Industrie 4.0 x Office 2.0 = Arbeitsplatzabbau 8.0 – Digitalisierung bewirkt Monopolisierung

DLR_SpaceJustin-300x168Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat ihren Bericht „World Employment and Social Outlook – Trends 2016 (WESO)“ kürzlich in Genf veröffentlicht. Der Tenor des Berichts ist, dass die weltweit anhaltende hohe Arbeitslosigkeit und chronisch prekäre Beschäftigung besonders in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern zunimmt und dass die globale Jobkrise anhält.

Laut Bericht hat die deutliche konjunkturelle Abkühlung in den Schwellenländern und der starke Rückgang der Rohstoffpreise dramatische Auswirkungen auf die Welt der Arbeit. Viele arbeitende Frauen und Männer in Schwellen- und Entwicklungsländern müssen geringfügige Beschäftigung annehmen. Dies trifft auch in steigendem Maße auf die  Industrieländer zu.

Die ILO spricht von einer globalen Jobkrise, mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung.

Die sich schnell ändernden Produktionsabläufe durch die Digitalisierung wird vor allem in den Industrieländern stattfinden und weitere Flexibilisierung und Abbau von Arbeitsplätzen bewirken.

Die ILO fordert dringend Maßnahmen zur Schaffung menschenwürdiger Arbeit zu ergreifen, da ansonsten die Gefahr erhöhter sozialer Spannungen und Unruhen bestehen würde. Aber es ist derzeit kein Beschäftigungsbereich in Sicht, der diese Arbeitsplatzverluste kompensieren könnte.

Auch von dem Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos hörte man neue Töne. So wurde von den Vertretern der Industrie erstmals zugegeben, dass es bei „Industrie 4.0“ demnächst auch mächtig um Arbeitsplatzabbau und Massenmigration gehen wird. Man munkelt von dem Verlust von sieben Millionen Arbeitsplätzen, die in den nächsten fünf Jahren durch die Digitalisierung vernichtet und geht von nur zwei Millionen Arbeitsplätze aus, die durch den Technikschub neu entstehen werden.

Nach den jüngsten Schätzungen zur globalen Arbeitslosigkeit geht die ILO für das Jahr 2015 von abschließend 197,1 Millionen Menschen aus, die ohne bezahlte Arbeit sind. Das sind 27 Millionen mehr als vor Ausbruch der Krise im Jahr 2007. Für 2016 wird ein weiterer Anstieg von 2,3 Millionen auf dann 199,4 Millionen Menschen prognostiziert. Im Jahr 2017 sollen zusätzlich nochmals 1,1 Millionen Menschen ohne Arbeit hinzukommen, so der ILO Bericht.

In den Prognosen wird auch darauf hingewiesen, dass der Arbeitsplatzverlust hauptsächlich durch die Digitalisierung verursacht, in den sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern stattfinden und die zukünftigen Prozesse durch einen starken Schub der Monopolisierung begleitet wird.

Industrie 4.0

Industrie 4.0 soll es ermöglichen, dass die gesamte Produktion über alle Stufen durch vernetzte autonome Minisysteme in Echtzeit mit Marktdaten gefüttert und gleichzeitig kontrolliert wird.

Aufgrund durchgängiger integrierter Vernetzung und Steuerung aller Produktionsschritte können die Produktionsanforderungen durch informationstragende Elemente auf das Einzelprodukt übertragen werden. Die Ausstattungskomponenten z.B. Sonderwünsche oder besondere Merkmale für ein entstehendes Produkt werden, ausgelöst durch eine einzelne Bestellung, direkt in die Produktion übertragen. Die einzelnen Produktionsbestandteile selbst erhalten bereits zu Beginn des Herstellungsprozesses die Information darüber, wie sie bearbeitet werden sollen und übergeben diese Daten an die ausführenden Maschinen. Nicht mehr die zentrale Steuerung steht im Zentrum der Produktion, sondern dezentrale untereinander vernetzte und flexibel einsetzbare Fertigungseinheiten, die sogenannten cyber-physische Systeme (CPS). Das zu bearbeitende Werkstück erhält dabei durch digitale Speicher die Information, wie es in der jeweiligen Fertigungsstufe bearbeitet werden soll. Das jeweilige CPS liest die einlaufenden Daten aus und bearbeitet das Werkstück entsprechend der Vorgaben. In einer Produktionslinie können tausend verschiedene Güter in Echtzeit produziert werden. Lager brauchen nicht mehr vorgehalten werden, auch diese Kosten entfallen.

Bei der Industrie 4.0 handelt es sich um die integrierte und vollständige Digitalisierung aller vertikalen und horizontalen Werkschöpfungsketten in Industrie und Logistik. Unternehmen entstehen quasi neu als digitales Abbild der Wirklichkeit.

Das ist eine gigantische Entwicklung, bei der es um nicht weniger als dem Bruch mit dem Gesetz der Massenfertigung geht. Erst mit der Durchsetzung dieser Technologie als Kommunikationsstandard für alle technischen und gesellschaftlichen Bereiche, kann erst ein solcher Grad an Integration verschiedenster Systeme erreicht werden.

Office 2.0

Unter Office 2.0 versteht man derzeit die neue Stufe der Digitalisierung im Dienstleistungssektor. Noch stärker als in der Industrie werden im Dienstleistungsbereich die neuen intelligenten Systeme menschliche Arbeitskraft ersetzen, z.B. bei Übersetzungen, Sachbearbeitung, Recherche oder Programmierung. Dies sind die Arbeiten, bei denen verstärkt eine inhumane Ausweitung des Arbeitstages stattfindet und es sind die Dienstleistungen, die immer weniger an einen Ort angebunden werden müssen. Eine ständige Erreichbarkeit, sowie die Heim- oder Urlaubsarbeit werden zur Regel. Diese immense Rationalisierung sprengt auch die bisherige Arbeitszeitregelung. Sie wird durch reine Ziel- und Terminvorlagen, das sogenannte Funktionszeitmodell in einigen Betrieben schon ersetzt. Die neuen Dienstleistungen sind über das Internet händelbar. Auf den Crowd-Working-Plattformen, werden dann die Projekte den günstigsten Anbieter, die meistens als Selbständige arbeiten, vergeben.

Diese Arbeiten, die heute noch hauptsächlich im IT Bereich angesiedelt sind, werden sich auf alle Leistungen ausdehnen, die man einigermaßen leicht vergleichen kann und deren Abläufe sich ähneln. Sogar das Handwerk wird davon beeinflusst werden.

Digitalisierung schafft Monopole

Schon seit einigen Jahren wird auf der internationalen Ebene darum gestritten, wer die zukünftige Entwicklung der Digitalisierung von Wertschöpfungsketten prägen wird. Derzeit wird dieser Streit vor allem innerhalb Ozeaniens (USA und Teile Westeuropas) ausgetragen und es geht um die Vormachtstellung zwischen Hardware und Software.

Während vor allem Deutschland auf die Industrieprodukte und -prozesse ausgerichtete Entwicklung setzt, setzt das US-Kapital darauf, dass eine bestehende Technologie, bzw. ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt wird. So wie die großen Vier (Google Amazon, Apple und Facebook) mit immer neuen Plattformen und Diensten den Weltmarkt aufmischen.

Bei dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde deutlich, dass die Diskussion um Industrie 4.0 den Neoliberalismus weiter beflügeln soll. Dort wurde betont, dass nur diejenigen Weltregionen, die für das internationale Kapital die besten Bedingungen für die digitale Transformation bieten, von der Digitalisierungsoffensive profitieren würden.

Aber nur dann, wenn die Flexibilisierung der Arbeit und ihrer Märkte vorangetrieben und die staatliche Kontrolle zurückgedrängt wird. Gleichzeitig fordern die Unternehmen, dass riesige staatliche Subventionen für die Digitalisierung freigemacht werden, die dann als Dividende zurückfließen sollen.

Es ist daher kein Zufall, dass zeitgleich zu den Szenarien von Arbeitsplatzverlusten in Millionenhöhe, die Forderungen nach flexibleren Arbeitszeiten und weiteren staatlich finanzierten Qualifizierungsanstrengungen gestreut werden.

Wenn man sich die Industriebereiche anschaut, in denen die Digitalisierung am weitesten fortgeschritten ist, ist zu sehen, dass die Kleinbetriebe und auch die mittelständischen Betriebe dort kaum zu finden sind. Sie werden dem zusätzlichen Konkurrenzdruck durch die ganz großen Unternehmen ausgesetzt. Das liegt auch daran, dass die großen Betriebe mit ihrem riesigen Maschinenpark auch mit Kleinstaufträgen sehr rentabel arbeiten können. Für die großen Unternehmen werden durch die Produktionsänderungen auch Kleinaufträge profitabel, die bisher die Kleinbetriebe über Wasser hielten.

Viele von den Kleinen werden in die Insolvenz rutschen und den großen die Marktanteile überlassen, die dann angesichts ihrer Marktmacht in ihrem Kerngeschäft nichts mehr für die Konkurrenz übriglassen. Die neuen Monopole benötigen keinen riesigen Kapitalaufwand, beispielsweise für Bauten, Maschinen und Arbeitskräfte, um zu wachsen, es reicht die Anschaffung von ein paar tausend neuen Prozessoren und Speicherbausteinen.

Zu welchen gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen dies führen wird, ist nur schwer vorauszusehen. Auf jeden Fall werden die neuen Monopole den Sozial- und Demokratieabbau weiter vorantreiben.

Durch die neue Entwicklung wird derzeit von einem Verlust von sieben Millionen Arbeitsplatzen gesprochen, die in den nächsten fünf Jahren durch die Digitalisierung vernichtet werden und von nur zwei Millionen, die neu entstehen werden. Wieder einmal wird es vor allem die weiblichen Beschäftigten in den Dienstleistungsbereichen treffen.

Schaut man in die Geschichte, so konnten solche Riesenverluste an Arbeitsplätzen z.B. in der Landwirtschaft, in der Industrie und später im Tertiären Sektor kompensiert werden. Heute bietet sich aber kein Bereich für die Kompensation der Arbeitsplätze an, noch nicht einmal in den Bereichen mit geringen sozialen Standards.

Die ILO geht von einer globalen Jobkrise aus, die vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländern ganz hart trifft, mit dramatischen Folgen für deren Bevölkerung.

Wenn, wie oft behauptet, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt technologisch nicht vorbestimmt, sondern gestaltbar sein sollen, wird es höchste Zeit, dass die Gewerkschaften Regelungen schaffen, um die Beschäftigten zu schützen und die Menschen an der Gestaltung der digitalen Arbeitswelt zu beteiligen.

 

 

Quellen: ilo, weltwirtchaftsforum, marx.blätter

Bild:agitano.com