Der Dortmunder Hafen wird weiter zur Giftküche ausgebaut

Der Dortmunder Hafen wird derzeit mit atemberaubendem Tempo überplant. Begleitet wird dies durch eine Öffentlichkeits- offensive der Stadt und der blumigen Sprache des Oberbürgermeisters. Er spricht von einem „Digital-Campus“, einer „Perlenkette nach Norden“, von „Grachtenlösungen“ und er schielt wie immer auf private Investoren, wenn es um das städtische Tafelsilber geht. Er schwärmt: „Es gibt durchaus starke Nachfrage von Privaten. Der Hafen ist irgendwie sexy und Wasser hat immer einen Reiz. Das hat auch eine Investorenrunde bei einem Besuch im Norden bestätigt.“ Die Realisierung der Vorhaben im Hafen soll in der Regel durch privates Kapital erfolgen.

Während der Envio-Umweltskandals nicht vernünftig aufgearbeitet ist, im Hafengebiet noch immer erhöhte PCB-Werte gemessen werden und ein weiterer Emittent seit Monaten vermutet wird, soll nun ein neues Zwischenlager für teerhaltigen Asphalt in Betrieb gehen.

Die Firma Ruhrmann Logistik GmbH will eine neue LKW-Ladestation mit Lagerhalle für bis zu 420.000 Tonnen pro Jahr bauen. Dieses Vorhaben konterkariert die Wünsche der Nordstadtbewohner, in ihrem Umfeld nur noch eine nachbarschafts-, umwelt- und sozialverträgliche Nutzung anzusiedeln.

In der dicht bevölkerten Nordstadt werden den Anwohnern eine Luftqualität und Emissionsquellen zugemutet, die jeder Beschreibung spotten und in keinem anderen Stadtteil hingenommen würden.

Im Dortmunder Hafen wird ein neues Zwischenlager und eine Umschlaganlage bei der Ruhrmann Logistik GmbH & Co. KG gebaut.

Die Firma Ruhrmann Logistik betreibt zwei Hallen zum nässegeschützten und staubfreien Umschlag und zur Lagerung von pulverförmigen Materialien. Die in den Hallen integrierten Krananlagen ermöglichen eine Ein- und Auslagerung der Materialien per Binnenschiff, Bahn und Lkw.  Die anschließenden Freilagerflächen sind durch einen zusätzlichen Brückenkran ohne Zwischentransporte direkt zu erreichen.

Ruhrmann Logistik vermarktet mineralische Baustoffe sowie Kraftwerksnebenprodukte und betreibt weitere Häfen und Umschlaganlagen in Duisburg und im westdeutschen Kanalgebiet. Vervollständigt wird das Logistikangebot durch eine eigene Schifffahrtsabteilung

Zukünftig sollen neben den ungefährlichen Abfällen wird Rost- und Kesselasche, die in drei Schüttgutboxen auf der Freifläche des Firmengeländes gelagert werden sollen, auch der als gefährlich eingestufte alte teerhaltige Asphalt, auch Straßenaufbruch genannt, mit LKW angeliefert werden. Die gefährlichen Stoffe sollen in einer Größenordnung von 6.000 Tonnen jährlich gelagert werden.

Das schadstoffhaltige Material wird in der neu errichteten Halle I von den LKW über einen Trichter in einen Tiefbunker geschüttet. Über eine Förderanlage gelangt das Material in die Halle oder wird direkt auf das Schiff geleitet. Für das Beladen der Schiffe mit dem giftigen Material gibt es eine spezielle Einrichtung, die mit einer Entstaubungsanlage ausgestattet ist, damit kein kontaminierter Staub in die Umwelt gelangen soll. Die Verladung der teerhaltigen Asphaltstücke soll angeblich emissionsfrei erfolgen und dann per Schiff vom Kohlenhafen direkt nach Holland zur thermischen Entsorgung gebracht werden. Für die Firma ist ein 24-Stunden-Betrieb beantragt.

Alter teerhaltiger Asphalt bzw. Straßenaufbruch

Der Straßenaufbruch fällt bei der Asphalterneuerung von Straßen an. Er besteht aus mineralischen Stoffen, wie Splitt, Kies und Schotter, die hydraulisch, mit Bitumen oder Teer gebunden oder auch ungebunden im Straßenbau verwendet werden.

Bei Bitumen handelt es sich um ein halbfestes bis hartes Destillationsprodukt aus Erdöl, beim Teer hingegen spricht man von einem durch thermische Behandlung von Steinkohle entstehenden flüssigem bis halbfestem Stoff.

Bitumen enthält Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in der Regel zwischen 2,5 und 100 mg/kg. Die PAK-Gehalte von Teer liegen bis zu 4 Zehnerpotenzen höher. Ab einem PAK-Gehalt von 200 mg/kg wird der Abfall als gefährlich eingestuft. Teer wurde bis in die 1980er Jahre im Straßenbau verwendet. Da teerhaltige Schichten teilweise mit bitumenhaltigen Schichten (Asphalt) überbaut wurden, fallen bei Straßenbaumaßnahmen teilweise beide Materialien gemischt als Abfall an.

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)

Unter der Abkürzung PAK werden Kohlenwasserstoffverbindungen zusammengefasst, deren Molekülgerüst aus miteinander verbundenen Benzolringen besteht.

  • PAK kommen in der Umwelt als sehr komplexe Gemische aus mehr als hundert verschiedenen Verbindungen vor. Stellvertretend für die ganze Stoffgruppe werden üblicherweise 16 einzelne PAK analysiert. Der bekannteste Vertreter ist Benzopyren, der als Leitsubstanz bei der Erfassung und Bewertung von PAK herangezogen wird.
  • PAK sind nur sehr gering wasserlöslich, je größer Anzahl der Ringe bzw. mit zunehmender Molekülgrösse werden PAK schwerer flüchtig und schwerer löslich in Wasser. Fast alle PAK, die aus mehr als vier Benzolringen bestehen, sind nachweislich krebserregend.
  • PAK können gasförmig, an Staub gebunden oder in einer Feststoffmatrix in der Umwelt auftreten.
  • PAK entstehen immer bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material, wie Kohle, Heizöl, Treibstoff, Holz, und Tabak. Sie sind an Russpartikel gebunden und geraten mit dem Russ in die Umgebungsluft.
  • PAK kommen aber auch als natürliche Bestandteile von Kohle und Erdöl vor. Bei der Destillation von Erdöl reichern sie sich im Bitumen, auch Erdpech genannt, an. Somit kommen auch PAK in deren Folgeprodukten wie im Asphalt, in teerhaltigen Klebstoffen (Parkettkleber), in Abdichtungsstoffen (Teerpappe), in bitumenhaltigen Beschichtungen (Eisenbahnschwellen) und in Isoliermaterialien (Teerkork) vor.
Gefährlichkeit von PAK

PAK werden durch Einatmen, über die Haut und die Nahrung im menschlichen Körper aufgenommen. Sie können Schleimhautreizungen, Hautschäden, Kopfschmerzen und Entzündungen der Atemwege hervorrufen. Zahlreiche PAK-Verbindungen sind krebserzeugend, erbgutverändernd, immunsystemschädigend und wirken lebertoxisch. Das wurde nachgewiesen und ist wissenschaftlicher Standart. Zudem besteht die Möglichkeit der Embryonenschädigung oder einer Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit.

Teerhaltiger Straßenaufbruch als PAK-haltiger Abfall

Die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen bzw. bei teerhaltigem Straßenaufbruch ist in den Richtlinien der einzelnen Landesinnenministerien für die umweltverträgliche Verwertung von Ausbaustoffen mit teer/pechtypischen Bestandteilen sowie für die Verwertung von Ausbauasphalt im Straßenbau geregelt. Für die Beurteilung der Ablagerbarkeit sind die jeweiligen Deponiegenehmigungen und die Handlungshilfen der Umweltministerien unter dem Gesichtspunkt der PAK-Gehalte des Straßenaufbruchs verbindlich.

Grundlage zur Bewertung des Asphaltaufbruches bzw. Asphaltfräsgutes, seine Wiederverwertung sowie der Lagerung und Verwertung von bituminösem Straßenaufbruch ist ebenfalls klar geregelt.

Die Einteilung in die verschiedenen Verwertungsklassen erfolgt aufgrund des PAK-Gehaltes:

·       Ausbauasphalt ohne Verunreinigungen: (PAK ≤ 10 mg/kg) – kann ohne Auflagen im Straßenbau Verwendung finden.

·       Gering verunreinigter Asphalt (PAK > 10 bis ≤ 25 mg/kg) – darf nur gebunden ohne Auflagen verwendet werden. Ungebunden kann der Einbau nur unter dichter Deckschicht erfolgen.

·       Pechhaltiger Straßenaufbruch (PAK > 25 < 1.000 mg/kg) – die Aufbereitung von pechhaltigem Straßenaufbruch (PAK > 25 mg/kg) muss im Kaltmischverfahren durchgeführt werden. Grundsätzlich darf der Einbau nur unter dichter Deckschicht erfolgen.

·       Gefährlicher pechhaltiger Straßenaufbruch (PAK > 1000 mg/kg) – ab einem PAK-Gehalt von > 1.000 mg/kg (und/oder einem Gehalt an Benzo(a)pyren ≥ 50 mg/kg) ist der Straßenaufbruch als gefährlicher Abfall (Abfallschlüssel 17 03 01) einzustufen und unterliegt daher grundsätzlich den Pflichten der Nachweisverordnung (NachwV). Gefährlicher pechhaltiger Straßenaufbruch darf entsprechend der Anzeige- und Erlaubnisverordnung (AbfAEV) gewerbsmäßig nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde eingesammelt oder befördert werden.

Erfahrungen mit der zuständigen Behörde

In Dortmund hat man schlechte Erfahrungen mit der zuständigen Behörde, der Bezirksregierung Arnsberg, gemacht. Mehr noch, beim Envio-PCB-Skandal war sie selbst Teil des Problems.

Die Firma Envio im Dortmunder Hafen hat über Jahre bei ihrem Betriebsablauf die Umwelt mit dem Gift PCB verseucht. Die Behörden haben Envio und deren Nachbarbetriebe gewähren lassen, eine Kontrolle fand faktisch nicht statt. Neben dem Hafen waren auch die angrenzenden Kleingartenanlagen, der Fredenbaumpark, der Kanal und das umliegende Wohn­gebiet davon betroffen. Der Park ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für eine große Zahl von Bewohnern der Nordstadt und darüber hinaus. Unweit davon liegt die Unfallklinik, eine weitere sensible Einrichtung.

Das Recyclingunternehmen Envio hatte sich auf die Entsorgung von PCB-haltigen Transformatoren spezialisiert. Diese wurden aber unsachgemäß entsorgt, wobei das Gift in die Umgebung gelangte. Bei den Beschäftigten wurde später zum Teil eine PCB-Belastung gemessen, die bis zum 25.000-fachen über der Durchschnittsbelastung der Bevölkerung liegt. Viele leiden heute schwer unter den gesundheitlichen Folgen.

Die Bezirksregierung Arnsberg hat ihre Kontrollen bei Envio angekündigt und Genehmigungen für Verfahren erteilt, die es gar nicht gab. Bei der Aufklärung hat diese Behörde mehr als gemauert.

Aktuell scheint sie nicht in der Lage zu sein, die Identifizierung weiterer PCB-Emittenten im Hafen zu leisten, so treten nach fast 10 Jahren nach Bekanntwerden des Skandals immer noch PCB-Gifte aus und gefährden die Gesundheit der Anwohner.

 

Nach diesen Erfahrungen darf man sich gar nicht  vorstellen, was passiert, wenn bei der Ruhrmann Logistik GmbH & Co. KG bei der Sammlung, Lagerung und Weitertransport der erwarteten 6.000 Tonnen teerhaltigem Straßenaufbruch jährlich etwas aus dem Ruder läuft.

 

 

 

 

 

Quellen: AG „GRENZWERTIGE ABFÄLLE“, ETI Informationsbroschüre Bauschadstoffe, Ruhrmann Logistik GmbH & Co. KG, WAZ, LANUV, Stadt Dortmund

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