Verfassungsbruch in Vorbereitung: Bundeswehr plant Mobilisierung von 15.000 Soldat*innen für den Inlandseinsatz

Bisher liefen die Vorbereitungen für einen großen Inlandseinsatz der Bundeswehr in kleinen Schritten. Am 14. März forderte Bayerns Ministerpräsident Söder einen flächendeckenden Inlandseinsatz der Bundeswehr. In der Bundespressekonferenz am 19. März präsentierte die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Strategie der Bundeswehr für ihren Einsatz gegen die Corona-Pandemie. Dabei brachte sie auch den Einsatz von Soldat*innen für den Objektschutz von Kritischer Infrastruktur in Deutschland ins Gespräch. Generalinspekteur Zorn beschwichtigte noch, indem er behauptete, die Bundeswehr werde nicht Streife fahren oder „Corona-Partys“ auflösen.

Durch einen Bericht der Stuttgarter Zeitung am gestrigen 26. März wurde bekannt, dass das Innenministerium von Baden-Württemberg mit der Bundeswehr im Gespräch ist, ob nicht Soldat*innen, die wegen einem hohen Krankenstand geschwächte Polizei unterstützen könnte. Damit stehen auch gemeinsame Patrouillen von Polizist*innen und bewaffneten Soldat*innen in der Öffentlichkeit im Raum.

Am heutigen 27. März übertraf ein Bericht des Spiegels alle Befürchtungen: Die Bundeswehr macht mobil. Bis zum 3. April sollen 15.000 Soldat*innen für den Einsatz im Inland bereitstehen.

Nach den aktuellen Plänen sollen in einer Woche 6.000 Soldat*innen für die nicht weiter definierte „Unterstützung der Bevölkerung“, 2500 Logistiksoldat*innen mit 500 Lastwagen für „Lagerung, Transport, Umschlag“ und 18 Dekontaminationsgruppen mit etwa 250 Soldat*innen der ABC-Abwehr für Desinfektionsaufgaben zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollen allerdings auch über 6.000 Soldat*innen, 5.500 für „Absicherung/Schutz“ und 600 Militärpolizist*innen der Feldjäger für „Ordnungs-/Verkehrsdienst“ einsatzbereit gemacht werden.

Um diesen, in der bisherigen Geschichte der BRD nicht gekannten Großeinsatz der Bundeswehr zu führen werden Generalleutnant Martin Schelleis, dem Nationalen Territorialen Befehlshaber der Bundeswehr, vier regionale Stäbe unterstellt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die bisher in Katastropheneinsätzen, wie bei Hochwasser und extremen Schneefällen, erprobten Strukturen der Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit. Stattdessen werden die Führungsstrukturen der Kampftruppen der Bundeswehr aktuell als regionale militärische Führungsstrukturen vorbereitet.

So soll das Marinekommando in Rostock für Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg und das Luftwaffen-Kommando in Berlin für Berlin und Brandenburg zuständig sein.

Die 1. Panzerdivision des Heeres in Oldenburg soll die Soldat*innen in Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen führen und die 10. Panzerdivision im bayerischen Veitshöchheim das Kommando für Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland übernehmen.

In den bisher bekannten Berichten über diese Mobilmachung ist von einer Rechtsgrundlage gar nicht erst die Rede. Die Bereitschaft von knapp 9.000 Soldat*innen für „Unterstützung der Bevölkerung“, Logistik und ABC-Abwehr lässt sich, unabhängig von weiterer Kritik, mit dem Artikel 35 im Grundgesetz (Amts- und Katastrophenhilfe) juristisch rechtfertigen. Wie der Einsatz von über 6.000 Soldat*innen und Feldjäger*innen für Polizei(ähnliche) exekutive Aufgaben im Inland allerdings mit der bestehenden Verfassung in Einklang gebracht werden soll, ist völlig offen. Alle bisherigen Auslegungen des Paragraphen 35 geben diese Einsatzoptionen nicht her. Exekutive Aufgaben blieben damit, auch angesichts einer Pandemie, eine ausschließliche Funktion der Polizei. Eine bestehende Option für bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Inland sieht das Grundgesetz in Artikel 87a, dem sogenannten Inneren Notstand vor, der ausschließlich greift, wenn der Bund, ein Land, oder die Verfassungsordnung durch militärisch organisierte und bewaffnete Unruhen bedroht wären. Die zweite Option ist der Spannungs- und Verteidigungsfall (Artikel 115a), also der Moment in denen die Regierung die Kriegsvorbereitung, oder den Kriegseintritt Deutschlands erklärt. Beide Optionen sind damit für den aktuellen Fall offensichtlich ausgeschlossen.

Damit bleibt nur eine Schlussfolgerung: Verteidigungsministerium, Bundeswehr und die beteiligten Innenministerien, z.b. Baden-Württemberg, bereiten aktuell mit Ansage einen offensiven Verfassungsbruch vor. Dass es in der aktuellen Corona-Pandemie für Innenminister Seehofer nicht so wichtig ist, was das (Grund)gesetz sagt, bewies er bereits in der Pressekonferenz zur Ankündigung von Grenzschließungen am 15. März. Auf die Frage eines Reporters nach der Rechtsgrundlage der Grenzschließungen antwortete er: „Da gibt’s den Artikel 28 des Schengener Grenzkodex. Aber jetzt muss ich ihnen ganz ehrlich mal sagen; Es ist schön, wenn man so eine Grundlage hat, aber im Moment geht mir der Gesundheitsschutz der Bevölkerung über alles. Es gibt auch Notsituationen, wo ein Staat, selbst wenn so ein Artikel nicht vorhanden wäre, handeln müsste.“ Damit spielte Seehofer bereits vor knapp zwei Wochen mit der Rechtsfigur des ‚übergesetzlichen Notstands‘ und damit mit der Option die Verfassung angesichts der aktuellen Lage bewusst und offensiv zu brechen.

Was den Einsatz der Bundeswehr in Inland angeht ist jetzt der Punkt gekommen, wo sich auf diesen Verfassungsbruch aktiv vorbereitet wird. Ist dieser Geist erst einmal aus der Flasche, wird er dahin so schnell nicht zurückkehren. Damit ist auch der Punkt gekommen, wo sich Zivilgesellschaft, Friedens-, Bürgerrechts- und Antifaschistische Bewegung aktiv gegen diesen autoritären Schritt wehren müssen. Über die Welt nach der Corona-Pandemie wird jetzt entschieden!

 

 

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