DGB-Studie: 3,2 Millionen Menschen haben nur ein befristetes Arbeitsverhältnis – 42 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge werden zunächst nur befristet abgeschlossen

Befristete Beschäftigungen nehmen immer mehr zu. Inzwischen haben 3,2 Mio. Menschen nur ein befristetes Arbeitsverhältnis. Bei Männern sind 38 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge befristet, bei Frauen sind es sogar 47 Prozent. Vor allem junge Menschen sind betroffen.

Befristungen schaffen nicht nur berufliche Unsicherheiten, sondern sind oft auch mit deutlichen Lohneinbußen verbunden. Dabei nutzen die Arbeitgeber großzügige gesetzliche Regelungen. Bis zu zwei Jahre können Arbeitsverhältnisse ohne einen Sachgrund befristet werden. Was ursprünglich als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gedacht war, ist inzwischen zu einem Massenphänomen geworden. Arbeitgeber entlasten sich von Risiken, mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat dies Verhalten nichts mehr zu tun.

„Lieber befristet in Arbeit als unbefristet arbeitslos“, so begründete der damalige Arbeitsminister Blüm, als Sprücheklopfer bekannt, 1985 die Einführung von befristeten Arbeitsverträgen, auch ohne sachlichen Grund.

Damals waren zwei Prozent der Neueinstellungen befristet, heute haben wir es mit einem Massenphänomen, mit immensen  Ausmaßen zu tun. Inzwischen haben 3,2 Mio. Menschen nur ein befristetes Arbeitsverhältnis. Bei Männern sind 38 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge befristet, bei Frauen sind es sogar 47 Prozent. Vor allem junge Menschen sind betroffen.

1999 hatte die EU eine Richtlinie verabschiedet, die dann im Teilzeit und Befristungsgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde. Das Ziel der Richtlinie ist vor allem, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung durchzusetzen und einen Missbrauch der Befristungen durch aufeinanderfolgende Befristungen zu verhindern. Doch der Rahmen ist weit gespannt, so dass auch der deutsche Gesetzgeber viele Möglichkeiten hat, befristete Beschäftigung zu erlauben.

Im aktuellen Teilzeit- und Befristungsgesetz gibt es insgesamt 8 Sachgründe, die eine Befristung rechtfertigen.

Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,

2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,

3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,

4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,

5. die Befristung zur Erprobung erfolgt,

6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,

7. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird

oder

8. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

Darüber hinaus regelt das Gesetz drei wesentliche Sachverhalte:

 Arbeitsverträge können auch ohne sachlichen Grund bis zu zwei Jahre befristet werden und innerhalb dieser zwei Jahre bis zu dreimal verlängert werden.

 Bei neugegründeten Unternehmen können die Arbeitsverträge ohne Sachgrund sogar bis zu vier Jahren abgeschlossen werden.

 Wenn die Arbeitnehmer/innen das 52. Lebensjahr vollendet haben und vorher arbeitslos waren, ist sogar eine Befristung bis zu fünf Jahren zulässig.

Auch beim Einkommen zeigen sich deutliche Nachteile, vor allem bei jungen Menschen. Über ein Viertel der befristet Beschäftigten unter 35 Jahren verdiente mit einer Vollzeittätigkeit weniger als 1.100 Euro. Unter den unbefristet Beschäftigten waren es 9,3 Prozent. Mit der Dauer der Befristung wächst der Einkommensnachteil jedoch an, was darauf zurückzuführen ist, dass befristet Beschäftigte seltener Einkommenszuwächse erreichen.

Befristete Beschäftigungen bringen ein Risiko der Arbeitslosigkeit mit sich: Zwischen 10 und 15 Prozent der befristet Beschäftigten stehen ein Jahr später ohne Arbeit da bzw. sind nicht erwerbstätig. In der Gruppe der unbefristet Beschäftigten liegt dieser Anteil nur bei 5 Prozent. Die langfristige Beschäftigungswahrscheinlichkeit befristet Beschäftigter ist jedoch gegenüber unbefristet Beschäftigten nicht signifikant schlechter:

Der DGB fordert: Das muss sich ändern!

Sachgrundlose Befristung beenden

Arbeitsmarktpolitisch gibt es keine Notwendigkeit für die sachgrundlose Befristung, aber immer öfter wird dieses Instrument als verlängerte Probezeit missbraucht. Die sachgrundlose Befristung muss deswegen beendet werden. Denn wer befristet beschäftigt ist, kann sein Leben nicht planen und muss ständig fürchten, im Konfliktfall wieder auf der Straße zu stehen.

Änderungen bei Befristungen mit Sachgrund

Einige Befristungen mit Sachgrund sind manchmal sinnvoll und notwendig. Aber auch bei der begründeten Befristung sind Veränderungen notwendig, damit durch das Aneinanderreihen von Sachgründen nicht neue Kettenbefristungen entstehen. Derzeit können mehrere Befristungen mit verschiedenen Sachgründen aneinandergereiht werden.

Anspruch auf bevorzugte Einstellung

§ 18 TzBfG (Teilzeit und Befristungsgesetz) sollte dahingehend ergänzt werden, dass der Arbeitgeber nicht nur verpflichtet ist, den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin über unbefristete zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren, sondern dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer/-innen auch einen Anspruch darauf haben, bevorzugt bei der Besetzung der Arbeitsplätze berücksichtigt zu werden. Dies könnte durch eine an § 9 TzBfG angelehnte Regelung erfolgen. So könnten Beschäftigte, die einen Wunsch auf einen unbefristeten Arbeitsplatz angezeigt haben, Anspruch auf bevorzugte Einstellung haben, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen.

 Schriftformerfordernis ausdrücklich auch für Sachgrund

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sollte § 14 Abs. 4 TzBfG dahingehend ergänzt werden, dass die Schriftform auch den Befristungsgrund mit umfasst. Es muss ausdrücklich klargestellt werden, dass sowohl der Befristungszeitraum als auch der Zweck der Befristung schriftlich fixiert werden muss, und zwar nicht in allgemeiner, sondern konkret auf den Arbeitsplatz bezogener Form. Dies entspräche im Übrigen auch der neuesten Rechtsprechung zum Schriftformerfordernis.

 Aufhebung des Sachgrundes „Befristung wegen befristeter Haushaltsmittel“

Der Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG (Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind) sollte aufgehoben werden, da es sich hierbei um eine ausschließlich auf den öffentlichen Dienst bezogene Regelung handelt. Für eine solche Bevorzugung des öffentlichen Dienstes gibt es keinerlei Notwendigkeit. Die Regelung ist missbrauchsanfällig, weil durch die Jährlichkeit der Haushalte immer wieder neue Befristungsgründe geschaffen werden können.

Doch gerade der öffentliche Arbeitgeber sollte beispielhaft in der Gestaltung seiner Arbeitsverhältnisse sein und die fortschreitende Tendenz zu unsicheren Arbeitsverhältnissen stoppen. Gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes und insbesondere im Bildungs- und Hochschulbereich sind inzwischen kaum noch unbefristete Arbeitsverhältnisse zu finden.  In letzter Zeit hat sich die Situation durch eine geänderte Rechtsprechung verbessert, so ist die Bundesagentur für Arbeit verurteilt worden, befristet Beschäftigte zu übernehmen. Ob dies Auswirkungen auch auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes hat, muss abgewartet werden.  

Aufhebung der Sonderregelung für Existenzgründer

Bislang gibt es keine Statistik darüber, dass die Sonderregelung für Existenzgründer (§ 14 Abs. 2 a TzBfG) zu positiven Effekten auf dem Arbeitsmarkt geführt hat. Mit dieser Begründung ist aber seinerzeit die Regelung eingeführt worden. Es sollte Existenzgründern erleichtert werden, Beschäftigte einzustellen, um in den Anfangsschwierigkeiten nicht mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis belastet zu sein. Dies sollte mehr Arbeitsplätze insgesamt schaffen. Tatsache ist aber, dass es für die Belastung durch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis keinerlei Anhaltspunkte gibt. Für Kleinbetriebe gilt ohnehin kein umfassender Kündigungsschutz.  Im Gegenteil: Es sollten gerade Existenzgründer daran interessiert sein, möglichst engagierte und interessierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustellen. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitsplatz auch sicher ist. Ohne diese Sicherheit muss gerade der Existenzgründer damit rechnen, dass seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ständig auf der Suche nach einem sicheren Arbeitsplatz sind und im Zweifel einen Arbeitsplatzwechsel vornehmen. Deshalb liegt diese Regelung weder im Interesse der Beschäftigten noch der Existenzgründer. Kleinbetriebe sind ohnehin vom Kündigungsschutz ausgenommen.

 Einschränkung der Befristungen in der Wissenschaft

Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind befristet beschäftigt, über die Hälfte der Zeitverträge hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Diese Verhältnisse gefährden nicht nur die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung, sondern auch die Kontinuität und damit Qualität von Forschung und Lehre. Der Gesetzgeber muss endlich handeln und für die Stabilisierung der Beschäftigung in der Wissenschaft sorgen. Alle Daueraufgaben der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Forschung, Lehre und Verwaltung müssen auf Dauerstellen erledigt werden. Zeitverträge in der Wissenschaft sind nur dann akzeptabel, wenn sie tatsächlich der wissenschaftlichen Qualifizierung dienen oder die Stelle aus Drittmitteln finanziert wird.

 

Quelle: dgb.de

Bild: dgb-rechtsschutz