Geht`s noch schlimmer? In Dortmund werden Unternehmen dafür ausgezeichnet, dass sie Arbeitskräfte einstellen!

Großer Bahnhof für die auserkorenen Dortmunder Unternehmen. Stellvertretend für andere Betriebe wurden die Unternehmen Decathlon, Pflegedienst Lichtblicke, Restaurant Dieckmann`s und Untraschallsensoren-Hersteller Microsonic für „das engagierte Mitwirken“ an der Einstellung rund 1.300 langzeitarbeitslosen Menschen geehrt.

Gewerkschafter rieben sich die Augen, als sie von der Veranstaltung des Jobcenters in Zusammenarbeit mit der „Initiative Arbeit in Dortmund“ erfuhren, bei der Dortmunder Unternehmen dafür geehrt wurden, dass sie Arbeitskräfte einstellen.

Eigentlich gehört das zum Wesen des Unternehmertums in unserem Wirtschaftssystem, dass sie Arbeitskräfte einstellen, um durch die Arbeitskraft der Beschäftigten Mehrwert zu erzielen und ihn als Profit abzuschöpfen. Warum es auch noch Lohnkostenzuschüsse obendrauf gibt, ist besonders fraglich.

Im Oktober 2015 wurde die Initiative „Arbeit in Dortmund“- Bündnis gegen Langzeitarbeitslosigkeit gegründet, mit dem Ziel, „die oftmals erlebte Stigmatisierung langzeitarbeitsloser Menschen zu durchbrechen, ihnen die Chance auf Wertschätzung der Gesellschaft und eine selbstbestimmte Teilhabe in mitten dieser Gesellschaft zurückzugeben. In der konzertierten Aktion sollen unter anderem die einzelnen Fördermöglichkeiten des Jobcenters zusammengetragen und als Bausteine der Initiative Arbeit in Dortmund für die Arbeitgeber zusammengestellt werden, um die Umsetzung der konzeptionell vorhandenen Ansätze zu erleichtern. Der gemeinsame Auftritt der Interessenvertretungen soll dazu beitragen, Betriebe davon zu überzeugen, motivierten Langzeitarbeitslosen mit der Unterstützung des Jobcenters eine Chance zu geben.

Der Initiative „Arbeit in Dortmund“ gehören derzeit folgende Bündnispartner an:

  • Jobcenter und der Agentur für Arbeit
  • Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen
  • Bildungskreis Handwerk e.V.
  • Handelsverband Westfalen-Münsterland
  • City-Ring Dortmund
  • Stadt Dortmund
  • Industrie- und Handelskammer Dortmund
  • Deutsche Gewerkschaftsbund Region Dortmund-Hellweg,
  • Handwerkskammer Dortmund
  • Unternehmensverband der Metallindustrie für Dortmund und Umgebung
  • REWE-Großhandel Dortmund
  • Deutsche Post DHL Group,
  • DSW21 und DEW21

und Borussia Dortmund.

Die geehrten Unternehmen

Stellvertretend für alle nominierten Betriebe, wurden vier Betriebe für ihr „Engagement für Langzeitarbeitslose“ geehrt:

  • „Für den Bereich Handwerk und technisches Gewerbe wurde die am Phönixsee ansässige Firma microsonic vorgestellt. Der Hersteller von Feinsensoren hatte seit 2010 32 Langzeitarbeitslosen eine berufliche Perspektive geboten.
  • In der Kategorie Dienstleistungen und Gesundheitswesen wurde der ambulante Pflegedienst Lichtblicke dargestellt. Das Unternehmen hat rund 30 Prozent seines Personalkörpers über das Jobcenter rekrutiert und wächst stetig weiter.
  • Aus dem Bereich Hotel- und Gaststädtegewerbe durfte sich das Restaurant Diekmann´s über die Ehrung freuen. Dort haben 16 ehemals Langzeitarbeitslose eine neue Perspektive gefunden, darunter auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.
  • Die Firma Decathlon wurde für den Bereich des Handels geehrt. Durch die Neuansiedlung auf dem Gelände der Westfalenhütte wurden bislang 42 Personen in Arbeit gebracht. Hier bestand von Anfang an eine gute Kooperation. 

Die weiteren nominierten Betriebe waren: Burger 2 you, Backwerk Dortmund Hörde, Backwerk Mojtaba GmbH, Erich Kullik Glas- und Gebäudereinigungs KG, Malerbetrieb Danny Brost, Kocher Elektrotechnik GmbH, Lecking GmbH & Co. KG, Tischlerei Giese & Liebelt GmbH, black.de, RB Bau GmbH Bausanierung. Auch sie durften sich über eine Urkunde freuen“.

Diese geehrten oder nominierten Unternehmen sind fast ausschließlich in der Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) verfasst, d.h. einer Rechtsform, die zu den Kapitalgesellschaften gehört, deren Mitglieder einen gemeinsamen, meist wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Im Klartext, die den Mehrwert, erwirtschaftet durch die Beschäftigten, als Profit abschöpfen.

Dem nicht genug, ihr „Engagement für Langzeitarbeitslose“ wird noch versüßt mit den

Fördermöglichkeiten des Bundes, des Landes und des Europäischen Sozialfonds

Das Jobcenter Dortmund sagt dazu: „Gleichzeitig nutzen wir die Netzwerke der einzelnen Bündnispartner, um über die attraktiven Fördermöglichkeiten des Bundes, des Landes und des Europäischen Sozialfonds zu informieren. Über diesen Weg ist es uns gelungen, eine Vielzahl von Arbeitgebern zu überzeugen, Langzeitarbeitslosen eine berufliche Chance zu geben“.

Damit sind vor allem die 3 folgenden Fördermöglichkeiten gemeint:

„1. ESF-Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose  

Bei der Einstellung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters über das ESF-Bundesprogramm wird ein Zuschuss von 75 % des Arbeitsentgelts und der pauschalierte Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung vom Jobcenter Dortmund übernommen. Die Förderung verläuft degressiv über einen Zeitraum von 18 Monaten. Im Einzelfall ist auch eine Förderung über drei Jahre möglich.

  1. Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt

Als Teil des Konzepts „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe“ der Bundesarbeitsministerin zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit können über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen des Programms „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ bundesweit 10.000 Förderplätze für Langzeitarbeitslose eingerichtet werden.

Dem Jobcenter Dortmund wurden Mittel für 200 zusätzliche, im öffentlichen Interesse liegende und wettbewerbsneutrale Arbeitsplätze in der Stadt Dortmund bis zu einer Dauer von maximal drei Jahren, längstens bis zum 31.12.2018 bewilligt.

Förderungsfähig ist das Arbeitsentgelt bis zu einer Höhe von 1.320 Euro einschließlich des 18,9%igen Sozialversicherungsbeitrags des Arbeitgebers bei maximal 30 Wochenstunden. Ein stufenweiser Anstieg der wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden, über 20 und 25 Stunden bis zu 30 Wochenstunden ist möglich.

  1. Modellprojekt wende.punktMit den eigenen Stärken zum Ziel

 Das Projekt wende.punkt soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine intensive und individuelle Beratung mit dem Ziel der nachhaltigen und bedarfsdeckenden Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Auf Augenhöhe werden in angenehmer Atmosphäre noch ungenutzte Stärken und Fähigkeiten der Teilnehmenden aufgedeckt und gemeinsam Strategien für die Zielerreichung entwickelt. Die Zusammenarbeit zwischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und den Mitarbeitenden des Projekts erfolgt in einem engen vertrauensvollen Austausch“.

Hier werden die zukünftigen Arbeitskräfte passgenau für die Arbeit in den GmbH`s fit gemacht.

Bei der Veranstaltung wurde nicht erwähnt, dass die Unternehmen einen mächtigen Schluck aus der Fördermittelflasche nehmen können und in hohem Umfang öffentliche Mittel in die privaten Taschen, in Form von Lohnzuschüssen, transformiert werden.

Die Beschäftigten

Die neuen Arbeitsverhältnisse gründen sich in den Maßnahmen und Programmen meistens auf die Sozialgesetzgebung (SGB). Der Arbeitnehmerstatus gilt für die Beschäftigten nicht und sie haben in der Regel nicht die üblichen Arbeitsschutzrechte, geschweige denn Mitbestimmungsrechte. Sie können keine Vertretung wählen und das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit ist ihnen verwehrt. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 SGB II stellt unmissverständlich klar, dass z.B die zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen. Deshalb war in der Rechtsprechung bisher umstritten, welcher Rechtsnatur die Beziehung zwischen dem „Ein-Euro-Jobber“ und dem Dritten ist, der die Arbeitsgelegenheit anbietet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun ausdrücklich in einer Entscheidung noch einmal festgestellt, dass das Rechtsverhältnis zwischen einem Ein-Euro-Jobber und dem Dritten, bei dem die Tätigkeit erbracht wird, kein Arbeitsverhältnis ist, sondern vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur.

Die von den Gewerkschaften mühsam erkämpfte Rechte und Regelungen wie Kündigungsschutz, Tarifverträge, festgelegtes Entgelt, Arbeitszeit, Arbeitszeitbestimmungen und Mitbestimmungsrechte fehlen dort zum Teil oder ganz.

Andauernden Verstößen gegen das Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetz sind so Tür und Tor geöffnet.

Es gibt Menschen in Dortmund, die seit Jahren immer noch unter besonderen „Vermittlungshemmnissen“ leiden. Sie haben seit 7 – 8 Jahren immer die gleiche Beschäftigung beim gleichen Maßnahme- bzw. Anstellungsträger. Sie haben auch alle Programme durchlaufen, wie z.B. die AGH/1Euro-Jobs, über AGH-Entgeltvariante, DOGELA und Jobperspektive und sind letztlich in der Öffentlich Geförderten Beschäftigung z.B. (FAV) gelandet. Flankierend wurden sie über den § 16 SGB 2 entschuldet. Vom ersten Arbeitsmarkt werden sie immer noch strikt ferngehalten, auch weil sie für die Maßnahmeträger und Unternehmen gut eingearbeitete vollwertige Arbeitnehmer sind. So dürfte es auch bei der „Initiative für Dortmund“ mit der Rotation von Reservekräften am Arbeitsmarkt weitergehen.

Der Einsatz der „Programmkräfte“ hat dazu geführt, dass der Maßnahme- bzw. Anstellungsunternehmen Dienstleistungen für sich selbst nicht mehr bei Fremdfirmen mit tarifgerechten Entgelt einkaufen muss, sondern z.B. die Reinigungen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten durch die „Programmkräfte“ erledigen lässt. Diese Menschen werden dann noch in privaten Haushalten eingesetzt, die dann für eine Stunde Reinigungsarbeit 18,00 – 20,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten an den Maßnahme- bzw. das Anstellungsunternehmen zahlen müssen.

Neuer Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele als Ehrengast

Bei der Veranstaltung wurde auch der neue Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, als Ehrengast begrüßt.

Er hat in seinen öffentlichen Verlautbarungen von vornherein seine Hardliner Positionen klargestellt und ganz neue Wortschöpfungen kreiert.

So spricht er davon, dass er eine „fürsorgliche Belagerung“ befürwortet und meint, dass der Fallmanager in den Jobcentern den „Arbeitslosen und seine Familie öfter sehen solle“ und mehr „Aufmerksamkeit widmen“ möchte, denn die „Vermittlungszahlen sind deutlich anstiegen, wenn die Kontaktdichte sich erhöhe“.

Auch spricht sich Detlef Scheele „gegen eine Rückabwicklung der Arbeitsmarktreformen im Rahmen der Agenda 2010 aus“.

Er macht damit deutlich, wie die Leistungsgewährung zukünftig aussehen wird, nämlich so, dass er den Druck auf die Menschen ohne bezahlte Arbeit erhöhen wird und sie, wo eben möglich, aus dem Leistungsbezug herausdrängt.

Die Erfahrungen mit langzeitarbeitslosen Menschen und die Wirksamkeit seiner Rezepte im Rahmen der Verfolgungsbetreuung scheint er aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei verschiedenen gemeinnützigen Hamburger Qualifizierungs- und Vermittlungsgesellschaften gewonnen zu haben. Er kennt die Tricks des Gewerbes so gut, dass er seit 2011 Arbeits- und Sozialsenator in Hamburg war und 2015 in den Vorstand der Bundesagentur wechselte.

Für die Initiative „Arbeit in Dortmund“ fand er nur lobende Worte.

Der Veranstaltungsort

Die Veranstaltung fand im westfälischen Industrieklub Dortmund statt. Dieser Klub, der lange den Namen „Albert Vögler Haus“ trug, war eine jener Stätten, an denen 1932/33 die Würfel zugunsten jenes „Dritten Reiches“ fielen, der Ort an dem alles perfekt gemacht wurde, für die Machtübertragung an Adolf Hitler und seine Partei.

Bei dem Treffen der Wegbereiter Hitlers, Franz von Papen (Ex-Kanzler und Zentrumspolitiker), Albert Vögler (Vereinigte Stahlwerke) und Fritz Springorum (Hoesch) im Januar 1933, haben diese und andere Herren der geheimen, diktatorischen und berüchtigten großindustriellen „Ruhrlade“ beschlossen, die Hitler-Diktatur, vor allem mit Zustimmung der ökonomischen Eliten, zu etablieren und zu finanzieren.

Sie profitierten von der folgenden Aufrüstung und dem Krieg, von der Beseitigung der Demokratie und der Gewerkschaften, von Antisemitismus, Holocaust und Zwangsarbeit und von der Unterdrückung und Ausplünderung der Völker Europas.

Und die Gewerkschaften?

Welch eine Frage! Bei der Veranstaltung wurden sie wie immer durch die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbund Region Dortmund-Hellweg repräsentiert, die wie immer brav in die Kameras der Medienvertreter lächelte und wie immer, sonst nichts.

Eine gelungene Veranstaltung also – vor allem für die Arbeitsverwaltung.

 

Quelle: Waz, Jobcenter Dortmund

Bild: Nordstadtblogger