Gedrucktes unter Druck: Seit Jahrzehnten bröckelt die wirtschaftliche Basis gedruckter Massenmedien. Die Auswirkungen sind dramatisch, aber ein Gegenrezept ist nicht in Sicht.

Von Gert Hautsch

Der August 2021 hatte es in sich für die Printmedien: Der Axel-Springer-Verlag ließ wissen, dass die Tageszeitung „Die Welt“ von 24 auf 16 Seiten verdünnt und die Samstagsausgabe gestrichen wird. Die „Passauer Neue Presse“ hat die „Mittelbayerische Zeitung“ gekauft und beliefert nun ein Gebiet von Passau über Ingolstadt bis Regensburg. Der Bertelsmann-Konzern wird den Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr zu einer RTL-Tochter machen. Drei Buchverlage haben den Eigentümer gewechselt.

Die Häufung solcher Nachrichten ist kein Zufall, in ihr spiegelt sich der Niedergang gedruckter Medien.

Vor etwa 30 Jahren begannen bei den Zeitungen die Auflagenzahlen zu bröckeln, zehn Jahre später folgten die Publikumszeitschriften. Mehrere wirtschaftliche und soziale Faktoren spielten dabei zusammen und verstärkten sich gegenseitig, das Internet hat die Prozesse beschleunigt. Auch die Buchverlage und -händler müssen mit einer offenbar unaufhaltsam sinkenden Leserzahl zurechtkommen.

Zeitungen und Zeitschriften waren viele Jahrzehnte lang die ausschlaggebenden Medien für die öffentliche Meinungsbildung und für den politischen Diskurs. Die publizistische Macht der Verlage bedeutete politische Macht und wurde oft auch so eingesetzt (das krasseste Beispiel liefert bis heute Axel Springer). Deshalb betrifft der Niedergang nicht nur die direkt und indirekt beteiligten Unternehmen und ihre Belegschaften, sie verändert auch die Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft.

Im Folgenden werden diese Vorgänge und ihre absehbaren Auswirkungen beleuchtet. Digitalisierung und Internet spielen dabei die zentrale Rolle. Durch sie können globale Akteure, vorwiegend solche aus den USA, das Tempo und die Richtung der Veränderung vorgeben. Noch aber werden viele hiesige Märkte von einheimischen Unternehmen beherrscht. Davon, wie sie mit den Herausforderungen umgehen, wird die künftige Entwicklung auch abhängen.

Zeitungen

Die zehn größten Verlage haben im Frühjahr 2020 knapp 58 Prozent der gesamten Zeitungsauflage verkauft (Röper 2020). Dieser Anteil hat seit der Jahrtausendwende nicht wesentlich geschwankt. Wobei das nur den nationalen Durchschnitt zeigt. Auf den regionalen Märkten ist der Zentralisationsgrad deutlich höher, lokal gibt es nur noch wenige Gebiete mit Zeitungen aus mehr als einem Verlag.

Bis zur Mitte der 2000er Jahre herrschten stabile Machtstrukturen. Die Spitzengruppe bei den Abonnementszeitungen bildeten die WAZ- (heute: Funke-) Gruppe, die Südwest-Gruppe, Axel Springer, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und M. DuMont Schauberg, heute Mediengruppe DuMont. Sie stellten etwa ein Drittel der Gesamtauflage. Bei den Kaufzeitungen war Axel Springer mit 80 Prozent Marktanteil Spitzenreiter (Röper 2010: 222).

Hinter der scheinbar stabilen Fassade vollzogen sich jedoch tiefgreifende Veränderungen. Zwei Verlagskonzerne der Spitzengruppe haben den Markt ganz bzw. größtenteils verlassen. Die Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe – zeitweise die Nummer fünf in der Rangliste – hat 2011/12 alle Zeitungen an andere Verlage verkauft. Axel Springer stieß 2009 und 2013 sämtliche Regionalblätter ab und gibt seither nur noch die überregionalen „Bild“ und „Welt“ heraus. In der Folge stiegen Regionalverlage zu überregionalen Konzernen auf. Das gilt für die Rheinisch-Bergische Verlagsgruppe („Rheinische Post“), die Mediengruppe Pressedruck („Augsburger Allgemeine“), die „Neue Osnabrücker Zeitung“ und die Madsack Mediengruppe in Hannover.

Die krisenhafte Entwicklung in der Zeitungsbranche lässt sich seit Beginn der 1990er Jahre beobachten. Zwischen 1991 und 2021 ist die verkaufte Gesamtauflage der Tageszeitungen von 27,3 auf 12,5 Millionen – d. h. um mehr als die Hälfte – zurückgegangen (BDZV 2016 und 2021). Hinzu kam ein schrumpfendes Anzeigengeschäft. Konnten sich die Abonnementszeitungen 2000 noch zu 54 Prozent aus Reklame finanzieren, so waren es 2020 nur noch 27 Prozent. Die Nettowerbeerlöse der Zeitungsverlage sind zwischen 2000 und 2020 von 6,6 auf 2,5 Milliarden Euro gesunken (ZAW 2021).

Die Abkehr des Publikums von der gedruckten Zeitung erfolgte parallel zum Aufstieg digitaler Alternativen. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entstanden Rubrikenportale (z. B. „Scout24“ 1998), die komfortabler und flexibler als die Anzeigenteile der Tagespresse waren. Nachrichtenportale (z. B. „Spiegel Online“ 1994) machten den Zeitungen das Monopol auf tagesaktuelle Lektüre streitig. Auf beiden Feldern hatten die Presseverlage zunächst die besseren Karten, sie haben die Chancen aber nicht genutzt. Vielmehr sahen sie in den neuen Plattformen nur eine unerwünschte Konkurrenz für das eigene Geschäft. So kamen andere Akteure zum Zug (Hautsch 2014: 122).

Erst in jüngerer Zeit betreiben viele Zeitungsverlage attraktive und konkurrenzfähige Nachrichtenportale. Allerdings steigen dadurch die Kosten. Gebühren für die Nutzung („Paid Content“) lassen sich schwer durchsetzen, weil die Verlage lange Zeit ihre Inhalte gratis anboten. Während 2011 erst zehn Zeitungen ein Bezahlmodell eingeführt hatten, sind es aktuell 178 (BDZV 2021-2). Ob sie ihre Kosten decken können oder sogar Profit abwerfen, steht dahin. Paid Content hat 2020 nur 6,4 Prozent zum Gesamtumsatz der Zeitungen beigesteuert (BDZV 2021-1: 5, 19). Nach wie vor ist Print die Basis des Geschäfts.

Die Zeitungsbranche sieht sich seit mehr als 20 Jahren mit den Folgen von Digitalisierung und Internet konfrontiert. In dieser Zeit ist es den Verlagen nicht gelungen, die Entwicklung nachhaltig zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Durch Personal- und Sozialabbau sowie Preiserhöhungen konnten sie meist trotzdem die Rentabilität sichern. Diese Politik kommt jedoch zunehmend an ihre Grenzen.

Die Antworten lassen sich in zwei Schlagworten zusammenfassen: „Zentralredaktion“ und „Online first“. Die Idee, eine Redaktion für mehrere Zeitungen arbeiten zu lassen, wurde erstmals 2006 beim Springer-Konzern erprobt. Seit 2013 betreibt die Madsack Mediengruppe für sämtliche ihrer 18 Zeitungen in ganz Deutschland eine zentrale Mantelredaktion („Redaktionsnetzwerk Deutschland“). Die Restredaktionen sind nur noch für Regionales und Lokales zuständig. Inzwischen hat die Essener Funke-Gruppe nachgezogen. Sie praktiziert zudem seit Februar 2013 das Modell einer Zeitung ganz ohne eigene Redaktion: Bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund wurden die Beschäftigten entlassen, das Blatt wird mit Material aus der Zentrale und von konkurrierenden Regionalverlagen gefüllt.

Auch bei „Online first“ war Springer Vorreiter. Nach 2013 wurden für „Bild“ und „Welt“ zwei Großredaktionen geschaffen. Dort werden sämtliche Texte für die Internetauftritte „bild.de“ und „welt.de“ sowie deren Ableger verfasst und dort in regelmäßigen Abständen eingestellt. Die gedruckte Zeitung wird von einem separaten Redaktionsteam aus dem vorhandenen Material erstellt. Sie ist nur noch ein Nebenprodukt des umfassenden redaktionellen Prozesses, die Struktur würde auch ohne sie funktionieren. Dieses Modell wird inzwischen in zahlreichen Verlagen praktiziert.

Über die Zukunft der Zeitung muss nicht spekuliert werden. Die Zahl der kleineren selbstständigen Verlage wird weiter schrumpfen, die Berichterstattung wird weiter vereinheitlicht werden. Es ist gut vorstellbar, dass demnächst sämtliche Regionalzeitungen von einer Handvoll Zentralredaktionen mit überregionalen Inhalten gefüllt werden. Ob die gedruckte Zeitung ganz durch Nachrichtenportale ersetzt werden wird, oder ob sich einzelne Titel daneben halten können, wird sich zeigen.

Neuerdings kommt noch eine Bedrohung aus einer anderen Ecke: US-Digitalkonzerne werten ihre Nachrichtenangebote auf und bieten den Verlagen an, dort ihre Inhalte einstellen zu lassen. Auf „Facebook News“ und „Google News Showcase“ werden ihnen recht großzügige Konditionen geboten. Der Haken besteht darin, dass über das Ob und Wie der Präsentation nicht die Verlage, sondern die Plattform entscheidet. Für die „User“ treten die Urheber in den Hintergrund, die Verlage wandeln sich tendenziell zu Textlieferanten. Die Problematik ist in den Führungsetagen bekannt, sie wurde und wird breit diskutiert. Trotzdem machen fast alle Großen der Branche mit.

Bei den Publikumsmagazinen, …

… dem zweiten Markt für journalistische Printmedien, verläuft die wirtschaftliche Entwicklung ähnlich wie bei den Zeitungen. Die Gesamtauflage ist zwischen 2000 und 2020 um 54 Prozent gesunken, die Werbeerlöse haben um 68 Prozent und der Umsatz um 45 Prozent abgenommen (IVW; ZAW). Bei den Ursachen spielen die so genannten Sozialnetzwerke (Facebook, Twitter, Tiktok u. a.) eine größere Rolle. Die Videoplattform „YouTube“ (Google) hat sich als Alternative zu Jugendmagazinen à la „Bravo“ etabliert, elektronische Programmführer ersetzen die TV-Magazine.

Die mit Abstand tiefgreifendsten Coups auf dem deutschen Markt landete die damalige WAZ-Gruppe (heute Funke-Gruppe). Sie hatte 2000 den Gong-Verlag gekauft und sich damit in der Elite der führenden Magazinverlage festgesetzt. Von Axel Springer übernahm sie dann 2013/14 dessen komplettes Portfolio an Fernseh- und Frauenzeitschriften – sieben Titel mit 4,8 Millionen Auflage. Auf Druck des Bundeskartellamts musste sie acht kleinere Hefte mit 1,6 Millionen Gesamtauflage an den Klambt-Verlag weiterreichen. Trotzdem hat Funke die Machtverhältnisse in der Spitzengruppe nachhaltig verändert.

Durch den Springer/Funke-Deal ist der Klambt-Verlag aus Speyer in der Rangfolge der Magazinverlage aufgestiegen und hat bei den Wochen-/Zweiwochentiteln sogar Gruner+Jahr überholt. Die Bertelsmann-Tochter wiederum steht für einen beispiellosen Abstieg. G+J war bis vor wenigen Jahren der größte europäische Magazinverlag und gehörte zu den vier auflagenstärksten deutschen Herausgebern, beim Anzeigen- und Verkaufsumsatz war er hierzulande die Nummer zwei. Der Konzernumsatz sank von drei Milliarden Euro 2001 auf zwei Milliarden 2013 und 1,1 Milliarden 2020. Dazwischen lag der Rückzug aus zahlreichen Auslandsmärkten und 2019 beim Verlag Motor Presse Stuttgart. Außerdem 2002 der Verkauf der Hamburger und Berliner Zeitungen sowie 2012 die Einstellung der „Financial Times Deutschland“. Zuletzt wurde noch das Frankreich-Geschäft abgestoßen. Im August 2021 verkündete der Mutterkonzern Bertelsmann, dass Gruner+Jahr seinen Status als selbständiger Geschäftsbereich verliert und eine Tochter der RTL-Group wird.

Der Markt bei den Publikumsmagazinen (von Fach- und Wissenschaftszeitschriften ist hier nicht die Rede) ist noch stärker vermachtet als der bei den Zeitungen. Den Platzhirschen gibt seit jeher der Hamburger Bauer-Verlag, der vorrangig im Niedrigpreissegment der Fernseh- und Regenbogenpresse unterwegs ist. Bei den häufig erscheinenden Titeln verkauft er allein gut 30 Prozent der Gesamtauflage. Die Funke-Gruppe hat sich durch Zukäufe auf den zweiten Platz vorgeschoben, Burda besetzt seit jeher Rang drei.

Die Reaktionen der Verlage auf die schrumpfenden Vertriebs- und Werbeerlöse ähneln denen, die man vom Zeitungsmarkt kennt. Zentralredaktionen sind auch hier weit verbreitet. Sämtliche Programmzeitschriften von Bauer und Funke werden z. B. jeweils von einem Team mit Inhalten gefüllt. Gruner+Jahr hat Anfang 2021 beschlossen, die Politik- und Wirtschaftsredaktion des „Stern“ mit der von „Capital“ und „Business Punk“ zusammenzulegen.

Noch häufiger als bei Zeitungsverlagen findet sich die Aufsplitterung der Belegschaften. Die einzelnen Magazingruppen, oft auch einzelne Titel wurden abgespalten und als eigenständige Unternehmen neu gegründet – meist verbunden mit dem Ausstieg aus der Tarifbindung und höherem Druck auf die Belegschaften. Bauer Media hat z. B. seine redaktionelle Produktion in zwölf „Brands“ – von „Automotive“ bis „Women“ – aufgesplittert, die für den deutschsprachigen Markt mehr als 80 Titel herausbringen. Vielfach praktiziert wird auch die Auslagerung redaktioneller Arbeiten, bis hin zur kompletten Heftproduktion, an externe Agenturen.

Zu den größten Verlierern bei der Publikumspresse gehören die politischen Magazine. In den vergangenen zwanzig Jahren hat der „Spiegel“ 38 Prozent seiner Verkaufsauflage verloren und steht mit 682.000 Exemplaren noch vergleichsweise gut da. Der „Stern“ von Gruner+Jahr sackte im selben Zeitraum von knapp einer Million auf 364.000 ab, und der „Focus“ aus dem Hause Burda verkauft heute mit 246.000 weniger als ein Drittel der Auflage von 2001 (IVW). Die jeweiligen Onlineportale gehören allerdings zu den meinungsmächtigsten Angeboten im deutschsprachigen Raum. Ob sie profitabel arbeiten, ist nicht bekannt.

Die Buchbranche

Der Buchmarkt ist ein Sonderfall in der deutschen Medienwirtschaft, denn es fehlen Werbeeinnahmen. Außerdem kann der Glücksgriff eines Verlages bei einem Titel seinen Jahresumsatz und Profit spürbar in die Höhe treiben. Deshalb spielen mittelgroße Unternehmen eine vergleichsweise bedeutende Rolle. Es existieren etwa 1.850 Buchverlage, die 2020 rund 70.000 neue Titel herausbrachten. Trotzdem gibt es mächtige Akteure auf dem Markt. Die 20 größten Verlage konzentrieren rund 70 Prozent des Branchenumsatzes auf sich (Börsenverein 2021-1: 48 f., 81).

Die Buchbranche hat die Pandemie bisher ohne größere Verluste bewältigt. Der Umsatz ist 2020 mit 9,3 Milliarden Euro gleich geblieben, im ersten Halbjahr 2021 hat er sogar um 4,9 Prozent zugenommen (BV 2021-1: 5; BV 2021-2). Der Sortimentsbuchhandel musste allerdings wegen der zeitweiligen Ladenschließungen deutliche Verluste hinnehmen.

Der Buchmarkt teilt sich in Fachbücher (52 Prozent Umsatzanteil), Belletristik/Sachbücher (32 Prozent) und Bildung/Sprachen (16 Prozent) auf. In der Spitzengruppe dominieren die Fachbuchverlage, allen voran die Gruppe Springer Nature, die zu 53 Prozent der Verlagsgruppe von Holtzbrinck und zu 47 Prozent dem Finanzinvestor BC gehört (Tabelle 3). Die Belletristik wird von drei Großverlagen beherrscht: Penguin Random House (Bertelsmann), der schwedischen Bonnier-Gruppe sowie Holtzbrinck. Die Bertelsmann-Tochter ist gleichzeitig der größte Buchkonzern der Erde. Bei den Schul- und Bildungsbüchern wird der Markt großenteils von Klett, Westermann (Medien-Union) und Cornelsen bedient.

Digitalisierung und Internet waren schon früh im Buchhandel wirksam. Die Gründerzeit begann 1997/98 und war von Anfang an durch die Übermacht des US-Konzerns Amazon geprägt. Von Privatleuten oder Großverlagen gegründete Konkurrenten blieben chancenlos. Ein Grund war, dass der US-Konzern 1997 den Pionier Telebuch samt Kundenstamm gekauft hatte. Heute setzt er mit Büchern in Deutschland 1,5 Milliarden Euro um – rund 16 Prozent des gesamten Buchumsatzes (Buchreport 2021-1: 9).

Der Onlinehandel erhält einen Schub durch das Geschäft mit elektronischen Büchern („E-Bücher“). Auf dem deutschen Markt ist Amazons Lesegerät „Kindle“ seit Ende 2009 erhältlich. Befürchtungen, dass digitale Literatur das gedruckte Buch verdrängen würde, haben sich indessen nicht bestätigt. Aktuell erreichen E-Bücher einen Marktanteil von 9,6 Prozent (BV 2021-3: 2). Die optimistischen Marktdaten könnten sich indessen als trügerisch erweisen, denn es entwickeln sich Strukturen unterhalb des Radars der Statistik. Die Buchproduktion ohne Verlag floriert, es breiten sich Flatrate-Angebote aus, und die Leserschaft schrumpft ebenso wie bei den Periodika.

Im Eigenverlag („Self Publishing“) sind einer Schätzung zufolge 2019 rund 50.000 neue Titel erschienen – Tendenz stark steigend (Tredition 2020). Für SP-Autoren stehen spezielle Plattformen zur Verfügung, die auf Wunsch auch Lektorat, Korrektorat, Satz und Vermarktung besorgen. Marktführer ist wieder einmal Amazon („Kindle Self Publishing“). Die Autoren veröffentlichen ihre Werke direkt auf der Plattform, die Verbreitung erfolgt als Einzelstück und/oder im Abonnement (z. B. „Kindle Unlimited“).

Bei den 12- bis 19-Jährigen ist der Anteil derer, die regelmäßig gedruckte Bücher lesen, zwischen 2017 und 2019 von 40 auf 34 Prozent gesunken (MPFS 2020: 15 f.). Schon vorher hatte der Börsenverein des deutschen Buchhandels festgestellt, dass binnen fünf Jahren die Zahl der Buchkäufer um 20 Prozent gesunken war, in der Gruppe mittleren Alters (30 bis 50 Jahre) sogar um 30 Prozent (GfK 2018:12).

Die Pandemie scheint den Reiz des Lesens von Literatur wieder angeregt zu haben. Im Januar 2021 haben in einer Befragung 25 Prozent angegeben, dass sie häufiger als vorher zum Buch gegriffen haben, bei den 10- bis 19-Jährigen sogar 34 Prozent. Die Zahl der Personen, die überhaupt Bücher gekauft haben, ist aber auch 2020 gesunken – mit minus 400.000 immerhin geringer als in den zehn Jahren davor (GfK 2021). Das gilt auch bei den E-Büchern: Die Zahl der Personen, die Titel als Datei gekauft haben, ist im ersten Halbjahr 2021 leicht gesunken. Umsatz und Absatz sind nur gestiegen, weil pro Kopf mehr Geld ausgegeben worden ist (Börsenverein 2021-3: 4).

Auf der Suche nach dem Ausweg

Auf den klassischen Medienmärkten sehen sich die Verlage mit anhaltend schrumpfenden Werbe- und Vertriebserlösen konfrontiert. Eine Expansion einzelner Unternehmen ist fast nur noch durch Übernahme oder Beteiligung möglich. Für kleinere Presse- und Buchverlage wächst der Druck in Richtung Verkauf an einen Konkurrenten oder Betriebsaufgabe. Auch auf der Ebene der Großkonzerne findet eine „Flurbereinigung“ statt.

Die Medienkonzerne versuchen, sich auf den neuen Onlinemärkten festzusetzen. Einige (Burda, Bertelsmann, Holtzbrinck) haben schon Mitte der 2000er Jahre damit begonnen, sich an allerlei medienfernen Plattformen und Marktplätzen zu beteiligen, Startups mitzufinanzieren oder Portale in „Inkubatoren“ selbst entwickeln zu lassen. Axel Springer stieg nach 2008 ein, inzwischen haben fast alle größeren Medienkonzerne (DuMont, Madsack, ProSiebenSat.1, Bauer, Funke usw.) medienferne Internetbeteiligungen im Bestand. Bei Springer liefern Digitalfirmen rund zwei Drittel des Umsatzes, bei Burda etwa die Hälfte. Das traditionelle Mediengeschäft, d. h. Produktion und Verbreitung von Inhalten, verliert für die Großverlage an Bedeutung.

Am radikalsten setzt Axel Springer auf die Onlinekarte. Mit Ausnahme von „Bild“ und „Welt“ sowie einzelnen Nischenmagazinen wurden alle Printmedien verkauft, ebenso Radio- und Fernsehbeteiligungen. Der Konzern wurde in eine Holding mit drei Internetsparten gegliedert: Classifieds Media, Marketing Media und News Media. Zu letzteren zählen im Inland die Marken „Bild“ und „Welt“, in deren Rahmen vorrangig Webseiten und zusätzlich Zeitungen produziert werden. Als Springer im September 2021 bekannt gab, die US-Onlinezeitung (mit Printausgabe) „Politico“ für geschätzt eine Milliarde US-Dollar kaufen zu wollen, passte das ins Bild.

Die Hersteller traditioneller Medien stehen durch Digitalisierung und Internet von zwei Seiten unter Druck. Es entwickeln sich völlig neue Formen des Medienkonsums, die die bisherigen zunehmend ersetzen (Streaming). Printmedien sind schrumpfende Märkte geworden, Radio und Fernsehen werden es vermutlich bald sein. Auf den neuen Geschäftsfeldern des Internets aber sehen sich die Akteure mit der Macht der US-Konzerne konfrontiert, die einen großen Teil der Werbeerlöse und Provisionen für sich beanspruchen, und die neuerdings auch stark in die Produktion von „Content“ investieren.

Dabei steht für sie die Verbreitung von Inhalten gar nicht im Vordergrund, sie ist eher Mittel zum Zweck. So besteht das Kerngeschäft von Apple im Verkauf von Hardware. Microsoft erzielt die meisten Profite mit dem Verkauf von Software-Lizenzen und Datenspeicherung. Bei Amazon sprudeln die Profite aus dem Onlinevertrieb von Waren aller Art. Für Google und Facebook wiederum steht das Werbegeschäft im Mittelpunkt. In ihren jeweiligen Sektoren können die monopolistischen US-Konzerne den technischen Vorsprung ausbauen und ihre Marktmacht verteidigen, weil ihnen schier unbegrenzte Finanzmittel zur Verfügung stehen und sie Quasi-Steuerfreiheit sowie die Unterstützung des US-Staats genießen.

Am aggressivsten treten derzeit Google und Amazon auf. Google kann in Deutschland allein durch die Vermarktung seiner Suchmaschinen (Marktanteil ca. 95 Prozent) rund vier Milliarden Euro, mehr als die Hälfte der gesamten Online-Werbeerlöse, an sich ziehen (ZAW 2021). Durch überlegene Software ist der Konzern in der Lage, auch andere Werbemärkte im Internet zu beherrschen. Für 2020 werden Werbeerlöse von 43 Milliarden Euro geschätzt (Statista 2021). Amazon (Umsatz 2020 in Deutschland 26 Milliarden Euro) will den Vertrieb von Medien unter Kontrolle bringen und dringt in neue Geschäftsfelder ein (als Buchverleger, als Plattform für Audio- und Videostreaming oder mit dem Kauf der „Washington Post“ durch Konzernchef Bezoz 2013).

Das vergangene Vierteljahrhundert umfasst den Beginn und die Durchsetzung von Digitalisierung und Internet in der Medienwirtschaft. Welche technischen Möglichkeiten die kommenden Jahren bringen werden, ist erst in Umrissen erkennbar. Die Abkehr des Publikums vom Gedruckten bedeutet nicht nur einen Wechsel des Trägermediums, sie geht auch mit veränderten Konsumgewohnheiten einher. Das Smartphone als Schlüsseltechnik führt vielfach dazu, Inhalte lieber in Audio- oder Videoform zu konsumieren. Text wird bevorzugt nebenbei und in Kurzform aufgenommen, gerne vom Algorithmus anhand der eigenen Vorlieben vorsortiert. Das scheint zu abnehmendem sozialem Engagement und politischem Interesse zu führen (Hautsch 2020).

Vieles wird davon abhängen, wie sich die Konsumenten der Massenmedien verhalten werden: Verschwinden gedruckte Medien mittelfristig vom Markt, werden sie ein Nischendasein fristen (wie die Vinylplatten bei Musik) oder wird es ein fruchtbares Nebeneinander geben? Nur eines ist klar: Aufhalten kann die Entwicklung niemand. Schon gar nicht, solange es von politischer Seite keine Bemühungen gibt, die Prozesse wenigstens ernsthaft zu regulieren.

 

Literatur:

BDZV 2021-1: Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (Hg.), Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen, Berlin

BDZV 2021-2: Internet: https://www.bdzv.de/alle-themen/digitales#c34167

BDZV 2016: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (Hg.), Die deutschen Zeitungen in Zahlen und Daten, Berlin

BV 2021-1: Börsenverein des deutschen Buchhandels (Hg.), Buch und Buchhandel in Zahlen 2021, Frankfurt am Main

BV 2021-2: Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Branchenmonitor Buch (mtl.), Frankfurt am Main. Internet: https://www.boersenverein.de/tx_boev_newsletter_view?tx_boev_pi14[uid]=1618&tx_boev_pi14[backend_layout]=pagets__newsletter

BV 2021-3: Börsenverein des deutschen Buchhandels (Hrsg.), Das E-Book in Deutschland – 1. Halbjahr 2021, Frankfurt am Main

Buchreport 2021-1: Die größten Buchhändler 2020/21. Buchreport.Magazin, 47. Jg., H. 3 (März), Dortmund, S. 46 ff.

Buchreport 2021-2: Die 100 größten Buchverlage. Buchreport.Magazin, 47. Jg., H. 4 (April), Dortmund, S. 8 ff.

GfK 2021: Gesellschaft für Konsumforschung, Das Buch in Zeiten von Corona – Veränderte Mediennutzung und Kaufverhalten, Frankfurt am Main (im Auftrag des Börsenvereins)

GfK 2018: Gesellschaft für Konsumforschung, Buchhändler – quo vadis?, Frankfurt am Main (im Auftrag des Börsenvereins)

Hautsch 2020: Gert Hautsch, Streaming: Medien als Fastfood, in Z – Zeitschrift Marxistische Erneuerung H. 123 (September 2020), Frankfurt am Main, S. 84 – 93

Hautsch 2014: Gert Hautsch, Medienwirtschaft: Umstrukturierung durch Digitalisierung, in: Z – Zeitschrift Marxistische Erneuerung H. 98 (Juni 2014), Frankfurt am Main, S. 118 – 129

IVW 2021: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (Hg.), Quartalsauflagenzahlen (Internet: https://www.ivw.eu/print/quartalsauflagen/quartalsauflagen)

MPFS 2020: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hg.), JIM Studie 2019, Jugend, Information, Medien; Stuttgart

Röper 2020: Horst Röper, Tageszeitungen 2020: Schrumpfender Markt und sinkende Vielfalt, in Media-Perspektiven, 50. Jg. H. 6, Frankfurt am Main, S. 331 – 352

Röper 2010: Horst Röper, Zeitungen 2010: Rangverschiebungen unter den größten Verlagen, in Media Perspektiven 40. Jg. H. 5, Frankfurt am Main, S. 218 – 234

Statista 2021: Von Experten geschätzte Werbeerlöse von Google nach Segmenten in Deutschland für die Jahre 2019 und 2020; Hamburg. Internet: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/950032/umfrage/durchschnittlich-geschaetzte-werbeerloese-von-google-nach-segmenten/

Tredition 2020: Tredition GmbH, Alles was Autoren wissen sollten, Hamburg. Internet: https://tredition.de/self-publishing/

Vogel 2020: Andreas Vogel, Publikumszeitschriften 2020: Konsolidierung und Rückgang der Titelzahl, in Media Perspektiven, 50. Jg. H. 6, Frankfurt am Main, S. 353 – 378

ZAW 2021: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Pressemitteilung, Berlin, 27. 5. 2021

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Zum Autor:

Gert Hautsch aus Frankfurt am Main untersucht seit vielen Jahren die Entwicklung in der deutschen Medienwirtschaft und schreibt darüber. u.a. die Quartalsberichte zum Thema, die ver.di auf ihrer Verlags-Webseite veröffentlicht.

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien in den Marxistische Blätter 6/2021 und wird mit freundlicher Genehmigung der Redaktion hier gespiegelt.

Weitere Infos: https://www.neue-impulse-verlag.de/

Bild: New York newspapers