Unternehmensbesteuerung: Ein maßlos überschätzter Faktor

Zurzeit wird von den üblichen Verdächtigen die Werbetrommel für niedrigere Unternehmenssteuern gerührt. Mit an Bord sind die vertrauten Rechtfertigungen. Die Lasten der Betriebe sind zu hoch und weniger Steuern würden neue Wirtschaftsimpulse freisetzen. Warum diese Argumente nicht stichhaltig sind, erläutert das #schlaglicht 24/2021 aus Niedersachsen.

Die Debatte war absehbar. Kaum lässt die Pandemie nach und rückt die Bundestagswahl näher, kehren die Arbeitgeber, ihre Sprachrohre und manche Parteien zu einem ihrer All Time Classics zurück. Lautstark ertönt der Ruf nach Steuerentlastungen für die Unternehmen. So war es jetzt auch im Corona-Sonderausschuss des Niedersächsischen Landtages. Zuerst forderte der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall eine Senkung der Körperschaftssteuer sowie die völlige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Im Anschluss verlangte die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg eine Schranke gegen die steigende „Gewerbesteuerspirale“.

Argumente aus der Mottenkiste

Zur Begründung niedrigerer Unternehmenssteuern müssen die üblichen Argumente herhalten. Die steuerpolitischen Anreize würden die Betriebe zu mehr Investitionen veranlassen und damit die Wirtschaft kräftig ankurbeln. Zudem sind die deutschen Steuersätze im internationalen Vergleich viel zu hoch. Deshalb sollte jetzt endlich nachgezogen werden, weil sonst die Wettbewerbsfähigkeit verloren geht. Das alles hat man schon x-mal gehört.

Niedrige Unternehmenssteuern ohne Effekt

Nur das Problem ist: Einer genaueren Analyse halten diese Parolen nicht stand! Niedrige Steuersätze sind alles andere als der große unternehmerische Muntermacher. Erst kürzlich hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gezeigt, dass Steuersenkungen für Unternehmen keinen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben (https://bit.ly/3vV4GKl). Als ökonomischer Faktor wird ihre Rolle in der öffentlichen Diskussion daher maßlos überschätzt.

Die Arbeitgeber sollten überdies nicht zu sehr über ihre Belastungen lamentieren. Ihr Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens ist recht überschaubar. Im letzten Jahr betrugen die gesamten Steuereinnahmen der Bundesrepublik fast 740 Mrd. Euro. Auf die Gewerbe- und Körperschaftssteuer entfielen davon weniger als 10 Prozent. Zum Vergleich: Die Lohn- und Umsatzsteuer machten dagegen mehr als die Hälfte des Steueraufkommens aus (siehe Diagramm). Schon aus diesem Grund sind weitere Entlastungen ziemlich unangebracht. Die Unternehmen haben eine Verantwortung und müssen ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten.

Globale Mindeststeuer ante portas

Zumal auch das Schreckgespenst vom hohen Steuergefälle zu anderen Ländern gerade in sich zusammenfällt. Die globale Mindestbesteuerung nimmt immer konkretere Formen an, so dass der Anpassungsdruck nach unten an Schärfe verliert. Und unabhängig davon waren deutsche Unternehmen in den Vor-Corona-Jahren – trotz ihrer angeblich großen Steuerlasten – ausgesprochen erfolgreich und wettbewerbsfähig.

Mehr öffentliche Investition statt Steuergeschenken

Kurz gesagt: Der derzeitige Lärm über eine allgemein niedrigere Unternehmensbesteuerung geht völlig fehl. Das Gießkannen-Prinzip bringt nichts. Es beißt sich zudem gehörig mit der schwarzen Null, an der ausgerechnet die Steuersenkungsgarde festhält. Zielgenauer wäre es zum Beispiel, wenn man nachweisbar klimafreundliche Investitionen durch attraktive Abschreibungen steuerlich begünstigt. So lässt sich eine Steuerungs- und Lenkungswirkung erzielen. Vor allem aber braucht es nun Geld für öffentliche Investitionen. Sie setzen die richtigen Impulse für die Zukunft. Ende!

 

 

 

 

Quelle und Bild: https://niedersachsen.dgb.de/