Wege aus der Wohnungsnot – kommt nun Sozialer Wohnungsbau light?

WohnungsnotjpgEs fehlen derzeit mindestens 4 Millionen Sozialwohnungen. Laut Deutscher Mieterbund wird bis 2017 der Fehlbedarf um weitere 825.000 Sozialwohnungen steigen. Mittlerweile wohnen nur noch 9 Prozent der Mieter in Wohnungen von Genossenschaften oder Stiftungen. Der Sozialwohnungsbau in den Ländern ist faktisch zum Erliegen gekommen und für Finanzinvestoren lohnt sich der Aufkauf ganzer Pakete von Mietwohnungsbeständen, begleitet von den großzügigen Gewinnversprechen der Hedgefonds.

Das zu einer Zeit, in der es immer mehr Geringverdiener gibt, die wie auch die wachsende Zahl von Zuwanderern, auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen sind. Die Wohnungsnot wird die Integration der Flüchtlinge gefährden und auch zu erheblichen Spannungen zwischen Flüchtlingen und gering verdienenden Einheimischen bei der Wohnungssuche führen.

Viele Vordenker aus der Planer- und Architektenzunft warnen heute schon vor den angeblich überzogenen Erwartungen finanzschwacher Menschen an das Wohnungsangebot und entwickeln Ideen vom „Wohnungsbau light“.

In den vergangenen Jahrzehnten ist der Neubau vor allem von preiswerten Wohnungen drastisch zurückgegangen. Der soziale Wohnungsbau wurde so weit zurückgefahren, dass sich der Bestand von 2,5 Millionen Wohnungen im Jahr 2002 auf 1,4 Millionen Wohnungen im Jahr 2010 verringerte. Bund und Länder haben zwischen 2002 und 2010 die Fördermittel um 63 Prozent auf jetzt insgesamt eine Milliarde Euro pro Jahr heruntergefahren. Gleichzeitig stieg vor allem in den Ballungsräumen der Bedarf an zusätzlichen Wohnungen, der im preiswerten Segment u.a. durch stark steigende Grundstückspreise und Immobilienspekulationen nicht gedeckt wurde.

Als Folge der neoliberalen Politik der vergangenen Jahre hat sich auch die Bundesregierung aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen und sie den „freien Kräften“ des Marktes – hier des Wohnungsmarktes – überlassen. Große Teile des Wohnungsbestands der öffentlichen Hand sowie öffentlicher Unternehmen wurden privatisiert und von den neuen Eigentümern unter Finanzmarktaspekten optimiert.

Obwohl die Bautätigkeit in den vergangenen Jahren wieder zugenommen hat, 2014 wurden 245.000 neue Wohnungen gebaut und damit 50 Prozent mehr als 2010, reicht dies noch nicht einmal aus, um den bisherigen Bedarf, der vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 zu decken war.

Wenn von den rund eine Millionen Asylsuchenden nur die Hälfte dauerhaft oder längerfristig in Deutschland bleibt, wird der Bedarf insgesamt auf jährlich 420.000 bis 500.000 zusätzliche Wohnungen steigen. Um diesen Bedarf zu decken, müssen die Kommunen angesichts der Vorlaufzeiten sofort mit den Maßnahmen beginnen, für die sie auch entsprechende finanzielle Zusagen von Bund und Ländern brauchen.

Das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus, das die Bundesregierung im Februar 2016 auf den Weg gebracht hat, geht nach Ansicht vieler Fachleute und Verbänden in die falsche Richtung. Das Gesetz soll dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum im unteren und mittleren Segment in Groß- und Hochschulstädten abhelfen und vor allem über Sonderabschreibungen den Anreiz bieten, neue Wohnungen zu bauen.

Der Zuzug von Flüchtlingen hat dem Vorhaben nun noch einmal weiteren Schwung verliehen, so sind im Bundesetat sind für die Förderung bis zu 2,1 Milliarden Euro in den Jahren 2017 bis 2020 eingeplant.

Die vorliegenden Stellungnahmen zum Gesetzesvorhaben deuten nicht darauf hin, dass die Regierung auf dem richtigen Weg ist. Auch der Bundesrat hat das Vorhaben schon kritisch kommentiert, denn viele Sachverständige sind der Meinung, dass die geplante Sonderabschreibung von bis zu 35 Prozent in den ersten drei Jahren nach Fertigstellung nur zu Mitnahmeeffekten führt, jedoch das Ziel verfehlt, dauerhaft günstigen Wohnraum zu schaffen.

Zudem sind Abschreibungsmodelle nur für private Unternehmen interessant, die in höherem Maße zu versteuernde Gewinne erzielen. Wohnungsbaugenossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen fallen daher aus der geplanten Förderung heraus, obwohl gerade sie es doch sind, die preiswerten Wohnraum schaffen und auch im sozialen Wohnungsbau engagiert sind, ganz im Gegensatz zu Privatinvestoren.

In der Politik, bei Lobbyverbänden und Architekten kursieren derzeit die gewagtesten Billigideen, wie sie das Ganze qualitativ angehen wollen.

Die Vordenker der Architekten warnen schon mal vorsorglich die ärmeren Menschen vor überzogenen Erwartungen und Ansprüchen an ihrer Wohnsituation und haben folgende Ideen im Kopf:

  • Sie testen aus, was alles mit Containern oder Holzbaumodulen machbar ist.
  • Sie entwerfen Mischkonzepte für Geflüchtete, Alleinerziehende und Wohnungslose.
  • Sie bewerben ihre Ideen mit der Aussicht auf eine stärkere „gesellschaftliche Teilhabe“ am Raum der Stadt (Stichwort „Durchmischung“).
  • Sie reden von „Architekturen des Ankommens“, was in der Architektenszene unhinterfragt akzeptiert wird.
  • Es sollen „Modulare Unterkünfte“ für Flüchtlinge (MUFs) in Leichtbauweise eingerichtet werden.
  • Viele Architekten lieben es, mit begrenzten Budgets kreativ umzugehen und sind schnell dabei, alternative Wege bei der Unterbringung geflüchteter Menschen vorzuschlagen.
  • Sie meinen, dass im Wohnungsbau endlich einfachere Qualitätsmaßstäbe gesetzt werden müssen, um die Preise nicht in die Höhe zu treiben. Schlichtbauten werden deshalb nicht per se abgelehnt.
  • Sie favorisieren die Idee von Verdichtung und Flächenreduzierung und verbinden dies nicht zufällig mit einer ausgeprägten Skepsis gegenüber einem sozial inspirierten Neubau mit Normalstandards.
  • Sie planen massenhaft günstigen Wohnraum unterhalb der Preisschwelle eines vollwertigen Neubaus.
  • Um die Preise nicht in die Höhe zu treiben, müssen nach ihren Vorstellungen im Wohnungsbau endlich einfachere Qualitätsmaßstäbe gesetzt werden und die Ansprüche der Bewohner abnehmen.
  • Immer mehr Menschen sollen in Zeiten knapper Kassen ihr Leben zukünftig an der Schwelle von bloßer Unterbringung zu „richtigem“ Wohnen verbringen. Hier ist an der Nutzung von Baulücken und Flachdächern gedacht, sogar Schrebergarten-Sied-lungen sollen entstehen.
  • Eine Blechkisten-Architektur soll in Zukunft neben den Geflüchteten auch Studierende und Alleinerziehende unterbringen.
  • Große Visionen treffen auf kleine Baukosten, deren Ergebnisse Provisorien sein werden, die sich verstetigen, nicht so schnell wieder abgebaut und die langfristig die neuen Normen bilden werden.
  • Bei der Architekturbiennale in Venedig Ende Mai 2016 wurde der neue Minimalstand des Wohnens im Rahmen des deutschen Beitrags unter dem Motto: „Making Heimat“ gelobt.

 

Bei diesen Aussichten wird es Zeit, sich Gedanken über einen sozialen Wohnungsbau zu machen, der ausschließlich auf den Einsatz öffentlicher Mittel für die Errichtung neuer und guter Wohnungen setzt, deren Mieten politisch festgelegt werden und damit verhindert wird, dass die staatlichen Gelder die privaten Eigentümer noch reicher machen.

 

 

Weitere Infos: www.inkw-berlin.de/wohnungsbau.html 

Quelle: aus Memorandum 2016 und Ossietzky

Bild: stadtmission-nuernberg.de