Kleine Dortmunder LWG als Strohmann für den Weltmarkteroberer Lufthansa

Als neulich Air-Berlin Insolvenz anmeldete, wurden die Befürchtungen der Mitarbeiter schneller als erwartet wahr. Die eben erst erworbene Dortmunder Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) soll nun das Air Berlin-Personal zu Niedriglöhnen beschäftigen.

Bei der Insolvenz wurden 13 Airbus-Flugzeuge von der Air-Berlin in ihr neues Tochterunternehmen LGW verschoben. Das fliegende Personal, das die Flugzeuge bisher flog, blieb aber bei der Air-Berlin, dann bekam die LGW als neuen Eigentümer den Lufthansa-Konzern mit der großen Marke Eurowings. Nun hat die Lufthansa die Flugzeuge sowie die lukrativen Start- und Landerechte erhalten, aber nicht die Mitarbeiter der insolventen Air-Berlin übernommen. Hunderte bekamen nun ihre offizielle Kündigung. Alle Beschäftigten sind sich sicher, dass die Insolvenz der Fluglinie so vorbereitet wurde, dass die Aufkäufer die Mitarbeiter zu Niedriglöhnen wiedereinstellen.

Hier ging es um einen lang vorbereiteten Deal, bei dem es um den Aufbau der Hegemonie der deutschen Luftfahrtindustrie in der EU geht.

Die Deutsche Lufthansa will mittelfristig rund ein Drittel des europäischen Marktes kontrollieren. Die Kürzungen bei der Belegschaft und Absprachen mit dem Flughafenbetreiber Fraport haben der Lufthansa die Rekordgewinne verschafft, die jetzt in den Kauf von Konkurrenten investiert werden können. Nach der umstrittenen Übernahme von Air-Berlin, bei der die Bundesregierung Regie geführt hat und die nach Ansicht anderer Airlines gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstieß, soll der Aufkauf von Teilen der Alitalia den Expansionskurs der Lufthansa beflügeln.

Bei dem aggressiven Vorgehen der Lufthansa wird besonders bei den Personalkosten des Konzerns und seinen neuen Zukäufen gepokert und da ist jedes Mittel recht, Konkurrenzvorteile zu ergaunern.

Aber erstmal wurde den Beschäftigten von Air-Berlin vor der Insolvenz das Blaue vom Himmel versprochen, vor allem müssten sie sich keine Sorgen machen, die Arbeitsplätze seien sicher und die Bezahlung ebenfalls.

Wahrscheinlich wussten die Verantwortlichen bei Air-Berlin von Anfang an, dass dies alles erlogen und erstunken war, auch weil im Mai 2017, drei Monate vor der Insolvenz von Air- Berlin sich die Personalvertretung der Kabinenbeschäftigten mit dem Personalvorstand Martina Niemann traf.

Es ging um eine brisante Mitteilung, die die Mitarbeiter aufschreckte. Frau Niemann erläuterte, dass Air-Berlin in Kürze ein neues Tochterunternehmen übernehmen wird. Was dann kam, hielt erst jeder für einen Witz: Bei der Übernahme sollte es um die die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) gehen. Ein kleines Unternehmen aus Dortmund, das bisher mit Propellermaschinen Zubringerflüge für Air- Berlin anbot. Das Entgelt des Personals der kleinen Firma lag und liegt erheblich unter dem Air-Berlin-Niveau.

Im Jahr 1980 gründete der Fluglehrer Bernd Walter die Luftfahrtgesellschaft Walter am Flughafen Dortmund-Wickede und betrieb zunächst eine Flugschule. Das Unternehmen expandierte mit dem Angebot von Foto- und Rundflügen und einem Seebäderdienst zu den deutschen Nordseeinseln.

2009 fand der bis heute letzte Linienflug der LGW unter eigenem Namen von der Nordseeinsel Sylt nach Düsseldorf statt. Ab dann flog die Gesellschaft im Liniendienst ausschließlich im Namen und Auftrag der Air-Berlin.

Die Frage war, warum will die hochverschuldete Air-Berlin plötzlich ausgerechnet diese kleine LGW Gesellschaft kaufen? Die Personalvertretung fürchtete einen Trick, um Mitarbeiter loszuwerden oder Löhne zu kürzen.

Während des „Umwandlungsprozesses“ hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit der Air-Berlin verhandelt und versucht, das Beste für die Beschäftigten herauszuholen. Die Verhandlungspartnerin war der Personalvorstand von Air-Berlin Martina Niemann. Um Proteste zu vermeiden, willigte sie schließlich in eine tarifliche Vereinbarung mit der Gewerkschaft ver.di ein. Der Tarifvertrag hätte hunderte Mitarbeiter schützen können. Der Vertrag lag zwar auf dem Tisch, wurde dann von Martina Niemann mitgenommen, nicht unterschrieben und ist verschwunden.

Man handelte einen wohlklingenden Tarifvertrag aus, der niemals Gültigkeit erlangte, und wohl auch erlangen sollte. Bei Air-Berlin wusste man, wenn es zur Unterzeichnung des Vertrags gekommen wäre, dann hätten alle diejenigen, die jetzt bei Air-Berlin entlassen wurden, die Möglichkeit zu sagen, so lange die Positionen bei euch nicht besetzt sind, haben wir einen Anspruch darauf, als Arbeitnehmer bei euch eingestellt zu werden und zwar zu den alten Bedingungen, die wir bei Air-Berlin hatten.

Nach diesem Schachzug hat Martina Niemann am 01.02.2018 ihre neue Stelle bei der Lufthansa eingenommen, als „Head of Lufthansa-HR-Management“.

Aber noch einmal ein halbes Jahr zurück in der Geschichte.

Im Oktober 2017 einigte sich die Lufthansa nach der Insolvenz von Air Berlin mit dem Insolvenzverwalter auf eine Übernahme der Air-Berlin-Tochterunternehmen Niki und LGW sowie den Betrieb von 20 Flugzeugen zum Betrag von rund 210 Millionen Euro, vorbehaltlich der Zustimmung der Gläubiger und der europäischen Wettbewerbsbehörde. Die Zustimmung erfolgte dann auch, die EU-Kommission genehmigte alles mit ein paar Auflagen.

Nach der Insolvenz wurden 13 Airbus-Flugzeuge von der Air-Berlin-Mutter in ihr neues Tochterunternehmen verschoben – zur LGW. Die Piloten, die die Flugzeuge flogen, blieben aber bei Air-Berlin. Der Grund dafür ist einfach zu durchschauen, denn die LGW bekam die Lufthansa als neuen Eigentümer. Der hat die Flugzeuge, inklusive der lukrativen Start- und Landerechte übernommen, aber nicht die Mitarbeiter, denen wurde gekündigt.

Für die Lufthansa stellt sich am Ende die Situation so dar: Auf diesen Flugzeugen steht zwar Eurowings drauf, in Wahrheit gehört es aber zur LGW. Aus der Air-Berlin-Tochter wurde ein Billigunternehmen des Lufthansa Konzerns und sie fliegt wie früher auch von Düsseldorf nach Berlin.

Nur das Personal wurde ausgetauscht und unterliegt nun der Vergütungstabelle der LGW, konkret heißt das,

  • ein Einstiegsgehalt für Flugbegleiter: rund 1.000,- Euro brutto plus Zulagen
  • für erfahrene Vollzeitkräfte 1.600,- bis 1.700,- Euro brutto bzw.1.200,- Euro netto und ist etwa die Hälfte dessen, was sie bisher verdient haben.

Die 7.200 Beschäftigten in Deutschland, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten und von denen nun immer noch viele auf der Straße stehen, sind gezwungen, sich zu diesen katastrophalen Bedingungen bei LGW zu bewerben.

Die Deutsche Lufthansa stand auch bei den Gewerkschaften einmal für Zuverlässigkeit, Fairness, soziale Verantwortung und Gerechtigkeit. Nun ist sie auf dem Expansionskurs der deutschen Luftfahrtindustrie. Sie will mittelfristig rund ein Drittel des europäischen Marktes kontrollieren.

Nach der umstrittenen Übernahme von Air Berlin, bei der die  Bundesregierung Regie geführt hat und die nach Ansicht anderer Airlines gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstieß, soll den Expansionskurs der Lufthansa beflügeln. Die Einsparungen von Kosten, die sie in Deutschland mit allen Mittel durchdrückt, sollen für den Kauf von Konkurrenten genutzt werden.

 

Der Schachzug mit der kleinen Dortmunder LWG als Strohmann für den Weltmarkteroberer Lufthansa  ist nur ein kleiner Mosaikstein in den Plänen der Bundesregierung für den Aufbau der neoliberalen Hegemonie Deutschlands in Gesamteuropa.

 

 

Quellen: Monitor, ver.di,

Bild: dgb.de