DGB: Mindestlöhne – Was ändert sich ab 2018?

Im Januar 2015 wurde in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn endlich auf Druck der Gewerkschaften eingeführt. Rund 3,6 Millionen Menschen hatten dadurch Anspruch auf Lohnerhöhung. Seit 2017 gilt der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro.

Es profitieren vor allem Beschäftigte in Ostdeutschland, in Dienstleistungsberufen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Logistik oder dem Einzelhandel und Frauen. Im ostdeutschen Gastgewerbe können sich weibliche Beschäftigte über z.T. zweistellige Lohnzuwächse freuen.

Seit Einführung des Mindestlohns ist die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, die Erwerbstätigenzahlen haben zugenommen und auch das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen ist gestiegen. Die Umwandlung vieler Minijobs in sozialversicherungspflichtige (Teil)Zeitarbeit wird von den Gewerkschaften begrüßt, da Minijobs in die Altersarmut führen. Das betrifft vor allem Frauen.

Um die Arbeitsmarktkriminalität wie Mindestlohnverstöße, Schwarzarbeit oder illegale Beschäftigung besser bekämpfen zu können, müssen die Kontrollen des Mindestlohns endlich gestärkt werden. Das gilt auch für die Kontrollen der Branchenmindestlöhne. In keinem Fall ist eine weitere Verwässerung der Dokumentationspflichten hinzunehmen. Die Aufzeichnung der Arbeitszeit ist unabdingbar für die Kontrolle durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

Der DGB hat von Anfang an die Ausnahmen vom Mindestlohn für Minderjährige, bestimmte Praktikantengruppen und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach Wiederaufnahme einer Tätigkeit kritisiert. Diese gehören abgeschafft. Der erhoffte Effekt, dass etwa durch die Ausnahme für Langzeitarbeitslose diese Personengruppe eher den Weg in den Arbeitsmarkt findet, hat sich nicht bewahrheitet, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) belegt: http://www.iab.de/194/ section.aspx/Publikation/k160608303

Auf keinen Fall darf es zu einer Ausdehnung der Ausnahmen etwa auf die Gruppe der Geflüchteten kommen, wie es von einzelnen Parteien gefordert wird. Das widerspräche dem Gleichbehandlungsgrundsatz und wäre Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten.

Für den DGB und seine Gewerkschaften wird es auch 2018 darum gehen, auf die korrekte Um- und Durchsetzung des Mindestlohns zu achten (s.u. mehr).

Mindestlohn bleibt in 2018 bei 8,84 Euro –  Anpassung erst wieder mit Wirkung zum 01.01.2019

Der gesetzliche Mindestlohn wurde am 1. Januar 2017 erstmals angepasst. Er beträgt seitdem 8,84 Euro pro Stunde. Diese Höhe gilt auch für 2018. Alle zwei Jahre beschließt die Mindestlohnkommission (MLK), die mit je drei Gewerkschafts- und ArbeitgebervertreterInnen sowie mit zwei (nicht stimmberechtigten) WissenschaftlerInnen besetzt ist, einen Vorschlag zur Mindestlohnanpassung, wie es das Mindestlohngesetz (MiLoG) vorsieht.

Das nächste Mal wird die MLK im Juni 2018 einen neuen Vorschlag unterbreiten, den die Bundesregierung mit Wirkung zum Januar 2019 per Rechtsverordnung umsetzen kann.

Welche Ausnahmen vom Mindestlohn gibt es?

Leider profitieren nicht alle Beschäftigten vom Mindestlohn. So gilt der Mindestlohn nicht für:

  • Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
  • Auszubildende – unabhängig von ihrem Alter – im Rahmen der Berufsausbildung,
  • Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate ihrer  Beschäftigung nach Beendigung der Arbeitslosigkeit,
  • Praktikanten, wenn das Praktikum verpflichtend im Rahmen einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung stattfindet,
  • Praktikanten, wenn das Praktikum freiwillig bis zu einer Dauer von drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder Aufnahme eines Studiums dient,
  • ugendliche, die an einer Einstiegsqualifizierung als Vorbereitung zu einer Berufsausbildung oder an einer anderen Berufsbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz teilnehmen,
  • ehrenamtlich Tätige.

Zusätzlich gab es eine Abschlagsregelung für ZeitungszustellerInnen. Im Jahr 2016 hatten sie einen Anspruch auf 85 Prozent des gesetzlichen Mindestlohnes, seit 2017 auf 8,50 Euro pro Stunde. Erst ab Januar 2018 erhalten sie den aktuellen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde.

Zudem waren für eine Übergangsfrist tarifvertragliche Abweichungen nach unten möglich, die inzwischen ausgelaufen ist. In keiner Branche darf nun weniger gezahlt werden als es der gesetzliche Mindestlohn vorsieht.

Wichtig: Allgemeinverbindliche Branchenmindestlöhne auf Basis des Tarifvertragsgesetzes (TVG), des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) haben Vorrang vor dem allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn. Sie liegen z.T. deutlich oberhalb von 8,84 Euro. So haben etwa Fachwerker im Bauhauptgewerbe Anspruch auf einen Branchenmindestlohn von derzeit 14,70 Euro (Osten: 14,55).

Eine stets aktualisierte Übersicht über die Branchenmindestlöhne ist auf den Seiten des WSI-Tarifarchivs in der Mindestlohndatenbank zu finden: http://www.boeckler.de/pdf/ta_mindestloehne.pdf

Sonderregelungen SaisonarbeiterInnen

Beschäftigte, die befristet in einer Saison etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Landwirtschaft oder auf Weihnachtsmärkten arbeiten, erhalten den Mindestlohn.

Wer hier weniger als 70 Tage im Jahr arbeitet, ist jedoch nicht sozialversichert, hat keine Renten- und Arbeitslosenversicherung. Das gilt aber nur, wenn man gelegentlich und nicht berufsmäßig arbeitet und nicht mehr als bis zur Einkommensgrenze der geringfügigen Beschäftigung (450 Euro im Monat) verdient. Das heißt, diese Arbeit darf nicht dazu dienen, den Lebensunterhalt zu sichern. Die 70-Tage-Regelung wurde mit dem Mindestlohn zum 1. Januar 2015 eingeführt, gilt aber nur bis Ende 2018. Danach greift wieder die Begrenzung auf 50 Tage.

Immer wieder ist die Rede davon, dass SaisonarbeiterInnen vom Arbeitgeber die Kosten für Verpflegung und die Unterkunft vom Lohn abgezogen werden können.

Achtung! Das gilt nur sehr eingeschränkt: Zum Beispiel dann nicht, wenn Arbeitgeber verpflichtet sind, Branchenmindestlöhne zu zahlen – auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), wie etwa in der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gartenbaus, oder auf Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), also in der Leiharbeit. Dann ist es nicht zulässig, Sachleistungen auf den Lohn anzurechnen.

 

In Fällen, wo die Anrechnung von Kost und Logis zulässig ist, muss jedoch mindestens der pfändungsfreie Betrag für eine ledige, nicht unterhaltspflichtige Person vom Lohn übrig bleiben. Derzeit liegt die Pfändungsfreigrenze bei 1139,99 Euro monatlich netto. Wer 1139,99 Euro monatlich netto oder weniger verdient, dem darf kein Geld für Sachleistungen fürs Essen und Wohnen vom Arbeitgeber abgezogen werden.

Wofür Arbeitgeber SaisonarbeiterInnen ggf. etwas abziehen dürfen, richtet sich nach der Art und Menge der zur Verfügung gestellten Verpflegung (max. 241 Euro im Monat) sowie der Art und Belegung der Unterkünfte. Nähere Infos auf den Seiten des Zolls unter der Überschrift Kost und Logis für Saisonarbeitskräfte: http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/ Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/ mindestlohn-mindestlohngesetz_node.html

Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung auf der Internetseite des  Bundesjustizministeriums: https://www.gesetze-im-internet.de/ pf_ndfreigrbek_2017/BJNR075000017.html

Arbeitsmarktkriminalität wirksam bekämpfen!

Damit das Mindestlohngesetz wirkt, sind engmaschige Kontrollen und Aufzeichnungspflichten erforderlich. Das Gesetz sieht zu den Dokumentationspflichten vor, dass für gewerbliche Minijobs und in Branchen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz aufgelistet sind, die Arbeitszeit von Beschäftigten aufgezeichnet werden muss. Zwei Jahre sollen diese Unterlagen aufbewahrt werden – für Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll, die ohne diese Aufzeichnungen keine Verstöße feststellen kann.

Die Kontrollen des gesetzlichen Mindestlohns laufen nach einer viel zu langen Schonphase für die Arbeitgeber jetzt stärker an. Doch das Personal dafür ist zu knapp. Die Gewerkschaften fordern die Aufstockung der Stellen bei der FKS auf 10 000 und verstärkte Kontrollen auch in kleineren Betrieben, die anfällig sind für Mindestlohnumgehungen, wie z.B. das Hotel- und Gaststättengewerbe. Zudem muss die technische Ausstattung besser werden.

Kleiner Fortschritt für die Beschäftigten in der Fleischwirtschaft

Im Sommer 2017 verabschiedete der Bundestag das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“(GSA Fleisch). Was regelt das Gesetz? Firmen in der Fleischwirtschaft, die Subunternehmen beauftragen, haften für die Sozialversicherungsbeiträge. Das „Messergeld“ gehört der Vergangenheit an: Selbstverständlich müssen Arbeitgeber Arbeitsmittel und Schutzausrüstung kostenlos stellen. Der Lohn muss in Euro ausgezahlt

werden und darf nicht mit vermeintlichen Leistungen der Unternehmer etwa für die Unterkunft oder Transporte verrechnet werden. Und: Die Dokumentationspflicht der Arbeitsstunden wird verschärft: Künftig müssen Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit täglich aufgezeichnet werden. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 50 000 Euro.

Der DGB hätte sich gewünscht, dass diese Punkte verbindlich für alle Branchen geregelt worden wären.

Mindestlohnverstöße? – Wehren!

Nach wie vor schildern Beschäftigte dem DGB, wie Arbeitgeber den Mindestlohn zu umgehen versuchen. So werden z.B. Minijobbern neue Arbeitsverträge zur Unterschrift vorgelegt, die geringere Arbeitsstunden vorsehen. Erwartet wird dennoch, dass der alte Arbeitsumfang erledigt wird – nun aber un- oder „schwarz“ bezahlt. Es wurden Teile des Lohns auch in Naturalien wie z.B. Backwaren, Wellness- oder Kinogutscheinen „bezahlt“. Das ist unzulässig. Zudem wurden Trinkgelder oder andere Zuschläge auf den Mindestlohn angerechnet.

ZeitungszustellerInnen berichten, dass die zeitlichen Vorgaben für ihre Touren unrealistisch kleingerechnet wurden: Kaum eine/r schafft es, die Zeitungen in der vorgegebenen Zeit zuzustellen, bekommt aber den Zusatzaufwand nicht bezahlt.

Diese Umgehungen belegen, wie nötig exakte und prüfbare Vorschriften zur Kontrolle sind. Beschäftigte sollten ihre Arbeitszeiten selbst notieren und am besten vom Chef und/oder von KollegInnen gegenzeichnen lassen.

Eine Errungenschaft des Gesetzes: Mindestlohnansprüche von ArbeitnehmerInnen können auch noch drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden. Deshalb sind vereinbarte Ausschlussfristen unwirksam, wonach Mindestlohnansprüche verfallen sollen, wenn sie nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums geltend gemacht werden. Sollte also in Arbeitsverträgen geregelt sein, dass mögliche Mindestlohnansprüche etwa nur drei Monate rückwirkend eingefordert werden können, so hat eine solche Vereinbarung vor Gericht keinen Bestand, auch wenn sie der oder die Beschäftigte unterschrieben hat.

Mindestlohn weiterentwickeln, flankierende Maßnahmen zur besseren Umsetzung verankern

Die Intention des Gesetzgebers war es u.a., mit dem Mindestlohn wenigstens alleinstehende Vollerwerbstätige unabhängig zu machen von ergänzenden Sozialtransfers. Doch derzeit sind leider immer noch Tausende Vollzeitbeschäftigte – gerade in Ballungsgebieten mit hohen Mieten – AufstockerInnen. Nun muss der Mindestlohn so weiter entwickelt werden, dass er wirklich existenzsichernd ist.

Der DGB fordert folgende Maßnahmen:

·       Beweislast bei Mindestlohnansprüchen umkehren – nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber soll künftig nachweisen müssen, wie lange ein Beschäftigter tatsächlich gearbeitet hat.

·       das Verbandsklagerecht einführen. Bei einem Verbandsklagerecht hätte etwa eine Gewerkschaft die Klagebefugnis, die Rechte der Allgemeinheit gerichtlich durchzusetzen –- z.B. bei systematischen Mindestlohnverstößen. Es bestünde mit einem Verbandsklagerecht z.B. die Möglichkeit, unabhängig von der individuellen Betroffenheit Einzelner einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz gerichtlich feststellen zu lassen.

·       Gesetz zum Schutz von Whistleblowern schaffen.

·       Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit auf den Einzelhandel sowie das Bäckerei- und Fleischerhandwerk ausdehnen.

·       Mehr Rechte für Beschäftigte bei neuen Arbeitsverträgen (z.B. längere Bedenkzeiten zur Prüfung von Arbeitsverträgen).

·       Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften zur Unterstützung des Zolls ausweiten.

·       Prüfdienst der Rentenversicherung aufstocken.

·       Arbeitnehmerähnliche Personen sollten in das Mindestlohngesetz einbezogen werden. Das würde einen Unterbietungswettbewerb verhindern. Voraussetzung: Es ist ein Stundenhonorar vereinbart und der Arbeitgeber (AG) wird verpflichtet, einen Zuschlag in Höhe des AG-Anteils zu den Sozialversicherungsbeiträgen pro Stunde zu zahlen.

Weitere Informationen über den Mindestlohn gibt es in der Rubrik der häufig gestellten Fragen auf www.mindestlohn.de: http://www.dgb.de/schwerpunkt/mindestlohn/hintergrund/faq

Gewerkschaftsmitglieder erhalten selbstverständlich  kostenlose Rechtsberatung und Rechtsschutz von ihrer  zuständigen Gewerkschaft, um bei Verstößen ihre Mindestlohnansprüche durchzusetzen.

 

 

 Quelle: dgb.de

Bild: ver.di