Private Internetnutzung am Arbeitsplatz – da können Arbeitnehmer leicht in die Falle laufen

Kuendigung-Privates-Surfen-Arbeitsplatz-1280x720Die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz ist immer noch und immer wieder Gegenstand von arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen.

Viele Beschäftigte bekommen zunehmend Probleme, wenn sie während der Arbeitszeit elektronische Medien privat nutzen, die ihnen der Arbeitgeber zur Verrichtung ihrer Tätigkeiten zu Verfügung stellt. Bislang waren die Kriterien für die Nutzung in den Betrieben nur schwammig festgelegt und das böse Erwachen kam spätestens erst dann, wenn die Nutzung z.B. als ein Arbeitszeitbetrug angesehen wird und die Kündigung ausgesprochen wird. Bisher gibt lediglich die Rechtsprechung etwas Orientierung. Überfällig ist eine eindeutige gesetzliche Regelung, die auch den Wildwuchs bei der Überwachung der Arbeitnehmer stoppt.

Drei aktuelle Gerichtsentscheidungen bringen etwas Licht in dieses Thema, allerdings nutzt die Rechtsprechung eher den Unternehmen als den Beschäftigten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

Im Januar 2016 hatte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit der Frage zu beschäftigen, ob es einen Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt, wenn der Arbeitgeber seinen Angestellten bei der Nutzung des Internets überwacht. Der EGMR kam zu dem Entschluss, dass die Überwachung zulässig ist und sie nicht gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verstößt. (Urteil vom 12.01.2016, Az.: 61496/08).

Als Grund nannte der EGMR im entschiedenen Fall, dass der Arbeitgeber, der den E-Mail-Account eines Mitarbeiters kontrolliert hatte und dabei eine Privatnutzung entdeckte, das Recht haben müsse, die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter zu überprüfen. Zudem habe der Arbeitgeber auch in dem Glauben gehandelt, lediglich geschäftliche Mails zu lesen. Beachten auch die Gerichte in einem Kündigungsverfahren die Privatsphäre des Betroffenen, nennen sie also beispielsweise keine Details zum Inhalt der Mails, dann liege kein Verstoß vor.

Das Straßburger Gericht wies die Klage eines bulgarischen Vertriebsmitarbeiters nach dem erfolglosen Durchlaufen des innerstaatlichen Rechtsweges mit Urteil vom 12.01.2016 zurück. Es befand, dass die Überwachung des E-Mail-Accounts des Mitarbeiters zulässig ist und sie nicht gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verstößt.

Die Entscheidung liegt im Grundsatz auf einer Linie mit der deutschen Rechtsprechung. Aber mit einer Einschränkung: deutsche Gerichte stellen teilweise darauf ab, dass die Internetnutzung zur Rechtfertigung einer Kündigung „exzessiv“ sein müsse, so etwa das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 31.05.2010, Az.: 12 SA 875/09). Das Landesarbeitsgericht Niedersachen entschied, wer seinen Dienst-PC exzessiv privat nutze, müsse mit der außerordentlichen Kündigung rechnen, ohne dass vorher eine Abmahnung erforderlich sei. In dem konkreten Fall ging es um einen kommunalen Angestellten, der innerhalb eines Zeitraumes von sieben Wochen während der Arbeitszeit bis zu 170 private E-Mails pro Tag geschrieben und beantwortet hatte, also die Internetnutzung „exzessiv“ war.

Dass der Arbeitgeber die private Nutzung des Dienst-PC nicht ausdrücklich untersagt hatte, sondern geduldete, änderte nichts an der Wirksamkeit der Kündigung. Wegen der Intensität der Privatnutzung konnte der Arbeitgeber dem kommunalen Angestellten sogar ohne vorherige Abmahnung kündigen.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) entschied ebenfalls im Januar 2016, dass der Arbeitgeber auf dem dienstlichen Computer eines Arbeitnehmers ohne dessen Zustimmung den Browserverlauf auswerten und die Ergebnisse dieser Auswertung zur Begründung einer fristlosen Entlassung heranziehen darf. Gedeckt sei das vom Bundesdatenschutzgesetz und das Gericht bestätigte damit die fristlose Entlassung eines Arbeitnehmers wegen unerlaubter privater Internetnutzung. (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016 Aktenzeichen: 5 Sa 657/15)

In dem konkreten Fall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Computer als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt und dabei eine private Nutzung des Internets allenfalls in Ausnahmefällen und auch nur während der Arbeitspausen gestattet.

Nachdem der Arbeitgeber Informationen darüber erhalten hatte, dass der Arbeitnehmer das Internet erheblich privat nutzte, hatte der Arbeitgeber den Browserverlauf ohne Zustimmung des Arbeitnehmers ausgewertet und ihn wegen einer festgestellten Privatnutzung im Umfang von insgesamt rund fünf Tagen in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen „aus wichtigem Grund“ und damit fristlos entlassen.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Kündigung für rechtswirksam erklärt. Die unerlaubte Nutzung des Internets rechtfertige nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich des Browserverlaufs liege ein Beweisverwertungsverbot zu Lasten des Arbeitgebers nicht vor. Zwar handele es sich um personenbezogene Daten, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe, eine Verwertung der Daten sei jedoch statthaft, weil das Bundesdatenschutzgesetz eine Speicherung und Auswertung des Browserverlaufs zur Missbrauchskontrolle auch ohne eine derartige Einwilligung erlaube und der Arbeitgeber im vorliegenden Fall keine andere Möglichkeit gehabt habe, den Umfang der unerlaubten Internetnutzung nachzuweisen. Das sei vom Bundesdatenschutzgesetz gedeckt. In aller Regel müsse aber vorher eine Abmahnung erfolgen.

Das Arbeitsgericht Oberhausen

Um die Beschäftigten zu überwachen, darf der Arbeitgeber nach Ansicht des Arbeitsgerichts Oberhausen sogar Videoaufnahmen in einem Lager mit Sozialbereich, in dem die Beschäftigten ihre Pausen verbringen machen. Weil es sich hier nicht um reine Sozialräume handelt, und das Interesse des Arbeitgebers an der Diebstahlsaufklärung überwiegt. (ArbG Oberhausen, Urteil vom 25.2.2016-Aktenzeichen: 2 Ca 2024/15)
Reine Sozialräume für Mitarbeiter darf der Arbeitgeber nicht mit einer Videokamera überwachen. Etwas Anderes gilt aber bei einem Lager mit Sozialbereich, in dem die Beschäftigten ihre Pausen verbringen. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass es sich bei dem überwachten Bereich primär um Lagerräume handelt. Der Sozialbereich bilde allenfalls einen Teil dieser Räumlichkeiten.

In diesem Fall überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Diebstahlsaufklärung, die Interessenabwägung geht zugunsten Arbeitgeber aus.

Hintergrund war, dass eine in einem FC Bayern München-Fanshop in Oberhausen beschäftigte Frau ihrem Arbeitgeber vorwarf, im Sozialraum unzulässige Videoaufnahmen zu machen.

Die Frau verlangte, dass die Kameras abgehängt werden und ihr für die bisherigen Aufnahmen Schadensersatz zu zahlen ist. Als sich der Betreiber des Fanshops weigerte, dies zu tun, versuchte sie, ihre Forderungen gerichtlich durchzusetzen. Das Arbeitsgericht Oberhausen hat die Klage abgewiesen.

 

Die Beispiele zeigen eine Entwicklung auf, bei der die Achtung des Privat- und Familienlebens, Belange des Datenschutzes und des Fernmeldegeheimnisses, das Beweisverwertungsverbot, Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten, die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme mehr und mehr in den Hintergrund treten.

Dagegen wird immer wieder mit den Interessen des Arbeitgebers argumentiert und ihnen Vorrang eingeräumt. Es wird zwar erklärt, dass in die Rechte des Arbeitnehmers eingegriffen wird, es aber gerechtfertigt ist, weil die Rechte des Arbeitgebers schützenswerter sind.

So überwiegen die Interessen des Arbeitgebers an der Diebstahlsaufklärung oder der Überprüfung der Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter oder die Ergebnisse einer Datenauswertung, zur Begründung einer fristlosen Entlassung.

Der DGB fordert ein Beschäftigtendatenschutzgesetz, das den aktuellen Gefährdungen konkret Rechnung trägt und Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer bringt.

Die ab 2018 geltende EU-Datenschutzverordnung soll europaweit einen einheitlichen Datenschutzstandard bringen, doch zum Schutz von Arbeitnehmerdaten- und Überwachungsschutz bleibt weiterhin viel Raum für nationale Regelungen.

Bis es das gibt, der sollte, wenn er auf der sicheren Seite sein möchte, unbedingt mit seinem Arbeitgeber abklären, was erlaubt ist und in welchem Umfang. Liegt keine ausdrückliche Erlaubnis seitens des Arbeitgebers vor, sind private Mails, Telefonate und alle anderen Nutzungen von Handy und Rechner, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Arbeit stehen, ein Tabu.

Dass die Überwachung am Arbeitsplatz auch zunehmend Stress für die Seele bringt, ist kein Tabu, sondern Alltagserfahrung der Beschäftigten.

 

Quelle: dgb-rechtschutz

Bild: c.mobiliegeeks.de