Die Mindestlohntrickser – die Kreativität der Arbeitgeber ist beachtlich

trudy-talks.de  imagesSeit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland das Mindestlohngesetz. Die Betriebe müssen ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Der Mindestlohn gilt für alle Beschäftigten, ob Minijobber, Saisonkräfte oder Teilzeitbeschäftigte.

Ausnahmen gelten für Minderjährige, Auszubildende, Ehrenamtliche sowie bestimmte Langzeitarbeitslose und Praktikanten. Für einen Übergangszeitraum von maximal zwei Jahren sind noch weitere Ausnahmen vom Mindestlohn möglich – etwa dort, wo Branchenmindestlöhne gezahlt werden. In mehreren Niedriglohn – Branchen werden deshalb auch jetzt noch weniger als 8,50 Euro gezahlt: so in der Land- und Forstwirtschaft mit dem Gartenbau, in der Fleischindustrie, im Friseurhandwerk sowie bei den Zeitungszustellern und Zeitarbeitern. Spätestens ab dem 1.1.2018 gilt dann aber für alle Branchen der gesetzliche Mindestlohn, wenn er denn höher ist als der Branchenmindestlohn. Der Mindestlohn wird dann voraussichtlich auch schon mehr als 8,50 Euro betragen, weil er alle zwei Jahre überprüft und angepasst wird.

Nach dem das Gesetz eine halbes Jahr in Kraft ist, können aus der gewerkschaftlichen Rechtsberatung unzählige Beispiele von Arbeitgebern benannt werden, die Zahlung des Mindestlohns zu umgehen.

Das bestätigt auch eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Gewerkschaft: Mit 18 Prozent gab fast jeder fünfte Befragte an, bereits Erfahrungen mit solchen Tricks gemacht zu haben, entweder, weil er selbst davon betroffen war oder aber betroffene Beschäftigte kennt.

Nun wird auch deutlich, warum die Dokumentationspflicht über die Arbeitszeit von Anfang an bei Arbeitgebern wegen des angeblich großen Aufwands in der Kritik stand und von einem „Bürokratie-Monster“ die Rede war. In Wahrheit gab es die Dokumentationspflicht auch schon vor dem Mindestlohn und die Arbeitgeber wehren sich nur gegen diese nachvollziehbare Kontrolle der Arbeitszeiten, vor allen, die der geringfügig Beschäftigten. Auch weil die Dokumentationspflicht in allen Branchen gilt, in denen die Schwarzarbeit am häufigsten ist, etwa im Baugewerbe und in der Gastronomie, ist sie ihnen ein Dorn im Auge. Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände fordern immer noch vehement, das Mindestlohngesetz zu überarbeiten und vor allem die Dokumentationspflicht zu lockern.

Besonders kreativ sind die Arbeitgeber, wenn es um die Erfindung von Möglichkeiten geht, um den Mindestlohn zu unterlaufen. In der alltäglichen Praxis gab es bisher solche Tricksereien:

  • In der Gastronomie wurden Trinkgelder verrechnet.
  • Zuschläge wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld wurden gestrichen um damit formell den Stundenlohn anzuheben.
  • Bei anderen fiel der bisher gezahlte Sonn- und Feiertagszuschlag plötzlich weg.
  • Beschäftigte durchliefen ein mehrmonatiges Praktikum und bekamen dafür kein Geld. Laut Mindestlohngesetz ist ein freiwilliges Praktikum nach Studium oder Berufsausbildung ab dem ersten Tag der Beschäftigung mit mindestens 8,50 Euro pro Stunde zu vergüten. Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Pflicht- oder Orientierungspraktika. Reguläre Arbeit wurde so als Praktikum deklariert, obwohl es sich nicht um Lernverhältnisse handelte.
  • Die Arbeitgeber reduzierten formell die Arbeitszeit, um so bei gleichbleibendem Monatsentgelt auf mindestens 8,50 Euro pro Stunde zu kommen. So etwas bedarf einer Vertragsänderung, der beide Seiten zustimmen müssen.
  • Wird die Arbeitszeit wegen des Mindestlohns einseitig reduziert, erwarteten die Arbeitgeber trotzdem die bisherige Arbeitsleistung, allerdings nur unbezahlt.
  • Beschäftigte erhielten zwar den Mindestlohn, mussten aber eine „Umsatzabgabe“ zahlen
  • Beschäftigte bekamen ihre bis zu 200 Überstunden nicht bezahlt. Wenn dann nach den Belegen gefragt wurde, gab es die nicht gar nicht.
  • Einige Unternehmen machten sich dagegen nicht einmal die Mühe, die Nichteinhaltung des Mindestlohns zu vertuschen. Sie weigerten sich ganz offen, den Mindestlohn zu zahlen.
  • Als Teil des zustehenden Lohns wurden Mitarbeitern im Sonnenstudio eben Solarium-Gutscheine, im Kino Gutscheine für Popcorn oder in der Sauna Wellness- Gutscheine überreicht.
  • In Nagelstudios wurde nur für die Zeit bezahlt, in der die Angestellte auch Kunden betreute.
  • Manche Gastronomen oder Friseure ließen ihre Mitarbeiter als Selbstständige für sich arbeiten.
  • Frührentner, die als Busfahrer Schüler fuhren, sollten nur dann bezahlt werden, wenn die Busse auch besetzt waren.
  • In Bäckereien wurde die Vorbereitungszeit vor der Geschäftsöffnung unter den Tisch fallen gelassen.
  • Eigentlich reguläre Arbeit, wie vor allem im Bereich Soziale Dienste, wurde als Ehrenamt deklariert und dort wurden Minijobs mit dem Ehrenamt gekoppelt.
  • Die Zeitvorgaben wurden so kurz bemessen, dass sie nichts mehr mit dem realistischen Zeitaufwand zu tun hatten und bezahlt wurde nur die vorgegebene Zeit und nicht die tatsächliche.

Diese Beispiele zeigen auf, dass im großen Umfang versucht wird, den Mindestlohn zu unterlaufen und der einzelne Beschäftigte sich individuell dagegen wehren muss.

Deshalb ist es derzeit notwendiger als je zu vor, einen kollektiven Rechtsschutz ins Arbeitsrecht einzuführen. Das ist nichts neues, die meisten europäischen Rechtsordnungen haben neben einem gesetzlichen Mindestlohn auch längst ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften. Nur das hilft, gesetzlich verbriefte Schutzrechte durchzusetzen, ohne dass der Einzelne dafür Nachteile in Kauf nehmen muss.

Da der Informationsbedarf nach wie vor sehr hoch ist, wird auch die zentrale DGBMindestlohnHotline: 0391 / 4088003 (zum Festnetztarif) weiterhin geschaltet. Die Hotline ist montags bis freitags von 7 bis 20 Uhr sowie samstags von 9 bis 16 Uhr besetzt.

 

Weitere Infos: https://gewerkschaftsforum.de/mindestlohn-mindestens-ein-lohn-ueber-1000-e-pro-stunde-4/ und https://gewerkschaftsforum.de/uebersicht-ueber-die-wesentlichen-inhalte-des-mindestlohngesetzes-sowie-die-damit-zusammenhaengenden-gesetzlichen-regelungen/

 

Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen

Bild: trudy-talks.de