Von den Nichtbetroffenen kaum bemerkt, ist im Rahmen der damaligen rot-grünen sozialen Kahlschlagpolitik schon seit 16 Jahren die Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verschwunden und das, obwohl jeder Vierte im Laufe seines Arbeitslebens berufsunfähig wird.
Die Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurde zum 31.12.2000 abgeschafft und durch die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Erwerbsminderungsrente) ersetzt.
Laut Verbraucherzentrale NRW konnten im vergangen Jahr 40 Prozent aller Ratsuchenden keine vernünftige Berufsunfähigkeitsversicherung auf dem Versicherungsmarkt finden. Betroffen sind nicht die Menschen in Risikoberufen, sondern es geht hier um die einfache Krankenschwester oder den Mechatroniker.
Versicherungswissenschaftler behaupten, dass die damalige Regierung beim Zerfleddern der gesetzlichen Rente Verfassungsbruch begangen hat, denn das Sozialstaatsprinzip, das in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert ist, wurde verletzt. Außerdem hat der Staat als Rechtstaat auch seine – ebenfalls aus Artikel 20 resultierende – Gewährleistungsverantwortung verletzt.
In einem Sozialstaat, sowie er bei uns auch noch benannt wird, gilt der Grundsatz, dass der Staat für eine hinreichende Grundversorgung im Bereich der Kranken-, Renten-, Berufsunfall- und Pflegeversicherung zu sorgen hat. Ein Teil der gesetzlichen Rentenversicherung war, das Risiko berufsunfähig zu werden, abzusichern. Die Berufsunfähigkeit ist genau genommen eine langanhaltende, dauerhafte Erkrankung eines Menschen, durch die er seinen Beruf nicht oder zu einem erheblichen Teil nicht ausüben kann.
Durch die Abschaffung dieser gesetzlichen Versicherung zum 31.12.2000 wurde das Sozialstaatsprinzip, das in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert ist, verletzt. Außerdem hat der Staat als Rechtstaat auch seine – ebenfalls aus Artikel 20 resultierende – Gewährleistungsverantwortung verletzt. Mit der Gewährleistungsverantwortung des Staates ist gemeint, dass der Staat die Erfüllung politisch gewollter öffentlicher Aufgaben sicherstellt und er gewährleistet, dass diese Aufgaben erledigt werden. Der Staat ist zwar nicht verpflichtet, eine Vollversorgung vorzuhalten, aber eine Grundversorgung muss er bereitstellen.
Diese Grundversorgung ist aber bei den privaten Berufsunfähigkeitsversicherern nicht gegeben.
In dem Kürzungswahn der rotgrünen Regierung ist diese Schnitt kaum öffentlich geworden. In den ersten Jahren haben auch die Medien gar nicht erkannt und aufgegriffen, dass hier eine Rechtsschutzlücke entsteht, die im Zeitablauf immer größer wird. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Beschäftigte, die einer schweren körperlichen Tätigkeit nachgehen, entweder gar keine Versicherung finden oder Prämien aufbringen müssen, die für sie unbezahlbar sind.
Die Versicherungswirtschaft grenzt systematisch bestimmte Berufsgruppen und schon vorerkrankte Menschen aus. Da kann schon eine Allergie oder eine Behandlung wegen Prüfungsangst dazu führen, dass die Versicherungen, auch jungen Menschen, von dieser Absicherung ausschließen.
Wenn die Beschäftigten eine Versicherung gefunden haben die sie aufnimmt, dann ist noch lange nicht klar, dass der Versicherungsschutz auch greift. Falls später der Versicherungsfall eintritt, erhalten nur 70 Prozent aller Arbeitnehmer, die eine Leistung wegen Berufsunfähigkeit beantragen, tatsächlich auch Leistungen von den Versicherungen.
So ist die Altersarmut auch schon vorprogrammiert.
Letztendlich ist die private Berufsunfähigkeitsversicherung nur ein Geschenk an die Versicherungswirtschaft, bei der sie aussuchen kann, wen sie versichert und wen nicht. Das Modell der privaten Absicherung ist auch hier gescheitert.
Auf Druck der Sozialverbände und der Gewerkschaften hat die Bundesregierung vor zwei Jahren versucht nachzubessern und eine unter bestimmten Bedingungen mögliche staatliche Förderung für Berufsunfähigkeitsversicherungen beschlossen.
Aber derzeit gibt es keine einzige Versicherung, die ein solches Produkt auch anbietet.
Hier wird wieder einmal deutlich, wie stark der Einfluss der Versicherungswirtschaft ist.
Eine Grundabsicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit muss unbedingt wieder Teil der gesetzlichen Renten- respektive Krankenversicherung werden.
Wenn der Staat das unterlässt und diesen Schritt nicht macht, muss schnellstens geprüft werden, ob im Wege einer Verfassungsbeschwerde eines berufsunfähig gewordenen Menschen, der nun keine Sozialleistung bekommt, der Staat zum Handeln verpflichtet werden kann.
Um das gleiche Ziel zu erreichen, wäre auch eine Petition denkbar.
Die Gewerkschaften sollten sich dafür einsetzen, dass jeder Schritt, der dazu führt, dass letztlich das Sozialstaatsprinzip und die daraus resultierende Gewährleistungsverantwortung des Staates im Bereich der Renten-, Kranken-, Berufsunfall- und Pflegeversicherung ausgehöhlt wird, mit Verfassungsbeschwerde angegriffen wird.
Auch sollte der Druck auf die Abgeordneten und Organe des Bundestages erhöht werden, sie hätten nämlich die Möglichkeit, eine abstrakte Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht zu erheben.
Quellen: H-P Schwintowski, Report Mainz,SGB Bildbearbeitung: mystipendium.de/L.N.