Bei der „Rente mit 63“ hat Dortmund fast die rote Laterne bekommen – eine Auswirkung der vielen prekär Beschäftigten in der Stadt

Die „abschlagsfreie Rente mit 63“ ist grundsätzlich eine gute Sache. Doch haben seit der Einführung 2014 nur wenige ältere Arbeitnehmer davon profitieren können.

Die Rentenversicherung Westfalen (DRV) veröffentlichte nun die Zahl der Rentenversicherten in ihrem Zuständigkeitsbereich, die vorzeitig ohne Abschläge in Rente gingen. Während in Minden-Lübbecke mit 42,7 Prozent der Rentenantragssteller diese Rentenart in Anspruch nehmen konnten, waren es in Dortmund nur 24 Prozent, nur in Bottrop ist die Zahl noch geringer.

Hier wird deutlich, dass in Dortmund immer weniger Menschen eine lückenlose Erwerbsbiografie aufweisen können, denn als Voraussetzung für den früheren Renteneintritt sind 45 Beitragsjahre der Rentenversicherten.

„Rente für besonders langjährig Versicherte“    „ Rente mit 63“

Einen Anspruch auf die „Rente für besonders langjährig Versicherte“- „Rente mit 63“ hat derjenige, der 45 Jahre Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit, Pflege von Angehörigen oder  Kindererziehung geleistet hat. Dazu zählen auch Kinderberücksichtigungszeiten, Entgeltersatzzeiten wie Krankengeld oder Übergangsgeld, auch freiwillige Beiträge mit, ebenso Wehr- und Ersatzdienstzeiten auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld und Zeiten aus Minijobs. Nicht berücksichtigt werden Pflichtbeiträge, die wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe gezahlt wurden und Zeiten aus einem Versorgungsausgleich, sowie aus einem Rentensplitting unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern.

Mit der „Rente mit 63“ wurde beschlossen, einen abschlagsfreien Rentenzugang nach 45 Beitragsjahren weiterhin mit 65 Jahren zu ermöglichen. Die Altersgrenze dieser Rente sollte 2014 für vor 1953 geborene Beschäftigte auf 63 Jahre abgesenkt werden. Ab Jahrgang 1953 steigt die Grenze jedoch schrittweise wieder auf 65 Jahre. Wer vor dem Juli 1951 geboren ist, durfte ab Juli 2014 abschlagsfrei in Rente gehen. Das geht nach dem Grundsatz: je älter, desto besser.

Der tabellarische Überblick

geboren abschlagsfreie Rente möglich ab
Jahr Monat
1949 vor Aug. 65 Jahre
August 64 J. + 11 M.
September 64 J. + 10 M.
Oktober 64 J. + 9 M.
November 64 J. + 8 M.
Dezember 64 J. + 7 M.
1950 Januar 64 J. + 6 M.
Februar 64 J. + 5 M.
März 64 J. + 4 M.
April 64 J. + 3 M.
Mai 64 J. + 2 M.
Juni 64 J. + 1 M.
Juli 64 Jahre
August 63 J. + 11 M.
September 63 J. + 10 M.
Oktober 63 J. + 9 M.
November 63 J. + 8 M.
Dezember 63 J. + 7 M.
1951 Januar 63 J. + 6 M.
Februar 63 J. + 5 M.
März 63 J. + 4 M.
April 63 J. + 3 M.
Mai 63 J. + 2 M.
Juni 63 J. + 1 M.
ab Juli 63 Jahre
1952 Jan. bis Dez. 63 Jahre
1953 Jan. bis Dez. 63 J. + 2 M.
1954 Jan. bis Dez. 63 J. + 4 M.
1955 Jan. bis Dez. 63 J. + 6 M.
1956 Jan. bis Dez. 63 J. + 8 M.
1957 Jan. bis Dez. 63 J. + 10 M.
1958 Jan. bis Dez. 64 Jahre
1959 Jan. bis Dez. 64 J. + 2 M.
1960 Jan. bis Dez. 64 J. + 4 M.
1961 Jan. bis Dez. 64 J. + 6 M.
1962 Jan. bis Dez. 64 J. + 8 M.
1963 Jan. bis Dez. 64 J. + 10 M.
ab 1964 65 Jahre

Für einige Geburtsjahrgänge besteht aufgrund von Vertrauensschutzregelungen die Möglichkeit, die Rente sogar schon vor dem vollendeten 63. Lebensjahr zu beziehen. Die vorzeitige Rente können sie nur mit Abschlägen erhalten. Dazu müssen Sie zwischen 1948 und 1954 geboren sein und vor dem 1. Januar 2007 mit Ihrem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit nach dem Altersteilzeitgesetz vereinbart haben. Für Bergleute besteht auch dann Vertrauensschutz, wenn sie nach 1947 und vor 1964 geboren wurden und Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben.

Die Rentenversicherung soll dem Ziel der Beitragssatzstabilität untergeordnet bleiben und das Rentenniveau wird weiter absinken. Es zeigt aber auch, dass die Bundesregierung den 10 Jahre alten grundsätzlichen Kurs in der Rentenpolitik nicht verlassen hat.

Für die heute Beschäftigten und auch für die erwerbslosen Menschen wird die auskömmliche Rente immer unerreichbarer werden. Ein hoher Sockel von langzeitarbeitslosen Menschen und der massive Ausbau des Niedriglohnbereichs sowie die prekäre, ungesicherte Beschäftigung haben dazu geführt, dass ein großer Teil der Marginalisierten sich abgehängt und überflüssig fühlt.

Mittlerweile arbeiten rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn von unter zehn Euro in der Stunde. In Ostdeutschland liegt ihr Anteil sogar bei 30 Prozent. Minijobs sind mit derzeit rund 7,5 Millionen geringfügig entlohnten Beschäftigten im Arbeitsmarkt fest verankert.

Inzwischen gibt es 50.000 Sklavenhändler, die rund eine Million Arbeitskräfte verleihen, so viele, wie noch nie. Migranten steht auf dem Arbeitsmarkt fast nur der Niedriglohnsektor offen. Dieser Sektor ist ein geschlossener Arbeitsmarkt, in dem die Beschäftigten kaum eine Chance haben, jemals eine Anstellung mit besseren Bedingungen zu erhalten. Viele hangeln sich von einem miesen Job zum nächsten, gelegentlich unterbrochen von Erwerbslosigkeit, bis man in der nächsten trostlosen Klitsche wieder von vorn anfängt.

Mit der gelobten „Rente mit 63“ werden erstmals alle Arbeitnehmer von einer Rentenleistung ausgeschlossen, die in ihrem Leben einmal erwerbslos waren.

 

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass bei den nächsten Zahlen über die „Rente mit 63“ die rote Laterne nach Dortmund geht.

 

 

Quellen: Dt. Rentenversicherung Westfalen, Arbeitnehmerkammer Bremen, DGB

Bild: aktiverentner.de