Keine halben Sachen – Machtaufbau durch Organizing

Der globale Rechtsruck und die anhaltende Offensive der Kapitalseite zwingen Gewerkschaften, soziale Bewegungen und linke Parteien zu einer Suche nach alternativen Strategien, um ihre Macht neu aufzubauen. Jane McAlevey zeigt in diesem Buch einen möglichen Weg in diese Richtung. Sie ist überzeugt, dass dem linken Lager gelingen kann, damit die reaktionären Entwicklungen in den westlichen Staaten zurückzudrängen. Den Schlüssel dazu sieht sie in einer Rückbesinnung auf die von den US-Gewerkschaften in den 1930er Jahren entwickelten Organisierungsstrategien eines Deep Organizing, das die Handlungsmacht in die Hände der »normalen Menschen« zurückgibt und es ihnen ermöglicht, selbst unter schwierigen Bedingungen Erfolge zu erstreiten. Ein solches »Organizing-Modell ›von unten‹« gilt ihr als zentrales Instrument, um eine »Veränderung der Machtstruktur von dem einen Prozent hin zu den 99%« durchzusetzen.

Bei Anwendung dieses Modells entwickeln die Beschäftigten im Kampf eine neue Sicht auf sich selbst und ein neues Verständnis ihrer Gesellschaft. Deep Organizing baut Solidarität auf, die auch nach dem Ende von Arbeitskämpfen fortbesteht, und beeinflusst damit auch das Verhalten in der Wahlkabine. McAlevey betont immer wieder, dass der von ihr vertretene Organizing-Ansatz das Potenzial hat, auch linke Parteien und soziale Bewegungen substanziell zu stärken. Im Fokus stehen aber die Gewerkschaften als zentrale Klassenorganisationen der arbeitenden Menschen.

Jane McAlevey, eine über die Grenzen der USA hinaus bekannte Organizerin und Gewerkschaftsforscherin, war selbst sowohl in sozialen Bewegungen als auch in Gewerkschaften aktiv. 1964 in einer gewerkschaftlich geprägten Familie geboren, wurde sie bereits früh in einer Studierendengewerkschaft aktiv und engagierte sich in den 1980er Jahren in der Solidaritätsbewegung für die sandinistische Revolution in Nicaragua. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst mehrere Jahre für eine Umwelt-NGO und betätigte sich als Community-Organizerin.

Mit dem nun auf deutsch vorliegenden Buch, das 2015 zugleich als ihre Dissertation in den USA veröffentlicht wurde, rechnet sie mit dem in den vergangenen Jahrzehnten dominierenden Organizing-Modell ab, auf dessen Grundlage es den US-Gewerkschaften letztlich nicht gelang, ihre Krise nachhaltig zu überwinden. McAlevey legt die theoretische Begründung eines Organizings vor, das die Beschäftigten und ihre Machtressourcen in den Fokus nimmt. Sie setzt insbesondere auf die Gewinnung von in der Belegschaft besonders respektierten KollegInnen als Schlüsselfiguren einer umfassenden gewerkschaftlichen Organisierung. Die Teilnahme der Beschäftigten an Tarifverhandlungen, ihre Mitwirkung an der Strategieentwicklung und die Nutzung ihrer inner- wie außerbetrieblichen Netzwerke gelten McAlevey als wichtige Elemente des Aufbaus echter Gegenmacht. Ihre Konzepte klopft sie anhand verschiedener Fallbeispiele auf praktische Wirksamkeit ab. Damit liefert sie ein leidenschaftliches Plädoyer für eine kämpferische und demokratische Erneuerung der Gewerkschaften. Der Gedanke, dass die arbeitenden Menschen auf allen Ebenen selbst zu den zentralen Akteuren ihrer eigenen Befreiung werden müssen, durchzieht das gesamte Buch. Schon seit einigen Jahren belebt die Auseinandersetzung mit den Organizing-Methoden der US-amerikanischen Gewerkschaften auch die gewerkschaftliche Diskussion und Praxis in Deutschland.

Eine systematische Kampagnenführung unter Einschluss gesellschaftlicher Bündnispartner, neue Formen der Ansprache betrieblich Aktiver, die gezielte Erschließung unorganisierter Bereiche und der Fokus auf den Aufbau betrieblicher Aktivenstrukturen haben viele GewerkschafterInnen hierzulande inspiriert. Allerdings wurden in der deutschen Debatte bisher vor allem bestimmte Ausschnitte der amerikanischen Organizing-Diskussion rezipiert. Mit der Herausgabe dieses Buches hoffen wir, die deutsche Debatte um bisher unterbelichtete Organizing-Erfahrungen und -Konzepte zu bereichern und Hinweise zur Beantwortung der Frage zu liefern, warum viele Organizing-Projekte bisher keine nachhaltig durchschlagende Wirkung entfalten konnten“.

VSA-Verlag

 

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