Corona: Maschinen laufen, Regierung erfüllt Auftrag

Von Marcus Schwarzbach

Die Zahl geleisteter Arbeitsstunden ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Prozent auf 59,64 Milliarden geschrumpft – meldet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Der Einbruch des Arbeitsvolumens 2020 übersteigt alles bisher Dagewesene“, kommentiert das IAB. 2019 war mit 62,7 Milliarden Stunden ein Rekordhoch an Arbeitszeit erreicht. (1).

Erstaunlich sind die Zahlen aus einen anderen Grund: Fast fünf Monate verhängten Bundes-und Länderregierungen in 2020 einen „Lockdown“ – und die Arbeitszeiten in den Betrieben sanken nur um 4,7%. „Lockdown“, der englische Begriff für „Ausgangssperre“, scheint für die Bundesregierung zu bedeuten:  Produktion am Laufen halten, Verwertung der Arbeitskraft steht über allem. Vordergründig spricht die Bundesregierung von „Gesundheit geht vor ökonomischen Fragen“, so im März letzten Jahres (2). Das Handeln sieht anders aus. Nicht nur in Rüstungsbetrieben wird durchgängig in drei Schichten gearbeitet.

Thema auf der Corona-Konferenz zwischen Bundesregierung und den Ministerpräsidenten im März war auch eine Testpflicht der Unternehmen für die Beschäftigten in den Betrieben. Die solle Teil der Teststrategie sein, hieß es danach. Deutlich lehnen Unternehmensvertreter eine Pflicht zu Tests im Betrieb ab. Nachdem eine digitale Konferenz der Bundesregierung mit Unternehmensvertretern wegen noch „offener Fragen“ und „weiterer nötiger Vorbereitungen“ wie Regierungssprecher Seibert mitteilte, abgesagt wurde, handelten die Wirtschaftsvertreter mit einem Appell zum „freiwilligen Testangebot“ in Betrieben. Die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA), der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), der Zentralverband des deutschen Handwerks und der Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärten: „Wir wollen in dieser Zeit unsere gesamtgesellschaftliche Verantwortung durch eine vorübergehende substanzielle Ausweitung der Testung realisieren“. Man appelliere an die Betriebe, ihren Beschäftigten Selbsttests anzubieten. „Coronatests im Betrieb bleiben freiwillig“, meldet haufe.de (3). Gesetzliche Regelung: Fehlanzeige.

Die Bundesregierung bleibt ihrer Linie treu. Im Infektionsschutz-Gesetz, dem „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ gibt es keine Regelungen zu Unternehmen, die Belegschaften in den Betrieben bleiben unerwähnt. Die Vorgabe an die Regierenden formuliert BDA-Chef Rainer Dulger unmissverständlich: „Sie können doch nicht alle Betriebe schließen“. Die Situation in den Betrieben erfordert aus Sicht der Beschäftigten dagegen ein entschlossenes Handeln: Seit Jahresbeginn würden „Ausbrüche am Arbeitsplatz in der Tendenz zunehmen“, schreibt das Robert-Koch-Institut und bezieht sich dabei auf Angaben der Gesundheitsämter. Der Arbeitsplatz steht aktuell nach den Privathaushalten an zweiter Stelle bei den Orten mit den häufigsten Ausbrüchen (4). „Da wird von den Konzernen und den Verbänden über tolle Hygienekonzepte gesprochen, in der Praxis sieht es aber vielfach mies aus. Zum einen werden die Kontrollen nicht nachgehalten. Zum anderen müssen die Betriebsräte teilweise in Einigungsstellen gegen ihren Arbeitgeber vernünftige Hygienekonzepte erkämpfen. So kann das nicht weitergehen“, kritisiert der Verdi-Vorsitzende Werneke – und zieht aber keine Konsequenzen  (5).

Im März letzten Jahres streikten in Norditalien Arbeiter für Betriebsschließungen als Corona-Schutzmaßnahme. Für deutsche Gewerkschaften ist dies undenkbar, der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann macht klar: „Um die ohnehin angespannte Wirtschaft nicht weiter zu belasten und die Beschäftigung der Menschen zu sichern, sollten Betriebe unter Wahrung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes geöffnet bleiben“  (6).

An neuen Ideen mangelt es dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht, wenn es darum geht, Kosten für Unternehmen zu senken. Den Beschäftigten in der Altenpflege werde „aktuell besonders viel abverlangt“, erklärt er (7). Statt jedoch für zusätzliches Personal zu sorgen, sollen Auszubildende aus der Pflege „zur Unterstützung und Entlastung des Pflegepersonals in den Einrichtungen“ eingesetzt werden, um dort Corona-Testungen vorzunehmen. „Dies könnte insbesondere durch das Verschieben schulischer Ausbildungsabschnitte bzw. einer Abänderung der Reihenfolge der praktischen Ausbildungsabschnitte erfolgen“, verschleiert er sein eigentliches Ziel: Arbeitskraft beim Testen statt Lernen. Und zeigt damit, wie ernst das „Klatschen“ im Bundestag für die Pflegekräfte gemeint war…

 

Quellen:

(1) www.rnd.de/wirtschaft/nie-da-gewesener-ruckgang-arbeitszeit-sinkt-stark-im-corona-jahr-2020-MVQ7F3FIDKT5IGDDNO2GPWQZVY.html

(2) www.swr.de/swraktuell/merkel-coronakrise-100.html

(3) www.haufe.de/personal/hr-management/coronatests-im-betrieb-bleiben-freiwillig_80_538474.html

(4) www.neues-deutschland.de/artikel/1149151.corona-pandemie-nicht-nur-in-schlachthof-und-klinik.html.

(5) www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++fc3954a0-7a77-11eb-b2c7-001a4a16012a

(6) www.neues-deutschland.de/artikel/1147046.homeoffice-das-andere-risiko.html

(7) Jugend- und Auszubildendenvertreter haben ihre Empörung dazu deutlich gemacht, siehe auch: https://gesundheit-soziales.verdi.de/coronavirus/++co++25b1906e-6307-11eb-97e1-001a4a160100

 

 

 

 

Marcus Schwarzbach, Berater für Betriebsräte, Kaufungen

Autor des isw- wirtschaftsinfo 56 „Homeoffice: Vom Traum zum Alptraum“, https://www.isw-muenchen.de/produkt/wirtschaftsinfo-56/

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