ver.di: organizing war gestern – machen bald Drückerkolonnen die Mitgliederwerbung?

orgenaizeDa würde sich Joe Hill in seinem Grab herumdrehen. Der US-amerikanische Arbeiterführer, Gewerkschaftsaktivist, Sänger und Liedermacher, dessen letzte Worte vor seiner Hinrichtung don’t mourn – organize (trauert nicht-organisiert euch) waren, war quasi der Vater der neuen erfolgversprechende Methode der gewerkschaftlichen Mitgliedergewinnung. Viele hauptamtliche Gewerkschafter waren zur Schulung in dieser Methode extra für einige Wochen in die USA geflogen.

Dem Joe Hill würde ganz sauer aufstoßen, dass ver.di nun „ein junges Unternehmen spezialisiert auf Dialogmarketing“ engagiert, das „realisierenden Face-to-Face-Kampagnen zur Mitgliederwerbung“ entwickelt hat. Einfach ausgedrückt heißt das, dass anstelle Mitgliederwerbung durch eine gute Gewerkschaftsarbeit im Betrieb, ver.di nun auf öffentlichen Straßen und Plätzen Mitglieder gewinnen will, wie man es z.B. von den Tierschutzvereinen kennt, die vor den Kaufhallen stehen.

Seit Jahren wurde vor allem den ehrenamtlichen Gewerkschaftsmitgliedern immer wieder erklärt, dass die US-amerikanische Organize-Methode die derzeit beste Methode für die Gewerkschaftsarbeit, auch besonders für die Mitgliedergewinnung, ist. Die speziell geschulten hauptamtlichen Gewerkschafter hielten das Fachwissen dieser Methode vor und die Fäden der Aktionen liefen bei ihnen zusammen.

Anstelle des traditionellen Stellvertretermodells wird beim Organizing ein basisnahes Selbstvertretungsmodell entgegengesetzt. Die Aktivisten verfolgen dabei ein konkretes Ziel, z.B. der Abschluss eines Tarifvertrags oder die Einleitung von Betriebsratswahlen. Im Rahmen von Organisierungskampagnen suchen sich die Gewerkschaften strategische Bündnispartner wie Nichtregierungsorganisation (NGOs), Verbände oder Stadtteilgruppen aus, um mit diesen sozialen Netzwerken innerbetriebliche oder öffentliche Aktionen, unter Einbeziehung der Medien, durchführen. So konnten die US-amerikanischen Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten vielfach Betriebe oder sogar ganze Städte erfolgreich organisieren und Tarifverträge abschließen.

Nun hört man bei ver.di ganz andere Töne. Es ist die Rede von Promotiontouren, Dialogmarketing, Verbindung von Fundraising und Elemente aus dem Vertrieb, Face-to-Face-Kampagnen oder die Kraft des persönlichen Gesprächs und Kommunikation für Organisationen, Verbänden und Stiftungen.

ver.di hat nun mit der Firma DFC DIALOG GmbH eine Zusammenarbeit begründet, um neue Methoden zur Mitgliedergewinnung durchzuführen.

In dem Selbstverständnis dieser Firma heißt es:

„DFC DIALOG GmbH ist ein junges Unternehmen spezialisiert auf Dialogmarketing für Gewerkschaften. Wir entwickeln und realisieren Face-to-Face-Kampagnen zur Mitgliederwerbung. Unser Team besteht aus Experten im Dialogmarketing, im Face-to Face-Fundraising und in der Kommunikation für Organisationen, Verbände und Stiftungen. Auch als Arbeitgeber sind wir mit den Werten und Zielen der Gewerkschaften verbunden. Wir glauben an die Kraft des persönlichen Gesprächs und sind überzeugt, dass wir so die Arbeitswelt von morgen mitgestalten können.“

Zur geschäftsführenden Gesellschafterin heißt es:

„Antje Welp ist Herz und Hirn der DFC DIALOG GmbH und seit fast zwanzig Jahren in führenden Positionen im Profit- und Nonprofit-Bereich unterwegs. Beim Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. entwickelte sie ihre Leidenschaft für wirklich gute Dialogwerbung. In sieben Jahren Bereichsleitung Marketing und Kommunikation bei Oxfam Deutschland e.V. hat sie Fundraising-Innovationen wie OxfamUnverpackt und Oxfam Trailwalker nach Deutschland gebracht. Natürlich nicht alleine! So ist auch Antjes Credo für die DFC DIALOG: If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.“

Nach dem Motto, „wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“ säuselt die Firma DFC Ihren Beschäftigten vor: „Als Dialoger/-in im Einsatz für ver.di arbeitest du für eine der größten Gewerkschaften in Deutschland. Du sorgst dafür, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wie du auch – in Zukunft eine starke Stimme haben. So gestaltest du unsere und deine Arbeitswelt von morgen aktiv mit.

Bei Tarifverhandlungen, mit politischen Kampagnen und in den Betrieben vor Ort – die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Land ein. ver.di vertritt Millionen Beschäftigte, streitet für gerechte Löhne und gute Arbeit.

Viele Rechte, die wir heute für selbstverständlich halten, verdanken wir dem Kampf von ver.di und anderen Gewerkschaften“.

Besonders stolz ist die Firma DFC DIALOG GmbH hier drauf:

„ver.di lud Ende September zum 4. ordentlichen Bundeskongress nach Leipzig und wir waren live dabei! Neben vielen interessierten Kollegen/-innen, ver.di-Ehrenamtlichen und -Hauptamtlichen, hat uns auch der Vorstandsvorsitzende Frank Bsirske am Informationsstand besucht… Franz Bsirske in seiner Grundsatzrede: Nach nur wenigen Minuten erwähnte er uns als „Pioniere der Dialogwerbung“. Wow, das geht runter wie Öl! „

Aber so ganz gut kennen sie sich wohl nun doch nicht, die DFC und unser Franz oder ist sein Name nicht doch gleich Frank mit k? Und dass er Vorstandsvorsitzender und nicht Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschafts ver.di ist, stimmt ja auch nicht – oder ist ver.di nun schon ver.di GmbH & Co. KGaA geworden, mit einem eingesetzten Vorsitzenden des Vorstands?

 

Quelle: DFC DIALOG GmbH

Bild: ver.di