Medien als Kriegstrommler – Statt aufzuklären, stachelt der heutige Journalismus die Konflikte weiter an

Von Karin Leukefeld

Die Medien und die Art, wie und worüber sie berichten, haben sich verändert. Das betrifft besonders die Berichte aus Kriegs- und Krisengebieten, zum Beispiel Syrien. Die Art und Weise, wie der Krieg dort dargestellte wurde, wirkt wie die Blaupause für den heutigen Blick auf die Ukraine. Seriöse Medien sollten unterschiedliche Perspektiven auf ein Geschehen zusammentragen und nach Möglichkeit neutral bewerten. Davon kann bei der medialen Aufarbeitung des Ukrainekonflikts jedoch keine Rede sein. Zu viele machen sich einseitig zum Sprachrohr der ukrainischen Version der „Wahrheit“ und heizen das Kriegsgeschehen so noch weiter an.

Journalisten sitzen am Computer und sind nur noch selten am Ort des Geschehens. Es werden kaum noch Quellen aus Bibliotheken, Büchern, aus eigenen Gesprächen mit Augenzeugen, eigener Recherche vor Ort zusammengetragen und mit weiteren Quellen abgeglichen.

Es werden kaum noch unterschiedliche Sichtweisen dargestellt, die natürlich — und nicht nur bei Konflikten — vorhanden sind. Artikel berufen sich auf Agenturmeldungen von AFP, AP, Reuters, dpa — die alle ihre Zentralen in westlichen Hauptstädten haben. Medien aus anderen Teilen der Erde werden kaum wahrgenommen und wenn — wie aus Russland oder China — als „gesteuert“ dargestellt. Oder sie werden verboten.

Artikel berufen sich auf nicht überprüfbare „Soziale Medien“, „Bürgerjournalisten“ oder zivilgesellschaftliche Organisationen, die über Konflikte häufig subjektiv und einseitig berichten. Und es gibt Medien, die Berichte von Geheimdiensten übernehmen, die — aus Sicherheitsgründen, versteht sich — nicht näher benannt werden. Das nimmt in den letzten Jahren deutlich zu, und das sage ich vor dem Hintergrund von mehr als 20 Jahren Arbeit in der Türkei, im Irak, im Libanon, im Iran, Ägypten, Syrien und den Golf-Staaten.

Wie in Syrien so in der Ukraine

Schon im Syrienkrieg fiel auf, dass die Berichterstattung vieler Medien oft aus dem Ausland, aus Istanbul, Beirut oder Kairo erfolgte. In europäischen Hauptstädten oder bei Konferenzen US-amerikanischer Denkfabriken wurde die Lage in Syrien analysiert und darüber diskutiert, wie die Zukunft des Landes aussehen solle, wenn — so das Ziel — der amtierende Präsident Bashar al-Assad gestürzt sei.

Was aber geschah oder geschieht in Syrien wirklich? Was geschah, was geschieht in der Ukraine? Journalistisch gilt es, einen Konflikt, einen Krieg zu analysieren und zu verstehen, um darüber berichten zu können. Jeder Konflikt, jeder Krieg hat lokale, regionale und internationale Ebenen. Jede dieser Ebenen weist unterschiedliche Interessen auf und verschiedene Perspektiven.

Die westliche Welt spricht nun von „Putins Krieg“ und einem „russischen Überfall“ auf die Ukraine. Moskau, das seinen Truppen den Marschbefehl gab, spricht von einer „Spezialoperation“.

Wer die Geschichte der letzten 30 Jahre verfolgt hat, weiß, dass es um mehr als die Ukraine geht. Es geht um die Frage, ob der westliche US-geführte Block aus NATO, Europäischer Union (EU) und Partnern andere geopolitische Zentren und Staaten — wie Russland — und deren Sicherheitsinteressen respektiert, oder ob dieser „westliche Block“ die USA dabei unterstützt, als „einzige Weltmacht“ über die Erde zu herrschen.

Der lange Konflikt, der nun in einen Krieg eskaliert ist, hat eine Vorgeschichte. Dazu gehört auch, dass der westliche Anspruch, Erster, Bester und Stärkster zu sein, mit Kriegen und Krisen, mit Interventionen, militärisch und mit „Soft-Power“, mit Besatzung, Angriffen, Wirtschaftssanktionen und anderen Mitteln durchgesetzt wird.

Unerledigte Aufgaben

Nun ist dieser Krieg in Europa angekommen. Es wäre die Aufgabe von Journalisten, über die Vorgeschichte zu berichten, um den Konflikt und seine Ursachen verständlich zu machen, damit Politiker gedrängt werden, Lösungen ohne weiteren Krieg möglich zu machen. Doch aus Journalismus ist Propaganda geworden.

Das Arbeitsmotto eines Fotografenkollegen ist: „Du siehst nur, was du weißt“. Das bedeutet, dass man sich vorbereiten muss, wenn man berichten will. Das gilt besonders in Kriegen, Krisen und Konflikten, die aus vielen Ebenen und komplizierten Zusammenhängen entstehen. Journalisten müssen sich im Vorfeld kundig machen, sie müssen sich über die Geschichte, die Akteure informieren. Nur dann kann man wirklich sehen, im Sinne von verstehen, was geschieht und gut darüber berichten.

Was wissen wir also über die Ukraine? Was ist die Geschichte dieses Landes, was ist zwischen Russland und dem US-geführten westlichen Block dort in der Ukraine geschehen? Was für Interessen haben dort — vereinfacht gesagt — Ost und West? Und wie können wir trotz Kriegsgeschrei im Gespräch bleiben? Wie können wir uns positionieren, um Propaganda, Verwirrung und Feindbildern zu widerstehen? Gibt es Wegweiser in Zeiten des Krieges?

Um einen Konflikt zu verstehen, ist es hilfreich, die verschiedenen Ebenen — international, regional und lokal — zu analysieren. Wichtig ist auch, den Konflikt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Tempo statt genauem Blick

Zum Verständnis der unterschiedlichen Interessen und Perspektiven empfiehlt sich die Anwendung der „7 journalistischen W-Fragen“. Dabei ist zu beachten, dass diese Fragen immer in mindestens zwei Richtungen gestellt werden müssen:

  • Wer (hat etwas getan)? — Wer hat es unterlassen, etwas zu tun?
  • Was (hat er denn getan)? — Was hat er unterlassen?
  • Wo (hat er es getan)? — Wo sitzen die Akteure?
  • Wann (hat er es getan)? — Entwicklung der Eskalation
  • Wie (hat er es getan)? — Militärisch oder anders?
  • Warum (hat er es getan)? — der Hintergrund beider/aller Akteure
  • Woher (ist die Information)? — Was sind die Quellen?

Journalistische Berichterstattung ist mühsam. Ein Geschehen muss mit verschiedenen Quellen abgeglichen werden, über deren Herkunft und Glaubwürdigkeit ein Journalist sich versichern sollte. Journalisten müssen die Vorgeschichte eines Konflikts politisch, historisch, gesellschaftlich durchleuchten, um zu erfahren, warum etwas geschehen ist, wer mit wem verbündet, wer mit wem verfeindet ist und so weiter. Bündnisse und Feindschaften können sich im Laufe eines Konflikts auch verändern, wenn die Interessen der Akteure sich verändern, was manchmal sehr plötzlich geschehen kann.

Journalisten müssen sich viele Fragen stellen, wenn sie seriös über das Geschehen in einem Kriegs- oder Krisengebiet berichten wollen, das dauert Zeit. Doch die Medien heute setzen auf Tempo.

Als Quellen dienen zunehmend „soziale Medien“ wie Twitter, Facebook, Instagram und Meldungen sogenannter Bürgerjournalisten, deren Ausbildung und Herkunft nicht weiter erklärt wird. Vertreter von „Zivilgesellschaft“ zu sein, soll der Öffentlichkeit heute reichen, um deren Glaubwürdigkeit zu belegen. Reicht es wirklich?

Künstliche Intelligenz und digitale Analysen ersetzen zunehmend Kollegen vor Ort. Quellen in Deutschland stammen zunehmend von einer Seite und sind in einem Krieg oder Konflikt wie aktuell in der Ukraine einseitig. Sie stammen von westlichen Nachrichtenagenturen, aus westlichen militärischen oder humanitären Einsatzzentralen, also von der NATO oder der EU. Sie stammen von „Experten“, die mit Akteuren des Konflikts verbunden sind. So gehört beispielsweise der ukrainische Botschafter Andrji Melnyk zu einem fast ständigen Gast im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen.

Missachtete journalistische Regeln

In Zeiten des Krieges werden journalistischen Regeln von Medien meist nicht eingehalten. Sie werden zur Kriegspartei und berichten zumindest in den involvierten Staaten und Bündnissen einseitig und verbreiten Propaganda. Daher empfiehlt es sich, in die Medien anderer Länder auf anderen, nicht direkt involvierten Kontinenten zu blicken. Versteht man mehr von deren Blick auf das Geschehen, lernen wir etwas über uns und unsere Perspektiven. Der Blick auf die Perspektive anderer ist ein gutes Korrektiv.

Doch erneut werden Stimmen für Dialog und Frieden diffamiert, auch medial. Das internationale Recht wird missachtet und verkommt.

Anstatt Unrecht, Heuchelei und Lüge aufzuzeigen und alle Seiten zu Wort kommen zu lassen, damit die Öffentlichkeit sich ein Bild machen und verstehen kann, begleiten Medien wie Kriegstrommler und Trompeter früherer Heere politische Krisen und drängen zur Eskalation.

Stimmen einer innerdeutschen oder innereuropäischen Kritik an dem Vorgehen der Europäischen Union oder Bundesregierung sind dagegen die Ausnahme. Nicht, weil es sie nicht gibt, sondern weil sie kaum Zugang zu Medien erhalten. Das Verbot zahlreicher Videoblogs und Internetportale während der Corona-Pandemie hat die Meinungsvielfalt in Deutschland enorm eingeschränkt. Hinzu kommt das europaweite Verbot der russischen staatlichen Nachrichtensender RT Deutsch und Sputnik, die über das Internet und per Satellit verbreitet wurden.

Medien im hybriden Krieg

Die Sender sind über alternative Links noch zu erreichen, doch beispielsweise in Österreich ist auch die Weiterleitung von Meldungen der russischen Sender unter Strafe verboten. Die Berichterstattung ist — und hier beziehe ich mich auf einen Offizier des österreichischen Bundesheeres — Teil einer hybriden Drohkulisse geworden. „Krieg ohne Kampf“ nennen das die Militärs. Ein Krieg, der einen politischen Gegenspieler schwächen und destabilisieren soll.

„Hybride Bedrohung“ findet verdeckt statt, oft illegal. Manchmal auch offen. Schauplatz ist vor allem das Internet. Das Ziel ist der Kopf. Und in jedem Fall kann die „hybride Bedrohung“ jederzeit auch mit militärischen Mitteln — als Krieg — fortgesetzt werden.

Akteure dieser „hybriden Bedrohung“ sind demnach Medien, es ist der Cyberbereich, es sind Manipulationen bis hin zu Sanktionen im Wirtschafts-, Energie- und Finanzbereich, es sind Diplomaten und Politiker und es ist die Förderung bestimmter Gruppierungen in der Bevölkerung des jeweils anderen Staates — der österreichische Offizier spricht von „Volksgewalt“ —, die auf unterschiedliche Weise — bis hin zur Bewaffnung — gefördert werden, um Unruhe im gegnerischen Land zu schüren. Wir haben das in vielen Krisen und Kriegen der letzten Jahre gesehen. In Jugoslawien, Afghanistan, im Irak, im Libanon, im Jemen, in Ägypten und Syrien — um nur einige zu nennen.

Der aktuelle Krieg in der Ukraine ist ein Lehrstück dafür, wie Journalismus sich verändert und Medien zunehmend einseitig berichten. Sie benutzen bestimmte Begriffe, lassen bestimmte Gesprächspartner zu Wort kommen und werden so zu einem Sprachrohr einer Seite der Konfrontation. Die andere Seite wird ignoriert oder als Verursacher der Krise dargestellt. Das geschieht, um die Bevölkerung des eigenen Landes „mitzunehmen“ und gegebenenfalls unpopuläre Regierungsentscheidungen abzufedern. Aus Journalismus wird Propaganda.

Syrien als Blaupause

Syrien war eine Art Blaupause. Viele Fragen musste man sich stellen, um den Konflikt, der 2011 begann, zu verstehen. Wollten alle Syrer den Präsidenten stürzen? Was waren die Forderungen der vielen verschiedenen Gruppen, die demonstrierten? Gab es Gespräche zwischen Oppositionellen und Regierung? Wenn ja, worüber, wenn nein, warum nicht? Was wollten die „Freunde Syriens“, was war das Ziel der Türkei oder Katars, deren Präsidenten- beziehungsweise Königspaare doch gerade noch so gut mit dem jungen Präsidentenpaar Assad befreundet waren? Haben die syrische Armee und deren Verbündeter Russland Krankenhäuser bombardiert? Woher kam die Meldung, was war tatsächlich geschehen? Wer setzte Giftgas ein, wer war für Massaker an Zivilisten verantwortlich? Wer untersuchte die Anschuldigungen, wer legte Beweise vor und wie wurden sie von wem bewertet?

Auch in der Ukraine gibt es viele Fragen: Warum marschierten russische Truppen ein und mit welchem Ziel? Warum konnte der Einmarsch und Krieg nicht verhindert werden? Wer hätte die Eskalation verhindern können und wie? Warum griff der UN-Generalsekretär nicht ein, um den Krieg zu verhindern? Welche Rolle spielt die Ukraine für Europa, welche für Russland? Bombardiert Russland Krankenhäuser? Wer sind die Milizen, die mit der ukrainischen Armee kämpfen? Warum gibt es aus Europa keine Verhandlungsangebote, sondern Waffen und Sanktionen? Und wenn es Verhandlungsangebote gibt, warum wird darüber nicht berichtet?

Ernsthafte und gut recherchierte Antworten auf diese und andere Fragen könnten die jeweiligen Konflikte und Eskalationen erklären und möglichen Vermittlern, wie beispielsweise bei der UNO, Ansätze für Verhandlungen bieten. Die Öffentlichkeit könnte diskutieren, nachfragen und mit eigenen Aktivitäten auf die Regierungen einwirken, um vermittelnd, nicht eskalierend einzugreifen. Seriöse Medienberichterstattung bildet und trägt zu einer unabhängigen Meinungsbildung bei, die die demokratische gesellschaftliche Entwicklung fördert.

Aufklärung nicht gewollt

Weder bei der Krise und dem Krieg in Syrien noch jetzt bei dem Konflikt um die Ukraine geschah beziehungsweise geschieht das. Aufklärung ist nicht gewollt. Meist werden die Angaben von denjenigen als wahr eingestuft, die als „die“ Oppositionellen (in Syrien) gelten. Angaben anderer Oppositioneller, der syrischen Regierung oder des verbündeten Russlands, das im UN-Sicherheitsrat vieles zur Sprache brachte und bringt, werden meist gar nicht genannt oder — oft kommentiert von „den“ Oppositionellen — als Lügen dargestellt.

In der Ukraine stufen die großen deutschen Leit- oder „Qualitätsmedien“ (O-Ton Ursula von der Leyen) die offizielle ukrainische Darstellung als richtig ein.

Über die Video-Tageslosungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird prominenter berichtet als über kritische und oppositionelle Stimmen in Deutschland zur Vorgehensweise der Bundesregierung und der EU-Kommission. Rufe nach Waffen und Eskalation verdrängen die Stimmen für Dialog und Abrüstung, die bei den traditionellen Ostermärschen zu hören waren.

Doch die russische Perspektive, die lange Vorgeschichte kommt in den meisten Medien nicht vor: Die mit der Auflösung der Sowjetunion und den damals gemachten Zusagen der NATO, sich nicht weiter nach Osten auszudehnen, begann, der Krieg gegen Jugoslawien und die Zerschlagung des Landes, die Ausweitung der NATO, der Vorschlag Russlands für Sicherheitsgarantien und eine Neutralität der Ukraine.

Das verdrängte Wissen

Die Waffen nieder — lautet der Titel eines Buches von 1889, das Bertha von Suttner — die Streiterin für Abrüstung und Frieden — europaweit bekannt machte. Wenige Jahre später wurde in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) gegründet. Seit mehr als 100 Jahren gibt es in Deutschland und Europa Friedensbewegungen und doch sind diese Jahrzehnte voller Kriege gewesen. Warum? Warum wurden sie nicht verhindert? Diese Frage ist wichtig, denn

„es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen (…) zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden. (…)“

Diese Worte von Albert Einstein über den Frieden sind in einem kleinen Buch mit dem Titel „Warum Krieg?“ nachzulesen. Kern des Büchleins ist ein Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Siegmund Freud aus dem Spätsommer 1933. Bald nach dem Briefwechsel begann mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg mit furchtbarer Zerstörung und dem US-Einsatz von Atombomben in Hiroshima und Nagasaki.

Wie kann es sein, dass die europäische Jugend heute weiß, wie das Klima zu retten wäre, und doch so gut wie nichts weiß über die Ursachen von Krisen und Kriegen?

Warum wurde die Kriegsgefahr in der Ukraine nicht gesehen? Weil wir schlecht informiert waren? Weil wir unseren Nachbarn Russland nicht ernst nahmen? Weil wir den Krieg im Donbass wie die Kriege in anderen Teilen der Welt ignoriert haben? Weil wir meinen, wir seien die Guten mit den richtigen Werten?

Was jetzt in der Ukraine geschieht, ist eine Tragödie. Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschen. Aber es ist auch das Ergebnis einer hochmütigen, dialogunfähigen oder vielleicht auch dialogunwilligen Politik des Westens gegenüber der Russischen Föderation.

Der notwendige Kompass

Die Schriftstellerin Christa Wolf schrieb in ihrem Buch „Kassandra“:

„Wann der Krieg beginnt, kann man wissen, aber wann beginnt der Vor-Krieg?
Falls es da Regeln gäbe, müsste man sie weitersagen.
In Ton, in Stein eingraben, sie überliefern.
Was stünde da. Da stünde unter anderen Sätzen:
Lasst euch nicht von den Eigenen täuschen.“

Die Vorgeschichte zu einem Krieg wird von vielen Akteuren bestimmt und darf — will man wirklich einen Konflikt lösen und einen Krieg vermeiden — nie ausgeblendet oder „geframt“ werden, wie es heute in der Mediensprache heißt. „Framen“ ist der Versuch, durch bestimmte Formulierungen und Perspektiven die Wahrnehmung von Informationen in bestimmter Weise zu beeinflussen, damit sie so und nicht aus einer anderen Perspektive beim Adressaten erinnert werden.

Die Vorgeschichte zu einem Krieg darf auch nie in ein bestimmtes „Narrativ“ eingesperrt werden, was besonders in Kriegs- und Krisensituationen einer Propaganda gleicht. Die Vorgeschichte zu einem Konflikt oder Krieg nur aus einer Perspektive darzustellen und andere Perspektiven auszublenden oder diese zu deformieren, ist unhistorisch und führt zu Fake News, zu falschen und interessengeleiteten Nachrichten.

Auch die Medien brauchen einen Kompass. Wenn sie nicht zurückfinden zu ihrem eigentlichen Auftrag der Berichterstattung und der Reportage, um aufzuklären und andere Realitäten zu verstehen, wird es in Zukunft nur noch Werbung und Propaganda geben. Dann bleibt nur die an einseitigen Interessen ausgerichtete strategische Kommunikation. Dann werden Medien keine Reporter und Journalisten mehr brauchen, sondern PR-Manager.

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Die Autorin:

Karin Leukefeld, Jahrgang 1954, studierte Ethnologie, Islam- und Politikwissenschaften und ist ausgebildete Buchhändlerin. Sie engagierte sich für die Organisations- und Öffentlichkeitsarbeit unter anderem beim Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Die Grünen (Bundespartei) sowie der Informationsstelle El Salvador. Seit dem Jahr 2000 ist sie als freie Korrespondentin im Mittleren Osten tätig und seit 2010 in Damaskus akkreditiert.

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst im Print-Magazin „ViER.“, Ausgabe 3/2022. Online-Informationen zum Magazin gibt es hier“.

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