Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit. Brief an die IG Metall zur Problematik seit dem Manteltarifvertrag DGB – BAP von 2003

Von Dieter Vogt

Werter Kollege Hofmann, ich bitte Dich, in Deiner Eigenschaft als Vorsitzender der IG Metall darauf hinzuwirken, dass die Arbeitszeitkonten für Leiharbeiter nach §4 ff des MTV DGB-BAP in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden. Leiharbeiter haben dadurch nur Nachteile, wie ich dies im Folgenden noch näher darlegen werde. Beispielsweise werden in einsatzfreien Zeiten ohne jede Grundlage unbegrenzt Minusstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Ich war selbst 23 Jahre lang Betriebsrat bei einem großen Verleiher und weiß, über was ich schreibe. Darüber hinaus bin seit September 1984 Mitglied der IG Metall. (…) Für mich ist es trotz Anspannung meiner gesamten Vorstellungskraft bis heute nicht nachvollziehbar, wie sich die Gewerkschaften haben dazu breitschlagen lassen, mit einer zwielichtigen Branche wie der Leiharbeit, in der ein rüpelhafter Umgang mit den Leiharbeitern an der Tagesordnung ist, neben einem Entgelttarifvertrag mit garantierter finanzieller Unterversorgung auch noch das Arbeitszeitkonto mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen zu Lasten Leiharbeiter in den MTV zu zementieren. Die segensreiche Wirkung des Arbeitszeitkontos zu Gunsten der Leiharbeitsbranche ist mittlerweile in das 14te Kalenderjahr eingetreten, ohne das dessen unzulässige Bestandteile bislang beseitigt wurden. Es bedarf keineswegs eines besonderen Sachverstands, um zu erkennen, dass sich Leistung und Gegenleistung in den Tarifverträgen in einem aufdringlichen Missverhältnis zu Ungunsten der Leiharbeiter befinden.

Darüber hinaus springt ins Auge, das der MTV DGB-BAP sehr feinfühlig und passgenau auf die Bedürfnisse der Zeitarbeit zugeschnitten wurde. Wer böse denkt, könnte auf die Idee kommen, als haben die Gewerkschaften der Leiharbeitsbranche eine lukrative Einnahmequelle verschaffen wollen. (…) Aber auch ohne das Arbeitszeitkonto  garantieren die Tarifverträge den Leiharbeitern für ihr späteres Rentendasein immerhin einen Lebensabend in Würde und Altersarmut. Mit Tarifverträgen auf Ramschniveau kann jedenfalls nicht verhindert werden, dass die betroffenen Leiharbeiter nach wie vor zu den ewigen Verlierern des Arbeitsmarktes zählen…

Fazit:

Für mich ist es trotz Anspannung meiner gesamten Vorstellungskraft bis heute nicht nachvollziehbar, wie sich die Gewerkschaften haben dazu breitschlagen lassen, mit einer zwielichtigen Branche wie der Leiharbeit, in der ein rüpelhafter Umgang mit den Leiharbeitern an der Tagesordnung ist, neben einem Entgelttarifvertrag mit garantierter finanzieller Unterversorgung auch noch das Arbeitszeitkonto mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen zu Lasten Leiharbeiter in den MTV zu zementieren. Die segensreiche Wirkung des Arbeitszeitkontos zu Gunsten der Leiharbeitsbranche ist mittlerweile in das 14te Kalenderjahr eingetreten, ohne das dessen unzulässige Bestandteile bislang beseitigt wurden.

Es bedarf keineswegs eines besonderen Sachverstands, um zu erkennen, dass sich Leistung und Gegenleistung in den Tarifverträgen in einem aufdringlichen Missverhältnis zu Ungunsten der Leiharbeiter befinden. Darüber hinaus springt ins Auge, das der MTV DGBBAP sehr feinfühlig und passgenau auf die Bedürfnisse der Zeitarbeit zugeschnitten wurde. Wer böse denkt, könnte auf die Idee kommen, als haben die Gewerkschaften der Leiharbeitsbranche eine lukrative Einnahmequelle verschaffen wollen. Jedenfalls ist nach meiner Einschätzung die DGB-Tarifgemeinschaft 2003 mit einem Goldklumpen  in die Tarifverhandlungen eingestiegen und haben sich im Gegenzug vom damaligen BZA u.a. mit dem Arbeitszeitkonto, sowie der Teilzeit, einen Schleifstein andrehen lassen. Denn für die Leiharbeitsbranche ging es  um nichts geringeres, als um die arbeitsmarkt- und/oder tarifpolitische Anerkennung. Dies ist der Leiharbeitsbranche ja auch noch zu einem Schnäppchenpreis gelungen. Aber auch ohne das Arbeitszeitkonto  garantieren die Tarifverträge den Leiharbeitern für ihr späteres Rentendasein immerhin einen Lebensabend in Würde und Altersarmut. Mit Tarifverträgen auf Ramschniveau kann jedenfalls nicht verhindert werden, dass die betroffenen Leiharbeiter nach wie vor zu den ewigen Verlierern des Arbeitsmarktes zählen.

Übrigens Teilzeit. Ist auch ein spannendes Thema, worauf ich demnächst in einem gesonderten Schreiben zurückkomme. Darüber hinaus wird man nach der Lektüre des MTV nicht um die Erkenntnis herumkommen, dass die Autoren des MTV DGB-BAP auf Seiten der DGB-Tarifkommission, mit ihren Talenten durch die Decke geschossen sind. Denn es drängt sich der Verdacht auf, dass die Bestimmungen des Arbeitszeitkontos  unter deren Mitwirkung offensichtlich so konstruiert wurden, um die Umgehung des Annahmeverzuges, genauer gesagt, um eine teilweise Übertragung des unternehmerischen Risikos auf die Leiharbeiter zu legalisieren. Damit haben die Tarifvertragsparteien meiner Auffassung nach zweifellos ihre tarifvertragliche Normsetzungsbefugnis überschritten und bewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Arbeitszeitkonto mit §11 Abs.4 Satz 2 AÜG i.V.m. § 615 Satz 1+3 BGB kollidiert. Nach den bisherigen Urteilen der Landesarbeitsgerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, hat das Arbeitszeitkonto bezüglich der Regularien der Minusstunden meiner Auffassung nach, keine, wie auch immer geartete Existenzberechtigung. Es wäre daher wünschenswert, wenn sich die IG Metall bei nächstbester Gelegenheit zu Gunsten der Leiharbeiter dafür einsetzt, dass die Möglichkeit für die Verleiher, Minusstunden in das Arbeitszeitkonto des Manteltarifvertrages DGBBAP einzustellen, zukünftig verhindert wird. Meiner Auffassung nach gehört das Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit grundsätzlich in Gänze abgeschafft. Denn abgesehen von den bislang aufgezeigten und im übrigen unzulässigen Nachteilen zu Lasten der Leiharbeiter, hat das Arbeitszeitkonto demgegenüber für die Leiharbeiter eine kaum messbare Bedeutung und/oder Vorteile, welche ohnehin eher im Verborgenen schlummern. Die DGB Tarifgemeinschaft Leiharbeit, insbesondere die IG Metall, müssten schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit ein gesteigertes Interesse daran haben, dass entsprechende Änderungen, bzw. die Abschaffung des Arbeitszeitkontos herbeigeführt wird. Ansonsten müssten sich die Gewerkschaften ernsthaft die Frage gefallen lassen, wie es sich denn vereinbart, wenn sie einerseits die berechtigte Forderung nach „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ erhebt, andererseits aber nicht einmal dafür eintreten, sondern es darüber hinaus auch noch dulden, dass die Leiharbeiter für ihre Arbeit nicht wenigstens das erhalten, was ihnen von Rechts wegen auch zusteht. Aber in der Leiharbeit gilt wohl eher der Grundsatz „Gleiche Arbeit – halber Lohn“ Sofern dies gewünscht, oder für erforderlich gehalten wird, wäre ich gerne zu einem persönlichen Gespräch bereit. An einem solchen Gespräch hätte auch der Kollege Rene Schindler ein lebhaftes Interesse. Abschließend möchte ich noch von einem Erlebnis der besonderen Art berichten. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, einer Verhandlung vor einem Landesarbeitsgericht beizuwohnen. In diesem Verfahren wurde darum gestritten, ob im Nichteinsatz das Einstellen von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto rechtmäßig sei. Der Vorsitzende, ein Richter mit fast 20 Jahren Berufserfahrung, nahm ungläubig zur Kenntnis, dass im Manteltarifvertrag DGB – BAP Minusstunden in unbegrenzter Höhe eingestellt werden können. Darauf sein nahezu wörtlicher Kommentar: „Wenn ich Gewerkschafter gewesen wäre und hätte den Tarifvertrag unter schreiben sollen, wäre mir der Griffel aus der Hand gefallen“. Diese Aussage hatte natürlich bei allen Anwesenden im Gerichtssaal Erheiterung ausgelöst.

Dieter Vogt (1.9.2017)

 

 

Quelle: http://www.labournet.de

Bild: ver.di

Der vollständige Brief von Dieter Vogt an den IG Metall-Vorstand vom 1.9.2017 

IG Metall Vorstand

Wilheln Leuchner Str.79

60329 Frankfurt

 

DGB – BAP vom 22.07.2003  Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit

Manteltarifvertrag DGB – BAP vom 22.07.2003  Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit

Werter Kollege Hofmann, ich bitte Dich, in Deiner Eigenschaft als Vorsitzender der IG Metall darauf hinzuwirken, dass die Arbeitszeitkonten für Leiharbeiter nach §4 ff des MTV DGB-BAP in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden. Leiharbeiter haben dadurch nur Nachteile, wie ich dies im Folgenden noch näher darlegen werde. Beispielsweise werden in einsatzfreien Zeiten ohne jede Grundlage unbegrenzt Minusstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Ich war selbst 23 Jahre lang Betriebsrat bei einem großen Verleiher und weiß, über was ich schreibe. Darüber hinaus bin seit September 1984 Mitglied der IG Metall.

Allgemeines Arbeitszeitkonten können sehr vorteilhaft sein. Eröffnen sie doch den Betriebspartnern – Arbeitgeber und Betriebsrat – die Möglichkeit, flexibele Arbeitszeitmodelle zum Wohle des Betriebes und der Belegschaft zu gestalten. Aber gilt dies auch für den prekären Wirtschaftszweig der Leiharbeit? Wohl kaum! Nachfolgend will ich, für mich persönlich, im Rahmen meiner Möglichkeiten auf der Grundlage des §11 Abs.4 Satz 2 AÜG i.V.m. §615 BGB, sowie der bisherigen Rechtsprechung des BAG und diverser Landesarbeitsgerichte zum Thema Arbeitszeitkonten untersuchen, inwieweit die tariflichen Bestimmungen zum Arbeitszeitkonto einer sachgerechten Inhaltskontrolle standhalten.

Im Zeitraum vor 2003/2004, also vor Einführung des MTV DGB-BAP, hatten die Leiharbeiter,  basierend auf §11 Abs.4 Satz 2 AÜG iVm § 615 BGB, einen uneingeschränkten Anspruch auf Vergütung betriebsbedingt ausgefallener Arbeitszeiten, bzw. verleihfreie Zeiten. Dabei war es unerheblich, ob diese Ausfallstunden darauf beruhten, dass die Verleiher die Leiharbeiter mangels Kundenauftrag vorübergehend nicht einsetzen konnten, oder darauf, ob die Leiharbeiter bei den Entleihern nicht in einem Mindestumfang der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 35 Wochenstunden b.z.w. zu rund 150 Stunden monatlich beschäftigt werden konnte. Bis zur Einführung des MTV DGB-BAP in 2003, hatten sich die Verleiher bezüglich der Arbeitszeit stets an den tariflichen Arbeitszeitregelungen der Metallindustrie orientiert.

Hierzu im einzelnen:

I. Ein Leiharbeiter hatte eine vertragliche Arbeitszeit von monatlich rund 150 Std. Der Leiharbeiter konnte im 1.Monat nur zu 130 Stunden beschäftigt werden. Der Leiharbeiter hatte dennoch wegen des arbeitgeberseitigen Annahmeverzuges einen Entgeltanspruch für 150 Std., die auch tatsächlich vergütet wurden. Im folgenden Monat wurde der Leiharbeiter  mit ein- schließlich 20 Überstunden, also mit insgesamt 170 Std. eingesetzt. Hiernach hatte der Leiharbeiter einen Vergütungsanspruch  von insgesamt 170 Stunden, die in der Regel ebenfalls vergütet wurden.Der Leiharbeiter hatte für diese beiden Monate also einen Vergütungsanspruch für insgesamt 320 Std., obwohl er nur 300 Std. produktiv gearbeitet hatte.

Mit Einführung des MTV DGB-BZA im Jahre 2003 wurde dieser Rechtsanspruch zu Lasten der Leiharbeiter faktisch zunichte gemacht. Die einschlägigen Bestimmungen lauten: § 4.1 Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes. § 4.2 Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach §2/§3 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Mitarbeiters und der tatsächlichen Arbeitszeit nach § 4.1 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet.

§ 4.3 In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden. Plusstunden sind die über die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinaus entstandenen Arbeitsstunden. Minusstunden sind die unter der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit liegenden Arbeitsstunden Die Verleiher hatten natürlich gleich die segensreiche Wirkung des Arbeitszeitkontos erkannt. Fortan wurden bis zu 200 Überstunden als so genannte Plusstunden zum Nachteil der Leiharbeiter in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Darüber hinaus kann das Arbeitszeitkonto gemäß §4.3 Abs.3 zur „Beschäftigungssicherung“ bei saisonalen Schwankungen im Einzelfall bis zu 230 Plusstunden umfassen. Was auch immer der Terminus „Beschäftigungssicherung“ im Fachbereich prekärer Beschäftigungsverhältnisse für eine Bedeutung haben mag. Worin also der Vorteil des Arbeitszeitkontos für die Leiharbeiter liegen soll, ist für mich beim besten Willen nicht erkennbar Darüber hinaus wurden und werden sämtliche Zeiten vorübergehender Nichtbeschäftigung mit Plusstunden, also mit bereits erworbenen Ansprüchen der Leiharbeiter verrechnet, oder, sofern im Arbeitszeitkonto keine Plusstunden vorhanden sind, können Minusstunden zu Lasten der Leiharbeiter sogar in unbegrenzter Höhe in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Mit anderen Worten: Zum Nachteil der Leiharbeiter werden unter Umgehung des Annahmeverzuges nach §11 Abs.4 Satz 2 AÜG iVm §615 Satz 1+3 BGB, nur noch Zeiten vergütet, in denen sie tatsächlich bei Entleihern produktiv im Einsatz sind. Aus Sicht der Gewerkschaften, insbesondere IG Metall und Verdi, ist dies zwar unzulässig. Allerdings wird dies von den Verleihern mit Duldung der Gewerkschaften unverändert bis heute praktiziert. Der Wortlaut der §§ 4.2, 4.3 des MTV  ist jedoch insoweit eindeutig. Er enthält nämlich keinerlei Hinweise darauf, wonach verleihfreie Zeiten mit dem Arbeitszeitkonto verrechnet werden können. Bei Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze scheidet daher die Möglichkeit aus, Nichteinsatzzeiten mit Plusstunden, also mit bereits erworbenen Ansprüchen des Leiharbeiters zu verrechnen. Dies gilt gleichermaßen auch im umgekehrten Fall. Steht ein Arbeitszeitkonto auf Null, können einsatzlose Zeiten nicht dazu führen, dass das Arbeitszeitkonto mit Minusstunden belastet wird. Prof. Dr. Wolfgang Däubler hat in einem Rechtsgutachten aus 2006 zum Thema „Minusstunden in der Leiharbeit“ folgende Feststellungen getroffen:

§4.2 (MTV:DGB-BZA) verstößt gegen §11 Abs.4 Satz 2 AÜG i.V.m. §615 Satz 1 BGB und ist daher nichtig, SOWEIT er die Entstehung von Minusstunden ermöglicht und es ausschließt, daß Zeiten der Nichtbeschäftigung wie Arbeitszeit behandelt werden. Soweit die tatsächlichen Einsatzzeiten unter 151,67 Stunden im Monat liegen, ist dieser Wert als „Garantiearbeitszeit“ zu berücksichtigen.Ist der Arbeitnehmer an einzelnen Tagen arbeitsbereit, sind ihm jeweils 7 Stunden gutzuschreiben.

Demgegenüber werden jedoch alle unproduktiven Zeiten, unerheblich davon, ob diese Zeiten aus vorübergehender Nichtbeschäftigung resultieren, oder darauf, dass die Leiharbeiter während eines Einsatzes aus betriebsbedingten Gründen des Entleihers nicht in einem Mindestumfang der tarifvertraglichen Arbeitszeit von z.B. 151,67 Stunden arbeiten können, als Minusstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt.

Sofern sich hierdurch das Arbeitszeitkonto im Minus befindet, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass dessen Ausgleich in der Folgezeit denknotwendigerweise nur durch Mehrarbeit erzielt wird. Mehrarbeit bedeutet jedoch Nacharbeit, die jedoch gemäß §615 BGB im Rahmen der Leiharbeit zwingend ausgeschlossen ist. Die nach §4 ff des MTV DGB-BAP vorgesehene „Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung“ bedeutet demnach nichts anderes, als eine zumindest teilweise Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf die Leiharbeiter. Faktisch dient das Arbeitszeitkonto den Verleihern als Steilvorlage für illegale Abrechnungsmethoden.

II. Dies sahen die Landesarbeitsgerichte :

LAG Ba. Wü. vom 29.04.2009 -17 Sa 4/09 – Urteil anhängig BAG -5 AZR 435/09- 

LAG Düsseldorf vom 16.11.2011 -7 Sa 567/11- Urteil anhängig BAG – 5 AZR 181/12 – 

LAG Hamburg vom 22.07.2013 -4 Sa 56/13- Nichtzulassungsbeschwerde – 5 AZN 809/14 – 

LAG Hessen, 09.06.2015 -15 Sa 766/14- Urteil anhängig BAG – 5 AZR 854/15 – offensichtlich völlig anders. Nach den vorstehenden Entscheidungen sind die LAG’te in einem Wust weitschweifiger Auslegungskonstruktionen zu den Ergebnissen gelangt, wonach es den Verleihern grundsätzlich erlaubt sei, einsatzlose Zeiten mit Plus- und/oder Minusstunden zu verrechnen. Meiner Auffassung nach beruhen die vorgenannten Entscheidungen auf einem Problem mit Tatsachenfeststellungen, verbunden mit einem ebensolchen Ausdrucksvermögen. Denn sie überzeugen weder im Ergebnis, noch in der Begründung. Rechtsprechung zum Thema Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit ist offensichtlich etwas für Fortgeschrittene, wie dies die nachfolgenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, sowie der weiteren neun Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte zeigen.

Meine Auffassung sehe ich durch den weiteren Prozessverlauf im Verfahren des LAG Baden Württemberg -17 Sa 4/09 – bestätigt. Gegen dieses Urteil wurde nämlich Revision beim BAG -5 AZR 435/09- eingelegt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde folgender Vergleich geschlossen: … hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 17. Mai 2010 beschlossen: Das Zustandekommen und der Inhalt folgenden Vergleichs:

1.) Zur Erledigung des Rechtsstreits verpflichtet sich die Beklagteunter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes dem Arbeitszeitkonto des Kläger für den 25.,26. Dez.2007 und dem 01.01.2008, 21 Stunden gutzuschreiben.

2.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, sowie die außergerichtlichen Kosten des

Klägers.

Durch Vergleich wurde dem dortigen Kläger das zugesprochen, was er in den Vorinstanzen vergeblich versucht hat einzuklagen. Darüber hinaus hat der Vergleich je nach Sichtweise den Vorteil, dass die Entscheidung des LAG Baden Württemberg vom 29.04.2009 -17 Sa 4/09 – keine Rechtskraft erlangt hat.

Dem Urteil des LAG Düsseldorf vom 16.11.2011 -7 Sa 567/11- erging es nicht anders. Auch gegen diese Entscheidung wurde unter – 5 AZR 181/12 – Revision beim BAG eingelegt. Auch dieses Verfahren wurde durch Vergleich beendet. Ergebnis:

1. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits 1200,00 Euro brutto. 2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4.

Durch Erledigung mittels Vergleich hat auch die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 16.11.2011 -7 Sa 567/11- ebenfalls keine Rechtskraft erlangt. Meiner Auffassung nach kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Initiative, die beiden Verfahren vor dem BAG durch Vergleich zu beenden, von den jeweils beklagten Verleihern ausging, um einer Grundsatzentscheidung durch das BAG zu entgehen. 

Dem gegenüber hat das LAG Hamburg  vom 22.07.2013 -4 Sa 56/13- die Berufung der dortigen Klägerin nicht nur abgewiesen. Das LAG hat darüber hinaus die Revision nicht zugelassen. Nach Aussage der Kanzlei Templin & Tieß in Hamburg, wurde die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 20.01.2015, – 5 AZN 809/14 – ohne nähere Begründung zurückgewiesen. Die Begründung, die zur Abweisung führten, sind diesseits jedoch nicht bekannt.

III. Das Highlight setzte jedoch ein IG Metall Kollege mit seinem Urteil des LAG Hessen vom 09.06.2015 -15 Sa 766/14-. Siehe auch metallzeitung März 2017. In dem dortigen Verfahren ging es ebenfalls um die Verrechnung einsatzloser Zeiten mit Plusstunden des Arbeitszeitkontos.

Der Kollege klagte vor dem Arbeitsgericht Frankfurt und verlor. Seine Berufung vor dem LAG Hessen wurde abgewiesen. Das LAG Hessen hat, wie auch das LAG Hamburg, die Revision nicht zugelassen. Allerdings ist es dem DGB Rechtschutz gelungen, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die Revision erfolgreich durchzusetzen.

Das BAG hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23.11.2016 festgesetzt. Kurze Zeit vor Terminbeginn ist der beklagte Verleiher an den Kollegen herangetreten mit dem Ziel, das Revisionsverfahren durch Vergleich zu beenden, was der Kollege jedoch ablehnte. Daraufhin hat die Beklagte die Forderung in Höhe von 740,00 Euro brutto nebst Zinsen freiwillig gezahlt und das Revisionsverfahren somit streitlos gestellt. Die strenge Welt des Rechts steckt eben voller Überraschungen.

Im Kostenfestsetzungsbeschluß vom 28.11.2016 hat der Fünfte Senat des BAG dem beklagten Verleiher die gesamten Prozesskosten auferlegt. In der Begründung liest sich das wie folgt:

Die Beklagte hat sich durch die vorbehaltlose Zahlung der in der Revision allein noch streitgegenständlichen Klageforderung von 740,00 Euro brutto nebst Zinsen in geforderter Höhe freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben.Sie hat damit den Rechtsstandpunkt des Klägers, sei es auch aus prozessökonomischen Gründen, im Ergebnis hingenommen.

Zwar fehlt die Erklärung, die Kosten des Rechtsstreits übernehmen zu wollen. Die Beklagte hat jedoch auf die Revisionsbegründung des Klägers nicht erwidert und der Erledigungserklärung zugestimmt, ohne einen eigenen Kostenantrag zu stellen. Bei dieser Sachlage ist nicht mehr zu prüfen, ob die vom Kläger verfolgte Forderung begründet war.

IV. Die nachfolgenden Urteile sind alle zu Gunsten der klagenden LeiharbeiterInnen ausgegangen. Sie sind auch im Ergebnis richtig. Sie sind im Gegensatz zu den o.g. Entscheidungen sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis nachvollziehbar und logisch.

BAG, 13.12.2000  – 5 AZR 334/99 –  BAG, 26.01.2011  – 5 AZR 819/09 –  BAG, 21.03.2012  – 5 AZR 676/11 –

LAG Mecklenburg-Vorpommern, 26.03.2008 – 2 Sa 314/07 –  Die Revision wird nicht zugelassen.

LAG Rheinland-Pfalz, 24.04.2008 – 10 Sa 19/08 – Die Revision wird nicht zugelassen.

LAG Rheinland-Pfalz, 15.11.2011 – 3 Sa 493/11 – Die Revision wird nicht zugelassen.

LAG Berlin-Brandenburg, 17.12.2014 – 15 Sa 982/14 – Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Wurde durch Vergleich beendet.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, 19.02.2015, – 5 Sa 138/14 – Die Revision wird nicht zugelassen.

LAG Schleswig – Holstein, 12.05.2015 – 1 Sa 359 a/14 – Die Revision wird nicht zugelassen.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, 13.10.2015 – 2 Sa 113/15 – Die Revision wird nicht zugelassen.    LAG Hessen, 28.04.2016 – 9 Sa 1287/15 – Urteil anhängig BAG, Az: 5 AZR 567/16 Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen. Die Revision wurde eingelegt, aber wieder zurückgezogen.

LAG Hessen, 28.04.2016 – 9 Sa 1288/15 – Urteil anhängig BAG, Az: 5 AZR 568/16 Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen. (Paralellentscheidung) Die Revision wurde eingelegt, aber wieder zurückgezogen.

Beispielhaft hierzu die Entscheidung des: BAG, vom 21.03.2012  – 5 AZR 676/11 – Der Arbeitgeber darf das auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesene Zeitguthaben des Arbeitnehmers nur mit Minusstunden verrechnen, wenn ihm die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) die Möglichkeit dazu eröffnet.

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands (zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 – 5 AZR 521/09 – Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

Daran fehlt es im Streitfall. Die dem ÜZA-Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen erlauben es der Beklagten nicht, dieses Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich – möglicherweise – aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben.

Dazu passend auch ein Auszug aus der Entscheidung des:

LAG Hessen vom 28.04.2016  – 9 Sa 1287/15 – :

Leitsatz Der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) – vormals Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) – und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene Manteltarifvertrag Zeitarbeit vom 22. Juli 2003 berechtigt den Arbeitgeber nicht, verleihfreie Zeiten (Nichteinsatzzeiten) einseitig als Abzugsposition im Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers zu verbuchen. Diese Zeiten sind keine „Minusstunden“ im Sinne des MTV. Der Arbeitgeber kann die verleihfreie Zeit auch nicht einseitig zur Nichtarbeitszeit (Freizeit) machen.(Rn.87)

91 (2) Die einseitige Verbuchung von einsatzfreien Zeiten hat in den tariflichen Normen des MTV allerdings bereits keinen Niederschlag gefunden.

Meiner Auffassung nach steht daher zweifelsfrei fest, dass das Einstellen von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto für verleihfreie Zeiten unzulässig ist. Dem ist durch eine Änderung und/oder Ergänzung des MTV dringend Einhalt zu gebieten. Es kann nicht angehen, dass den Leiharbeitern, die ohnehin bereits am finanziellen Limit ihr Dasein fristen, weiterhin das unternehmerische Risiko für einsatzlose Zeiten aufgebürdet wird.

Nicht nur das. In der metallzeitung 08/2016 wurde berichtet, was mit dem Arbeitszeitkonto noch so alles geht, nämlich darüber, dass auf Leiharbeiter bei Arbeitsunfähigkeit Druck ausgeübt wurde, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall doch über das Arbeitszeitkonto abzuwickeln. Was natürlich besonders bei Leiharbeitern reibungslos funktioniert, die sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis und/oder noch in der Probezeit befinden. In der metallzeitung 10/2016 wurde hierzu ein entsprechender Leserbrief veröffentlicht. Nach meinen Informationen hat Kollege Dirk Erb von der Redaktion metallzeitung, hierüber weitere Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass dies von den Verleihern über Jahre systematisch betrieben wurde und vermutlich nach wie vor wird. Insgesamt kann festgestellt werden, dass dem Arbeitszeitkonto ein enormes Missbrauchspotential innewohnt.

 V. Darüber hinaus wäre zu prüfen, inwieweit es nach §4.3 des MTV zulässig ist, während eines Kundeneinsatzes Minusstunden in das Arbeitszeitkonto einzustellen, wenn der Leiharbeiter in einem solchen Einsatz nicht in einem Mindestumfang der tarifvertraglichen Arbeitszeit von monatlich 151,67 Stunden beschäftigt wird.Meiner Meinung nach ist auch das unzulässig. Denn auch bei dieser Fallgestaltung wird, wenn auch nur zum Teil, dass unternehmerische Risiko auf den Leiharbeiter abgewälzt.

Beispiel: Ein Leiharbeiter hat eine tarifvertragliche Arbeitszeit von 151,67 Std. Der Leiharbeiter arbeitet im 1.Monat nur 130 Stunden. Die tarifvertragliche Arbeitszeit von 151,67 Stunden wird auch tatsächlich vergütet. Im Gegenzug werden aber :

1. die 21,67 Fehlstunden mit vorhandenen Plusstunden verrechnet,

oder

2. sofern keine Plusstunden vorhanden sind, das Arbeitszeitkonto im Gegenzug mit 21,67 Minusstunden belastet. Im 2.Monat arbeitet der Leiharbeiter im selben Kundenbetrieb inklusive Mehrarbeit 171,67 Stunden. Vergütet wird jedoch nur die tarifvertragliche Arbeitszeit von 151,67 Stunden, während die 20 Überstunden zum Abbau der Minusstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Mit anderen Worten: Es handelt sich faktisch um eine Enteignung, da sich die 20 Überstunden zu Ungunsten des Leiharbeiters ohne jede Grundlage in Entgeltverlust umwandeln.

Eine rechtssichere Belastung des Arbeitszeitkontos mit Minusstunden scheitert meiner Auffassung nach bereits aus den nachfolgenden Gründen. Voraussetzung wäre zunächst, dass der Leiharbeiter selbst darüber entscheiden könnte, ob überhaupt eine Zeitschuld durch Minusstunden entstehen soll, als auch darüber, wann und wie es ggf. ausgeglichen werden soll. Hierzu das  BAG, vom 13.12.2000 – 5 AZR 334/99 – Notwendige Voraussetzung für das Ausbleiben einer tarifwidrigen Schlechterstellung ist allerdings, dass die Arbeitnehmer selbst über die Entstehung und den Ausgleich eines negativen Kontostandes entscheiden können. Dies betrifft sowohl die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein negatives Guthaben entstehen soll, als auch darüber, wann und wie es ggf. ausgeglichen werden soll. Könnte dies der Arbeitgeber bestimmen, würde gegen den Anspruch der Arbeitnehmer auf Einhaltung der tariflichen Wochenarbeitszeit unter Vergütung jeder geleisteten Arbeitsstunde verstoßen.

Es ist diesseits nicht nur mehr als fraglich, sondern vollends unrealistisch, dass die Leiharbeiter im Rahmen eines Kundeneinsatzes alleine und frei darüber entscheiden können,ob und wie eine Zeitschuld entsteht und wie diese letztlich wieder auszugleichen ist. Eine derartige Gestaltungsmöglichkeit sieht der MTV auch gar nicht erst vor. Denn gemäß § 4.1 des MTV wird die tatsächliche Lage der Arbeitszeit an die des Kundenbetriebes angepasst, wobei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen, als auch die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage  sich ausschließlich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes richten. 

Minusstunden entstehen demnach ausschließlich nur dadurch, dass die Leiharbeiter während eines Kundeneinsatzes aus betriebsbedingten Gründen des Entleiherbetriebes, nicht in einem

Mindestumfang der tariflichen Arbeitszeit von 151,67 Stunden monatlich beschäftigt werden. Es kann deshalb nicht angehen, dass bei dieser Fallgestaltung das Arbeitszeitkonto der Leiharbeiter mit Minusstunden, genauer gesagt, mit einer Zeitschuld belastet wird, welche dann in der Folgezeit von den Leiharbeitern  durch Mehrarbeit wieder auszugleichen ist. Einer derartigen Nachleistungspflicht steht der anspruchsvernichtende Einwand des § 615 BGB zu Gebote. 

Nicht einmal bei den Plusstunden haben die Leiharbeiter die Möglichkeit, alleine und jederzeit frei darüber zu entscheiden, ob und wie sie Plusstunden in Freizeit umwandeln können. Während die Verleiher mit den Leiharbeitern jederzeit eine „Vereinbarung“ darüber treffen können, wann ein Ausgleich der Plusstunden durch Freizeit stattzufinden hat, steht ein Anspruch der Leiharbeiter auf begrenzten Freizeitausgleich zunächst unter dem Erlaubnisvorbehalt der Verleiher, wie dies aus  § 4.5 des MTV ersichtlich wird:

b) Der Mitarbeiter kann verlangen, während der Einsatzzeit beim Kunden je 35 Plusstunden einen Arbeitstag aus dem Zeitkonto in Freizeit zu erhalten. Dieser Anspruch kann nur einmal je Kalendermonat für max. zwei Arbeitstage geltend gemacht werden. 

Voraussetzung für diesen Anspruch ist die Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche. Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Freizeitverlangen aus dringenden betrieblichen Gründen zu widersprechen. Als dringender betrieblicher Grund in diesem Sinne gilt die Ablehnung des Kundenbetriebes, soweit kein Ersatzmitarbeiter zur Verfügung steht. 

Im Falle der Ablehnung des Freistellungsantrags hat der Mitarbeiter Anspruch auf eine verbindliche Vereinbarung über die spätere Lage der beantragten Freistellungstage.

Um also überhaupt erst mal Freizeitausgleich für EINEN Tag beantragen zu können, müssen zunächst einmal nicht weniger als 35 Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto verbucht sein. Zusätzlich ist dieser Anspruch unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche anzumelden, was der Verleiher aber aus dringenden betrieblichen Gründen erst einmal ablehnen kann. Demnach obliegt den Verleihern sogar die weit überwiegende Dispositionsbefugnis und/oder das Bestimmungsrecht über fremdes Eigentum, während die Leiharbeiter nur einen eng begrenzten Zugriff auf ihre, durch Mehrarbeit erworbenen Ansprüche haben. Ein negatives Arbeitsguthaben auf einem Arbeitskonto ist vom Arbeitnehmer bei Ausscheiden trotz entsprechender Vereinbarung nicht auszugleichen, wenn das negative Guthaben auf Grund von Arbeitsmangel entstanden ist.

..20. Eine Verrechnung mit Vergütungsansprüchen darf der Arbeitgeber allerdings erst dann vornehmen, wenn der Arbeitnehmer allein darüber entscheiden kann, ob und in welchem Umfang das negative Guthaben entsteht (BAG vom 13.12.2000  – 5 AZR 334/99 -). 21. Das ist im vorliegenden Fall nicht der Fall. Das negative Guthaben ist entstanden, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht genügend Arbeit zur Verfügung stellen konnte und ohne die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos in Annahmeverzug geraten wäre. Wenn, wie bereits das BAG mit Urteil vom 21.03.2012  – 5 AZR 676/11 – entschieden hat, ein Arbeitszeitkonto nicht mit Minusstunden zu belasten werden darf, die sich zum Beispiel aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Arbeitszeit ergeben, dann dürfen erst recht nicht bis zu 35 Minusstunden bei Eigenkündigung des Leiharbeiters bzw. außerordentlicher Kündigung zu dessen Nachteil verrechnet werden.

 

Fazit:

Für mich ist es trotz Anspannung meiner gesamten Vorstellungskraft bis heute nicht nachvollziehbar, wie sich die Gewerkschaften haben dazu breitschlagen lassen, mit einer zwielichtigen Branche wie der Leiharbeit, in der ein rüpelhafter Umgang mit den Leiharbeitern an der Tagesordnung ist, neben einem Entgelttarifvertrag mit garantierter finanzieller Unterversorgung auch noch das Arbeitszeitkonto mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen zu Lasten Leiharbeiter in den MTV zu zementieren. Die segensreiche Wirkung des Arbeitszeitkontos zu Gunsten der Leiharbeitsbranche ist mittlerweile in das 14te Kalenderjahr eingetreten, ohne das dessen unzulässige Bestandteile bislang beseitigt wurden.

Es bedarf keineswegs eines besonderen Sachverstands, um zu erkennen, dass sich Leistung und Gegenleistung in den Tarifverträgen in einem aufdringlichen Missverhältnis zu Ungunsten der Leiharbeiter befinden. Darüber hinaus springt ins Auge, das der MTV DGBBAP sehr feinfühlig und passgenau auf die Bedürfnisse der Zeitarbeit zugeschnitten wurde. Wer böse denkt, könnte auf die Idee kommen, als haben die Gewerkschaften der Leiharbeitsbranche eine lukrative Einnahmequelle verschaffen wollen. Jedenfalls ist nach meiner Einschätzung die DGB-Tarifgemeinschaft 2003 mit einem Goldklumpen  in die Tarifverhandlungen eingestiegen und haben sich im Gegenzug vom damaligen BZA u.a. mit dem Arbeitszeitkonto, sowie der Teilzeit, einen Schleifstein andrehen lassen. Denn für die Leiharbeitsbranche ging es  um nichts geringeres, als um die arbeitsmarkt- und/oder tarifpolitische Anerkennung. Dies ist der Leiharbeitsbranche ja auch noch zu einem Schnäppchenpreis gelungen. Aber auch ohne das Arbeitszeitkonto  garantieren die Tarifverträge den Leiharbeitern für ihr späteres Rentendasein immerhin einen Lebensabend in Würde und Altersarmut. Mit Tarifverträgen auf Ramschniveau kann jedenfalls nicht verhindert werden, dass die betroffenen Leiharbeiter nach wie vor zu den ewigen Verlierern des Arbeitsmarktes zählen.

Übrigens Teilzeit. Ist auch ein spannendes Thema, worauf ich demnächst in einem gesonderten Schreiben zurückkomme. Darüber hinaus wird man nach der Lektüre des MTV nicht um die Erkenntnis herumkommen, dass die Autoren des MTV DGB-BAP auf Seiten der DGB-Tarifkommission, mit ihren Talenten durch die Decke geschossen sind. Denn es drängt sich der Verdacht auf, dass die Bestimmungen des Arbeitszeitkontos  unter deren Mitwirkung offensichtlich so konstruiert wurden, um die Umgehung des Annahmeverzuges, genauer gesagt, um eine teilweise Übertragung des unternehmerischen Risikos auf die Leiharbeiter zu legalisieren. Damit haben die Tarifvertragsparteien meiner Auffassung nach zweifellos ihre tarifvertragliche Normsetzungsbefugnis überschritten und bewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Arbeitszeitkonto mit §11 Abs.4 Satz 2 AÜG i.V.m. § 615 Satz 1+3 BGB kollidiert. Nach den bisherigen Urteilen der Landesarbeitsgerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, hat das Arbeitszeitkonto bezüglich der Regularien der Minusstunden meiner Auffassung nach, keine, wie auch immer geartete Existenzberechtigung. Es wäre daher wünschenswert, wenn sich die IG Metall bei nächstbester Gelegenheit zu Gunsten der Leiharbeiter dafür einsetzt, dass die Möglichkeit für die Verleiher, Minusstunden in das Arbeitszeitkonto des Manteltarifvertrages DGBBAP einzustellen, zukünftig verhindert wird. Meiner Auffassung nach gehört das Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit grundsätzlich in Gänze abgeschafft. Denn abgesehen von den bislang aufgezeigten und im übrigen unzulässigen Nachteilen zu Lasten der Leiharbeiter, hat das Arbeitszeitkonto demgegenüber für die Leiharbeiter eine kaum messbare Bedeutung und/oder Vorteile, welche ohnehin eher im Verborgenen schlummern. Die DGB Tarifgemeinschaft Leiharbeit, insbesondere die IG Metall, müssten schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit ein gesteigertes Interesse daran haben, dass entsprechende Änderungen, bzw. die Abschaffung des Arbeitszeitkontos herbeigeführt wird. Ansonsten müssten sich die Gewerkschaften ernsthaft die Frage gefallen lassen, wie es sich denn vereinbart, wenn sie einerseits die berechtigte Forderung nach „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ erhebt, andererseits aber nicht einmal dafür eintreten, sondern es darüber hinaus auch noch dulden, dass die Leiharbeiter für ihre

Arbeit nicht wenigstens das erhalten, was ihnen von Rechts wegen auch zusteht. Aber in der Leiharbeit gilt wohl eher der Grundsatz „Gleiche Arbeit – halber Lohn“ Sofern dies gewünscht, oder für erforderlich gehalten wird, wäre ich gerne zu einem persönlichen Gespräch bereit. An einem solchen Gespräch hätte auch der Kollege Rene Schindler ein lebhaftes Interesse. Abschließend möchte ich noch von einem Erlebnis der besonderen Art berichten. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, einer Verhandlung vor einem Landesarbeitsgericht beizuwohnen. In diesem Verfahren wurde darum gestritten, ob im Nichteinsatz das Einstellen von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto rechtmäßig sei. Der Vorsitzende, ein Richter mit fast 20 Jahren Berufserfahrung, nahm ungläubig zur Kenntnis, dass im Manteltarifvertrag DGB – BAP Minusstunden in unbegrenzter Höhe eingestellt werden können. Darauf sein nahezu wörtlicher Kommentar: „Wenn ich Gewerkschafter gewesen wäre und hätte den Tarifvertrag unter schreiben sollen, wäre mir der Griffel aus der Hand gefallen“. Diese Aussage hatte natürlich bei allen Anwesenden im Gerichtssaal Erheiterung ausgelöst.

 

In der Hoffnung auf eine positive Rückantwort verbleibe ich,

mit kollegialen Grüßen Dieter Vogt (1.9.2017)