Die neue Schuldenfalle: Beitragsschulden der soloselbständigen Krankenkassenmitglieder – Opfer einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik

Die Beitragsschulden der Versicherten bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Nun überschritten die Schulden bei den 113 Kassen erstmals die Sieben-Milliarden-Euro-Marke.

Der größte Teil des Schuldenbergs mit mehr als fünf Milliarden Euro entfällt auf die freiwillig versicherten (Solo/Schein-) Selbständige mit geringem Einkommen. So sind etwa 71 Prozent der Selbständigen in der GKV und rund 51 Prozent der Selbständigen in der Private Krankenversicherung (PKV) mittlerweile Solo-Selbständige. Die Form der Beitragsberechnung ist seit über 10 Jahren für sie zum finanziellen Stolperstein geworden, aber in erster Linie sind sie Opfer einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik geworden.

Aufgrund der Arbeitsmarktpolitik der damaligen rotgrünen Bundesregierung ist die Zahl der Selbstständigen von 2002 bis 2012 um fast 600.000 auf 4,5 Millionen Menschen gestiegen.

Der Anteil der Solo-Selbständige an den Selbständigen insgesamt liegt bei 62 Prozent und ist überdurchschnittlich gewachsen. Besonders die „Ich-AGs“ waren zwischen 2003 und 2006 politisch gewollt und wurden durch die Arbeitsverwaltung entsprechend gefördert, oft ohne ein schlüssiges Betriebskonzept entwickelt zu haben und bildeten lediglich ein Ausweg aus der Erwerbslosigkeit der Betroffenen.

Von dieser „Welle“ der Regelinsolvenzen bei Einzelpersonen können die Insolvenzberatungsstellen ausgiebig berichten.

Die Mehrheit der neuen Selbständigen wählte nicht eine private Krankenversicherung, wie es im dualen Kassensystem vorgesehen ist, sondern favorisierte eine freiwillige GKV-Mitgliedschaft.

Im Jahr 2007 wurde die Versicherungspflicht gesetzlich verändert, dass Personen ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, die zuletzt gesetzlich versichert waren oder der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind, seitdem in der GKV pflichtversichert werden. Mit der Auswirkung, dass etwa 71 Prozent der Selbständigen in der GKV und rund 51 Prozent der Selbständigen in der Private Krankenversicherung (PKV) mittlerweile Solo-Selbständige sind.

Weil sich das durchschnittliche Einkommen eines Solo-Selbständigen kaum vom Durchschnittseinkommen der abhängig Beschäftigten unterscheidet, in vielen Fällen sogar niedriger ist, wenden Selbständige mit den niedrigsten Einkommen rund 46,5 Prozent ihrer Einkünfte für eine Versicherung auf, unter den geringverdienenden Selbständigen, die in der PKV versichert sind, liegt dieser Wert sogar bei 58 Prozent.

Um überhaupt ihre Existenz abzusichern, sind sie auf eine flankierende Unterstützung, oft durch Familienmitglieder angewiesen.

In der Regel hilft das nicht viel, der Weg in die Überschuldung ist dann vorgegeben, zumal bis ins Jahr 2013 noch die extrem hohen Verzugszinsen, Säumniszuschläge genannt, von 60 Prozent im Jahr hinzukamen und die Beitragsschulden automatisch Monat für Monat anwuchsen.

Das 2013 eingeführt Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden (Beitragsschuldengesetz) konnte die Misere auch nicht eindämmen, trotz Absenkung der Säumniszuschläge auf 1 Prozent pro Monat und Erlass der geschuldeten Säumniszuschläge .

Nun fordern die gesetzlichen Krankenkassen vom Gesetzgeber erneut eine Entlastung von den immer weiter steigenden Beitragsschulden ihrer Versicherten. Sie argumentieren damit, dass, wenn es eine staatliche Versicherungspflicht gäbe, bräuchte es auch eine staatliche Finanzierung der Beitragsausfälle bei den Kassen.

Aber auch das würde nichts Grundlegendes ändern, da das duale System der Krankenversicherung (GKV und PKV) selbst das Problem ist, bei dem die Selbständigen und Unternehmer mit den hohen Einkünften sich weiterhin privat krankenversichern können und die abhängig Beschäftigten und die Scheinselbständigen als arme Schlucker die „Solidargemeinschaft“ der Gesetzlichen Kassen bilden.

 

 

Quelle: Ärztezeitung, AOK, mdr

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