Stellungnahme zum Vorstoß des Gesamtmetall-Vorsitzenden zum Flächentarif in der Metall- und Elektroindustrie

Von VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften

Nach vielen Jahren der Ruhe in den wichtigsten Industriezweigen in Deutschland, hatte die IG Metall Anfang 2018 zu eintägigen Warnstreiks aufgerufen. Dass es dazu kam, war auch das Ergebnis des Drucks von der Basis in den Betrieben. Trotz der Begrenztheit der Forderungen und des Ergebnisses, wurde in der Tarifrunde nicht nur das Entgelt auf die Tagesordnung gesetzt, sondern auch die Arbeitszeitfrage aufgegriffen. Dieses Thema hatte ein hohes Mobilisierungspotential und der ganztägige Warnstreik-Aufruf wurde von einer halben Million Kolleg*innen befolgt, eine Million war bereits vorher in mehreren Warnstreikwellen aktiv. Die Stimmung war bei allen Streiks sehr kämpferisch. Trotzdem wäre bei einem Vollstreik in dieser Branche wesentlich mehr drin gewesen.

Noch bevor die Laufzeit bis März 2020 beendet ist, erhebt der Präsident der Unternehmerverbandes „Gesamtmetall“, Rainer Dulger, in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ Forderungen an die IG Metall. Seine Ausführung, dass das Ergebnis mit Lohnerhöhung und einer Teilzeitregelung von den Unternehmen nicht kompensiert werden kann und sie deshalb den Unternehmerverband verlassen würden, ist nichts anderes als eine Drohung. Er sagt es auch direkt: „Wenn alle Unternehmen die Tarifbindung verlassen, kann die Gewerkschaft zusehen, wie sie sich im Häuserkampf durchschlägt.“ Dies ist eine eindeutige Kampfansage und ein weiterer Beweis dafür, dass die Zeit der angeblichen Sozialpartnerschaft vorüber ist und von den Unternehmen ein zugespitzter Klassenkampf von oben geführt wird. In den Betrieben wird ohnehin schon Druck auf die einzelnen Kolleg*innen gemacht, um Tarif- und Betriebsvereinbarungen zu unterlaufen. Das soll jetzt auf breiter Front festgeschrieben werden, indem der Flächentarif insgesamt in Frage gestellt wird. Kolleg*innen sollen damit eingeschüchtert werden. Die IG Metall sollte darauf eine klare Antwort formulieren und deutlich machen, dass sie ihre volle Kampfkraft einsetzen werden, sollte es zu einem realen Angriff kommen.

In vielen Branchen erfahren die Beschäftigten täglich am eigenen Leib, was es bedeutet, wenn die kollektive Kampfkraft gemeinsam mit den Flächentarifverträgen zerschlagen wird. Diesen Zustand wieder umzukehren, ist ein Unterfangen, dass nur durch eine enorme Kraftanstrengung der Belegschaften und einer Gewerkschaftsführung gelingt, die bereit ist, sich im Interesse der Lohnabhängigen mit den Chefetagen anzulegen.

Christa Hourani, eine der Sprecherinnen der „VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“, sagt dazu: „Hier wird schon die nächste Tarifrunde vorbereitet. In einem öffentlichen Statement will Dulger den Verhandlungen vor ihrem Beginn ihren Stempel aufdrücken. Seine Haltung, dass eintägige Warnstreiks zuviel Schaden verursachen, mündet in der Forderung, dass sie nur nach einer gescheiterten Schlichtung erlaubt sein sollten. Die Vereinbarung von Zwangsschlichtungen bindet der Gewerkschaft die Hände, aber gerade der wirtschaftliche Druck ist das einzige Mittel der Beschäftigten, ihre Forderungen durchzusetzen. Tarifrunden werden letztendlich vom Kräfteverhältnis im Betrieb und nicht am Verhandlungstisch entschieden. Die IG Metall sollte dieser Forderung eine klare Absage erteilen. Die ganztägigen Warnstreiks in der letzten Tarifrunde waren  nur ein Vorgeschmack auf die Mobilisierungskraft, die beispielsweise ein Kampf um eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle  hervorbringen würde.“

Gegen die nach Aussagen von Dulger drei Millionen ausgefallenen Arbeitsstunden durch den Warnstreik, könnten sich die Unternehmen bislang gar nicht „wehren.“ Die IG Metall solle in den großen Betrieben seines Unternehmerverbandes die Füße still halten, sonst stoße sie jenen vor den Kopf, die für den Flächentarifvertrag stehen. Eine Ursache für Dulgers Vorstoß dürfte auch in den anhaltend niedrigen Auftragseingängen im produzierenden Gewerbe darstellen. Die wirtschaftlichen Aussichten trüben sich. Angelika Teweleit, ebenfalls eine der Sprecherinnen der VKG, weist Dulgers Logik entschieden zurück und meint: „Die Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie fahren jedes Jahr Milliardengewinne ein. Durch die zunehmende Arbeitshetze wird die ohnehin nicht sehr hohe Entgeltsteigerung mehr als kompensiert. Darüber hinaus ist es aber nicht die Aufgabe der Gewerkschaften, sich Gedanken darüber zu machen, wie profitorientierte Konzerne ihre Gewinne sichern können. Die IG Metall ist die Vertretung der Kolleg*innen in den Betrieben. Die Mitglieder des Verbandes Gesamtmetall sind nicht die ‚Kunden‘, denen vor den Kopf gestoßen wird, wie Dulger sagt, sondern die Gegner, denen man entschieden gegenüber treten muss. Die Politik des Co-Managements hat über viele Jahre hinweg zu Verzicht geführt und muss beendet werden.“

Die IG Metall muss sich und ihre Mitglieder auf eine harte Auseinandersetzung vorbereiten und unmittelbar Diskussionen in den Betrieben und Vertrauensleutestrukturen darüber beginnen, wie sie gewonnen werden kann. Es muss ausgeschlossen werden, dass den von Dulger ausgesprochenen Drohungen nachgegeben wird. Sollte es zu einer Kündigung des Flächentarifs kommen, ist dies das Signal zu einer entsprechenden Antwort, die vorbereitet werden muss, damit sie den Angriff zurückschlagen kann. Die beste Antwort auf den Vorstoß von Gesamtmetall wäre eine offensive und mobilisierende Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für die nächste Tarifrunde.

Angela Bankert, eine weitere Sprecherin der VKG, weist in diesem Zusammenhang auf die anstehende „Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften“ hin, die von der Vernetzung für den 25./26. Januar 2020 in Frankfurt am Main organisiert wird. „Wie wir Angriffe auf Errungenschaften der Arbeiterbewegung zurückschlagen können und Tarifkämpfe zum Erfolg führen können, wird eines der Themen der Strategiekonferenz sein,“ erklärt Bankert. „Die anstehenden Tarifrunden sollten uns Anlass geben, die konkreten Kämpfe auf der Konferenz aufzugreifen und mit Kolleg*innen zu diskutieren, die Teil von ihnen sind.“

 

 

 

Quelle, Bild und  weitere Infos: https://www.vernetzung.org