Die fiktive Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit und die Sanktionen

Von Inge Hannemann

Die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit zeigt im Schnitt über eine Millionen Stellenangebote an. Nun ist das so eine Sache mit dieser Million. Auf dem ersten Blick ist die Anzahl der „Arbeit“ unbefristet, befristet oder ohne Angaben ersichtlich. Auch erkenne ich auf dem ersten Blick die Gesamtanzahl der Arbeitsstellen, Ausbildung, Künstler, Praktikum / Trainee oder selbstständige Tätigkeiten. Und weiter geht es mit den Arbeitszeitmodellen in Voll- oder Teilzeit, Schicht / Nacht oder Wochenenden-Tätigkeiten, Heim- oder Telearbeit sowie Minijobs. Und zu guter Letzt kann ich die privaten Arbeitsvermittlungen und / oder die Zeitarbeit herausfiltern. Die Zahlen schwanken von Minute zu Minute.

In dieser Minute stehen genau 1.036.606 Stellenangebote zur Auswahl. Trotzdem fange ich mal an zu filtern und filtere als erstes die Zeitarbeit heraus. Ohne Zeitarbeit sind es 426.750 weniger und somit stehen „nur“ noch 609.856 Arbeitsstellen zur Verfügung. Ziel der Vermittlung in eine Tätigkeit der Jobcenter oder der Arbeitsagenturen ist eine sog. „Vermittlungsfähige“ Tätigkeit. Das bedeutet nichts anderes als eine Arbeitsaufnahme, die sich vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur loslöst. Das ist in der Regel nur mit einem (gut bezahlten) Vollzeitjob zu schaffen. Davon gibt es nun aber nur noch rund 492 Tausend. Nehme ich die Zeitarbeit wieder rein steigt deren Zahl auf fast das Doppelte an (851.299).

Je mehr ich filtere, desto geringer werden die Vollzeitstellen und am Ende sind es nur noch rund 386 Tausend. Von den aktuellen 1,03 Millionen Angeboten sind auf einmal eine Million weniger geworden. Die Fokussierung auf die Zeitarbeit nehme ich vor, da knapp 70 Prozent dieser Beschäftigungsform bereits nach spätestens 9 Monaten endet und somit in meinen Augen nur eine oftmals temporäre Beschäftigung ist. Mal abgesehen von der schlechteren Bezahlung, der Gefahr der Dequalifizierung und dem eher niedrigschwelligen Angebot.

Das entspricht auch der Aussage einer Jobcenter-Mitarbeiterin aus Leipzig, die hinter verschlossener Bürotür davon sprach, dass sie „nur rund 40 Prozent „vermittlungsfähige Arbeitsstellen“ im System hat. Das reiche natürlich von vorne bis hinten nicht.“

Ich bleibe in Leipzig. Leipzig-Stadt hatte im April rund 31 Tausend Arbeitsuchende in den Jobcentern. Ich mache mich auf die Suche nach den „vermittlungsfähigen“ Arbeitsstellen – also Vollzeit. Als erstes gebe ich das Suchkriterium Leipzig in einem Umkreis von 5 Kilometern an. Prompt werden mir rund 12.500 Angebote angezeigt. Oh, denke ich und mehr als erwartet. Ohne Zeitarbeit bleiben allerdings nur noch 7.555 Arbeitsstellen übrig. Und in Vollzeit nur knapp 6.300. Die Aussage der Jobcenter-Mitarbeiterin entspricht so fast der Realität. Bei rund 31 Tausend Arbeitsuchenden bleiben genau 40 Prozent „vermittlungsfähige“ Arbeitsstellen übrig. Und trotzdem gilt: Vermittlung um jeden Preis, um jede Logik herum und der einfachste Dreisatz bleibt im Nirwana stecken. Bereits vor drei Jahren habe ich in meinen Blog über die Massen der Vermittlungsvorschläge und deren wenig erfolgreichen Vermittlungen in den Arbeitsmarkt geschrieben. Damals lag die Quote bei 1 Prozent.

Doppelte Stellenangebote in der Jobbörse?

Gibt es mehrfach Stellenangebote die sich gleichen? Diese Aussage höre ich immer wieder. Und die Suche beginnt. Als Kriterien gebe ich „Gabelstaplerfahrer“ ein und als Ort „Berlin“. Bereits auf der zweiten Seite werde ich fündig. „! Wanted ! Suchen Gabelstaplerfahrer in Berlin“. Der Absender ist die „Arbeitsvermittlung Menchawy“. Beim Öffnen beider Anzeigen ergibt sich ein identisches Bild. Das Stellenangebot ist sehr mager beschrieben. Mehrwert gleich Null.

Bereits 2011 hat die „Zeit“ über fiktive Stellenangebote durch die Zeitarbeit in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit geschrieben. Sie werden sehr direkt, in dem sie schreiben: „Denn nicht jede von einer Zeitarbeitsfirma beim Arbeitsamt gemeldete Stelle existiert tatsächlich“.

Die „Zeit“ schreibt weiter von Datensammlungen der BewerberInnen, von hamstern der Profile und vom Jobschummel der Arbeitsämter, was offenbar geduldet wird. 2018 berichtete „Die Welt“ von einem Personalberatungsunternehmen, die 2.500 fiktive Stellen in die Jobbörse eingestellt hatte.

Die Bundesagentur für Arbeit gelobt nach jeder Kritik Besserung. Der Bundesregierung ist dieses Problem ebenfalls bekannt. Gehandelt wird von dieser Seite jedoch bisher nicht. Auch, wenn die MitarbeiterInnen der Jobcenter oder der Arbeitsagenturen und dem angegliederten Arbeitgeberservice dazu aufgefordert werden, Stichproben auf Plausibilität der Stellenangebote durchzuführen, kann sich und wird sich auch in Zukunft nicht wirklich was ändern. Solange Stellenangebote von jedermann/oder Frau eingestellt werden können, solange können sich auch Betrüger dort tummeln. Dieses ist nur einzudämmen, sofern jedes Stellenangebot durch die Bundesagentur für Arbeit und deren exekutiven Jobcenter und Arbeitsagenturen persönlich „betreut“ wird.

Und nun hole ich sehr weit aus und stelle die Jobbörse in den Zusammenhang der Sanktionsandrohungen bei den Vermittlungsvorschlägen. In Anbetracht dessen, dass es die fiktiven und mehrfachen selbige Stellenangebote gibt, in Anbetracht dessen, dass die erfolgreiche Vermittlungsquote via Vermittlungsvorschlagen bei 1 Prozent liegt, frage ich mich doch: Welche Funktion hat hier die Sanktionsandrohung? Erfahrene werden nun sagen: „Angst erzeugen“, „Macht ausspielen“ oder „Druck erzeugen“. Hier kann ich endlos weiter argumentieren. In der realistischen Vermittlung und deren Erfolge erkenne ich keine Logik, außer die Machtausübung in der Angst produziert und Druck ausgeübt wird. Menschlich gesehen ist das die unterste Stufe. Noch krasser stellt sich diese Verhältnismäßigkeit bundesweit dar. Hier muss ich nur die übrig gebliebenen rund 380.000, wie oben beschrieben, vermittlungsfähige Arbeitsstellen den rund 4 Millionen Arbeitssuchenden gegenüberstellen. Dafür benötige ich noch nicht mal den Leistungskurs Mathematik.

Und trotzdem werden die Sanktionen von Seiten der GroKo, FDP und AfD verteidigt und mit dem Druck, den Erwerbslose scheinbar benötigen, begründet. Nun ist das mit der Mathematik so eine Sache. Passend gibt es diese dann einfach nicht. Vielmehr werden die immensen Kosten der erfolglosen Vermittlungsvorschläge ignoriert. Auf der anderen Seite wird diese Mathematik zur Berechtigung der Jobbörse, der Massen-Vermittlungsvorschläge und den damit verbundenen Arbeitsplätzen in den Behörden angewandt.

Schließlich muss jede Ausgabe an Verwaltungskosten über Zahlen belegt werden. Und seien es Millionen von hellgrauen Briefumschlägen ohne Mehrwert. Jede erreichte Zahl legitimiert die Zielvereinbarung von Seiten der Bundesagentur für Arbeit. Fasse ich zusammen: Vermittlungsvorschläge bringen minimalistischen Erfolg, Arbeitsplätze in den Jobcentern und Arbeitsagenturen bleiben so erhalten, die Jobbörse ist ein Konstrukt für Stellenanzeigen, die es in Teilen nicht gibt; die weniger hergibt, als es klingt; die sich in der Masse von Jobs stark reduziert, sofern davon gelebt werden muss und die ein Spielfeld für die Zeitarbeit ist.

Damit dürfte klar sein, dass jede Sanktionsandrohung nur die Funktion einer Machtausübung besitzt. Das allerdings ist nicht neu.

 

 

Weiterführende Infos: Statistik Arbeitsuchende Leipzig-Stadt – April 2019, Entwicklungen in der Zeitarbeit (Bundesagentur für Arbeit, Januar 2019) und
http://inge-hannemann.de

Bild: change.org