Gastronomie auf dem Nordmarkt – Stadtplanung aus dem Tollhaus

KillefittAnfang der 1990er Jahre gab es die Initiative „Rund um den Nordmarkt“. Hier hatten sich einzelne Personen und Gruppen, die in der Umgebung des Nordmarktes in der Kinder- und Jugendarbeit, an der Grundschule und in der Beratungs- und Stadtteilarbeit tätig waren, zusammengeschlossen.

Die Initiative trat an die Stadt Dortmund mit der Bitte heran, bei der geplanten Umgestaltung des Nordmarktes auch eine Gastronomie, am besten eine Eis-Diele mit Außenbetrieb zu berücksichtigen. Dies war nicht nur der Wunsch der Initiative, sondern auch derjenigen Menschen, die den Nordmarkt als Treff- und Freizeitort nutzten.

Aus Mitteln der NRW-Landesinitiative „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ sollte 1995 die dringend erforderliche Grundrenovierung des Nordmarktes in Angriff genommen und dem zentralen Platz in der Nordstadt sein ursprüngliches städtebauliches Erscheinungsbild aus den Jahren 1907/1909 zurückgegeben werden.

1996 beschloss der Rat der Stadt Dortmund das Integrierte Handlungskonzept für die Dortmunder Nordstadt. Ziel des Konzeptes war es, die bereits durchgeführten überwiegend städtebaulichen Verbesserungen abzusichern und weiterhin erforderliche Maßnahmen fortzuentwickeln und stärker zu vernetzen. Projekte mit den Schwerpunkten Wohnen (Wohnungen/Wohnumfeld) und Arbeit (Ausbildung/Beschäftigung/ Lokale Ökonomie) sollten die sozialen, ökonomischen, strukturellen und städtebaulichen Verhältnisse stabilisieren und verbessern. Die Realisierung dieser Ziele erfolgte hauptsächlich durch die Projekte der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN II. Dieses ergänzte von 2000 bis 2008 das Integrierte Handlungskonzept.

Die Steuerung der Programmumsetzung erfolgte anfangs durch das Planungsamt der Stadt Dortmund. Die Projekte im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN II, wurden ab 2004 in einer eigens dafür gegründeten Projektgruppe umgesetzt, um den zeitlichen Rahmen (EU Förderphase 2000 – 2006) einzuhalten. Die Projekte des Programms „Soziale Stadt“ wurden weiterhin im Stadtplanungs- und Bauordnungsamt federführend bearbeitet.

Die Idee des Eiscafes, das die Initiative „Rund um den Nordmarkt“ gestützt auf eine Umfrage der Nordmarktanwohner schon früher forderte, wurde dann im Jahr 2002 wieder aufgegriffen.

Im Rahmen des URBAN II Projektes „Bauliche Ergänzung Nordmarkt – Café Nordmarkt“ wurde dann eine Ideenwerkstatt durchgeführt. Das ursprüngliche Ziel, ein Eiscafé auf dem Nordmarkt einzurichten, wurde danach nicht mehr verfolgt. Jetzt war von einem „qualitativ hochwertiges, bezahlbares gastronomisches Angebot, welches Familien mit Kindern anspricht, den Markteinkauf attraktiviert und auch Besucherinnen und Besucher aus anderen Quartieren und Stadtteilen anzieht“, die Rede.

Der Rat der Stadt Dortmund beschloss dann im März 2007 die Baumaßnahme.

Im Frühjahr 2008 stellte der künftige Betreiber sich und sein Konzept bei einer Infoveranstaltung des Quartiersmanagements Nordmarkt vor.

Der junge Mann stammt aus dem Emsland und hatte gerade an der Dortmunder Hotelfachschule die Ausbildung als Hotelbetriebswirt abgeschlossen. Er selbst hatte noch vor kurzer Zeit sich nicht vorstellen können, dass er mal mitten in dem sozialen Brennpunkt einer Ruhrgebiets-Großstadt arbeiten würde. Doch im Vorjahr hatte er bei einem Gründerwettbewerb ein Konzept für das geplante Stadtteilcafé eingereicht und damit den Wettbewerb gewonnen. Es sollte ein Eltern-Kind-Café mit Blumenbeet und Biergarten werden. Ein Hauch ökologisch und dennoch ein bisschen schick. Es sollten auch Baby-, Kinder- und Designmärkte für die Kreativwirtschaft stattfinden.

Für viele der Anwesenden der Veranstaltung des Quartiersmanagements Nord war dieser junge Mann so etwas wie ein Heilsbringer. Es war so, als würde er, von außen, jung und gar nicht in der Nordstadt verwurzelt, endlich mal frischen Wind in die sich elend dahin schleppenden Entwicklungen, gerade besonders am Nordmarkt, bringen. Von der Verwaltung und Politik bekam er nicht nur ganz viele Vorschusslorbeeren, sondern eine ganz lange Leine.

Dann wurde im Mai 2008 endlich das Café Killefitt eröffnet. Die Baukosten betrugen netto 238.000 Euro.

Die Ansprüche und die Wunschvorstellungen waren schon riesig: „Mit dem Café am Nordmarkt wird die Aufenthaltsqualität erhöht, das Kulturprogramm in der Nordstadt durch Aktivitäten im und um das Café erweitert, wodurch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen angezogen werden und so zur Belebung des historisch wertvollen, größten und zentralsten Platzes in der Nordstadt beitragen“, hieß es von offizieller Seite.

Da auch Angebote für die Kreativwirtschaft geplant waren, wurde der Pächter auch gleich Hoffnungsträger für die Kulturmeile Nordstadt e.V.

Von allen Seiten wurde er hofiert, aber es wurde auch unablässig an ihm herumgezerrt, für einen Neuling im Haifischbecken der Nordstadtakteure wohl Schicksal.

Auch fehlte es nicht an Beratern, vor allem die aus der Verwaltung der Stadt Dortmund, die neben den Lokalpolitikern hartnäckig behaupteten, das Richtige für ihn zu tun. Ganz kritisch wird es dann, wenn sich da etwas vermischt: tagsüber in der Verwaltung die Nordstadtprojekte bearbeiten und abends in der Nordstadt als Lokalpolitiker agieren.

Aber es gab auch eine große Unterstützung durch die vielen Nordstadtaktivisten, die das Café Killefitt mit Freunden, so oft es ging, als Kunden aufsuchten und alle ihre kulturellen und politischen Treffen auf den Nordmarkt verlegten. Sie wussten, zumindest ahnten sie, dass es wirtschaftlich bei dem Konzept für einen Neuling schwierig werden kann.

Alle Bemühungen hatten aber letztendlich keinen Erfolg. Auch, so wurde gemunkelt, halfen die Berater dann noch kurz vor Schluss bei einer Kreditvermittlung. Diese fragwürdige Aktion verhinderte nicht die schon absehbare oder vorhandene Zahlungsunfähigkeit.

Nach insgesamt einem Jahr war dann Schluss, dass Café Killefitt schloss die Tore. Ende 2009 wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und das Verfahren (Az: 259 IN 203/09) am 19.03.2010 beim Amtsgericht Dortmund eröffnet.

Nach der Schließung des Café Killefitt wurde zwar die Forderung nach einer schnellen Wiedereröffnung laut, eine Aufklärung darüber, wie es in einer so kurzen Zeit zu so einem bitteren Ende kommen konnte und wer dafür mitverantwortlich war, wurde aber nicht verlangt. Vielmehr schauten die gleichen Akteure, die schon bei der Eröffnung des Café Killefitt auf den Pressefotos zu sehen waren, nun schon wieder bei der Eröffnung des Café Fink am 30.09.2009 aus den Zeitungen heraus.

Das Café Fink wurde wieder mit vielen Vorschusslorbeeren angekündigt. Eine der Betreiberinnen nannte sich nun Geschäftsführerin. Sie musste sich gleich gegen zwölf weitere Interessenten an der Nordmarkt-Gastronomie durchsetzen. Auch der designierte Oberbürgermeister traute ihr damals zu, „sich mit Ihrem Konzept durchzusetzen. Zwar ist das Umfeld eine Herausforderung, doch Sie haben sich mutig gezeigt und sich richtig reingekniet“.

Als gastronomisches Konzept wurde genannt: Mit Frühstück, wechselnden Mittagsgerichten und kulturellen Veranstaltungen, wie kleine Konzerte und Lesungen. Das Café war auch buchbar, auch Privatpersonen konnten dort selbst Veranstaltungen organisieren. WLAN und ausreichend Steckdosen ermöglichten zudem freien Internet Zugang.

Soweit die Theorie und von wegen freier Zugang. Mittlerweile ist das Café erst ab den späten Nachmittagsstunden geöffnet, mit vielen Betriebsferien und Ruhetagen und die kulturellen Veranstaltungen sind mehr Klamauk als Kultur.

Aus dem Café Fink, wurde dann Rasthaus Fink und nun der Salon Fink. Im Salon gibt es nun kein Frühstück und keinen Mittagstisch mehr, stattdessen eine kleine feste Karte mit Snacks und zwar alles erst ab 17 Uhr.

Als Grund für die Änderungen wird als das Hauptproblem von der Geschäftsführerin genannt, dass die Räumlichkeiten auf Dauer nicht zum Konzept passten. „Wir haben als Kneipe angefangen und sind ein Restaurant geworden. Viele Gäste kamen nur noch zum Essen und haben gar nichts zu trinken mehr bestellt.“ Außerdem hätten die langen Öffnungszeiten ihren Tribut gefordert, man habe sehr viel gearbeitet, aber finanziell wenig rausbekommen. „Das kann man ein paar Jahre machen, aber irgendwann ist der Preis einfach zu hoch.“

Nun berichtet PRINZ Dortmund vom Salon Fink: „Dieser kleine Hort kultureller Vielfalt, Kreativität und zum Teil Verrücktheit ist weit über die Stadtgrenzen hinaus für seine ausgefallenen, trashigen und genial-wahnsinnigen Party-Formate und Konzerte berühmt und berüchtigt. Die Indiebar im trendigen Vintage-Chic räumt immer wieder gerne Tische und Stühle zur Seite und ebnet so den Salonboden für einen astreinen Disco-Dancefloor oder Konzertbereich. Dazu gibt es Essen und Trinken, hin und wieder Lesungen und Karaoke-Veranstaltungen, Blumenkohlauflauf, gemeinsames „Tatort“ gucken und immer wieder Action-Trash. Langweilig wird es hier nie!“ Ein anderer Partyguide meint: „Dieser kleine Hort kultureller Vielfalt, Kreativität und zum Teil Verrücktheit ist weit über die Stadtgrenzen hinaus für seine ausgefallenen, trashigen und genial-wahnsinnigen Formate berühmt & berüchtigt. Und in der traditionellen, schräg-schönen Party-Reihe der „Sitz-Partys“ wird an diesem Abend nicht nur die gute, handverlesene Musik zelebriert – es wird auch wieder hemmungslose Kreativität mit genialem Musik-Wahnsinn gekreuzt!“ Last Junkies On Earth schreibt: “Direkt auf dem Nordmarkt gelegen bietet der Salon FINK auf seiner Terrasse fantastische Großstadtsommer, während Indoor eine gemütlich-flippige Bar im 70er Charme vorherrscht. Betreiberin K. serviert in ihrem kleinen Salon, der jeden Sonntag zum Tatort gucken mit Blumenkohlauflauf und Mörderquiz einlädt, feinste Getränke sowie erlesene Snacks. Dazu gibt es immer wieder Konzerte, Wunschdiscos, Karaoke und Parties, die gern bis in die frühen Morgenstunden andauern. Unser Tipp: Jeden ersten Samstag legen Linda und Bjoern aka Stuntcat auf der `Sitzparty´ ihre Lieblingsplatten auf.“

Wie war das vor 10 Jahren nach der Ideenwerkstatt noch: Zwar keine Rede mehr von einem Eiscafé aber von einem „qualitativ hochwertiges, bezahlbares gastronomisches Angebot, welches Familien mit Kindern anspricht, den Markteinkauf attraktiviert und ein Angebot für die Nordmarktanwohner bietet“.

Und was ist aus der Initiative „Rund um den Nordmarkt“ geworden?

Hier grätschte dann die Jugendverwaltung hinein, sandte die Bezirksjugendpflegerin aus, die der Initiative mitteilte, dass in allen Stadtteilen nun Gesprächskreise unter Federführung des Jugendamtes eingerichtet würden, verlangte einen verantwortlichen Ansprechpartner, baute dann klare Strukturen auf…

Später wurde aus der vormals selbstorganisierten Initiative der Arbeitskreis „Rund um den Nordmarkt-Plus“ unter Federführung der Quartiersmanagements (QM).

Die Arbeit des QM wird letztendlich von den gleichen Personen, nämlich den „Beratern des Café Killefitt“, aus der Stadtverwaltung, respektive Nordstadtpolitik beaufsichtigt und überwacht.

So schließt sich der Kreis.

Quellen: WAZ, RN, Stadt Dortmund, Initiative „Rund um den Nordmarkt“

Bild: WAZ