400 weitere Opfer aus Lagern, darunter viele aus dem Außenlager des KZ Neuengamme in Hannover-Stöcken, dem sog. Firmen-KZ der Familie des Wehrwirtschaftsführers Quandt.

  1. April
Ratingen/Rheinland

Drei Düsseldorfer Gestapobeamte erschießen mindestens zwölf Personen: sechs Deutsche, drei Sowjetbürger und drei Niederländer. Kriminalkommissar Dr. Harnischfeger ist der Exekutionsleiter. Harnischfeger wurde später zum Tode verurteilt, auf lebenslänglich begnadigt und bald entlassen; später wurde er leitender Kriminalkommissar in einer deutschen Großstadt. (Siehe »Menschen wie wir« – Mahnmal für die im Kalkumer Wald ermordeten Zwangsarbeiter, hg. vom Stadtarchiv Ratingen 2000).

6./7. April
Krems an der Donau
  1. April 1945, Massaker in der Strafanstalt Stein: Der Leiter der Strafanstalt Stein an der Donau, Franz Kodré, Onkel des Ritterkreuzträgers Heinrich Kodré, verfügt die Freilassung der Gefangenen. Waffen-SS, Wehrmacht, Polizei und Volkssturm erschossen jedoch unter dem Vorwand, eine Revolte niederzuschlagen, in der Anstalt selbst 229 Menschen. Rund um Krems beginnt eine regelrechte Jagd auf entkommene Häftlinge, die als Kremser Hasenjagd bezeichnet wird.

Allein in Hadersdorf wurden am 7. April 61 Häftlinge von der Waffen-SS ermordet.

6./7. April
Stein an der Donau

Der Leiter der Strafanstalt Stein an der Donau verfügt die Freilassung der Gefangenen; SS, SA und Volkssturm erschießen jedoch unter dem Vorwand, eine Revolte niederzuschlagen, über 380  Menschen. Am Tag darauf werden 60 Entlassene, die dem Massaker entkommen waren, an der Kampbrücke in Hadersdorf von der SS gestellt und anschließend ermordet.

  1. April
Passau

Es wurde im KZ Buchenwald ein Zug mit 5009 Häftlingen in Richtung Flossenbürg in Bewegung gesetzt. Aufgrund fortgeschrittener Kriegshandlungen musste der Zug umgeleitet werden. Bei Nammering (Fürstenstein, Landkreis Passau) war eine gepanzerte Lokomotive die Böschung hinuntergestürzt, das Gleis war beschädigt und so konnte der Transport nicht weiterfahren. Hunger und Grausamkeit bestimmten die fünf Tage zwischen dem 18. und dem 23. 4. 1945. 794 Häftlinge starben in diesen Tagen. Sie verhungerten, wurden erschlagen oder erschossen. Ohne die Hilfe des zuständigen Pfarrers Johann Bergmann, der Lebensmittelspenden trotz Bedrohungen organisierte, wären es noch mehr Tote gewesen. Der SS-Mann Hans Merbach ordnete ein Massengrab in einer nahen Schlucht an. Die Bahnstrecke ist heute ein Radweg. Das Mahnmal KZ-Transport 1945 erinnert hier an das Geschehen. Das Massengrab auf der Totenwiese wurde auf Befehl der Amerikaner aufgelöst, die ortsansässige Bevölkerung musste der Exhumierung beiwohnen bzw. selbst mit Hand anlegen.

  1. April
Düsseldorf

Am 7. April 1945 dringen SS-Leute an der Werstener Dorfstraße 84 in die Wohnung von Balthasar Sieberg ein und erschießen ihn. Der 44-jährige Kommunist war wiederholt von den Nazis inhaftiert geworden.

Am 12. April 1945 ist die Düsseldorferin Else Gores verschwunden, sie wird später verwundet aufgefunden – zusammen mit zwei erschossenen Wehrmachtssoldaten, die sie in ihrer Wohnung versteckt hatte. Auch Else Gores stirbt an ihren Verwundungen. Die Heeresstreife hat auch den sogenannten Halbjuden Moritz Sommer gefasst und am 14. April 1945 öffentlich auf dem Oberbilker Markt erhängt.

  1. April 1945: Der Versuch einiger Düsseldorfer Bürger, darunter der stellvertretende Polizeipräsident Franz Jürges, scheiterte, die lokalen NS-Autoritäten festzusetzen, um Düsseldorf kampflos den amerikanischen Truppen zu übergeben. Fünf Bürger wurden nach Urteil eines Standgerichts und auf Befehl des Gauleiters Friedrich Karl Florian erschossen. Das Urteil des Standgerichts wurde 1952 vom Bundesgerichtshof bestätigt und erst 1999 infolge des Gesetzes »zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile« aufgehoben.
  2. bis 11. April
Lüneburg

In den Tagen vom 7. bis 11. April 1945 sind 245  KZ-Häftlinge in Lüneburg ums Leben gebracht worden. Sie kamen aus einem KZ-Außenlager in Wilhelmshaven und waren auf dem Weg nach Neuengamme. Die Häftlinge waren größtenteils antifaschistische Widerstandskämpfer der französischen Résistance.

Ein Teil der Häftlinge starb am 7. April 1945 bei einem Bombenangriff auf den Lüneburger Bahnhof zusammengepfercht in Viehwaggons oder wurde in den Tagen danach durch Marinesoldaten und einen SS-Mann erschossen. Allein am 11. April 1945 fielen 60 bis 80 Männer einer Hinrichtung zum Opfer. Geflohene Häftlinge waren von Polizei und einigen Lüneburger Bürgern gejagt und wieder gefasst und so einige Tage vor Kriegsende noch ermordet worden. Die Toten wurden später in einem Waldstück bestattet, wo das Mahnmal im Tiergarten die Toten ehrt.

  1. April
Blankenhain

Bei der Annäherung US-amerikanischer Truppen an den Ort am versuchte Bürgermeister Konrad Fuß eine weiße Fahne zu hissen und wird dabei erschossen.

  1. April
Celle

Als die »Celler Hasenjagd« vom 8. April 1945  wurde ein Verbrechen bezeichnet, an dem sich auch Celler Bürger beteiligten, als sie flüchtige KZ-Häftlinge verfolgten und erschossen. Die Häftlinge hatten sich nach der Bombardierung des Celler Bahnhofs in Sicherheit bringen wollen, wurden von SS und Zivilpersonen gejagt und in einem Massaker „zur Strecke gebracht“, weshalb die Mordaktion die Bezeichnung»Hasenjagd« trägt.

  1. April
Bremen

Der Todesmarsch von 2.500 bis 3.000 Häftlingen beginnt am 9. April in Bremen- Farge und führt über Neuengamme an die Lübecker Bucht, wo die Überlebenden zusammen mit anderen Opfern der Evakuierungsmärsche auf die »Cap Arcona«, »Thielbek« und »Athen« verladen werden. Die beiden ersten Schiffe werden durch britische Bomben versenkt, die Insassen kommen zumeist ums Leben. Ein Teil der Transportunfähigen wird im Kriegsgefangenenlager Sandbostel mit Flecktyphus und Ruhr zurückgelassen. Alleine in Brillit/Krs. Rotenburg werden über 300 Tote begraben.

9 April
Dachau

Der Arbeiter Georg Elser, der am 8. 11. 1939 einen Attentatsversuch auf Hitler unternommen hatte, wird am 9. April in Dachau ermordet. Auf dem Weg vom KZ Flossenbürg ins KZ Dachau werden in den Monaten vor Kriegsende hundert bis zweihundert Häftlinge unbekannter Nationalität wegen Erschöpfung von Bewachern erschossen.

 

  1. April 1945

Flossenbürg

Führende Männer des bürgerlich-konservativen deutschen Widerstandes – Admiral Wilhelm Canaris (der frühere Abwehrchef), General Hans Oster (20. Juli), Pastor Dietrich Bonhoeffer, Heeres-Chefrichter Dr. Karl Sack und Hauptmann Ludwig Gehre, werden in dem fränkischen Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. Unmittelbar nach der Bluttat lässt der verantwortliche SS-Offizier Walther Huppenkothen (Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt für »Gegnererforschung und -bekämpfung«) dem wenig später, bei Kriegsende, verschwindenden Gestapo-Chef Heinrich Müller melden: »Auftrag befehlsgemäß erfüllt. Bestätigung nicht erforderlich.« Er wird später freigesprochen. Wenige Tage nach dem Mord marschieren amerikanische Truppen in Flossenbürg ein.

  1. April
Semmenstedt/bei Braunschweig

Es werden drei Häftlinge, die aus einem Transport entwichen waren, aufgegriffen und erschossen.

  1. April

Die Häftlinge aus den KZ Börgermoor und Esterwegen werden evakuiert. Etwa 1.100 Häftlinge mussten nach Collinghorst marschieren, die Überlebenden erreichten am 11. April 1945 das KZ Aschendorfer Moor.

10./11. April
Hemer/Westfalen

Acht Gefangene werden in Hemer von der Dortmunder Gestapo erschossen. (Die Dortmunder Gestapo hatte sich nach Hemer abgesetzt.)

  1. April 1945: Teile der 9. US-Armee befreien das Stalag VI A in Hemer, in dem 22.000 Kriegsgefangene überlebt haben. 23.500 sowjetische Kriegsgefangene des Stalags sind in Hemer begraben (vor allem auf dem Duloh-Friedhof). Die Wehrmacht hatte die Mehrzahl der Kriegsgefangenen in die Keller der Steingebäude der Kaserne am Stalag VI A eingesperrt. Einer der Überlebenden, Nikolai Gubarew, berichtet später, dass die Gefangenen weder Wasser, noch Licht, noch Essen erhielten; »die am meisten geschwächten Gefangenen verstarben. … Die Lagerführung versuchte, kurz vor Kriegsende noch möglichst viele meiner Kameraden in den Tod zu treiben«. (Aus »Stalag VI A Hemer – Kriegsgefangenenlager 1939-1949 – Eine Dokumentation«, Hemer, Mai 1995)
  2. April
Soltau/Lüneburger Heide

Auf der sogenannten Heidebahn rollen Züge auch ins nahe gelegene Konzentrationslager Bergen-Belsen. Einer der Züge gerät bei Soltau in einen Bombenangriff. Die Häftlinge können entkommen, sie verstecken sich in den Wäldern – viele von ihnen in einem Gebiet namens »Sibirien«. Das NS-Regime ruft die Bevölkerung auf, sich an der Suche zu beteiligen und die Häftlinge »unter allen Umständen unschädlich zu machen, sollten sie sich zur Wehr setzen«. Die Suche wird zur Hatz. Volkssturm und Hitlerjugend erschießen die Häftlinge und verscharren sie. Die Überreste von etwa 90 Getöteten werden im Laufe der Jahre gefunden.

(dpa-Meldung, erschienen am 11. April 2007) Insgesamt sterben im April 1945 600 Häftlinge auf der Strecke Bergen-Belsen/Soltau und zwar in Soltau, Handeloh, Schneverdingen, Wintermoor und Wolterdingen. (Kreiszeitung-Wochenblatt für Handeloh und Tostedt, 28. 2. 2019).

  1. April

Rund 700 Häftlinge marschierten ab dem 11. April 1945 vom Außenkommando Neustaßfurt über Wellaune, Bad Düben, Kossa; dort ermordete die SS 58 Häftlinge. Weiter über Audenhain, Willsdruff, Dittersbach bis Annaberg.

Bis 12. April

Exekutionen im Rombergpark und in der Bittermark (bis 12. April 1945), rund 300 deutsche und ausländische Personen werden ermordet.

  1. April 1945: Letzte Exekution in Dortmund, und zwar am Eisenbahngelände beim evangelischen Friedhof Hörde. Bis Kriegsende: Unzählige Kriegsgefangene im Stalag VI D Westfalenhalle werden schutzlos den Bombardements ausgesetzt, Tausende sterben.
  2. April
Aschendorfer Moor

Bis zum 19. April 1945: Im Aschendorfer Moor werden ca. 350 Häftlinge aus Emslandlagern erschossen. Der 19-jährige Wehrmachtsgefreite Willi Herold, mit einer Hauptmannsuniform bekleidet, war in das mit ca. 3.000 Strafgefangenen überbelegte Lager Aschendorfer Moor eingedrungen und übernahm das »Kommando«. Er und seine kleine, aus versprengten Soldaten gebildete Einheit ermorden in den nächsten Tagen Hunderte Gefangene.

  1. April.
Bad Windsheim

Am 12. April 1945 versammeln sich im fränkischen Bad Windsheim Hunderte Frauen und Kinder auf dem Marktplatz und dringen in die Gefechtsstellungen ein, um eine Kampfgruppe der Wehrmacht zur Aufgabe zu überreden und den Ort kampflos zu übergeben. Die US-Army ist schon in Sichtweite. Die Gestapo hält Christine Schmotzer für die Anführerin und erschießt sie.

  1. April
Leipzig

53 deutsche und ausländische Häftlinge aus zwei Leipziger Gefängnissen wurden am Stadtrand (Exerzierplatz Leipzig-Lindenthal) ermordet.

  1. April 1945: 32 deutsche, französische, österreichische und tschechoslowakische Polizeihäftlinge wurden in einer Leipziger Wehrmachtskaserne ermordet.
  2. April 1945: Mindestens 80 Häftlinge des KZ-Außenlagers Leipzig-Thekla wurden beim Massaker von Abtnaundorf erschossen oder bei lebendigem Leib verbrannt. Über das Massaker wird berichtet: »Man trieb die Häftlinge in den Speiseraum (des Arbeitslagers 3). Da stand ein Kessel mit dampfender Suppe. Während die Häftlinge aßen, hängte die SS Decken an die Fenster und goss eimerweise leicht entzündliches Acetat hinein, auf die Barackenwände, überall hin. Gegen 12.30 Uhr schoss sie mit Maschinengewehren und schleuderte Handgranaten. Mit einer riesigen Stichflamme geriet die Baracke in Brand. Viele Häftlinge erreichten noch die Tür. Dort, wo die Tür war, hatten sich die meisten verkohlten Leichen angesammelt. Während des Brandes schoss man mit der Panzerfaust. Auch ein Panzerfahrzeug fuhr auf dem Lagergelände auf und schoss ebenfalls auf die brennenden Baracken.«

(Aus: »Verschleppt Gequält Ausgebeutet Vertrieben«, Netzwerk für Demokratische Kultur Wurzen, 2002)

  1. April
Wien

Wenige Stunden vor dem Eintreffen der Roten Armee wurden in der Förstergasse in Wien-Leopoldstadt neun Juden von SS-Angehörigen in einem Keller aufgespürt und erschossen.

  1. April
Magdeburg

Am 13. April 1945 Im Stadion »Junge Welt«: Es werden Häftlinge aus dem KZ Ravensbrück während eines Evakuierungsmarsches untergebracht und von Volkssturm und Wachmannschaft beschossen, weil sie während eines Artilleriebeschusses der Stadt zu fliehen versuchten; es gibt zahlreiche Tote.

  1. April
Langenfeld (Rheinland)

In einer Schlucht des Wenzelnbergs wurden 68 namentlich bekannte sowie drei unbekannte Männer von Nazis ohne Prozess hingerichtet. Dabei handelte es sich um ausländische Arbeiter und deutsche Kommunisten, die »sich veranlasst sehen könnten, sich umstürzlerisch zu betätigen«.

  1. April
Gardelegen/Isenschnibbe

Massaker an KZ-Häftlingen aus Mittelbau-Dora und Hannover-Stöcken in einer Scheune bei Isenschnibbe bei Gardelegen. (Wie schon im Buch vorn berichtet.) 1.017 KZ-Häftlinge, unter ihnen 63 Juden, und Zwangsarbeiter, darunter 63 jüdische Häftlinge, wurden dabei von NSDAP-Aktivisten wie Gerhard Thiele, Wilhelm Biermann und Arno Brake u.a. ermordet. Sie wurden in einer Scheune verbrannt oder auf der Flucht erschossen. Unter den Opfern waren auch Hunderte Zwangsarbeiter des Konzerns der Familie Quandt. (Lt. Bundesarchiv, zitiert in Presseerklärung über die Ehrung von Biermann und Brake durch die Stadt Halle am 1. 6. 2003, VVN Sachsen-Anhalt). Später wird berichtet: »Etwas außerhalb auf einer Anhöhe findet man die Überreste einer Scheune und ein Gräberfeld mit 1.016 Kreuzen. Nur einen Tag später rückten die US-Truppen an. Unter der amerikanischen Besatzung mussten die Einwohner von Gardelegen die Opfer des Massenmordes in Einzelgräbern bestatten. Zu den wenigen Überlebenden gehören vier französische Widerstandskämpfer, unter ihnen Lucien Amaro, Weinbauer in Südfrankreich, hat als Anarchist schon im spanischen Bürgerkrieg gekämpft. Lucien feiert zwei Mal im Jahr Geburtstag und organisiert Fotoausstellungen über KZ-Gedenkstätten.« (»antifa«, Hamburg-Seite, Febr./ März 2005)

  1. April
St. Pölten

Knapp zwei Tage vor Einmarsch der Roten Armee wurden 13 Mitglieder der Widerstandsgruppe Kirchl-Trauttmansdorff standgerichtlich zum Tode verurteilt und noch am selben Tag erschossen.

  1. April
Wenzelnbergschlucht in Langenfeld

71 Gefangene wurden drei Tage vor dem Einmarsch der Alliierten auf Befehl von SS-Obergruppenführer Karl Guttenberger und Generalfeldmarschall Walter Model, unterstützt vom Wuppertaler Gestapochef Josef Hufenstuhl umgebracht. Der Tatort: die Wenzelnbergschlucht, die zu Langenfeld (Rheinland) gehört. Die »Solinger Morgenpost« berichtete am 18. März 1995 über die ermordeten Ausländer, Sozialdemokraten und Kommunisten sowie wegen diverser Delikte Inhaftierten: Hitler habe ihre Ermordung angeordnet, damit sie sich bei Näherrücken der Front nicht »umstürzlerisch« betätigen können.

  1. April

Vom KZ des Quandt-Konzerns in Hannover-Stöcken führt ein Todesmarsch nach Gardelegen, der am 13. April n Isenschnibbe bei Gardelegen endet. Rund 1000 Häftlinge kommen in einer brennenden Scheune ums Leben.

13- 19. April
Scheibbs/Bezirk in Niederösterreich

Im Bezirk Scheibbs im Mostviertel in Niederösterreich fanden in mehreren Orten Endphasenverbrechen statt. In Göstling an der Ybbs haben am 13. April 1945 Mitglieder der SS 76 jüdische Zwangsarbeiter ermordet. In Randegg waren es ebenfalls Mitglieder der SS und Angehörige der Hitlerjugend, die am 15. April 1945 100 jüdische Zwangsarbeiter ermordeten. In Gresten wurden am 19. April 1945 16 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter von der Waffen-SS in einem Wassergraben ermordet.

  1. April
Wolfen/Sachsen

Zwei aus einem KZ geflohene Häftlinge werden erschossen.

  1. April 1945
Bergen-Belsen

Im KZ Bergen-Belsen, in der Nähe der Stadt Celle, sterben 50.000 Menschen. Im April 1945 erreichen die britischen Truppen das Lager und finden unzählige Leichen vor. Die Menschen waren in den letzten Kriegstagen verhungert oder an Krankheiten gestorben, darunter auch Anne Frank, die aus dem KZ Auschwitz gemeinsam mit Hunderten Häftlingen hierher transportiert worden war und im März 1945 starb. Auch aus Zwangsarbeitslagern in Großbetrieben werden nicht mehr arbeitsfähige Zwangsarbeiter in den letzten Tagen des Krieges nach Bergen-Belsen gebracht, wo viele nicht mehr von den britischen Truppen gerettet werden können.

  1. April
Höfgen /Krs. Grimma

Zwei Volkssturmangehörige werden von der SS erschossen.

  1. April
Koselitz

Ungefähr 180 Zwangsarbeiter aus dem KZ Flossenbürg, welche im Außenlager Gröditz eingesetzt waren, wurden nahe der sächsischen Gemeinde Koselitz zusammengeschossen und notdürftig beerdigt.

18./19. April

Vom Buchenwald-Außenkommando Berga/Elster wurde ein Todesmarsch über Teichwolframsdorf, Gottesgrün, Neumark, Hauptmannsgrün, Irfersgrün, Stangengrün, Obercrinitz, Bärenwalde, Bockau, Sosa, Fällbach getrieben. Am18./19. April 1945 wurden sieben Häftlinge bei der Flucht erschossen). Der Zug ging weiter über Breitenbrunn/Erzgebirge, Rittersgrün, Gottesgab, Schmiedeberg nach Theresienstadt und Manetin bei Pilsen.

  1. April

Der Todesmarsch von Brandhofen (Spohla) führte über Wittichenau, Kamenz, Pulsnitz, Radeberg nach Pirna bei Dresden; von dort per Elbkähnen ins KZ Theresienstadt. Infolge einer Epidemie kamen über 200 Häftlinge in den wenigen Tagen zwischen dem 19.April 1945 und dem 8. Mai 1945 ums Leben bzw. wurden erschlagen oder erschossen. Zum Teil sind Grabstätten dokumentiert.

  1. April
Hamburg

In der Schule Am Bullenhuser Damm in Rothenburgsort erschießt die SS 20 jüdische Kinder, die von NS-Ärzten zu  Tuberkulose-Versuchen missbraucht worden waren. (Die Kinder vom Bullenhuser Damm.) Die Betreuer der Kinder, zwei niederländische Pfleger und zwei französische Ärzte, werden von SS-Leuten ebenfalls erhängt. Auch 24 sowjetische Kriegsgefangene werden dort zur gleichen Zeit ermordet.

Weitere Hamburger Opfer am Kriegsende waren vornehmlich Menschen aus dem Widerstand, die in sogenannter Schutzhaft saßen und gegen die keine Anklage erhoben worden war. Unter ihnen waren die Angehörigen der Weißen Rose Margarete Mrosek und Kurt Ledien, elf Mitglieder der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe, die Schauspielerin Hanne Mertens, sechs Mitglieder der Widerstandsgruppe Kampf dem Faschismus, darunter Rudolf, Annemarie und Carl-Rudolf Ladewig, sowie zwei Mitglieder der tschechoslowakischen Gruppe Svornost. Sie alle wurden am 21. und 23. April 1945 im KZ Neuengamme auf Befehl der Gestapo ermordet.

  1. April
Berlin

In den letzten Kriegstagen in Berlin, um den 21. April herum, werden in der Murellenschlucht (Bezirk Charlottenburg) 223 Menschen erschossen. Es handelt sich um Häftlinge der NS-Militärjustiz, denen Desertion zur Last gelegt wird – so die »Meldungen aus dem Reich« des Reichssicherheitshauptamtes.

Am 21. April erschießt der NSDAP-Ortsgruppenleiter Höllerer seinen Stellvertreter und andere Einwohner, weil sie Berlin-Lichtenberg kampflos übergeben wollten.

Im April 1945: Im Hause Schönhauser Allee 59b fordert ein Bürger die Anwesenden im Luftschutzkeller auf, keinen Widerstand beim Eintreffen der Russen zu leisten. Er wird denunziert und erschossen.

In Rahnsdorf, Ortsteil von Berlin-Köpenick, stürmen am 21. April 1945 nahezu 100 Bürger einen Bäckerladen, da die Ernährungslage katastrophal ist. Zwei Männer und eine Frau werden deshalb von einem Standgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Einen genauen Überblick über die Verbrechen zu geben, die in den letzten Kriegstagen in Berlin begangen wurden, ist heute geradezu unmöglich. Helmut Bräutigam hat 1989 in einem Aufsatz in den »Berlin-Forschungen«, Bd. IV und in dem Band von 2003 (Zwangsarbeit in Berlin 1938-1945) folgendes geschildert: Einem deutschen Augenzeugen (später in Paris lebend) zufolge soll die SS in einem Ruhlebener Lager eine »Strafexpedition« durchgeführt haben, die  eine nicht bekannte Zahl an Menschenleben gekostet habe. Es könnte sich um die Erschießungen in der Murellenschlucht handeln (siehe oben), die im Gebiet zwischen Spandau und Charlottenburg liegt.

Zugenommen hat in Berlin die Zahl der Gedenktafeln (und sonstigen »Denkzeichen«) für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die hier ums Leben gekommen sind, doch ihre Namen werden nicht genannt. Die Tafeln mit den zumeist »kollektiven« Beschriftungen weisen auch auf zahlreiche Opfer der Flutung der unterirdischen S- und U-Bahn-Strecken in Berlin durch die Wehrmacht hin.

22./23. April 1945: 15 Häftlinge des Zellengefängnisses Lehrter Straße, meist Angehörige des Kreises vom 20. Juli 1944, wurden zu nächtlicher Stunde auf einem Trümmergelände in der Invalidenstraße von einem SS-Kommando unter Führung von Kurt Stawizki durch Genickschuss umgebracht:

Albrecht Haushofer (geb. 7. Januar 1903)

Max Jennewein (geb. 4. August 1903)

Carlos Wilhelm Moll (geb. 16. April 1900)

Ernst Munzinger (Offizier) (geb. 6. Juli 1887)

Hans Victor von Salviati (geb. 23. August 1897)

Sergej Sossimow (geb. unbekannt, sowjetischer Kriegsgefangener)

Wilhelm Staehle (geb. 20. November 1877)

Klaus Bonhoeffer (geb. 5. Januar 1901)

Hans John) (geb. 1. August 1911)

Herbert Kosney (überlebte den Genickschuss schwer verletzt)

Richard Kuenzer (geb. 6. September 1875)

Carl Adolf Marks (geb. 14. Februar 1894)

Wilhelm zur Nieden (geb. 29. August 1878)

Friedrich Justus Perels (geb. 13. November 1910)

Rüdiger Schleicher (geb. 14. Januar 1895)

Hans Ludwig Sierks (geb. 24. Juli 1877)

23./24. April 1945:

Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg

Albrecht Graf von Bernstorff ;

Ernst Schneppenhorst.

  1. April 1945: 35 Häftlinge aus dem Gefängnis der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße wurden in einer Ruine an der Puttkamerstraße von der SS ermordet.
  2. Mai 1945: Am Kreuzberger Teil des Landwehrkanals kam es immer noch zu Kämpfen. Vor dem Haus Tempelhofer Ufer 34, wo sich heute eine Tankstelle befindet, half Karl Schippa verwundeten sowjetischen Soldaten. Dabei fiel er einer versprengten Gruppe von SS-Männern in die Hände und wurde – nur wenige Stunden vor der Kapitulation Berlins – an Ort und Stelle erschossen.

Am 1. Mai 1945 werden zwei desertierte Soldaten und die Wohnungsinhaberin, die ihnen in Prenzlauer Berg Unterschlupf gab, standrechtlich auf dem Senefelderplatz erschossen.

Aus einem Tagebuch – aus: Olaf Groehler »Ende der Reichskanzlei«,

Illustrierte historische Hefte 1;  1976, Berlin/DDR

  1. April 1945

Propagandaminister Goebbels lässt in Berlin verkünden: »Aber wenn wir abtreten, dann soll der Erdkreis erzittern.« Willkürlich werden von SS und NS-Funktionären an Straßenkreuzungen, an Brücken, auf Verkehrsinseln und auf Plätzen Soldaten und Zivilisten exekutiert, öffentlich stranguliert und zur Abschreckung hängen gelassen.

  1. April 1945

SS-Einheiten gehen mit brutaler Gewalt gegen alle Berlinerinnen und Berliner vor, die weiße Fahnen hissen. An der Ecke Prenzlauer Promenade/Kissingenstraße in Pankow wird der Gastwirt Kegler wegen dieses Deliktes erschossen. Rollkommandos fallen in die Luftschutzkeller jener Häuser ein, die weiße Fahnen zeigen und verschleppen die männlichen Bewohner.

  1. April 1945

Es hängen Merkblätter an den Wänden. Unterschrieben sind sie von Adolf Hitler. Darin heißt es: »Merkt Euch: Jeder, der Maßnahmen, die unsere Widerstandskraft schwächen, propagiert oder gar billigt, ist ein Verräter. Er ist augenblicklich zu erschießen oder zu erhängen.«

SS-Leute und Nazifunktionäre statuieren Exempel: Auf dem Zionskirchplatz im Stadtbezirk Mitte wird der vorher schwer misshandelte Schneidermeister Friedrich Schwarz auf Befehl des Ortsgruppenleiters Reinhardt gehenkt, weil er am 22. April in der Rheinsbergerstraße 31 eine weiße Fahne aus dem Fenster gehängt hatte. In der Schöneberger Reppichstraße wird ein deutscher Soldat am Laternenpfahl erhängt. Ein Schild um seinen Hals behauptet: »Ich, Unteroffizier Lehmann, war zu feige, Frauen und Kinder zu verteidigen. Darum hänge ich hier.«

Am 23. und 24. April meldet die Wehrmacht an das Führerhauptquartier, dass Zwangsarbeiter sich an den Kampfhandlungen der Roten Armee beteiligen, weshalb nun Wehrmacht und SS mit ausgesuchter Brutalität gegen die etwa 100.000 ausländischen Arbeiter in der Stadt vorgehen. Allein nahe dem U-Bahnhof Ruhleben werden mehr als 200 Belgier, Holländer und Franzosen zusammengeschossen.

  1. April 1945

Der Henker aus der Reichskanzlei ist außerhalb des Führerbunkers auf Jagd nach Opfern. Fliegende SS-Standgerichte schwärmen von der Reichskanzlei aus. Im Bezirk Mitte, in der Schwedter Straße, auf der Verkehrsinsel am Hackeschen Markt, an der Stadtbahnunterführung der Friedrichstraße, an  zerstörten Barrikaden oder an Masten, an ungezählten Stellen der Stadt hängen die Gemordeten in Zivilkleidern oder in Uniform, mit oder ohne handgeschriebenem Urteil vor der Brust, den Kopf auf die Brust gesenkt.

  1. April 1945

Gefangen genommene Soldaten der Roten Armee werden von der deutschen Wehrmacht durch Genickschuss ermordet.

  1. April
Stollberg/Erzgebirge

Der Bürgermeister der Stadt Stollberg wird wegen Hissens der weißen Fahne und Kontaktaufnahme zu den US-Truppen erschossen.

  1. April

Vom KZ Sachsenhausen werden von der SS zwischen 33.000 und rund 45.000 Häftlinge auf den Todesmarsch geschickt. Auf dem Marsch wurden mehr als 9.500 Häftlinge von der SS ermordet. Ziel eines Marschblocks war Lübeck, wo sie auf Schiffe geladen und versenkt werden sollten. 6.000 kamen allein bei diesem Evakuierungsmarsch ums Leben.

  1. April
Jasenovac

Während eines Ausbruchsversuchs aus dem KZ Jasenovac südöstlich von Zagreb wurden 520 Menschen getötet. Die übrigen der ca. 1050 Gefangenen wurden ermordet, kurz bevor Partisanen das Lager am 5. Mai befreien und auflösen konnten.

  1. April 1945:
Frankfurt am Main

82 Frauen aus dem Gefängnis Frankfurt am Main werden nach Hirzenhain transportiert und dort von SS erschossen.

  1. April
Neu Oelsnitz/Sachsen

Aktion Waldschlösschen: Die 1. Panzerjagdkompanie Schwalbe der Wehrmacht erschießt deutsche Zivilisten und französische Kriegsgefangene.

  1. April
Regensburg

Domprediger Johann Maier erbat am 23. April 1945 auf einer Kundgebung die kampflose Übergabe Regensburgs an die Amerikaner. Maier wurde sofort verhaftet und noch am gleichen Abend in einem Scheinverfahren, als Standgericht bezeichnet, wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung zum Tode durch den Strang verurteilt. Am folgenden Tag wurde er zusammen mit dem Regensburger Bürger Josef Zirkl und dem pensionierten Gendarmeriebeamten Michael Lottner auf dem Moltkeplatz (heute Dachauplatz) öffentlich gehängt; um den Hals trug er ein Pappschild mit der Aufschrift »Ich bin ein Saboteur«. An der Hinrichtungsstelle am Dachauplatz wurde ein Mahnmal errichtet.

  1. April
Treuenbrietzen

131 italienische Militärinternierte, die als Zwangsarbeiter in einer Munitionsanstalt in Treuenbrietzen/Brandenburg arbeiten mussten, werden in ein nahe gelegenes Waldstück getrieben und erschossen. Nur vier Gefangene überleben. Zu diesem Zeitpunkt war die Rote Armee schon nahe an Treuenbrietzen herangerückt.

  1. April
Freistadt

Es wurden die so genannten Sozialistenmorde in Freistadt (Oberösterreich) verübt. Vier Freistädter und ein polnischer Landarbeiter wurden am 24. April vom Volkssturm unter Geheimhaltung festgenommen und noch in der Nacht zum 25. April an der Jaunitzbrücke im Süden der Stadt ermordet.

  1. April
Warstein, Langenbachtal/Westfalen

71 »Ostarbeiter« (56 Frauen, 14 Männer, ein Kind) aus der Sauerlandhalle (»Ostarbeiterlager Herrenberg«) werden auf Befehl des SS-Generals Dr. Hans Kammler im Langenbachtal erschossen, was am 26. April entdeckt wurde. Es wurden auch 57 »Ostarbeiter« aus dem Lager Suttroper Schule geholt und im Körtlinghausener Forst (Distrikt »Im Stein«) erschossen. Die Massaker sind die ersten beiden von dreien an drei aufeinanderfolgenden Tagen in Warstein, Suttrop und Eversberg. Die Leichen werden wenige Wochen später gefunden und in Einzelgräbern auf zwei eigens angelegten Friedhöfen bestattet. Der SS-General Kammler befehligte die verantwortliche Wehrmachtsdivision »z.V.« (zur Vergeltung). Die Täter waren vorwiegend Wehrmachtssoldaten. Kammler war der Chef der V-Waffeneinsätze (die letzte V-2 ging am 27. März 1945 in London nieder). Er hatte nach einer Reise nach Berlin verkündet: »Das Fremdarbeiterproblem wird für die deutsche Bevölkerung existenzbedrohend. Wir müssen jetzt Vergeltung üben. Wir müssen die Zahl der Fremdarbeiter dezimieren«. Nach den Erschießungen und Verschleppungen wird die Sauerlandhalle in Warstein von der SS angezündet. Französischen Arbeitern gelingt es, hunderte eingeschlossene Russen aus der Halle zu befreien.(Siehe auch den Prozessbericht zu Warstein im vorderen Teil dieses Buches.)

28. April
Altötting

In Altötting/Bayern ermordet die SS am 28. April 1945 im Innenhof des Landratsamtes fünf Menschen, die versucht hatten, die örtlichen Nazis abzusetzen und den Ort entsprechend dem Aufruf der »Freiheitsaktion Bayern« für befreit zu erklären. Es wurden Adam Wehnert, Josef Bruckmayer, Hans Riehl, Monsignore Adalbert Vogl und Martin Seidel durch ein SS-Kommando standrechtlich erschossen, während Landrat Josef Kehrer und Bürgermeister Karl Lex nach offizieller Darstellung Selbstmord begingen. Sie hatten versucht, ihre Heimatstadt von der NS-Herrschaft zu befreien, um damit eine Zerstörung durch die heranrückenden US-Truppen zu verhindern. Am 1. Mai 1945 wurde schließlich auch noch der Elektromonteur Max Storfinger erschossen.

  1. April
Brandeburg-Görden

Im Zuchthaus Brandenburg-Görden werden am 28. April 1945 die letzten Hinrichtungen ausgeführt. Unter den 28 ermordeten Häftlingen waren 16 Deutsche, 8 Tschechoslowaken, 3 Polen und mit Dr. Georges Delaive ein Belgier.

  1. April
Götting bei Bad Aibling

Pfarrer Josef Grimm und Lehrer Georg Hangl werden von einem SS-Trupp getötet, weil sie den Ort Götting und das benachbarte Bad Aibling vor der Beschießung durch die US-Army bewahren wollten und deshalb weiße Fahnen gehisst hatten.

  1. April
München

Im Perlacher Forst wird eine unbekannte Zahl von Gestapohäftlingen erschossen. Unter ihnen Harald Dohrn, der Schwiegervater von Christoph Probst, der wegen Teilnahme an den Aktionen der Weißen Rose hingerichtet worden war. Im Januar 2005 schreibt Renate Hennecke in »Lokalberichte München« über die Hinrichtungen im Zuchthaus München-Stadelheim: »… dass man sich bei Angehörigen mancher anderen Völker, z.B. Polen, in der Regel gar nicht mehr die Mühe machte, den Schein eines rechtsförmigen Verfahrens zu inszenieren, sondern sie ohne jeden Prozess der Gestapo überließ, die mit ihnen machen konnte, was sie wollte.« – Der Aufstandsversuch der »Freiheitsaktion Bayern«/FAB unter dem Wehrmachtsdolmetscher Rupprecht Gerngroß wird noch am gleichen Tag, am 28. April 1945, niedergeschlagen. Dabei werden in ganz Bayern fast 50 Menschen ermordet: in Penzberg 16, in Altötting 7, in München 4 (die Opfer: Major Günther Caracciola, Kompaniedolmetscher Maximilian Roth, städt. Angestellter Hans Scharrer sowie Hans Quecke; sie werden im Hof des damaligen Zentralministeriums in der Ludwigstraße nach einem Standgerichtsurteil erschossen).

1947 wird der Feilitzschplatz in »Münchner Freiheit« umbenannt – in Erinnerung an die Freiheitsaktion Bayern (FAB).

In einem Bericht über die »Freiheits-Aktion Bayern« heißt es:

  1. April
Penzberg/Bayern

Angesichts der drohenden Verwüstung der oberbayerischen Bergwerksstadt Penzberg haben Antifaschisten die Verwaltung übernommen, um die Stadt kampflos der US-Armee  zu übergeben. Wehrmacht, SS und Werwölfe gehen gegen die Antifaschisten vor und ermorden insgesamt 16 Bürger (Siehe Peter Brunner »Der Judas-Tag«, Berlin 2002.)  Aus einem Bericht über die Freiheitsaktion Bayern: „Am blutigsten verliefen die Rache-Aktionen der NS-Schergen in der kleinen Bergarbeiterstadt Penzberg, und in dem katholischen Wallfahrtsort Altötting (sieben Todesopfer).« Allerdings hatte die Freiheitsaktion Bayern auch Erfolge: In Augsburg blieb der Stadt ein blutiger »Endkampf« erspart, da die FAB von sich aus Kontakt zur heranrückenden US-Armee herstellte und die »verteidigungsbereiten NS-Truppen« entwaffnete. (Aus: Hellmuth Auerbach: Die Freiheits-Aktion Bayern/FAB, in: Wolfgang Benz u. Walter H. Pehle (Hg.): Lexikon des deutschen Widerstandes, Frankfurt/M 1994, S. 212)

  1. April
Herzsprung/bei Wittstock an der Dosse

Vier polnische Häftlinge, die einem Evakuierungszug entflohen sind, werden in einer Scheune entdeckt und erschossen. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Wilhelm Leppin war für den Mord verantwortlich. Die Besitzerin der Scheune hatte die vier vom Todesmarsch Entwichenen entdeckt und verraten. Die Todesopfer wurden in einer Sandkuhle vergraben. (lt. Info Nr. 80, Studienkreis Deutscher Widerstand)

April/Mai

Die Gesamtzahl der bei Todesmärschen von Natzweiler-Außenlagern umgebrachten Häftlinge wird auf 5.000 geschätzt.

Mai

Todesmarsch von Auschwitz nach Mauthausen. Peter van Pels, einer der mit Anne Frank im Versteck gelebt hatte, wurde am 16. Januar 1945 auf einen Todesmarsch von Auschwitz nach Mauthausen geschickt, wo er drei Tage vor der Befreiung am 5. Mai 1945 starb.

  1. Mai
Ganzig, Krs. Oschatz

Am 1. Mai 1945 werden zehn Zwangsarbeiter, u.a. aus der Ukraine, erschossen. Sie hatten eine Maifeier durchgeführt.

  1. Mai
Oschatz

Im Dorf Ganzig nahe Oschatz werden zehn polnische und ukrainische Zwangsarbeiter von einer Wehrmachtseinheit erschossen.

  1. Mai
Schwerin

In Schwerin wurde eine Stunde vor dem Einmarsch der US-Truppen Marianne Grunthal von SS-Männern auf dem Bahnhofsvorplatz gehängt. Sie hatte sich positiv über Hitlers Tod und den nahenden Frieden geäußert.

  1. Mai
Eisenärzt

In Eisenärzt beim bayerischen Siegsdorf/Traunsdorf richtete kurz vor Eintreffen der US-Army der ehemalige Hauptmann Franz Xaver Holzey ein Rotkreuzschild auf. General Theodor Tolsdorff (Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz) ließ Holzey erschießen und setzte sich dann ab.

  1. Mai
Neustadt/Holstein

Das Bremer Schiff »Athen« nimmt 2.000 KZ-Häftlinge von dem Schiff »Cap Arcona« auf hoher See auf, um sie nach Neustadt an der Ostsee zu bringen, die übrigen 7.000 KZ-Häftlinge, die sich auf dem »Todesmarsch« aus dem KZ Neuengamme befinden, werden von britischen Flugzeugen bombardiert und kommen zumeist auf der Ostsee ums Leben, als die »Cap Arcona« sinkt. Hunderte Überlebende werden von der SS am Ostseestrand erschossen oder erschlagen.

Aus: Wilhelm Lange »CAP ARCONA« Erstellt im Auftrag des Magstrats der Stadt Neustadt in Holstein und aus: Rudi Goguel: »Cap Arcona – Report über den Untergang.

  1. Mai

Vom KZ Neuengamme zu Schiffen an der Ostsee getrieben Häftlinge kommen ums Leben. Die SS hatte die Absicht, die Schiffe zu versenken oder sie »Feindbeschuss« auszusetzen. Ein Teil der Transportunfähigen wurde im Kriegsgefangenenlager Sandbostel mit Flecktyphus und Ruhr zurückgelassen. Alleine in Brillit/Kreis Rotenburg wurden über 300 Tote begraben. Christl Wickert schreibt: Von »Neuengamme verlaufen die Todesmärsche quer durch Norddeutschland hin und her«. Vom  KZ Fürstengrube (Auschwitz-Nebenlager) – Todesmarsch von 1.283 Gefangenen, der mit einer Erschießungsaktion begann und zunächst in das schleswig-holsteinische Ahrensbök führte, den Heimatort des Lagerleiters. Die überlebenden 400 Häftlinge wurden auf die »Cap Arcona« getrieben, die am 3. Mai 1945 in der Lübecker Bucht von Flugzeugen der Briten versenkt wurde.

3./4. Mai
Oldersum/Ostfriesland

Aus verschiedenen Quellen geht hervor, dass in Oldersum und Umgebung während des Rückzugs deutscher Einheiten Vorgesetzte ihre Soldaten erschossen haben; auch die in Oldersum begrabenen Soldaten sollen so ums Leben gekommen sein (siehe Zeitungsbericht in den Ostfriesischen Nachrichten von Mai 1995). Die Opfer wiesen Kopf-, Hals- und Brustschüsse auf. Anhand der Unterlagen der WASt (Wehrmachtsauskunftsstelle) kann nachgewiesen werden, wie die Soldaten Horst Neubauer, Valentin Ott, Franz Reinecke und der Österreicher Leopold Vystrcil am 3. Mai bei Tergast ums Leben kamen: durch Salven aus einer Maschinenpistole. Begründung: Befehlsverweigerung. (Aus einem Bericht von Klaus Euhausen »Das Kriegsende in Oldersum« 4/07, euhausen@aol.com)

4.-6.  Mai
Sønderborg / Dänemark

Der Neusser Bürger Heinrich Glasmacher, Maat auf dem Minensucher »M 612«, wurde mit zehn weiteren jungen Matrosen in Sønderborg/Dänemark auf Anweisung der Marineleitung erschossen. Unter Führung von Glasmacher hatten die Matrosen das Auslaufen des Schiffes verhindert, um den Kampf nicht weiter fortzusetzen. Sie sollten nach Kurland auslaufen, um den Kampf gegen den Bolschewismus – möglichst gemeinsam mit den Westalliierten – zu führen.

Außer Heinrich Glasmacher sind weitere Opfer die jungen Matrosen: Heinz Wilkowski (Calbe), Helmut Nuckelt, Reinhold Kolenda, Bruno Rust, Wilhelm Bretzke, Gustav Kölle, Rolf Peters (Rostock), Gerhard Prenzler (Groß-Kölzig), Gustav Ritz und Anton Roth. Sie wurden erschossen unter Missachtung der am 4. Mai mit den Briten unterzeichneten Teilkapitulation.

In der Nacht zum 6. Mai 1945 machen sich vier Angehörige des in Dänemark stationierten 2. Schnellbootbataillons im Schutze der allgemeinen Auflösungserscheinungen auf den Weg in Richtung Heimat. Es sind die Matrosen Martin Schilling, Alfred Gail, Fritz Wehrmann (Mölkau /Leipzig) und Kurt Schwalenberg. Sie werden aufgegriffen und an ihre Einheit übergeben. Nach der Flaggeneinholung und der bedingungslosen Gesamtkapitulation werden die vier Deserteure wie ihre Leidensgefährten von »M 612« abgeurteilt, drei von ihnen – mit Ausnahme Schwalenbergs – am 10. Mai 1945 (zwei Tage nach Kriegsende) erschossen, praktisch als letzte Amtshandlung der hohen Offiziere, die sich unmittelbar darauf den Westalliierten mit ihren Erfahrungen im Krieg gegen den Osten andienen.

 

 

Anhang

Einige Daten zur Frage: Wie ging es weiter (Beispiele aus dem Ruhrgebietes und Rheinland)

  1. April 1945: Teile der 9. US-Armee befreien das Stalag VI A in Hemer und damit 22.000 Gefangene. 23.500 sowjetische Opfer aus diesem Lager sind in Hemer begraben (vor allem auf dem Duloh-Friedhof).
  2. – 16. April 1945: Widerstandskämpfer aus Solingen-Wald führen in der Stadt die Aktion „Weiße Fahnen“ durch, um Solingen kampflos zu übergeben. Bildung der antifaschistischen Volksfront Solingen.
  3. April 1945: Erste Betriebsrätekonferenz nach dem Kriege in Gelsenkirchen-Buer. Es wird die Gründung einer Einheitsgewerkschaft beschlossen. Aufruf zur Gründung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes*.
  4. April 1945: Ende des östlichen Kessels bei Hemer. Flucht der Wehrmachts- und Naziführung von dort. Übergabe an die US-Truppen auf dem Schillerplatz in Iserlohn.
  5. April 1945: Versuch einiger Düsseldorfer Bürger, darunter der stellvertretende Polizeipräsident Franz Jürgens, die Obernazis der Stadt festzusetzen, um die Stadt kampflos den amerikanischen Truppen zu übergeben. Der Versuch scheitert. Die Bürger werden, bis auf zwei, die fliehen können, nach Urteil eines Standgerichts erschossen. Das Mordurteil des Standgerichtes wurde später vom Bundesgerichtshof bestätigt.
  6. April 1945: Ende des westlichen Kessels. „Der geschlossene Widerstand der Heeresgruppe B ist am 17. April zu Ende gegangen.“ (Aus den Wehrmachtsbericht)

18.4.45) Das heutige Nordrhein-Westfalen ist von der Naziherrschaft befreit.

  1. April 1945: Bildung eines Betriebsausschusses im Werk Hörde der Dortmund Hörder Hüttenunion.

19.4. 1945: 69. Jahrestag der Selbstbefreiung des Lagers Buchenwald

  1. April 1945: Konferenz auf der Zeche Prinz Regent in Bochum mit Vertretern Bochumer Betriebsausschüsse, vorwiegend aus dem Bergbau. Es wurde beschlossen, einen „Allgemeinen Industriearbeiterverband“ zu gründen.
  2. April 1945. Einrichtung einer Geschäftsstelle der Metallarbeitergewerkschaft in der Alfred-Trappenstr. in Dortmund-Hörde (geleitet von Wilhelm Schröder, SPD, Wilhelm Kropp, chr. Gew., und August Rasch, KPD).
  3. April 1945: Vertrauensmännerbesprechung auf dem Hoesch-Hüttenwerk in Dortmund. Vorlage eines 12-Punkte-Programms durch August Severin (KPD), zu dem „u.a. Fragen der Arbeitszeit, der Einstellung zu den bisherigen Vertretern der Nazis sowie Bestrafung derjenigen PG, die sich Mißhandlungen an Kriegsgefangenen usw. haben zuschulden kommen lassen“, gehörten.
  4. Mai 1945: Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Nordwestdeutschland, Holland und Dänemark.
  5. Mai 1945: Bedingungslose Kapitulation Hitlerdeutschlands. 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

2.8.1945: 75. Jahre Unterzeichnung des „Potsdamer Abkommens“

6.8.1945: 69. Jahrestag des US-Atombombenabwurf auf Hiroshima

9.8.1945: 69.Jahrestag des US-Atombombenabwurfs auf Nagasaki

20.11.1945: 75 Jahre Nürnberger Prozess – Eröffnung des Hauptverfahrens

 

Daten zur unmittelbaren Vorgeschichte der Endphasenverbrechen

  1. August 1944: Treffen von Konzernvertretern zwecks Nachkriegsplanung (Krupp, Bosch, Thyssen, VW, Rheinmetall, Saar-Röchling, Messerschmidt und Wintershall/Quandt), RSHA und Ministerien der Reichsregierung im Hotel „Maison Rouge“ von Strasbourg. 10.11.1944:

76 Jahre Mord an den „Edelweißpiraten“ in Köln, d.h. öffentliche Hinrichtung von 13 Antifaschisten in Köln-Ehrenfeld, darunter der 16jährige Bartholomäus Schink.

  1. und 27. November 1944: Massenverhaftung der Kölner Gruppe der Widerstandsbewegung „Nationalkomitee freies Deutschland“. Die führenden Köpfe der Gruppe, Engelbert Brinker, Otto Richter und Wilhelm Tollmann, werden bei der Festnahme ermordet.
  2. Dezember 1944: Der Wehrwirtschaftsführer Albert Vogler wird von Hitler zum Generalbevollmächtigten der Ruhrgebietswirtschaft ernannt.
  3. Dezember 1944: Verhaftungen in Lippstadt (am 20.12., Verbringung der Gefangenen nach Herne, von dort Ende März 1945 nach Dortmund)
  4. Januar 1945: Todesmarsch beginnt in Auschwitz
  5. und 26. Januar 1945: RSHA- und Gestapo-Befehle zur Beseitigung von Umstürzlern, Kommunisten und Ausländern per Sonderbehandlung ohne Nachfrage beim RSHA.
  6. Januar 1945: Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee.
  7. Februar 1945: Exekution zahlreicher Ausländer im Gestapolager Hunswinkel bei Lüdenscheid.
  8. bis 12. Februar 1945: Jalta-Konferenz
  9. Februar 1945: Verhaftungswelle der Gestapo in Dortmund
  10. Februar 1945: Die Jüdinnen Klara Adolph und Julie Risse aus Essen werden verhaftet, später in Dortmund umgebracht
  11. März 1945: Amerikanische Truppen in Köln (linksrheinisch). Von Januar bis März 1945 wurden in Köln 1800 in- und ausländische Widerstandskämpfer von den Faschisten ermordet.
  12. März 1945: Amerikanische Truppen überschreiten den Rhein bei Remagen.
  13. März 1945: Beginn der Exekutionen im Rombergpark und in der Bittermark (bis 12. April 1945)
  14. März 1945: Schwerer Bombenangriff auf Dortmund und andere Ruhr-Städte
  15. März 1945: Das KZ auf dem Gelände des Dortmund-Hörder-Hüttenvereins wird wieder aufgelöst. Die Gefangenen werden nach Bergen-Belsen gebracht.
  16. März 1945: Aachener Gewerkschafter treffen sich mit Zustimmung der US-Behörden zur ersten Gewerkschaftstagung, um die Grundlage für einen freien deutschen Gewerkschaftsbund zu schaffen.
  17. März 1945: Nero-Befehl Hitlers zur Zerstörung von Wirtschaftseinrichtungen und Verkehrsadern.

20.-22. März 1945: 57 sog. Fremdarbeiter aus dem Lager Suttroper Schule in Warstein werden auf Befehl des SS-Generals Dr. Kammler an 20. März erschossen. Am nächsten Tag werden 71 Arbeiter aus dem Lager Sauerlandhalle geholt und erschossen. Und am 22. März werden 80 Ausländer aus dem selben Lager abgeholt und bei Eversberg ermordet. Dann wurde die Sauerlandhalle von der SS angezündet.

  1. März 1945: Mit dem Vorstoß britischer Truppen über den Rhein bei Wesel beginnt der Kampf um den sog. Ruhrkessel.
  2. März 1945 Ostersamstag: Das Stalag 326 Stukenbrock wird von den Deutschen geräumt. Vorher werden Teile der Lagerbelegschaft nach Osten verlegt. In dem Lager kamen 65.000 Gefangene ums Leben.
  3. April 1945, Ostersonntag: Der Ruhrkessel wird geschlossen. Hamm von US-Truppen besetzt.
  4. April 1945: Die Gestapo für den Regierungsbezirk Arnsberg zieht von Hörde nach Hemer um und leitet von dort ihre Mordtaten in Dortmund, Hagen, Hemer und Umgebung.
  5. April 1945. Münster von britisch-amerikanischen Truppen besetzt.
  6. April 1945: Befehl Himmlers, rücksichtslos gegen alle Bürger vorzugehen, die an ihren Häusern weiße Flaggen anbringen.
  7. April 1945: Durch Besetzung des Teutoburger Waldes und Oerlinghausens wird der Kessel um die Heeresgruppe B geschlossen.
  8. April 1945: Mordbefehl des Generals des Kessels, Generalfeldmarschall Model. Er unterstellte alle politischen Gefangenen in Gefängnissen der Gestapo.
  9. April 1945: Selbstbefreiung der Häftlinge des KZ Buchenwald. Schwur von Buchenwald

 

Ulrich Sander, *1941. Journalist und freier Autor. Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN – BdA). Zahlreiche Bücher und Zeitschriftenbeiträge.

 

 

Ulrich Sander
Mörderisches Finale
NS-Verbrechen bei Kriegsende 1945
PapyRossa Verlag
282 Seiten, € 16,90 [D]
ISBN 978-3-89438-734-1

Bildbearbeitung: L.N.