DGB: Alleinerziehende brauchen mehr Unterstützung am Arbeitsmarkt

Alleinerziehende haben es oftmals besonders schwer am Arbeitsmarkt. Sie wollen und müssen das Familieneinkommen sichern und dabei auch die Kinderbetreuung allein schultern. Arbeitgeber sind oftmals skeptisch hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit und tatsächlich ist eine reibungs- und lückenlose Kinderbetreuung für erwerbstätige Alleinerziehende oftmals schwierig zu organisieren.  Auf die problematische Situation alleinerziehender Mütter und Väter am Arbeitsmarkt hat der DGB schon 2008 hingewiesen.1 Damals waren 42 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland auf Hartz IV angewiesen. Der DGB hatte deshalb ein spezielles Integrationsprogramm für Alleinerziehende bei den Jobcentern gefordert und tatsächlich wurde die Zielgruppe in der Arbeitsmarktpolitik stärker berücksichtigt. Zehn Jahre später hat sich die Situation jedoch nur punktuell gebessert.

Das Wichtigste im Überblick:

Nachdem die besonderen Probleme von Alleinerziehenden in den letzten Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit und auch in den Fokus der Arbeitsvermittlung gerückt sind, hat sich ihre Situation am Arbeitsmarkt punktuell verbessert. Gleichzeitig ist jedoch ihr Armutsrisiko gestiegen. Diese gegensätzliche Entwicklung deutet auf weitere Problemlagen hin.

Folgende Ergebnisse lassen sich feststellen:  

  • Alleinerziehende sind seltener arbeitslos und öfter erwerbstätig als noch vor zehn Jahren. Dazu dürfte die bessere Lage am Arbeitsmarkt, die verstärkten Vermittlungsbemühungen der Jobcenter sowie eine umfangreichere Betreuung von Kindern unter 3 Jahren beigetragen haben.
  • Alleinerziehende arbeiten in und suchen oftmals Teilzeitbeschäftigung, weil diese Form der Erwerbstätigkeit momentan am ehesten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet.
  • Die Quote der Alleinerziehenden, die Hartz IV zur Sicherung ihres Lebensunterhalts benötigen, ist gesunken. Allerdings sind Alleinerziehende immer noch die Familienform mit der mit Abstand höchsten Hartz-IV-Bedürftigkeit.
  •  Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden ist im Langzeitvergleich gewachsen. Trotz steigender Erwerbstätigkeit sind Alleinerziehende extrem oft von Armut bedroht.
  • Ursachen für das hohe Armutsrisiko sind die geringen Einkommen in den Branchen und Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, der hohe Anteil an Frauen in atypischer und prekärer Beschäftigung, zu geringe Wochenarbeitszeiten sowie unzureichende staatliche Unterstützungsleistungen für geringverdienende Eltern.
  • Weniger vollzeittätige Alleinerziehende müssen ihr Erwerbseinkommen durch Hartz IV aufstocken, da durch die Einführung des Mindestlohnes insbesondere Frauen in Dienstleistungsberufen von höheren Löhnen profitiert haben.
  • Alleinerziehende Arbeitslose in Hartz IV haben überwiegend keinen Berufsabschluss. Hier liegt Potential, das mit der richtigen Unterstützung durch die Jobcenter gefördert werden kann.
Forderungen und Vorschläge des DGB:

Um Alleinerziehenden eine optimale Teilnahme am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, bedarf es (weiterer) Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen.

1. Arbeitslose Alleinerziehende benötigen eine systematische Unterstützung beim Nachholen eines Schulabschlusses, dem Abschluss einer beruflichen Ausbildung oder beruflichen Weiterbildung. Hierbei sind insbesondere Teilzeit-Ausbildungen eine Ausbildungsform, die Alleinerziehenden ermöglicht, Ausbildung und Weiterbildung mit der Kindererziehung und -betreuung zu vereinbaren. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter beraten Unternehmen und Eltern bereits in diese Richtung, sollten ihre Bemühungen jedoch in einer AusbildungsOffensive für Eltern verstärken.  Vor allem für Alleinerziehende müssen die finanziellen Rahmenbedingungen während der Weiterbildung verbessert werden. Aus der Praxis ist bekannt, dass vielfach eine Weiterbildung oder das Erlernen eines Berufes nicht angegangen werden, weil die Unterstützungsleistung während der Maßnahme zu gering ist. Deswegen fordert der DGB einen Zuschlag auf das Arbeitslosengeld bei Weiterbildung oder die Hartz-IV-Regelleistung. Dies sollte möglichst noch in dem laufenden Gesetzgebungsverfahren zum „Qualifizierungschancengesetz“ umgesetzt werden.

2. Voraussetzung für eine (umfassendere) Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden ist eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung, die – entsprechend den Arbeitsbedingungen vieler frauentypischer Branchen – ganztags, am Wochenende und in der Nacht möglich sein sollte. Dies gilt sowohl für die Betreuung von Kleinkindern als auch die Betreuung von schulpflichtigen Kindern. Hierbei sollten institutionelle Angebote (Kindertageseinrichtungen, Ganztagesschulen) mit aufsuchenden Angeboten (Betreuung zu Hause, Begleitung zu Kursen etc.) kombinierbar sein. Die Kommunen müssen ihre Angebote dementsprechend ausbauen, der Bund muss dies durch entsprechende Gesetzgebung und passende Unterstützung flankieren. Der DGB begrüßt, dass der Bund einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter schaffen will. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf nicht nach der Kita enden, sondern muss auch mit Kindern im Grundschulalter möglich bleiben. Dies entspricht einer langjährigen Forderung des DGB. Dabei ist es uns wichtig, dass der Ausbau qualitativ hochwertig entwickelt und vorangebracht wird. Voraussetzung dafür ist ausreichend und gut qualifiziertes Personal.

3. Die Programme des BMAS von 2009 bis 2013 haben die SGB-II-Hilfequote von Alleinerziehenden senken können. Dieser Trend muss verstetigt werden, indem die Jobcenter weiterhin die speziellen Bedürfnisse von Alleinerziehenden ganzheitlich im Blick haben und passende Unterstützung in regionalen Netzwerken organisieren können (Arbeitgeberansprache, Kinderbetreuung, psychosoziale Unterstützung, Weiterbildung/Umschulung). Dafür bedarf es einer ausreichenden finanziellen Ausstattung der Jobcenter.

4. Bei der Vermittlung von alleinerziehenden Arbeitslosen sollten die Arbeitsagenturen und Jobcenter bei Teilzeitwunsch in sozialversicherte Teilzeitbeschäftigung (mit möglichst vollzeitnaher Wochenarbeitszeit) vermitteln. Die Entlohnung und die soziale Absicherung sind hier für die Beschäftigten deutlich vorteilhafter als in Minijobs. Die Agenturen und Jobcenter müssen sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte dahingehend beraten und fördern, dass Minijobs möglichst überwunden werden können. Die Minijobgrenze ist eine „Beschäftigungsbremse“, die in einer Zeit des Fachkräftebedarfs negativ auf den Arbeitsmarkt und die soziale Sicherung wirkt. Minijobs sollten aus Sicht des DGB perspektivisch komplett in sozialversicherte Beschäftigung umgewandelt werden.

5. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war ein Meilenstein, von dem vier Millionen Geringverdienende – vor allem Frauen – profitiert haben. Der Mindestlohn von aktuell 8,84 Euro ist jedoch nur eine untere Haltelinie, Niedriglöhne sind insbesondere in den Branchen und Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, noch immer weit verbreitet. Der Mindestlohn muss weiter schrittweise erhöht und die Tarifbindung gestärkt werden, indem Tarifverträge durch bessere gesetzliche Rahmenbedingungen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können.

6. Das hohe Armutsrisiko alleinerziehender Familien muss deutlich gesenkt werden. Armut von Alleinerziehenden bedeutet immer auch Armut von Kindern. Der DGB hat ein Programm gegen Kinderarmut entwickelt, welches neben besseren Einkommen für Eltern durch gute Arbeit u.a. den Ausbau der Sozialleistungen Kinderzuschlag und Wohngeld als dringend notwendig erachtet.  Beim Wohngeld wird heute Erwerbseinkommen zu stark und schärfer als bei Hartz IV angerechnet. Dies führt dazu, dass viele Geringverdienende kein Wohngeld erhalten. Zwar ist im Koalitionsvertrag eine Reform des Wohngelds in Aussicht gestellt, diese steht jedoch unter Finanzierungsvorbehalt. Pläne für Verbesserungen sind bisher nicht absehbar. Hingegen geht die angekündigte Reform des Kinderzuschlags in die richtige Richtung. Wichtig ist, dass der Zahlbetrag deutlich erhöht und nach dem Alter gestaffelt wird und die Leistung leicht zugänglich ist. Sachgerecht wäre es, den Kinderzuschlag direkt mit dem Kindergeld in einem Antragsverfahren beantragen zu können.

 

 Quelle: arbeitsmarkt aktuell Nr. 6/ September 2018 (PDF, 371 kB) 

Bild:  irfanview.de

weitere Infos: http://www.dgb.de/downloadcenter/++co++13f618a6-bcc7-11e8-b1b3-52540088cada