Das Arbeitsrecht verwässert zunehmend -das Machtgefälle muss ausgeglichen werden

Wenn man derzeit über das Arbeitsrecht spricht, wird deutlich, dass die Sichtweise mehr in Richtung auf vertragrechtliches Denken ausgerichtet ist. Man meint, dass Arbeitsverträge ganz normale Verträge wie alle anderen auch sind und sie so auch behandelt werden müssen. Das private Vertrags-recht sagt nämlich, dass Verträge ein hohes Gut sind und unter freien und gleichen Partnern geschlossen werden.

Für das Arbeitsrecht ist dies aber ein Irrtum, da zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten ein Machtgefälle existiert, das ausgeglichen werden muss. Von gleichen und freien Partnern kann nicht die Rede sein. Es gibt vielmehr eine Asymmetrie zwischen Arbeitnehmer und Arbeitergeber und wenn beide einen Vertrag schließen, dann ist der Arbeitnehmer viel unfreier als der Arbeitgeber. Der Beschäftigte ist nämlich auf den Job angewiesen, er ist im Zweifelsfall deswegen auch dazu bereit, Bedingungen zu akzeptieren, die er eigentlich nicht möchte.                                                                                    Deswegen brauchen wir besondere Institutionen, die diese  Asymmetrie aufheben.

Weiter kann man beobachten, dass eine eigenständige Arbeitsrechtsprofessur kaum noch vertreten ist. 

Waren 1968 noch 23 Prozent aller Jura-Uni-Professoren ausschließlich Arbeitsrechtler, so waren es 2009 nur noch 4 Prozent. Heute ist man immer eine Mischung, zum Beispiel Professor für bürgerliches Recht und für Arbeitsrecht. Es besteht daher die Gefahr, dass so das eigenständige Arbeitsrecht langsam verschwindet, weil es von eher vertragsrechtlich orientierten Leuten mit übernommen wird.

Die Gefahr für das Arbeitsrecht lauert nicht, wie oft angenommen, in gesetzlichen Initiativen oder Urteilen des Europäischen Gerichtshofes, sondern mehr darin, dass das Arbeitsrecht von innen heraus erodiert. Eben, weil die Ausbildungswege und Ausbildungsinhalte an den Universitäten nicht mehr so sind, dass das klassische, traditionelle Arbeitsrecht erhalten bleibt.                                                                                                Dieser Prozess ist schleichend und wird deshalb auch kaum zur Kenntnis genommen.

erschienen im Info-Brief Juli 2012