Ver.di: Corona – FAQ für Solo-Selbstständige

Bei den meisten Fragen, mit denen wir derzeit überrannt werden, wird klar: Es hapert vor allem an konkreten Hilfen für Solo-Selbstständige, wenn Aufträge abrupt wegbrechen. – Da wurde in der Vergangenheit schlicht versäumt, rechtliche und sozialstaatliche Regeln zu etablieren, die auch die konkreten Lebens- und Erwerbslagen der Solo-Selbstständigen berücksichtigen. Diese FAQ erläutern, welche Hilfen beschlossen und geplant sind, welche aktuellen rechtlichen Bedingungen gelten und was auf dieser Grundlage konkret getan werden kann. Da blitzen auch viele Themen auf, an denen wir seit Jahren arbeiten und die wir gemeinsam weiter diskutieren müssen.

An einigen Stellen dieser FAQ verweisen wir auf Detailtexte in unserem ‚Ratgeber Selbstständige‘, der in 20 Jahren Beratungspraxis für Selbstständige entstanden ist und tagesaktuell gepflegt wird. Dort findet ihr auch Antworten auf viele Fragen, die nicht in dieser FAQ stehen. Die meisten Detailtexte des Ratgebers stehen normalerweise hinter einer Paywall. Die haben wir angesichts der Lage für die hier verlinkten Texte vorübergehend entfernt. – Wenn du nicht ohnehin schon Mitglied bist und damit kostenlosen Zugriff auf alle Ratgeber-Texte hast, solltest du bedenken, dass es ziemlich teuer ist, so ein Werk und die Selbstständigenberatung aufrechtzuerhalten.

Gibt es eine staatliche Hilfe oder Entschädigung bei Auftragsausfällen?

Die Gesetzentwürfe zu den Regierungs-Nothilfeplänen

Seit dem 21.3. kursieren die von den Bundesministerien verfassten Entwürfe zu den Gesetzesänderungen, mit denen die Bundesregierung die Folgen der Corona-Krise (auch) für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen abfedern will. Die letzten Versionen stammen vom 23.3., an dem auch der Kabinettsentwurf vorgestellt werden soll. – Unsere erste Zusammenfassung:

Die Soforthilfe „Sozialschutzpaket“, die das Arbeits- und Sozialministerium erarbeitet hat, sieht ein „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung…“ vor, mit dem für sechs Monate der Zugang zur Grundsicherung wesentlich erleichtert wird. Vorgesehen ist dass bei Anträgen auf Grundsicherung zwischen März und Juni prinzipiell keine Vermögensprüfung erfolgt und angemessene Vermögen (60.000 € für Single, plus 30.000 € pro weiteres Haushaltsmitglied) nicht angerechnet werden, Miet- und Heizkosten für die Wohnung werden für „Neukunden“ der Arbeitsagentur in voller Höhe übernommen. Der Wermutstropfen: Die Prüfung der Bedarfsgemeinschaft bleibt (für alle betroffenen Erwerbstätigen) bestehen. – Eine gute Erläuterung zum BMAS-Entwurf (Stand 22.3.) hat Prof. Dr. Stefan Sell am 23.3. veröffentlicht. Seitdem haben sich nur noch kleine Änderungen (etwa bei der Vermögensanrechnung) ergeben.

Nach dem Entwurf der „Corona-Soforthilfe“ des Wirtschaftsministeriums sollen kleine Unternehmen – damit auch Solo-Selbstständige – nicht rückzahlbare Liquiditätshilfen erhalten, wenn sie durch die Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Diese Mittel sollen die laufenden Betriebskosten – insbesondere Miet- und Pachtkosten – decken.

Eine erste Einschätzung: Es handelt sich tatsächlich um absolute Nothilfen. Sowohl die Maßnahmen Liqudität insbesondere für die laufenden Kosten der Selbstständigkeit zu schaffen, als auch der wesentlich erleichterte Zugang zur Grundsicherung sind erfreuliche erste Schritte. Sie sind ein wichtiger Teil des Gesamtpakets zur Abfederung der Krisenfolgen, bei dem allerdings von einer Gleichbehandlung zwischen großen Unternehmen und Konzernen auf der einen sowie abhängig und selbstständig Erwerbstätigen auf der anderen Seite jedoch keine Rede sein. – Wir werden mittelfristig noch einmal darüber reden müssen ob Menschen oder „die Wirtschaft“ Hauptziel der staatlichen Fürsorge sein sollen und damit über die Themen Umverteilung und Gerechtigkeit, wenn in der näheren Zukunft die Gesellschschaft über die Verteilung der Kosten zur Bewältigung der Krise verhandelt.

Darüber wird, was ein bundesweites Programm angeht, wurde auf vielen Ebenen länger diskutiert und angekündigt (was auch schon ein großer Erfolg war). Für den Bund wurde dann erstmals am 18.3. ein Hilfsfonds angekündigt, der am 23.3. als Regierungsentwurf vorgelegt und schnell beschlossen werden soll (siehe oben). Wirtschaftsminister Altmaier sagte dazu am 18.3., die Gelder sollten „nicht mit der Gießkanne, sondern zielgenau“ vergeben werden.
Am 19.3. hat die Regierung dann laut ‚Spiegel‘-Bericht einen 40-Mrd.-Solidaritätsfonds für Selbstständige in Aussicht gestellt. Die Details sind noch nicht bekannt, der ‚Spiegel‘ berichtet, dass zehn Milliarden Euro sollen als direkte Zuschüsse an notleidende Ein-Personen-Betriebe und Kleinstunternehmen vergeben werden, der Rest von 30 Milliarden Euro als Darlehen. Laut ‚Zeit‘-Bericht vom gleichen Tag sind für Firmen mit maximal fünf Mitarbeitern Zuschüsse von 9.000 bis 10.000 Euro für maximal drei Monate geplant. Allgemein wird erwartet, dass die Zuschüsse an Solo-Selbstständige an das ALG-2-System angekoppelt werden, also verwendet werden, um den Zugang zur Grundsicherung zu erweitern, zu erleichtern und die Abwicklung (also Auszahlung) zu beschleunigen.

Eine konkrete Hilfe in Form eines regionalen Landes-Hilfsfonds gibt es derzeit nur in Bayern (bis zu 5.000 € für Solo-Selbstständige). In Berlin (bis zu 5.000 € alle sechs Monate), Hamburg (2.500 € für Solo-Selbstständige) und Bremen (im „stark vereinfachten Verfahren“ soll es zunächst bis zu 5.000 € geben sowie 20.000 € nach intensiverer Prüfung) wurden Grundsatzbeschlüsse gefasst, aber noch keine konkreten Antragsverfahren geschaffen, die anderen Bundesländer haben Hilfsfonds angekündigt, (Brandenburg bspw. für den 23.3.), die auf den Entwurf der Bundesregierung abgestimmt werden sollen. Viele Programme wie „Sachsen hilft sofort“ sind wiederum ‚kreditbasiert‘ und keine Entschädigung.
Die ebenfalls zur Existenzsicherung gedachte Soforthilfe NRW ist auf Künstler*innen beschränkt, die Engagements verloren haben (Einmalzahlung bis 2.000 €).

Für alle Fonds-Programme, die die Länder konzipiert haben, gilt, was die Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt bei der Vorstellung des eigenen Landesfonds am 20.3. betont hat: Die Hilfen der Länder sind akute Maßnahmen, die gezielt an Kleinbetriebe und Solo-Selbstständige gehen sollen, die „den Übergang in den nächsten Monat“ schaffen müssen. Zudem müssten sie nachweisen, dass die wirtschaftliche Notlage durch den Virus bedingt sei. Es gehe darum den Kleinbetrieben und Solo-Selbstständigen zu helfen, bis ein Bundesprogramm greift. Das Landesprogramm sei „Ergänzung nicht Ersatz“ zu einem Bundesprogramm, das bis zum 27.3. durch alle Gremien gegangen sein soll.
Wer wissen will, was jenseits dieser konkreten Fonds (in den übrigen Bundesländern) geplant / angekündigt / kommuniziert / angelaufen ist, findet dazu Informationen in der Länderübersicht des Gründerlexikons.

Für alle Solo-Selbstständigen, die in Ländern wohnen, die noch keinen konkreten Hilfsfonds aufgelegt haben, gibt es staatliche Hilfe (jenseits von Krediten) derzeit nur bei und während einer behördlich angeordneten Quarantäne (siehe übernächste FAQ). – Ansonsten bleibt derzeit nur der Rückgriff auf die Grundsicherung, also ALG 2, das auch als „aufstockende“ Leistung gezahlt wird, sowie andere Sozialleistungen. Wer entsprechend versichert ist kann auch auf das normale Arbeitslosengeld zurückgreifen. – Beide Möglichkeiten erläutern wir in weiter unten in dieser FAQ-Liste.

Müssen Auftraggeber für Absagen haften?

Für bereits abgeschlossene, laufende Verträge gilt: Beide Vertragspartner müssen sich an das halten, was sie vereinbart haben. Haben sie zur Absage von Diensten und Kündigung von Werken nichts geregelt, gilt das BGB: Danach können können Selbstständige grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber, der einen Werkvertrag oder einen befristeten Dienstvertag komplett kündigt oder die Ausführung stoppt, für die finanziellen Folgen aufzukommen hat.

Aber wirklich nur solange Verträge oder AGB keine abweichende Regelung treffen. Wenn beispielsweise eine Handelsvertreterin eine Vergütung ‚pro ausgeführtem Auftrag‘ vereinbart, erhält sie kein Geld. Ebenso muss der Dozent, der bei ausgefallenen Seminaren eine Null-Vergütung akzeptiert hat, auf das Honorar verzichten. Bei Berliner Volkshochschulen beispielsweise gilt: „Werden Kurse abgebrochen, so ist das Honorar für die geleisteten Unterrichtseinheiten zu zahlen.“ Gemeint ist natürlich „nur für bisher geleistete Stunden“…

Grundsätzliche Ausführungen zum Kündigen von Dienstverträgen und Kündigen von Werkverträgen stehen im ver.di-‚Ratgeber Selbstständige‘, auch der Hinweis darauf, dass es sinnvoll sein kann, auch die Situation des Vertragspartners und Perspektiven für die längerfristige Zusammenarbeit (auch nach der Krise) im Hinterkopf zu haben: „Es kann im Einzelfall Sinn machen, auf den vollen Vergütungsanspruch zu verzichten. Etwa wenn als Kompensation des Ausfalls ein länger laufender Vertrag oder adäquate Folgeaufträge rausspringen. Oder auch – wenn es die eigene Situation erlaubt – klammen Kunden einen Zahlungsaufschub zu gewähren.“

Für eine Auftragsflaute jenseits laufender Verträge zahlt derzeit in der Regel niemand. Genau dafür sind jetzt staatliche Hilfsfonds gefragt.

Gibt es eine Entschädigung beim eigenen Arbeitsausfall und bei Quarantäne?

Eine staatliche Entschädigung gibt es derzeit für (Solo-)Selbstständige nur, wenn sie wegen einer behördlich angeordneten Quarantäne nicht arbeiten dürfen. Um deren Höhe zu bestimmen, wird der Durchschnittsgewinn des Vorjahres herangezogen, zusätzlich gibt es auf Antrag angemessenen Ersatz für weitere nicht gedeckte Betriebsausgaben. Geregelt ist das alles im § 56 Infektionsschutzgesetz. (Die Entschädigung ist innerhalb von 3 Monaten zu beantragen.) Zu den Voraussetzungen gibt es eine übersichtliche Info bei der ‚Tagesschau‘. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung nennt in ihrer Informationsschrift zum Thema Quarantäne auch die Behörden in den Bundesländern, bei denen der Antrag gestellt werden kann. Die Formulare sollten sich per Suchmaschine finden lassen: Antrag + IfSG + Bundesland.

Wer eine gesetzliche Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld oder eine Krankentagegeldversicherung hat, kann bei einer längeren Krankheit eine Ärztin oder einen Arzt um Krankschreibung bitten. Je nach Vertrag zahlt dann die Versicherung einen Verdienstausfall. Je nach Vereinbarung nach einer mehr oder weniger langen Zeit. Gesetzlich Versicherte erhalten den erst nach sechs Wochen, es sei denn, sie haben über einen Wahltarif eine frühere Zahlung vereinbart oder eine entsprechende Krankentagegeldversicherung abgeschlossen.

Können Kredite helfen?

Theoretisch können und sollen günstige Kredite eine (vorübergehende) Liquiditätslücke oder -krise überbrücken. Das Problem ist: Schnell geht da bei den Hausbanken, über die auch die staatlichen KfW-Kredite vergeben werden, eher nicht. Laut einer Meldung vom 18.3. sollen am 23.3.20 die schneller auszahlbaren KfW-Notkredite starten. Auch diese brauchen allerdings noch zwei bis drei Wochen für die  Bearbeitung. (Das Prinzip, Kredite über sogenannte Hausbanken und Finanzierungspartner wie Sparkassen zu verteilen und die Anträge an zwei Stellen zu bearbeiten – laut KfW „seit Langem bewährt“ -, sollte vielleicht einmal überdacht werden… – Das findet in einem Podcast vom 18. März auch Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der von aktuell vier bis sechs 6 Wochen Bearbeitungszeit ausgeht.) Alternativ könnten andere Mechanismen der schnellen Bereitstellung gestärkt werden, etwa die Mikrokredite. Die allerdings gibt es derzeit nur mit relativ kurzen Laufzeiten und vergleichsweise hohen Zinsen. – Einen soliden, angenehm kurzen Überblick über die KfW-Kredite gibt es bei ‚business insider‘.

Das Hauptproblem aller Kredite: Selbst bei einer hohen Bürgschaftsquote (bis zu 80 Prozent) bleibt es ein Kredit. – Wer nicht in die Insolvenz rauscht, muss das Geld also irgendwann später zurückzahlen. Das hilft einigen, wenigstens die Liquiditätsbelastung zu verzögern, verlagert sie aber faktisch nur. Wenn das in Frage kommt, gibt es weitere Hürden. Etwa weil manche (Online-)Banken keine kleinen Kredite abwickeln wollen.
Unsere Erfahrung: Die Banken haben keine Lust, sich mit kleinen Krediten herumzuschlagen und dann auch noch für einen Teil des Ausfallrisikos selbst zu haften (solange das nicht zu 100 Prozent der Staat tut). Und selbst bei einer kompletten Bürgschaft bleiben die normalen Probleme: Die Banken sind derzeit auch völlig überlastet und das Personal teilweise nicht da und auch hat nicht jede*r eine Hausbank.

Fazit: Solo-Selbstständige, die heute und in der Zukunft sehr geringe Gewinne machen, würden mit Bankkrediten (selbst wenn sie schnell zu haben sind) extrem zu knapsen haben. Ihnen können derzeit nur Soforthilfen oder Überbrückungsgelder ohne Rückzahlungspflichten helfen.

Kann ich Sozialversicherungskosten senken?

Prinzipiell ist das bei allen gesetzlichen Versicherungszweigen möglich und zur akuten Kostensenkung bei Gewinnrückgängen absolut empfehlenswert. Wie schnell allerdings entsprechende Anträge von den verschiedenen Trägern und Kassen derzeit umgesetzt werden, ist nicht abzuschätzen. Deshalb fordern wir die Meldeverfahren zu erleichtern und zu beschleunigen. Derzeit ist es so:

Bei der Künstlersozialversicherung geht die Meldung ziemlich schnell. Dazu gibt es aktuelle Hinweise der KSK in deren Newsbereich sowie ein Formular zur Beitragsänderung. Wir hoffen, dass die Anpassung ebenfalls schnell geht.

Gesetzliche Krankenkassen senken die Beiträge für freiwillig Versicherte ebenfalls, wenn ein entsprechender (kassenindividueller) Antrag gestellt wird, (wenn der Gewinn gegenüber dem Vorjahr um mindestens ein Viertel eingebrochen ist). Üblicherweise wollen die Kassen als Nachweis einen aktuellen Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts sehen, der natürlich erst einmal beantragt werden müsste. Ob einzelne Kassen diese Praxis bereits pauschal erleichert haben, wissen wir nicht, jedoch räumen einige bereits heute eine dreimonatige Karenzzeit ein, in der der Beitrag erst einmal reduziert wird.
Ein Grundproblem bleibt: Auch wenn die Gewinne niedriger liegen, fallen für freiwillig gesetzlich Versicherte mindestens Beiträge auf Grundlage des angenommenen Mindesteinkommens an. Das beträgt derzeit rund 1.062 € und der monatliche Mindestbeitrag für Kranken- und Pflegeversicherungen damit knapp 200 €. – Hätten wir nicht zu Anfang 2019 die radikale Senkung dieses Mindesteinkommens durchgesetzt, wäre für viele jetzt das Desaster vollkommen, trotzdem wäre es noch besser, es wäre wie von ver.di weiterhin gefordert gleich auf die Geringfügigkeitsgrenze von 450 € gesenkt worden.

Pflichtversicherte, die an die Gesetzliche Rentenversicherung einen Beitrag nach tatsächlichem Einkommen zahlen, ist es ebenfalls gar nicht so einfach, den Beitrag schnell anzupassen: Dem steht § 165 SGB 6 (1a) entgegen, der den Nachweis verlangt, dass das Einkommen seit dem letzten Steuerbescheid um mehr als 30 Prozent gesunken ist. Und erst nach Vorliegen solcher Unterlagen wird der Beitrag (und das erst im Folgemonat) korrigiert. – Solche Hürden, die ja auch fallen können, sind natürlich kein Grund, keinen Antrag zu stellen.

Dass der Gesetzgeber für private Kranken- und Rentenversicherungen Auflagen vorsehen wird, ist eher unwahrscheinlich. Es bleibt dann den Versicherungsunternehmen frei, etwa die Stundung von Beiträgen, leichte und verlustfreie Vertragsänderungen oder den Kündigungsausschluss wegen ausstehender Beträge vorzusehen.

Wie sieht es mit Steuerentlastungen aus?

Über echte Steuersenkungen hat die Politik offensichtlich noch nicht beraten. Das würde auch größere Eingriffe in das Gesamtsystem erfordern (die wir begrüßen würden, wenn sie die Umverteilung von unten nach oben stoppt und umkehrt), die absolut sicher nicht zeitnah umgesetzt werden (können). Daher sind entsprechende Vorschläge – etwa wie die der negativen Einkommensteuer, die jetzt in den Ring geworfen werden – aktuell keine Option und damit sogar eher eine Ablenkung.

Als Bereiche der schnellen Entlastung hat das Wirtschaftsministerium 13.3. die Bereiche genannt: „Es werden die Möglichkeiten zur Stundung von Steuerzahlungen, zur Senkung von Vorauszahlungen und im Bereich der Vollstreckung verbessert.“ Was dabei herausgekommen ist und weiterhin kommt steht bei Haufe sehr gut zusammenfasst. Und die Seite wird ständig mit Updates ergänzt.

Die zentrale Maßnahme Liqudität zu sichern dürfte sein: Einkommensteuer-Vorauszahlungen ändern. Dazu kannst du (ebenso wie für Stundungsanträge) seit kurzem ein Formblatt der Steuerbehörden verwenden.
Die Alternative bzw. der bisherige Weg lautet: Du schreibst (formlos) ans Finanzamt, dass du Einspruch gegen den Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid erhebst. Gleichzeitig beantragst du die Vorauszahlungen herabzusetzen und den Vollzug der bereits festgesetzten Vorauszahlungen auszusetzen. Wichtig ist eine Begründung, was ja gerade eher leichtfällt. (Die Senkung oder Aussetzung der Vorauszahlung könnte prinzipiell auch automatisch erfolgen und unmittelbar wirksam werden. Das würde Liquidität schaffen, ohne dass Selbstständige Anträge schreiben und Finanzämter sich darüber beugen müssten.)
Liegt die Jahressteuerschuld unter 400 €, bzw. die im Vorauszahlungszeitraum (üblicherweise das Quartal) unter 100 €, entfallen gemäß § 37 Abs. 5 EStG die Einkommensteuervorauszahlungen. Allerdings muss auch dann das Finanzamt entsprechend informiert werden, damit Vorauszahlung entfallen kann.

Generell kann beim eigenen Finanzamt daneben beantragt werden: Der Verzicht auf Säumniszuschläge, die teilweise oder komplett zinsfreie Stundung von Steuerzahlungen sowie ein zeitlich befristeter Verzicht auf Vollstreckung.

Hier und da taucht die Forderung auf, auch die Umsatzsteuer zu stunden oder den Zeitraum und die Zahlungsfrist der Umsatzsteuervorauszahlung zu verlängern. Zumindest wer überhaupt keine Gewinne mehr macht (und umsatzsteuerpflichtig ist) hätte von der zweiten Maßnahme gar nichts. Im Gegenteil. „Sinken die betrieblichen Ausgaben für die Umsatzsteuer unter die Einnahmen bei der Umsatzsteuer, wird diese ja faktisch zur Einnahmequelle, da das Finanzamt dann den Umsatzsteuerverlust erstattet“, heißt es in unseren Vorschlägen an die Politik. Eine Streckung des Zeitraums sollte daher (anders als die Stundung) nur als Wahlrecht ausgestaltet werden.

Bekomme ich Arbeitslosengeld 1?

Nur wenn du es geschafft hast, „auf Antrag“ in die Arbeitslosenversicherung zu kommen. – Im ‚Ratgeber Selbstständige‘ findest du ausführliche Details zu dieser Versicherung, die wir hier nicht ausbreiten wollen. Zur kurzen Erwähnung des ALG 1 gehört eine gute und eine schlechte Nachricht:

  • Die gute Nachricht: Wer drin ist, kann ALG 1, also das „normale“ Arbeitslosengeld bekommen. Dazu muss die Arbeit auch nicht vollkommen eingestellt werden: Wer ALG 1 bezieht, darf nebenher arbeiten, allerdings maximal 15 Stunden pro Woche.
  • Die schlechte Nachricht: Die Zahlung von Arbeitslosengeld ist für Selbstständige derzeit auf zwei Auszahlungen pro „zu dieser Versicherungspflicht führenden Tätigkeit“ begrenzt. – Eine Klausel im § 28a SGB 3, die wir seit ihrer Einführung vehement kritisieren. Ebenso wie die unsinnige Beschränkung des Personenkreises der ein „Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag“ eingehen darf: Um möglichst wenige Selbstständige in die Arbeitslosenversicherung aufnehmen zu müssen und das so unattraktiv wie möglich zu machen, dürfen sich nur Personen versichern, die aus einer abhängigen Beschäftigung kommend arbeitslos werden, dann gründen und sich weiter versichern „dürfen“. Zudem sind weder die Beiträge noch die Zahlungen einkommensabhängig gestaltet. Auch das wäre bei Gelegenheit mal zu ändern…

Bekomme ich Arbeitslosengeld 2 und andere Sozialleistungen?

Ja, aber ALG 2 gibt es derzeit nur unter strengen Bedingungen und insbesondere für Selbstständige nur unter heftigen bürokratischen Verrenkungen insbesondere bei der Gewinnermittlung. Trotzdem: Genau für den Fall, dass es schlecht läuft, gibt es dieses sozialstaatliche Auffangnetz, zu dem Sozialminister Hubertus Heil am 18.3. erleichterte Zugänge angekündigt hat. Dass die Grundsicherung nur die letzte Haltelinie sein kann, diskriminierend und unzureichend ist, brauchen wir nicht zu diskutieren, aber wissen sollte trotzdem jede*r:
Ist aktuell kein oder nur sehr wenig Umsatz vorhanden (und gibt es keine nennenswerten Vermögenswerte), haben Selbstständige Anspruch auf aufstockende ALG-2-Leistungen, die das Existenzminimum sichern und ggfs. die Sozialversicherungskosten abdecken. Diese Leistung ist ja exakt gedacht für Menschen, die trotz Arbeit zu wenig Geld zum Leben haben. Das sind eben auch von (vorübergehenden) Auftragsflauten betroffene Selbstständige. – Wie diese Leistung grundsätzlich gestrickt ist, findet ihr im ‚Ratgeber-Selbstständige‘-Detailtext zum ALG 2.

Wichtig: Gezahlt wird das Arbeitslosengeld 2 maximal rückwirkend zum Anfang des laufenden Monats. Wer Probleme mit dem Fragebogen hat, noch nicht alle Unterlagen zusammen hat in der Warteschlange vor der Agentur nicht vorankommt, kann und sollte erst einmal einen formlosen Antrag stellen und den Fragebogen sowie die Unterlagen später nachreichen.

Wer noch einige Aufträge und Einkommen aber keine Rücklagen hat und nur deshalb unter die Grundsicherungsschwelle rutschen würde, weil auch noch Krankenversicherungskosten anfallen, kann einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung bekommen. Bezahlt wird dabei genau so viel, dass das restliche Einkommen exakt auf die Alg-2-Grenze rutscht. Positiv ist daran, dass mit dieser Zuschuss nicht als Alg 2 gilt und wer in bekommt nicht zur Aufnahme berufsfremder Arbeiten, Ein-Euro-Jobs, Berufsaufgabe etc. gezwungen werden kann. Dazu gibt es ein Merkblatt der Arbeitsagentur.

Um den ALG-2-Bezug mit seinen problematischen Aspekten wie Papierkrieg, Vermögensanrechnung, Betriebskostenbeschränkung und Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt zu vermeiden, könnt ihr auch noch prüfen, ob ihr die Bedingungen für das Wohngeld erfüllt. Das ist eine kommunale Leistung, die ihr vor Ort beantragen müsst und sie hat einige Vorteile:

  • deutlich höhere Vermögensfreibeträge
  • etwas weniger Papierkrieg als beim ALG 2
  • Betriebsausgaben werden nicht vom Jobcenter auf Angemessenheit geprüft.
  • Es muss für keine Behörde, die dich „aktivieren“ will, Verfügbarkeit gesichert werden.

Eigentlich ist es längst überfällig, entsprechende Erleichterungen auch für aufstockende Selbstständige in den Sozialgesetzen zu verankern. Nun scheint die Politik dazu zumindest für eine Übergangszeit bereit. Bis da konkret etwas kommt, gilt leider: Es ist es für Selbstständige äußerst kompliziert, aus einer Selbstständigkeit heraus an diese Leistung zu kommen. Solange die „Fallmanager*innen“ nicht angewiesen sind, unbürokratisch zu handeln, neigen sie nach unserer Erfahrung oft dazu, den aktuellen Finanzstatus von Selbstständigen äußerst kleinteilig zu kontrollieren (und manche verwechseln sogar noch Umsatz und Einkommen).

Also: Es kommt jetzt darauf an, den Zugang zu ALG-2-Leistungen deutlich zu vereinfachen. Viel wäre beispielsweise erreicht, wenn sie mindestens als vorläufige Leistung für den normalen Bewilligungszeitraum von 6 Monaten zu bekommen wäre. Mit so einer Übergangsregel hätte der Gesetzgeber Zeit, in Ruhe zu überlegen, welche Entlastungen im SGB II und anderen Gesetzen dauerhaft geregelt werden können.

Wie das ALG 2 funktioniert hat unser Kollege, der Szialrechtsanwalt Holger Thieß vor gut drei Jahren sehr übersichtlich zusammengestellt. Seine FAQ zu Selbstständigen und ALG 2 ist – bis auf die konkreten €-Angaben aktuell. Die aktuellen Zahlen stehen im Ratgeber Selbstständige.

Kurzarbeitsgeld: Kann Ähnliches für Selbstständige geregelt werden?

Kurzarbeitsgeld, also die Sicherung von 60 Prozent des Einkommens, kommt, so wie es heute gestrickt ist, für Einzelunternehmen nicht in Frage. Diese Leistung ist schlicht als eine für – mindestens wirtschaftlich – abhängige Beschäftigung gestrickt. Die Zahlung an Erwerbstätige ist unter anderem davon abhängig, dass sie in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind. – Allein Selbstständige, die Arbeitgeber*in sind (und sei es auch nur einer einzigen Person), können bei einem Arbeitsausfall vom Kurzarbeitsgeld profitieren.

Es gibt derzeit nur eine eng umrissene (Kleinst-)Gruppe von Selbstständigen, die als Pflichtversicherte in der Arbeitslosenversicherung auch ausdrücklich Kurzarbeitsgeld bekommen können: Diese ganz spezielle Gruppe (definiert im § 2 HAG) besteht aus wirtschaftlich abhängigen Selbstständigen, die in sogenannter Heimarbeit beschäftigt sind. Für sie gibt es eine spezielle Kurzarbeitsgeld-Regelung im § 103 SGB 3, die auf einen Gewinneinbruch in den letzten sechs Monaten abhebt.
Eine kurzfriste Hilfe können Solo-Selbstständige über diesen Mechanismus nicht erwarten. Wir finde nallerdings, dass mal geprüft werden sollte, ob und in welcher Form Elemente dieses bewährten Instrumentariums langfristig auch auf die Situation von (Solo-)Selbstständigen zu adaptieren sind.

 

Quelle und weitere Infos: https://selbststaendige.verdi.de/