Tarifabschluss IG Metall NRW: Weniger als ein Linsengericht

Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften verurteilt den Tarifabschluss vom 20.3.2020 der IG Metall in NRW auf das Schärfste. Er bringt für die Kolleg*innen weder eine Entgelterhöhung noch mehr Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Dieser mickrige Abschluss wurde unter völliger Umgehung der Mitgliedschaft durchgezockt. Dies war allerdings schon im ganzen Konzept für die diesjährige Tarifrunde angelegt, das der IGM-Vorstand noch vor Ausbruch der Corona-Krise im Januar beschloss.

Anfang Februar hatten wir im Betriebsflyer der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften das vom IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann verkündete Moratorium für die Tarifrunde der IGM 2020 verurteilt und festgestellt: „Stattdessen bietet er, ohne die Mitglieder zu fragen, in einem Moratorium einen Zukunftspakt der Illusionen an: Ein „Friedensangebot“ – vor Ende der Friedenspflicht soll es zu einem Abschluss kommen! Ohne eine konkrete Zahl für die Lohnerhöhung sollen die Verhandlungen beginnen! Dies ist eine offene Einladung an das Kapital, in Hinterzimmern auf Kosten der Kolleg/innen eine Nullnummer auszubaldowern!“ Genau dies ist jetzt eingetreten. Die IG Metall hat in Nordrhein-Westfalen einen Abschluss mit den Metallkapitalisten vereinbart. In der Meldung zum Abschluss heißt es am 20. März:  „Das erzielte Tarifergebnis in Nordrhein-Westfalen beinhaltet folgende Punkte:

• Regelungen zur Kurzarbeit, die die Nettoentgelte der Beschäftigten auf dem Niveau von etwa 80 Prozent absichern können. Dies geschieht durch eine Abschmelzung der Sonderzahlungen und einen Arbeitgeberzuschuss von 350 Euro je Vollzeitbeschäftigten

• Bei Schließungen von Kitas und Schulen können Eltern mit Kindern bis zu zwölf Jahren acht freie Tage für die Kinderbetreuung nehmen anstatt des tariflichen Zusatzgeldes.

• Zusätzlich erhalten Beschäftigte im Jahr 2020 für die Betreuung von Kindern – soweit zwingend erforderlich – mindestens fünf freie Tagen ohne Anrechnung auf den Urlaub, das Entgelt wird weitergezahlt.

Die Tarifverträge treten unverzüglich in Kraft und können zum 31.12.2020 gekündigt werden. Der Vorstand der IG Metall hat zwischenzeitlich das Verhandlungsergebnis gebilligt und unter Berücksichtigung der regionalen Bedingungen die bundesweite Übernahme empfohlen.“

Wie ist dieses Ergebnis einzuschätzen und wie sind unsere Positionen dazu?

• Der Abschluss sieht keine Erhöhung der Löhne vor. Das heißt, dass es nicht einmal einen Ausgleich für den Kaufkraftverlust gibt. Von IG MetallSeite ist immer betont worden, dass auch ohne eine konkrete Lohnforderung zu benennen, dieses Ziel umgesetzt würde. Wir verurteilen diese Nullrunde – oder korrekter – diese Minusrunde auf das Schärfste. Auch in Zeiten einer Pandemie brauchen die Kolleg*innen dringend einen Ausgleich, denn auch die Mieten, Lebensmittel, medizinische und sanitäre Produkte u.a. steigen, z.T. verstärkt durch die Pandemie und müssen bezahlt werden. Insbesondere für die Kolleg*innen in den unteren Entgeltgruppen führt dies zu Problemen bei der Finanzierung ihres Lebensunterhaltes. Zu recht kamen aus vielen Betrieben Lohnforderungen in Höhe von 5 Prozent und Sockelbeträge zwischen 200 und 300 Euro.

• Die Regelung zur Kurzarbeit mit der Absicherung von bis zu (Meldung der IG Metall am 23.3.) 80 Prozent der Nettoentgelte (kann also auch darunter liegen – ggfs. bis zu zehn Prozent) fällt noch unter das Niveau bestehender IGM-Tarifverträge. So gilt z.B. in Baden-Württemberg eine Absicherung des Nettoentgelts bis zu 93,5 %, bezahlt über eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber. Wenigstens dies hätte durchgesetzt werden müssen. Besser wäre allerdings eine 100 prozentige Lohnfortzahlung für alle, die von der Arbeit freigestellt werden. Denn auch das Kurzarbeitergeld bezahlen die abhängig Beschäftigten über Steuern und Sozialabgaben selbst.  Außerdem zahlen die Beschäftigten auch noch einen Teil des höheren Niveaus selbst über die Kürzung der Sonderzahlungen – ein doppelter Betrug. Dazu wird in der Laufzeit des Tarifvertrages die Sonderzahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezwölftelt und dem monatlichen Einkommen hinzugerechnet. Die Kapitalseite zahlt lediglich 350 Euro pro Beschäftigten in einen Solidartopf zur Verminderung sozialer Härten – das ist ein kleiner Klacks. Zugleich werden die Unternehmen von den Sozialbeiträgen durch die gesetzliche Änderung der Kurzarbeit befreit, dh sie bekommen dadurch selbst im Falle der Entgeltgruppe 1 mehr Geld aus dem Staatshaushalt als die 350 €.

• Die vereinbarten 8 freien Tage für Eltern statt des tariflichen Zusatzentgeltes wurde bereits in der letzten Tarifrunde vereinbart. Hier wird mit dem Tarifabschluss lediglich der Kreis der Anspruchsberechtigten etwas erweitert (statt für Kinder bis 8 Jahre – zukünftig bis 12 Jahre). Dies ist sinnvoll nach den Schulschließungen wegen der Corona-Pandemie, aber vollkommen unzureichend. Außerdem wird dies fast komplett selbst bezahlt (6 Tage), da dafür das tarifliche Zusatzentgelt, das die einzige Lohnerhöhung in 2019 war, entfällt.

• Als einziges Plus verbleiben – allerdings nur für Eltern, die ihre Kinder betreuen müssen und dies auch noch mit der Einschränkung „soweit zwingend erforderlich“ 5 zusätzliche bezahlte freie Tage.

Wir sagen: So ein Abschluss geht gar nicht. Er zeigt, wenn eine Gewerkschaft schon beim Einstieg in eine Tarifrunde keine konkreten Forderungen nennt und die Kolleg*innen nicht mobilisiert, sie beim Verzicht landet. Die Metallkapitalisten haben dies für sich auszunutzen gewusst. Sie loben den Abschluss als „verantwortungsvoll“. Die Tatsache, dass offensichtlich die TK nicht getagt hat und es keinen Hinweis darauf gibt, dass angesichts des Versammlungsverbotes eine andere Form der Zustimmung gewählt wurde, ist noch ein Schritt weiter in der Aufhebung der innergewerkschaftlichen Demokratie als das „Überfahren“ der Mitgliedschaft durch das „Moratorium“ war, das hinter dem Rücken der Mitglieder vorbereitet worden war.

Das Moratorium war mit der Bedrohung von tausenden Arbeitsplätzen begründet worden. Jetzt hat der Vorstand den Unternehmen freie Hand gegeben mit Hilfe der Kurzarbeit zehntausende Arbeitsplätze kostengünstig stillzulegen. Wir müssen damit rechnen, dass viele davon nicht mehr in Betrieb genommen werden. Umso mehr rufen wir die Belegschaften zu Wachsamkeit auf und zu selbstständigen Initiativen, wenn die Unternehmer die Corona-Krise zur Arbeitsplatzzerstörung ausnutzen!

Von dem, was man angesichts der Corona-Krise von einer Gewerkschaft eigentlich erwarten müsste, ist bei diesem Tarifabschluss nun wirklich gar nichts zu merken. Im Vordergrund steht hier die Sicherstellung der weiteren ungehinderten Kapitalverwertung, was vor allem dadurch erreicht wurde, dass mit der Verlängerung der Friedenspflicht bis 29. Januar 2021 dafür gesorgt wurde, dass es zu keiner Produktionsunterbrechung durch Warnstreiks oder gar durch einen Erzwingungsstreik kommt.

Der Abschluss ist ein Schlag ins Gesicht für alle Kolleg*innen. Die Metall-Konzerne haben im letzten Jahr trotz sinkender Nachfrage hohe Gewinne ausgewiesen und sogar der Krisen-Konzern VW hat seinem Management im Schnitt 200.000 Euro Bonus pro Kopf für 2019 auszahlt, während die Mehrheit der Beschäftigten jetzt Verzicht üben soll. Die Kolleg*innen sollten dieses Ergebnis ablehnen und sich darauf vorbereiten, nach den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung nicht einfach wieder an die Arbeit zu gehen, sondern sich zurückzuholen, was ihnen genommen wurde, während sie sich nicht wehren konnten. Das zeigt noch einmal mehr, wie notwendig die Vernetzung an der Basis und eine kämpferische Politik der Gewerkschaften, wie sie die VKG vorschlägt, ist.

Wir verweisen auf unsere Erklärung „Corona-Gefahr: Sofortmaßnahmen im Interesse der abhängig Beschäftigten! Gewerkschaften müssen handeln!“. Dort haben wir unsere Positionen und Forderungen zum Umgang mit der Pandemie zusammengefasst: https://www.vernetzung.org/corona-gefahrsofortmassnahmen-im-interesse-der-abhaengigbeschaeftigten-gewerkschaften-muessen-handeln/

 

 

Quelle und weitere Infos:

https://www.vernetzung.org