Mit heruntergelassenen Hosen, die Bargeldlosen!

Von Franz Schneider

Bargeld, das sind Münzen und Banknoten die man in die Hand nehmen, in seinen Geldbeutel stecken oder unter sein Kopfkissen legen kann, wenn man Lust hat. Bargeld ist 100 %-Geld. Es ist wirkliches, richtiges Geld, das Geschäftsbanken (Deutsche Bank, Commerzbank, Sparkassen etc.) nicht selbst herstellen können. Bargeld müssen sich die Banken bei der Zentralbank besorgen, weil es das nur dort gibt. Bargeld ist Zentralbankgeld und steht damit unter öffentlicher Verfügungsgewalt. Jeder Bürger hat einen Anspruch auf Bargeld. Noch!

Das elektronische Giral- oder Buchgeld, das auf dem Girokonto liegt, hat dagegen eine völlig andere Qualität. In dem Moment, in dem der Kunde seine 1000 Euro Bargeld am Bankschalter übergibt, findet eine wundersame Verwandlung statt. Aus seinem Bargeld, das er in der Hand hielt, wird lediglich eine abstrakte Forderung von 1000 Euro des Kunden gegenüber seiner Bank bzw. eine Verbindlichkeit seiner Bank in Höhe dieser Summe gegenüber dem Kunden bzw. Kontoinhaber! Im Prinzip muss die Bank ihre eingegangene Verpflichtung zu jedem zukünftigen Moment erfüllen, aber leider nur müsste, wenn sie dann auch könnte. Im Falle einer Bankenkrise jedenfalls wird das elektronische Giralgeld zur reinen Luftnummer, es löst sich auf in Nichts. Einige wenige Glückliche gelangen vielleicht am Tage X noch bis 8 Uhr 30 in der Frühe in die Bank hinein, um sich das elektronische Geld auf ihrem Konto als Bargeld auszahlen zu lassen, wohl wissend „nur Bares ist Wahres“. Die, die später kommen, haben Pech gehabt. Die Bank hat die Türen unter Polizeischutz verrammelt. Die Einlagensicherung ist „leider“ schon leer, nichts mehr zu machen. Im Prinzip gilt das hier Gesagte für alles Geld, das der Kunde seiner Bank anvertraut, Tagesgeld, Spar- und Termineinlagen etc. Geschäftsbanken sind eben Privatunternehmen. Das Geld, das ihnen anvertraut wird, wird von diesen ruckzuck „privatisiert“. Da hat ihnen niemand mehr reinzureden.

Der Vorgang, Bargeld abzuschaffen, ist in vollem Gange. In Italien und Frankreich gelten Bargeldobergrenzen von 1.000 EUR. Deutschland liegt mit einer Grenze von 5.000 EUR noch verhältnismäßig hoch. Wenn von Banken völlige Bargeldlosigkeit als erwünschter Endzustand angestrebt wird, dann ganz sicher aus dem Grund, noch ungestörter als bisher ihr Unwesen treiben zu können.

Eines dieser Unwesen würde darin bestehen, dass die Banken die Möglichkeit hätten, Negativzinsen ohne Gegenwehr durchdrücken zu können. Warum überhaupt Negativzinsen? Um den kreditbedürftigen Staat – den sichersten und größten Schuldenzahler – in die Lage zu versetzen, seinen gewaltigen Schuldenberg langfristig zu finanzieren. Irgendwann gehen die Zinsen ja auch wieder hoch und die Rendite der Banken kommt wieder ins Lot. Eine Überbrückungshilfe kann also nicht verkehrt sein. Die große Masse der Kontoinhaber aber hätte keine Chance zur Gegenwehr. Bargeldabhebungen, um dem Negativzins zu entgehen, wären nicht möglich. Der Tiefe der Zinsen in den Minusbereich wären keine Grenzen gesetzt. Die Masse alleine und nicht mehr die Banken hätten die Last der Negativzinsen zu tragen. Denn durch die Abschmelzung des Geldvermögens käme es zu einer groß angelegten Enteignung der mittleren und einfachen Schichten.

Zwei Störenfriede müssen auf dem Weg zur völligen Bargeldlosigkeit ausgeschaltet werden. Zum einen dieser lästige Bankkunde, der sich tatsächlich erkühnt, an sein Geld über die Bargeldauszahlung zu gelangen, und zum andern diese „halbstaatliche“ Zentralbank, bei der man „anklopfen“ muss, um an dieses „Staatsgeld“ Bargeld ranzukommen. Bargeld ist ja die Geldsorte, die die Banken nicht selbst herstellen können. Es ist die unangenehme Geldsorte, die, wenn sie stark nachgefragt wird, die eigenen Geldschöpfungsmöglichkeiten der Banken verringert. Es ist die Geldsorte, die den Banken keine Rendite und zu allem Überfluss nur Unannehmlichkeiten (Lagerung, Transport) bringt. All das können die Banken nicht ertragen. Welche Rolle allerdings die Zentralbanken, ob europäische oder nationale, bei der Kampagne gegen das Bargeld wirklich spielen, ist nicht genau ersichtlich für das „Publikum“. Eine klare Positionierung ist nicht erkennbar. Denksportaufgabe: warum wohl?

Halten wir das Entscheidende fest: Bargeld verhindert die 100 %-ige finanzielle Verfügungsgewalt der Banken über ihre Kunden. Diesen Zustand wollen sie beseitigen. Wenn es kein Bargeld mehr gibt, dann haben sie Einblick in die Gesamtheit des Zahlungsverkehrs ihrer Kunden. Sie können deren Zahlungs- und Lebensgewohnheiten bis ins letzte Detail nachverfolgen. Die Bargeldlosen stehen da ohne Hosen.

Genau an diesem Punkt gehen die Interessen von Bankenwelt einerseits und Unternehmensgiganten wie Apple, Google, Facebook, Microsoft, MasterCard, Visa, Paypal, Amazon andererseits am gläsernen Bankkunden, Kreditkartenbesitzer, Online-Bezahler und Konsumenten Hand in Hand. Diese Unternehmen bilden die Phalanx der weltweit agierenden Better Than Cash Alliance (Besser-als-Bargeld-Allianz)1. Diese „hat es sich zur Aufgabe gemacht, weltweit Bargeld durch digitale Bezahlverfahren zu ersetzen“. Darin wird sie „von den Regierungen der 20 größten Wirtschaftsnationen ausdrücklich unterstützt“. Die Argumente, die für die Bargeldlosigkeit ins Feld geführt, haben nur eine Zielrichtung: die Menschen für dumm zu verkaufen, indem sie ihre wahren Absichten hinter einem Wust von Scheinargumenten verbergen. Nicht der mit erheblichen Schwierigkeiten verbundene unentdeckte Transport von Bargeld, sondern elektronisches Buchgeld würde es Kriminellen und Terroristen erlauben, mit einem „Click“ Millionenbeträge anonym quer über den Globus zu senden. Gerade in Schweden, einem „Land, das in Richtung einer bargeldlosen Gesellschaft am weitesten fortgeschritten ist“, lässt sich feststellen, „dass die Fälle von Kartenbetrug (und Geldwäscheaktivitäten) in den letzten Jahren signifikant zunehmen. (Krüger / Seitz)2

Die Akteure der Bargeld-Allianz verbrämen ihr unheilvolles Projekt hinter der nach sozialer Wohltat klingenden Bezeichnung „finanzielle Inklusion“. Hat man die Erdbevölkerung erst einmal an der finanziellen Leine, ihre Zahl- und Konsumgewohnheiten bestens ausgeschnüffelt, wenn also alle Hosen runter sind, dann kann man diese Masse nicht nur kontrollieren, sondern man kann sie auch formatieren. Aus Charakterbewertung wird Verhaltenssteuerung. Jedem „Abweichler“ werden mal kurz der Geldkanal oder sonstige Kanäle zur gesellschaftlichen Teilhabe zugedreht, dem Verkehrssünder beim Autokauf, dem Alkoholiker beim Kauf der Wodkaflasche, dem Käufer „gefährlicher“ Literatur bei der Bewerbung um die Stelle X etc. Der Formatierungsfantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Die sogenannte „finanzielle Inklusion“ hat genau das Gegenteil zum Ziel: wer sich nicht den Bedingungen des elektronischen Geldverkehrs unterwirft, wird „exkludiert“, ausgesperrt vom gesellschaftlichen Leben. Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ lässt grüßen.

Bargeld ist geprägte Freiheit, es respektiert und ermöglicht die Privatsphäre des Menschen. Es lohnt sich, sich für seinen Erhalt einzusetzen.

 

Der Artikel erschien zuerst auf  www.scharf-links.de, 
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Bild: pixabay cco

Anmerkungen:

1 Häring, Norbert (2018): Schönes Neues Geld. Paypal, WeChat, Amazon Go – Uns droht eine totalitäre Weltwährung. Campus Verlag, Frankfurt.

2 Krüger, Malte und Seitz, Franz (2017): Der Nutzen von Bargeld. Kosten und Nutzen des Bargelds und unbarer Zahlungsinstrumente (Modul 2). Fritz Knapp Verlag.