Zur politischen Ökonomie der Insolvenzverfahren – Geld und Ware sind nicht weg, sie sind nur woanders

Im Jahr 2019 meldeten in Deutschland 19.005 Firmen Insolvenz an und es gab 86.838 Privatinsolvenzen mit einer Schadenssumme von insgesamt 223,5 Milliarden Euro, rund 7 Millionen Privatpersonen über 18 Jahre konnten als überschuldet oder nachhaltig zahlungsgestört eingestuft werden. Die durchschnittliche Schadenssumme je Insolvenzfall betrug für die privaten Insolvenzgläubiger, dazu zählen beispielsweise Banken, Lieferanten und sonstige Kreditgeber, 910.000  Euro. Zu den Leidtragenden einer Insolvenz zählen fast immer auch die Beschäftigten des insolventen Unternehmens. Die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze summierte sich deutschlandweit auf  218.000.

Die Zahlen verdeutlichen den hohen volkswirtschaftlichen Schaden, der durch die Überschuldung, Zahlungsstörungen und die Insolvenzverfahren entsteht.

In den Insolvenzverfahren werden riesige gesellschaftliche Ressourcen bzw. materielle Güter zwischen den verschiedenen Beteiligtengruppen umverteilt.

Im Folgenden sollen das konkrete ökonomische Sein der Menschen als Beteiligte in Insolvenzverfahren, die Beziehungen der einzelnen Akteure, wie Schuldner, Gläubiger, Inkassounternehmen, Insolvenzverwalter, Schuldner- und Insolvenzberatung, Gerichte und die Insolvenzverfahren selbst, in den Verfahrensabläufen einmal genauer betrachtet werden.

Die Schulden der einen sind die Vermögen der anderen

In einer Gesellschaft, die in Arme und Reiche gespalten ist, müssen die einen sich verschulden, um leben zu können und die anderen sind so reich, dass sie Geld verleihen können und noch Profit davon erzielen.

So gibt es Schulden, ohne dass es eine moralische Schuld der Verschuldeten gibt. Den Schulden entsprechen immer Guthaben. Wirtschaftlich gesehen sind Schulden notwendig. Sie sind die Investitionen in die Zukunft. Werden keine Schulden gemacht, kann nicht investiert werden. Es ist eine ganz normale Angelegenheit in unserem Wirtschaftssystem, Schulden zu haben. Ohne eine Kreditaufnahme, Ratenzahlung und Überziehung des Kontos funktioniert es nicht.

Die aggressive Bewerbung der Finanzdienstleistungen soll ständig neue Kaufanreize schaffen, sie durch Kredite realisieren und den Unternehmen den Profit sichern. Falls dann ungeplante Ereignisse geschehen, müssen immer mehr Menschen erleben, dass ihre Einnahmen nicht mehr reichen, um neben den Ausgaben des täglichen Lebensunterhaltes, ihre Zahlungsverpflichtungen fristgerecht erfüllen können. Sie rutschen in die Überschuldung ab und erleben die Dramatik, wie sie vom umworbenen Kunden zum Paria der Gesellschaft gemacht  werden.

 

1. Verbraucherinsolvenz

Seit 20 Jahren gibt es das Verbraucherinsolvenzverfahren in Deutschland. Seit 1999 haben ca. 1.500.000 Personen dieses Verfahren durchlaufen. Wenn man sich vor Augen führt, dass die allermeisten dieser Menschen Familie, Freunde und Bekannte haben, dürften beinahe alle Menschen in Deutschland bereits persönliche Erfahrungen mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren gemacht haben. Das Verbraucherinsolvenzgesetz hat damit gesellschaftlich relevante Dimensionen entwickelt.

Im Jahr 2019 haben 86.838 private Personen ein Insolvenzverfahren beantragt. Insgesamt warten derzeit rund 630.000 Personen in Deutschland in den einzelnen Verfahren auf die Restschuldbefreiung.

Es war Hans Jochen Vogel von der SPD, der als Justizminister Anfang der 1970er Jahre den Anstoß für die Möglichkeit einer Insolvenz für Privatpersonen gab. Es dauerte dann noch fast 30 Jahre, als zum 1.1.1999 diese Möglichkeit realisiert wurde und die Insolvenzordnung in Kraft trat.

Zur Jahrhundertwende sprach man von einer Reform, die ihren Namen auch verdient habe. Erstmals war es möglich, dass auch Privatpersonen ein Insolvenzverfahren durchlaufen und am Ende von dem Rest der Schulden befreit werden konnten.

Bedingt durch die Rechtsprechung und der erfolgreichen Lobbyarbeit der organisierten Gläubiger wurde in den vergangenen Jahren die rechtliche Stellung zugunsten der Gläubiger verschoben, was auch im Untertitel der letzten Reform der Insolvenzordnung 2014 mit der „Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ benannt wurde.

Im Gegensatz zu anderen Ländern war die Privatinsolvenz in Deutschland, wie die Überschuldung allgemein, stark mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn geprägt und hat einen religiösen Überbau. Die bei der Einführung der Insolvenzordnung zunächst vorgesehene Verfahrensdauer von 7 Jahre wurde tatsächlich mit Bezugnahme auf die Bibel erklärt, das Entschuldungsverfahren sollte 7 Jahren dauern, gemäß dem 1. Buch Mose, dass nach den 7 fetten Jahren die 7 mageren Jahre folgen sollen und „alle sieben Jahre sollst du ein Erlassjahr halten.”

Die Jahre Anfang des Jahrhunderts waren für die Schuldner noch recht angenehm, auch weil sie in NRW die Verfahrenskosten gestundet bekamen und damit auch die mittellosen Menschen die Privatinsolvenz durchlaufen konnten.

Die Verfahren liefen in der Regel störungsfrei und alle Beteiligten, die Schuldner, die Treuhänder/Insolvenzverwalter, die Richter und Rechtspfleger und die Insolvenzberater agierten auf gleicher Augenhöhe.

Die Insolvenzordnung verfolgt zwei Ziele: Einmal sollen die Gläubiger eines Schuldners gleichmäßig befriedigt werden. Dies geschieht über die Verwertung des Vermögens des Schuldners und eine geregelte Abführung seiner pfändbaren Einkommensanteile und dadurch wird dem Schuldner das für seinen Lebensunterhalt notwendige Einkommen gesichert. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens wird der Verwertungserlös abzüglich der Verfahrenskosten an die Gläubiger ausgezahlt. Zum Anderen soll das Insolvenzverfahren dem „redlichen Schuldner“ Gelegenheit geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien, um dann ein von den Altschulden befreites Leben zu führen.

Entschuldung durch das Verbraucherinsolvenzverfahren

Das Verfahren kommt nur in Betracht, wenn der Betroffene zahlungsunfähig und überschuldet ist. Da das Verfahren recht kompliziert ist, ist es meistens erforderlich, sich den Rat und die Begleitung einer Schuldnerberatungsstelle einzuholen. Vor der Antragstellung beim Insolvenzgericht müssen außergerichtliche Verhandlungen mit den Gläubigern auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplanes geführt werden. Erst wenn diese Verhandlungen gescheitert sind, kann der Insolvenzantrag gestellt werden. Hierzu muss das amtliche Formular benutzt werden.

Das Gericht entscheidet zunächst, ob ein nochmaliges Verhandeln mit den Gläubigern über den Schuldenbereinigungsplan Sinn hat. Kommt ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan nicht zustande, wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet.

Voraussetzung ist, dass genug Vermögen für die Deckung der Verfahrenskosten vorhanden ist. Das Gericht kann die Verfahrenskosten auf Antrag stunden, wenn kein Vermögen vorhanden ist oder der Vorschuss nicht gezahlt werden kann. Die gestundeten Verfahrenskosten werden mit dem pfändbaren Anteil am Einkommen während des Verfahrens zurückgezahlt. Wer kein pfändbares Einkommen hat, muss erst zahlen, wenn Geld dafür zur Verfügung steht. Spätestens 4 Jahre nach dem Ende des gesamten Verfahrens endet aber die Rückzahlungsverpflichtung.

Bereits mit dem Insolvenzeröffnungstag beginnt die 6-jährige Verfahrenszeit bis zur Restschuldbefreiung zu laufen.

In dieser Zeit muss der Schuldner

– den pfändbaren Teil seines Einkommens an den Treuhänder/Insolvenzverwalter abgeben

– wenn er arbeitslos ist, sich um Arbeit bemühen und eine zumutbare Beschäftigung aufnehmen

– jeden Wechsel der Wohnung und des Arbeitsplatzes anzeigen

und ererbtes Vermögen zur Hälfte abführen.

Die Gläubiger haben während des Verfahrens die Möglichkeit, einen Antrag auf Versagen der Restschuldbefreiung zu stellen, wenn z.B. falsche Angaben gemacht worden sind, Vermögen verschwendet wurde, fehlende Mitwirkung im Verfahren vorliegt oder dem Treuhänder/Insolvenzverwalter die wichtigen Veränderungen nicht mitgeteilt wurden. Nach 6 Jahren oder 72 Monaten wird die Restschuldbefreiung erteilt und der Schuldner ist schuldenfrei.

Die allgemeinen Einsparungen bei den Staatsleistungen sind auch nicht an den Schuldnern vorbeigegangen. Ihnen soll in Zukunft stärker der Wind ins Gesicht wehen. So ist das Beratungs- und Prozesskostenhilferecht geändert worden, das auch die Stundung der Verfahrenskosten regelt.

Am 01. Juli 2014 trat das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte in Kraft. Wie der Name schon sagt, sollen die Rechte der Gläubiger gestärkt und die Hürden für die Restschuldbefreiung der Schuldner erhöht werden.

Aktuell hat es eine Einigung auf europäischer Ebene zur Verkürzung der Laufzeit bis zu einer Restschuldbefreiung gegeben. Europäisches Parlament, Rat und Kommission haben sich in sogenannten Trilogverhandlungen auf eine Verkürzung auf maximal drei Jahre geeinigt. Diese Verkürzung muss nun in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, also auch in Deutschland, umgesetzt werden.

 

2. Regelinsolvenz

Im Jahr 2019 meldeten in Deutschland 19.005 Firmen Insolvenz an, die Verfahren werden als Regelinsolvenzverfahren bezeichnet. Die durchschnittliche Schadenssumme je Insolvenzfall für die privaten Insolvenzgläubiger, dazu zählen beispielsweise Banken, Lieferanten und sonstige Kreditgeber, belief sich auf 915.000 Euro. Zu den Leidtragenden einer Insolvenz zählen immer die Beschäftigten der Unternehmen. Im Jahr 2019 summierte sich die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze deutschlandweit auf 218.000.

Das größte Insolvenzverfahren, die Karstadtpleite

Als der Warenhauskonzern Karstadt wegen Zahlungsunfähigkeit 2009 den Insolvenzantrag stellte, begann das größte Insolvenzverfahren der Bundesrepublik Deutschland.

Nach dem Insolvenzantrag herrschte auf den Fluren der Essener Konzernzentrale eine Mischung aus Angst- und Aufbruchstimmung. Der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg wollte den Konzern als Ganzes retten. Doch dafür hätten die Großaktionäre – Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und das Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim – noch einmal Geld ins Unternehmen investieren müssen. Insolvenzverwalter Görg legte dann im April 2010 den Insolvenzplan auf den Tisch, der den Verkauf der Karstadt-Warenhäuser als Ganzes und einen hohen Verzicht auf der Gläubigerseite vorsah. Auch sollten die Mieten gesenkt werden. Dies war aber wegen der zersplitterten Gläubigerstruktur bei dem „Highstreet-Konsortium“ äußerst schwierig durchzusetzen. Das Verfahren zog sich deshalb in die Länge,  ein unmögliches Verhalten, war es doch gerade die riskante Anlageform bei den Konsorten von „Highstreet“, die Karstadt ins Schlingern gebracht hatte.

Für seine Bemühungen soll der Insolvenzverwalter Karl-Heinz Görg 50 Millionen Euro Verwalterkosten erhalten haben.

Die Kommunen, in denen es Warenhäuser gab, wurden aufgefordert, auf die Gewerbesteuer zu verzichten. Dies geschah dann auch ohne großen Widerstand.

Nach einigem Hin und Herr mit den 4 Kaufinteressenten erteilte der Gläubigerausschuss dann der „Berggruen Holding“ den Kaufzuschlag. Nicolas Berggruen wurde als Karstadt-Retter und Hoffnungsträger gefeiert. Auch die Mietsenkung bei der „Highstreet-Konsortium“ wurde erreicht.

Nicolas Berggruen kündigte an, dass Karstadt in eine Dachgesellschaft und drei weitere Untergesellschaften rechtlich aufgeteilt werden müsste: in die Sparten Sporthäuser, Premiumhäuser und sonstige Warenhäuser. Dies war seine Bedingung für die Übernahme von Karstadt.

Auf die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wurde nun großer Druck ausgeübt. Der Insolvenzverwalter drängte die Gewerkschaft, den Bedingungen Berggruens zuzustimmen oder er werde Karstadt liquidieren. Die ver.di-Tarifkommission hat dann der Anpassung des Fortführungs-Tarifvertrages für den Fall einer Separierung zugestimmt, vorbehaltlich einiger wichtiger Bedingungen, die vertraglich festgehalten wurden:

– die Tarifverträge des Einzelhandels gelten weiter
– Beteiligungen können nur soweit erfolgen, wie die Mehrheitsanteile und Stimmrechte an bzw. bei der Karstadt Warenhaus Holding bleiben
– Gewinne dürfen nicht entnommen werden, sondern werden umgehend und vollständig reinvestiert

und die separierten Unternehmen bleiben als wirtschaftliche Einheit erhalten.

In dem Sanierungstarifvertrag verzichteten die Beschäftigten zur Rettung des Unternehmens auf rund 150 Millionen Euro bis Ende 2012.

Es wurde nicht nur ver.di zugesichert, sondern auch öffentlich wiederholt erklärt, dass die Separation nicht erfolge, um Teile zu verkaufen und dass es um ein langfristiges Engagement bei Karstadt im Ganzen gehe.

Im Mai 2013 stieg Karstadt aus der Tarifbindung aus und wechselte in die regionalen Arbeitgeberverbände ohne Tarifbindung. Man wollte eine „Tarifpause“ einlegen. Für die Mitarbeiter hieß das, dass die Gehaltserhöhungen bis 2015, die durch Tarifverträge vereinbart werden, entfielen.

Zu diesem Zeitpunkt steckte Karstadt in der Krise, die 86 Warenhäuser rutschten in die roten Zahlen, nur die 28 Karstadt-Sport-Filialen und die drei Luxus-Kaufhäuser in Berlin, Hamburg und München liefen gut. Mittlerweile hatten die Karstadt-Beschäftigten auf insgesamt 650 Millionen Euro verzichtet.

Im August, drei Monate nach dem Ausstieg aus der Tarifbindung, gab es aber bereits wieder „informelle Sondierungsgespräche“ zwischen Karstadt und ver.di. Die erste Verhandlungsrunde Ende September blieb so, wie auch die zweite im Oktober, ergebnislos.

Im September 2013 wurde bekannt, dass Nicolas Berggruen die Premium- und Sporthäuser zu je 75,1 Prozent an die österreichische Signa Holding des Investors René Benko verkauft. Mit den Einnahmen sollten die Karstadt-Warenhäuser modernisiert werden.

Im November 2013 durften die Beschäftigten darauf hoffen, in Zukunft wieder nach Tarif bezahlt zu werden. Karstadt und ver.di verständigten sich auf „wesentliche Bausteine eines gemeinsamen Zukunftssicherungstarifvertrags“. Der angestrebte Tarifvertrag sollte die Punkte Beschäftigungs- und Standortsicherung, aber auch die Rückkehr von Karstadt in die Tarifbindung regeln. Die Verhandlungen sollten dann im Januar 2014 weiter geführt werden.

Mitte Februar 2014 sprach ver.di noch von Fortschritten in den Verhandlungen mit Karstadt. Eine Woche später sagte Karstadt die geplanten Gespräche ab, da „Management und Besitzer sich erst beraten möchten“. Anfang März wurde die 5. Verhandlungsrunde ohne Erfolg beendet.

Die Sanierungsbemühungen hatten in der Zwischenzeit nur bescheidene Erfolge erzielt. Nicolas Berggruen sagte gegenüber der Presse: „Die Häuser, die wir saniert haben, funktionieren nicht besser als die Häuser, die wir nicht saniert haben.“

Am 7. Juli 2014 teilte Karstadt mit, dass Eva-Lotta Sjöstedt ab sofort von ihrem Amt als Geschäftsführerin zurücktreten wird. Frau Sjöstedt selbst sagte ziemlich genervt: „Nach eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten muss ich nun jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind“. Als Frau Sjöstedt Anfang des Jahres bei Karstadt begann, wurde sie als „Hoffnungsträgerin“ und „Retterin“ gefeiert – genau so, wie damals Nicolas Berggruen, als er nach der Insolvenz Karstadt übernahm.

Der Stern des einst gefeierten Milliardärs Berggruen ist dann schnell gesunken. Die Mehrheit an den Kaufhäusern um das Berliner KaDeWe und den Sport-Geschäften hatte der österreichische Investor René Benko übernommen, ein weltweit agierender Immobilienspekulant. Allein aus der Vermarktung der Namensrechte, die Berggruen sich vor 4 Jahren für 5 Millionen Euro sicherte, soll er monatlich von Karstadt etwa rund eine Million Euro kassiert haben. So sind schnell aus den 5 Millionen, wahrscheinlich schon über 48 Millionen Euro geworden.

Mitte Juli 2014 wurde gemunkelt, dass in der Essener Hauptverwaltung und in der Belieferung Stellen wegfallen sollen. So wären aktuell zwischen 3.500 bis 4.000 der insgesamt noch verbliebenen 17.000 Stellen bei Karstadt gefährdet.

Im August 2014 war es so weit: Die österreichische Signa-Gruppe des Immobilien-Investors René Benko übernahm die Karstadt Warenhaus GmbH, also auch noch die 83 Karstadt-Filialen.

Wieder jammerten alle Beteiligte herum, dass ein „klares Konzept“ fehle und vergaßen dabei, dass das Konzept ganz klar war: möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit aus Karstadt herauszuholen.

Nach den letzten veröffentlichen Zahlen betrug der Verlust im Geschäftsjahr 2011/2012 rund 158 Millionen Euro.

Man sollte nicht vergessen, in diesem Zockerspiel ging es um rund 17.000 Beschäftigte.

Bei dieser Art von Insolvenzverfahren kommt meist ein Investor ins Spiel, der als Retter von den Medien hochgelobt wird. Nach dem Kauf, manchmal für einen symbolischen Euro wird die Verwertung gestartet. Die kurzfristigen Gewinne werden mithilfe der Gewerkschaften erzielt, die um des Ganzen willen dem Abbau von Arbeitsplätzen, Verlängerung der Arbeitszeit, Kürzungen der übertariflichen Leistungen, Lohnsenkungen, nicht vergüteten Überstunden, Auslagerung einzelner Bereich und dem Einsatz von Leiharbeitern zustimmen. Die folgenden Gewinne generieren sich aus dem Profit oder der Ausschlachtung des Unternehmens.

Insolvenz in Eigenverwaltung

Die Insolvenz in Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. der Insolvenzordnung gibt es schon länger, sie wurde aber von den Gerichten nur sehr selten angeordnet. Nachdem im Jahr 2012 das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen” (ESUG) in Kraft trat, bekam das Verfahren einen regelrechten Aufschwung. Mit dem neuen Gesetz wollte die Bundesregierung Firmen ermutigen, rechtzeitig Insolvenz anzumelden.

Die Eigenverwaltung ist kein eigenes Verfahren, sondern eine Sonderregelung zur Verwaltung des Vermögens des Insolvenzschuldners. Sie findet im vorläufigen Verfahren statt und es wird kein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, sondern der Schuldner selbst übernimmt diese Verwaltung.

Die Praxis der Gerichte seit 2012 zeigt, dass die Eigenverwaltung immer dann angeordnet wird, wenn sich das Unternehmen des Schuldners offenbar mittelfristig fortführen lässt und eine positive Fortführungsprognose hat.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist auch deshalb attraktiv, weil sie das Unternehmen für drei Monate finanziell entlastet, denn es gibt Insolvenzgeld, die Umsatzsteuer wird eingespart und die Miet- und Leasingraten werden ausgesetzt. Erleichtert wird, Verträge zu kündigen und sich von den Beschäftigten zu trennen. Nach den drei Monaten arbeitet das Unternehmen wieder unter Vollkosten.

Die Eigenverwaltung endet mit der Anordnung der Überleitung in das reguläre Insolvenzverfahren oder der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Eine vom Schuldner gegebenenfalls während der Eigenverwaltung erteilte Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, erlischt gemäß § 117 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Die Eigenverwaltung ist konstruktionsbedingt schon anfällig für den Missbrauch, so

  • ist die gesetzmäßige Verfahrensleitung und -durchführung vielfach nicht gewährleistet, weil die Berater schlechte Leistungen erbringen.
  • führt die Hälfte der Eigenverwaltungsverfahren später in die Regelinsolvenz.
  • liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer in Wahrheit bei 763 Tagen anstatt bei den oft beschworenen neun bis zehn Monaten.
  • ist die vielfach beratergesteuerte Auswahl des vorläufigen Sachwalters zu einer echten Unsitte geworden, die auch auf der oftmals manipulativen Zusammensetzung der Gläubigerausschüsse, gesteuert durch den Berater, fußt.
  • ist die Behauptung, dass eher kein Einfluss auf die Unabhängigkeit der Sachwalter ausgeübt wird, schlicht unwahr. Der Sachwalter ist in ein vom Berater gesponnenes Abhängigkeitssystem eingebunden und nimmt seine gesetzlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahr, weil er auf die nächste Empfehlung schielt.
  • kann der Schuldner nicht Interessenwahrer der Gläubiger sein, da er bereit sein wird, wirtschaftliche Eigeninteressen dem Gläubigergesamtinteresse unterzuordnen. Das ist eine gesetzlich verursachte Interessenkollision.
  • ist nicht mehr das unabhängige Verhalten des Sachwalters gegeben, es kann allzu häufig zu Verletzungen der gesetzlichen Vorschriften, etwa der Anzeigepflicht durch den Sachwalter kommen.
  • verbilligt die Eigenverwaltung die Verfahren nicht, im Gegenteil, sie verteuert sie stets dann, wenn sie scheitert, was in fast der Hälfte der Verfahren geschieht.
  • entstehen regelmäßig enorme Beratungskosten, sodass die Gefahr einer kostenträchtigen Nebeninsolvenzverwaltung besteht. Das ist besonders für Kleinunternehmen untragbar, gerade dann, wenn die Eigenverwaltung schlussendlich in die Regelinsolvenz führt. Es stehen dann keine ausreichenden Mittel mehr für die leistungswirtschaftliche Sanierung zur Verfügung.
  • beantragt der Firmeninhaber das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, das heißt, dass bei dieser Form der Pleite er die Geschäfte wie bisher und unter Umständen sogar mit demselben Management fortsetzen kann.
  • bietet das Verfahren in Eigenverwaltung dem Unternehmen größere Spielräume zu Verhandlungen mit seinen Gläubigern und anderen Beteiligten.
  • werden für die Dauer von bis zu drei Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgelds finanziert. Dieses Geld wird von anderen Firmen aufgebracht und durch die Arbeitsverwaltung in Höhe von 60 Prozent vom Nettoentgelt ausgezahlt.
  • kann das Unternehmen auch durch die Nichtabführung von Umsatzsteuern, Lohnsteuer und sonstiger Steuern zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Verfahrens zum Teil sehr hohe Kosten einsparen

und werden die Gläubiger mit kleinen Quoten häufig den Rest der Forderung erlassen, was zu einer massiven Stärkung des Eigenkapitals der zahlungsunfähigen Firma führt.

Mittlerweile haben sich einige Wirtschaftskanzleien auf die Verfahren in Eigenverwaltung spezialisiert und sich etwas Tolles einfallen lassen. Um an neue Kunden zu kommen, bieten sie Unternehmen an, mit ihrer Hilfe in die Insolvenz zu gehen, ihre Geschäfte wie bisher und unter Umständen sogar mit demselben Management fortzusetzen, um dann bei den Verhandlungen mit den Gläubigern eine Reihe von Sondervergünstigungen herauszuschlagen und für die Dauer von bis zu drei Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgelds zu finanzieren. Beißen die Kunden an, wird ihnen das Ganze erläutert:

Zunächst einmal müssen sich die neuen Kunden der Wirtschaftskanzlei von dem eigenen Unternehmen eine, wenn möglich recht hohe Summe auszahlen lassen und diese auf Familienmitglieder übertragen. Die Familienmitglieder würden das Geld dann an den Firmeninhaber zu hohen Zinsen verleihen. Dann fordern sie nach einer gewissen Frist die gesamte Summe des Kredits zurück, wozu der Firmeninhaber, trotz guter Geschäfte, nicht in der Lage ist. Damit wäre dieser jedoch trotz aller Gewinne zahlungsunfähig.

Die Zahlungsunfähigkeit ist die Voraussetzung für die Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht.

Der Firmeninhaber beantragt das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, will heißen, dass bei dieser Form der Pleite er die Geschäfte wie bisher und unter Umständen sogar mit demselben Geschäftsführer fortsetzen kann. Dieses Verfahren bietet dem Unternehmen größere Spielräume zu Verhandlungen mit seinen Gläubigern und anderen Beteiligten. Nun können, wie bereits erwähnt, für die Dauer von bis zu drei Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert werden. Das sind wiederum Mittel, die von anderen Firmen aufgebracht und durch die Arbeitsverwaltung in Höhe von 60 Prozent vom Nettoentgelt ausgezahlt werden.  Zur „Gesundung“ des Unternehmens kann auch die Nichtabführung von Umsatzsteuern, Lohnsteuer und sonstigen Steuern zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Verfahrens beitragen.

So ist es kein Wunder, dass die Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung immer häufiger durchgeführt und mit gesetzlichem Segen völlig „krumme Geschäfte“ getätigt werden, bei denen Geld und Ware, auch öffentliche Mittel, in die Taschen von Firmeninhabern und Rechtsanwälten umverteilt werden.

 

Als Nächstes soll hier auf die Hauptbeteiligten in den Verfahren, die Schuldner und die Gläubiger, eingegangen werden.

 

 

3. Schuldner

Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland die Überschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn geprägt und hat einen religiösen Überbau, dass nach den fetten Jahren, in denen man in Saus und Braus gelebt hat, magere Jahre folgen müssen, der Einzelne bestraft wird und Reue zeigen muss, indem er sich „wohlverhalten“ muss.

Als überschuldet gilt derjenige Mensch, bei dem die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben höher sind, als die Einnahmen. Gesellschaftlich wird den überschuldeten Personen unterstellt, dass sie nicht mit Geld umgehen können, „über ihre Verhältnisse“ gelebt haben „unwirtschaftlich haushalten“ und nicht dem Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ entsprechen.

Bei der Häufigkeit der Faktoren für die Überschuldung ist dieses Vorurteil auf dem vorletzten Platz, bei nur knapp 8 Prozent der Überschuldeten ist die unwirtschaftliche Haushaltung der maßgebliche Überschuldungsgrund.

Als Faktoren, die eine Überschuldung auslösen und begleiten, sind in der Reihenfolge der Häufigkeit

  • Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung und die damit verbundenen Einkommenseinbußen
  • Änderung der Lebensumstände durch Trennung, Scheidung oder Tod des Partners
  • Erkrankung, Sucht oder Unfall
  • gescheiterte Selbstständigkeit/Existenzgründung
  • unwirtschaftliche Haushaltsführung (Konsumverhalten)

und die gescheiterte Immobilienfinanzierung gelistet.

Die Überschuldung tritt nicht plötzlich auf und hat nicht nur eine Ursache, meistens ist es ein schleichender Prozess mit mehreren gleichzeitigen Ursachen. Hinzu kommen die Änderungen in den Familienformen, der Haushaltszusammensetzung, der Beschäftigungssituation und der öffentlichen und privaten Versorgung, die in den letzten Jahrzehnten zu einer Verschlechterung der Alltagsökonomie und der wirtschaftlichen Lebenssituation führten.

Auch hat sich das Konsumverhalten durch die Digitalisierung des Alltags und zwangsläufig auch das Zahlungsverhalten geändert.

Typische Beispiele für die Auswirkung der „Liberalisierung der Märkte“ und dem Fortschritt der Informationstechnik auf das Konsum- und Zahlungsverhalten sind:

  • der Anstieg der Informations- und Kommunikationstechnik: der Anteil der Haushalte, die einen PC besitzen ist in den letzten 20 Jahren von 40 auf 93 Prozent gestiegen. Der Einkauf per Online stellt eine enorme Änderung im Kauf- und Konsumverhalten dar. Für immer mehr Menschen ist das eher eine Belastung als eine Erleichterung. Dazu kommt die Gefahr des ungeplanten Wareneinkaufs, das Ausspähen der persönlichen Daten und die Möglichkeit der Profilbildung des Konsumenten für eine gezielte Bewerbung, bis hin zu kriminellen Kontoabbuchungen und Abmahnverfahren bei Urheber- und GEMArechtsverletzungen.
  • die Veränderungen bei der Telekommunikation: Seit Anfang der 1990er Jahre ist das Postmonopol aufgehoben, die Post war bis dahin alleiniger Anbieter von Telekommunikationsleistungen. 1998 wurde der Telekommunikationsmarkt vollständig „liberalisiert“. Schon 6 Jahre später gab es fast 2.200 Anbieter, die heute mit über 100 verschiedenen Tarifen auftreten und kaum noch überschaubar sind. Die Hilfe, durch Suchmaschinen einen günstigen Tarif zu finden, ist nicht immer verlässlich. Auseinandersetzungen um die Tarife, Monatsrechnungen und unrechtmäßige Forderungen sind so vorprogrammiert und verhindern ein wirtschaftliches Haushalten. Die Konzentration der Telekommunikationsriesen auf internationaler Ebene und der Kampf um Kunden werden auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen.
  • die Änderungen am Strommarkt: Bis 1998 hatten die Stromversorger Gebietsmonopole mit klar eingegrenzten Versorgungsgebieten. Seit 1999 kann man den Lieferanten von Strom frei wählen. Rund 1.100 öffentliche und private Anbieter gibt es bereits. Stromrechner im Internet weisen mehr als 250 Tarife aus und für den Verbraucher gleichen sich die Auseinandersetzungen wie die mit den Telekommunikationsanbietern. So werden die Anbieter von Dienstleistungen schnell zum Gläubiger der Verbraucher und ihre Forderungen finden sich regelmäßig in den Aufstellungen der Überschuldeten wieder.

Mithilfe des Verbraucherinsolvenzverfahrens sollen einmal die Gläubiger eines Schuldners gleichmäßig befriedigt und zum anderen dem „redlichen Schuldner“ Gelegenheit gegeben werden, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien und dann ein von den Altschulden befreites Leben zu führen.

Doch werden dem Schuldner während des Verfahrens zunehmend Steine in den Weg gelegt und er erlebt die strafenden Institutionen hautnah, wie die Beispiele aus Dortmund zeigen.

Beispiele für die Gängelung der Schuldner

Seit einem Jahr ist die Stadt Dortmund dazu übergegangen, für zahlungsunfähige Menschen, gegen die sie eine Forderung hat, einen Gläubigerantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Für die betroffenen Menschen bedeutet dies unglaublichen Stress und Verunsicherung, da das Insolvenzgericht sie dann auffordert, innerhalb von 4 Wochen einen eigenen Insolvenzantrag zu stellen. Dies ist aber bei der Unterbesetzung der anerkannten Beratungsstellen nicht möglich und die verzweifelten Leute wenden sich an kommerzielle Berater und verschulden sich zusätzlich. Nach Angaben der Stadt Dortmund wird so verfahren, „um Druck aufzubauen“.

Bei der Stadt Dortmund wird nicht lange gefackelt, wenn es um die Eintreibung der rückständigen Gebühren, Steuern oder allgemeinen Forderungen geht. Es wird sofort das gesamte Marterpaket ausgerollt, die Lohnpfändung und die Kontopfändung ausgebracht, die Vermögensauskunft abgenommen mit dem Eintrag in das Schuldnerverzeichnis und das auch bei Forderungen unter 100,00 Euro. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat der Schuldner ein massives Problem, egal ob er wegen geringem Einkommen, Schussellichkeit oder Protest die Gebühren nicht abgeführt hat, er kommt an sein Geld auf der Bank nicht mehr ran, riskiert seinen Arbeitsplatz durch die Lohnpfändung zu verlieren und seine Vermögenssituation kann beim Amtsgericht in Hagen im Schuldnerverzeichnis eingesehen werden.

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Die Hauptursache für eine Überschuldung ist der Verlust des Arbeitsplatzes. Für jeden fünften Schuldner war die Erwerbslosigkeit im vergangenen Jahr der Grund für die Existenz gefährdende finanzielle Notlage. Hat der Schuldner aber noch Forderungen beim Jobcenter oder der Bundesagentur (BA) offen, erlebt er Jobcenter und BA als Gläubiger, die sich wie die aggressivsten und stursten Gläubiger verhalten. Nur in besonderen Härtefällen dürfen sich Jobcenter und BA bei der Schuldenregulierung auf eine außergerichtliche Einigung einlassen. Damit ist bei allen verschuldeten, erwerbslosen Menschen, die auch bei der BA Schulden haben, ein Insolvenzverfahren vorprogrammiert, weil bei diesen außergerichtlichen Einigungen der Grundsatz gilt, dass alle Gläubiger mitmachen und auf einen Teil der Forderung verzichten. Die BA schickt damit die Menschen in die Insolvenz. Die eigenen Forderungen werden zunehmend heftiger eingetrieben. Sei es durch mehrere Ratenzahlungen, die verbotenerweise parallel geleistet werden müssen und/ oder durch Aufrechnung, d. h. durch Einbehaltung der Leistung, wobei die Menschen weit unter das Existenzminimum gedrückt werden und zum Lebenserhalt sich weiter verschulden müssen.

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Der Insolvenzverwalter drängt die allein erziehende Frau dazu, monatliche Raten in Höhe von 70 Euro an ihn zu zahlen, damit die Schuldnerin die vorzeitige Restschuldbefreiung erlangt. Die Frau und ihre 2 Kinder beziehen aber Arbeitslosengeld 2, von dem keine Ratenzahlungen getätigt werden sollten und müssen sich die Zahlung vom Mund absparen.

Das Auto eines Ehepaares soll weiter über die alte Finanzierung genutzt werden. Laut Insolvenzverwalter kommt bei ihm ein Verwertungsverzicht nur infrage, wenn die Insolvenzverfahren wirtschaftlich gleich gestellt werden und ihm eine „Feststellungskostenpauschale“ in Höhe von 4 Prozent des Verwertungserlöses – des >Liquidationswertes> von rund 6.500 Euro –  das sind 130 Euro pro Ehepartner –  zufließt.

Auch kommt es häufig vor, dass der pfändbare Einkommensanteil beim Arbeitgeber vom Insolvenzverwalter und gleichzeitig der dem Freibetrag übersteigende Betrag incl. Weihnachtsgeld vom P-Konto eingezogen wird.

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Die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten durch das Insolvenzgericht hat in den vergangenen Jahren in den laufenden Verbraucherinsolvenzverfahren zugenommen, auch um die Kosten der Verfahren insgesamt zu senken. Damit ist für viele Schuldner das Insolvenzverfahren beendet, weil sie die Verfahrenskosten nicht in einer Summe aufbringen können.

Um die Einnahmen zu erhöhen wurde von einem Rechtspfleger die Laufzeit der Abtretungserklärung mit Wissen des Insolvenzverwalters verlängert. Die Regelinsolvenz des Schuldners läuft bereits im 7. Jahr.

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Nachdem das Finanzamt eine Einkommensteuerforderung, entstanden nach Insolvenzeröffnung, über den Drittschuldner eintreiben ließ, wurde beim Insolvenzgericht der Antrag auf Pfandfreistellung abgewiesen. So musste eine Schuldnerin aus ihrem insolvenzfreien, unpfändbaren Vermögen die Gesamtzahlung leisten. Eine Ratenzahlung wurde seitens des Finanzamtes abgelehnt und der Drittschuldner, die Sparkasse, führte unerlaubterweise bei einem Kontostand von 1036,00 € die 373.05 € an das Finanzamt ab, sodass die Zahlungen für Miete und Energie am Monatsende nicht ausgeführt werden konnten.

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Als reine Schikane muss man das Verhalten der Angestellten der Sparkasse Dortmund, einer Institution, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist, bezeichnen, wenn bis zu 2 Wochen die Auszahlung vom Pfändungsschutzkonto (P-Konto) verweigert wird und die Menschen ohne Bargeld dastehen. Beschwerden werden erst gar nicht entgegengenommen, sondern die erbosten Kunden werden aus den Geschäftsräumen verwiesen. Schlimmer ist noch, dass Beschwerden lautstark vor dem gesamten Publikum gekontert werden und den enttäuschten Kunden der Rat gegeben wird, keine Schulden zu machen, dann würden sie auch an ihr Geld kommen oder besser zu wirtschaften, dann könnten sie auch mit den Grundfreibeträgen des P-Kontos auskommen.

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Spar- und Bauverein eG: Einer allein erziehenden Frau, die in Vollzeit arbeitet, sich im Insolvenzverfahren befindet und eine Wohnung suchte, teilte der Spar- und Bauverein eG mit: „Wie wir erfahren haben, wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Wir nehmen vorerst von einer Neuvermietung an Sie Abstand und werden Ihnen während der Wohlverhaltensphase keine Wohnung vermitteln“.

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Dortmunder Gesellschaft für Wohnen – vormals: Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH (DOGEWO): Ein junger Mann, vollzeitbeschäftigt im unbefristeten Arbeitsverhältnis durchläuft das 3. Jahr des Insolvenzverfahrens. Die DOGEWO teilte ihm mit, dass keine Vertragsverhältnisse bei einem „Schufa-Eintrag“ eingegangen werden und ebenso werde bei durchlaufendem Insolvenzverfahren gehandelt.

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Dortmunder Stadtwerke AG (DSW 21): Einem Familienvater, als Leiharbeiter vollzeitbeschäftigt und im Verbraucherinsolvenzverfahren, wurde von den DSW 21 mitgeteilt; „Die Bonitätsprüfung ihrer Daten ergab leider kein zufriedenstellendes Ergebnis, somit ist kein Vertragsabschluss möglich“. Es ging um den Abschluss eines Jahresabonnements für ein Ticket. Da die DSW21 in Dortmund das Monopol der Personenbeförderung besitzt, ist diese Vorgehensweise nicht rechtens.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im vergangenen Jahr entschieden, dass nicht nur erfolglose Selbstständige und arbeitslose Schuldner sich um eine angemessene Vollzeitbeschäftigung bemühen müssen, sondern auch teilzeitbeschäftigte Schuldner sich im Rahmen ihrer Erwerbsobliegenheiten um eine Vollzeitbeschäftigung bemühen müssen. Im dem konkreten Streitfall entschied der BGH, dass sich der Schuldner nicht ausreichend um eine Vollzeitstelle bemüht habe, sodass die Restschuldbefreiung ihm zu Recht versagt wurde. Überschuldete Teilzeitbeschäftigte müssen sich grundsätzlich nach einem Vollzeit-Arbeitsplatz umsehen, um ihre Schulden besser begleichen zu können. Kommen sie dem nicht nach, kann ihnen während des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung verweigert werden, entschied der BGH.

 

Das Leben wird für die Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunehmend komplizierter und überfordert sie ganz häufig. Als sollten sie tagtäglich daran erinnert werden, dass sie sich in dem hiesigen Wirtschaftssystem falsch verhalten haben, dafür büßen und sich „wohlverhalten“ müssen.

 

 

4. Gläubiger

Der Begriff des Gläubigers kommt vom italienischen Wort creditore, das auf das lateinische  credere ‚glauben‘ zurückgeht. Demnach glaubt ein Gläubiger seinem Schuldner, dass dieser die Schuld erbringen wird.

Im Schuldrecht wird als Gläubiger bezeichnet, wer von einem anderen, dem Schuldner, eine Leistung fordern kann. Die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner wird als Schuldverhältnis bezeichnet.

Stärkung der Gläubigerrechte

Bis zur letzten „Reform“ der Insolvenzordnung im Juli 2014 war dieses Schuldverhältnis im Großen und Ganzen recht ausgeglichen. Mit der Einführung des „Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ verschob sich das Verhältnis zugunsten der Gläubiger, dank ihrer guten Lobbyarbeit in Berlin.

Um die Akzeptanz der möglichen Verfahrensverkürzung zu erreichen, wurden den Gläubigern einige Zugeständnisse gemacht. Das Gesetz sieht nun neue Ausnahmen von der Restschuldbefreiung vor, wie rückständige Unterhaltsansprüche, die der Schuldner pflichtwidrig nicht gewährt hat oder Schulden aus einem Steuerschuldverhältnis, wegen denen der Schuldner strafrechtlich nach §§ 370, 373 oder 374 der Abgabenordnung (AO) rechtskräftig verurteilt worden ist.

Auch wurden die Versagungsgründe neu geregelt. Für unredliche Schuldner wird im Falle von Eigentums- und Vermögensdelikten die Restschuldbefreiung erschwert. Außerdem ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit verletzt, die künftig im gesamten Zeitraum des Verfahrens besteht.

Seit 2014 kann die Restschuldbefreiung künftig leichter widerrufen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund bekannt wird.

Im alltäglichen Umgang ist die Kommunikation mit den Gläubigern durch ihre bessere Stellung  komplizierter geworden. So werden gegenüber den Schuldnern und deren Vertretern Informationen zurückgehalten, Anfragen nicht beantwortet, Forderungsaufstellungen erst nach Monaten übersandt, Nonsensvergleiche angeboten, Forderungen weiterverkauft, was die Nachverfolgung und Prüfung erschwert und häufiger Gläubigerinsolvenzanträge gestellt.

Insgesamt ist die Vergleichsbereitschaft aufseiten der Gläubiger zurückgegangen, auch deshalb, weil sie vom Gesetzgeber und von den Gerichten viele Zugeständnisse erhalten haben.

Ausfall einer Kapital­forderung führt zu einem Verlust, der vom Finanzamt steuerlich berücksichtigt werden muss

Das höchste Finanz­gericht hat entschieden, dass der endgültige Ausfall einer Kapital­forderung eines Gläubigers zu einem Verlust führt, der vom Finanzamt steuerlich berücksichtigt werden muss. Konkret bedeutet das, wer als Gläubiger sein Geld nicht zurückbekommt, muss weniger Einkommensteuer zahlen.

Im konkreten Fall hatte ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010 rund 24.000 Euro gegen fünf Prozent Zinsen verliehen. Der Schuldner hatte mehr als 19.000 Euro nicht zurückgezahlt und schlussendlich Insolvenz angemeldet. Das örtliche Finanzamt hatte die 19.000 Euro Einbuße nicht als Verlust anerkannt. Das Ehepaar zog vor Gericht und hatte nun in der letzten Instanz Erfolg.

Mit dem Urteil vom  24.10.2017 – AZ VIII R 13/15 – wurde die Neuorientierung des Bundes­finanz­hofs (BFH) deutlich, denn bisher fanden sich Gläubiger steuerlich in einer unerfreulichen Lage, wenn ihre Schuldner nicht mehr zahlten: Sie mussten für verliehenes Geld Steuern bezahlen, auch dann, wenn die Schuldner nichts oder nur einen Teil zurück­gezahlt hatten.

Laut BFH hat sich die Rechtslage mit der Einführung der Abgeltungsteuer 2009 geändert. Danach gilt die früher übliche Trennung von Vermögen und Gewinnen bei der Versteuerung von Kapitalerträgen nicht mehr. Die Abgeltungssteuer ist eine Quellensteuer, die die Einkommensteuer abgilt. Hierdurch wird eine Veranlagung des Steuerschuldners überflüssig. Die bekannteste Abgeltungssteuer ist die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, auch der Steuerabzug von Vergütungen von Aufsichtsräten wird als Abgeltungsteuer bezeichnet.

Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung führt nach Ansicht des BFH seit der Einführung der Abgeltungssteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust in der privaten Vermögenssphäre.

Ein für die Steuer relevanter Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass über schon gezahlte Beträge hinaus keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden.

Die Finanzämter erkannten diese Einbußen bisher nicht als Verlust an und auch sie müssen nun umdenken, denn gemäß dem Urteil gilt ja die früher übliche Trennung von Vermögen und Gewinnen bei der Versteuerung von Kapitalerträgen nicht mehr. Der BFH legt nun fest, dass die Finanzämter nicht zurückgezahlte faule Kredite steuerlich ebenso anerkennen müssen, wie Verluste beim Verkauf von Forderungen.

Nach diesem Urteil werden bei den vermögenden Geldverleihern, Spekulanten und der Finanzbranche insgesamt die Sektkorken geknallt haben.

Wenn sie Geld verlieren, haftet der Staat und für die Steuerausfälle muss bei den Staatsausgaben gespart werden.

In den Insolvenzverfahren spielen die Insolvenzgerichte eine wichtige Rolle, doch stehen sie nicht so in der Öffentlichkeit, wie die anderen Verfahrensbeteiligten. Hier sollen sie aber nicht so ausführlich abgehandelt werden, auch deshalb, weil der rechtliche Aspekt immer im Vordergrund bei den Verfahren steht und der ökonomische bzw. volkswirtschaftliche kaum Beachtung findet.

 

 

5. Insolvenzgerichte

Als die Insolvenzordnung zum 01.01.1999 in Kraft trat, mussten die überschuldeten und zahlungsunfähigen Menschen die Kosten für das Insolvenzfahren von damals rund 1.200 D-Mark vor der Eröffnung beim Amtsgericht einzahlen. Das war für die meisten Schuldner ein unlösbares Problem, weil sie das Geld nicht aufbringen konnten, da die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag  ja die Zahlungsunfähigkeit ist. Die Proteste der Schuldner und ihrer Vertreter fanden in NRW offene Ohren und es wurde geregelt, dass die Verfahrenskosten für die Dauer des Verfahrens gestundet und analog zur Beratungs- und Prozesskostenhilfe danach zurückgefordert werden können.

Voraussetzung für die Stundung  ist, dass das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichend ist, um die Verfahrenskosten zu decken und das keine Versagungsgründe vorliegen.

Die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten durch das Insolvenzgericht hat in den vergangenen Jahren in den laufenden Verbraucherinsolvenzverfahren zugenommen, auch um die Kosten der Verfahren insgesamt zu senken. Nach § 4 c Nr. 1 InsO kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind oder eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat.

Mit der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung werden die Kosten in einer Summe fällig. Die Summe kann naturgemäß kaum ein Schuldner aufbringen, sodass das gesamte Verfahren beendet wird und die verbliebenen Schulden ebenfalls fällig werden.

In diese Situation können Schuldner recht häufig geraten, wenn z.B. die Schreiben des Insolvenzverwalters oder des Gerichts ihnen nicht zugestellt werden konnten, was in den „Problemhäusern“ häufig der Fall ist oder die Unterlagen beim Insolvenzverwalter oder beim Insolvenzgericht eingereicht wurden, ohne  dass die Schuldner eine Empfangsbestätigung erhalten haben, dann vorgeblich nicht vorhanden sind und ihnen mangelnde Mitwirkung unterstellt wird.

Einige Rechtspfleger sind bei der Aufhebung der Stundung  der Verfahrenskosten recht kreativ geworden und der einzelne Schuldner ist ihnen ohne anwaltliche Hilfe schutzlos ausgeliefert.

Eine weitere Möglichkeit den Schuldner zur Zahlung der Verfahrenskosten zu zwingen, ist die Behauptung des Gerichts, dass eine Verlängerung, also die Fortsetzung der bereits gewährten Stundung nur möglich sei, solange das Verfahren noch anhängig, also noch nicht abgeschlossen ist. Wenn der Schuldner im Rahmen der Beschwerde gegen den Beschluss vorgeht und das Gericht darauf hinweist, dass es nach § 4 b der Insolvenzordnung keine Ausschlussfrist gibt und somit eine Verlängerung der Verfahrenskostenstundung möglich ist, bekommt der Schuldner recht und die Verlängerung der Verfahrenskostenstundung wird gewährt.

Manchmal aber, wenn das Landgericht nach Anhörung des Schuldners der Beschwerde stattgegeben, der Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen wird, bleibt der gesamte Vorgang so lange in der Schublade liegen, bis die Frist von 4 Jahren nach Verfahrensende abgelaufen ist, in der die Kosten vom Gericht eingefordert werden können.

Schwierig wird es für die Schuldner immer dann, wenn die Oberjustizkasse die Verfahrenskostenzahlung in einer Summe vollstreckt, was zunehmend häufiger vorkommt und das Insolvenzgericht nicht mehr beteiligt ist. Er hat auch dann die Möglichkeit einen Antrag auf Verfahrenskostenstundung zu stellen, wenn er keine pfändbaren Einkommensanteile erwirtschaftet, doch das durchzusetzen ist äußerst schwierig.

Der Rückgang der Insolvenzverfahren in den letzten Jahren hat auch damit zu tun, dass Personal in den Insolvenzberatungsstellen abgebaut wurde oder Stellen zwar ausfinanziert, aber nicht besetzt sind. Damit ist vielen überschuldeten Menschen, die das Verbraucherinsolvenzverfahren anstreben, der Weg versperrt, weil für das Verfahren eine außergerichtliche Einigung mit Hilfe einer anerkannten und geeigneten Insolvenzberatungsstelle vorgeschaltet ist. Sie müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder die teuren, teils unseriösen gewerblichen Beratungsstellen kontaktieren, um die außergerichtliche Einigung zu versuchen.

Der Rückgang der Verfahren hat bei den Gerichten Befürchtungen genährt, dass Stellen abgebaut und Versetzungen notwendig werden. Man ist an den einzelnen Gerichten deshalb an bleibenden oder höheren Fallzahlen interessiert. Das scheint auch ein Grund dafür zu sein, dass der Trend, wachsender Anzahl von Verfahren, die auf einen Gläubigerinsolvenzantrag beruhen, von den Gerichten begrüßt wird. Hier tun sich derzeit vor allem die Kommunen als Gläubiger hervor, um die Schuldner unter Druck zu setzen und sämtliche Vollstreckungswerkzeuge, auch bei geringen Forderungen, anwenden und verursachen zusätzlich enorme Kosten.

 

 

6. Insolvenzverwalter

Insolvenzverwalter und das Regelinsolvenzverfahren

Die meisten Menschen hierzulande kennen einen Insolvenzverwalter nur von den großen Insolvenzverfahren, wenn die Medien über die horrenden Vergütungen berichten. Hubert Görg, der im großen Karstadtverfahren für seine Tätigkeit 50 Millionen Euro bekam, Lucas Flöter, der für die ersten Monate bei der insolventen Fluglinie AirBerlin rund 22 Millionen Euro erhielt und Christian Gerloff, der 5 Millionen Euro für seine Arbeit als Insolvenzverwalter der Modefirma Escada verlangte, sind wohl die bekanntesten Top-Verdiener der Branche. Unbekannt bleibt meistens, warum die Entgelte der Insolvenzverwalter so hoch sind.

Sinnvoll ist es, einmal genauer hinzuschauen:

  • Die Vergütung des Insolvenzverwalters richtet sich nach dem Wert der von ihm verwalteten Insolvenzmasse und den besonderen Tätigkeiten, die er in dem Verfahren geleistet hat.Die Einzelheiten sind gesetzlich in der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) geregelt. Hier ist insbesondere eine Tabelle enthalten, welche die Prozentsätze vom Wert der Masse festlegt, die der Verwalter für den Regelfall – also wenn keine besonderen Tätigkeiten vorliegen – als Vergütung beanspruchen kann, das ist die  Regelvergütung. Danach erhält der Insolvenzverwalter bei einem Wert der Masse bei Beendigung des Verfahrens von 25.000 Euro oder weniger dann 40 Prozent der Insolvenzmasse, mindestens aber 1.000 Euro, bei mehr als 10 Gläubigern erhöht sich der Betrag noch. Bei weiteren 25.000 Euro Wert der Masse beträgt die Vergütung 25 Prozent, bei weiteren 200.000 Euro 7 Prozent, für die weiteren 250.000 Euro 3 Prozent, für die weiteren 24.500.000 Euro 2 Prozent, für die darüber hinaus gehenden 25.000.000 Euro 1 Prozent sowie für alle darüber hinaus gehenden Mehrbeträge 0,5 Prozent. Die Vergütung verteilt sich dabei anteilig auf die jeweiligen Staffeln. Die üblichen Geschäftskosten werden durch diese Vergütung abgedeckt, allerdings können z.B. die Reisekosten gesondert geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter kann sogar nach Zustimmung des Gerichts einen Vorschuss für seine Tätigkeit aus der Masse entnehmen. Die Tätigkeiten als vorläufiger Insolvenzverwalter und als endgültiger Insolvenzverwalter werden gesondert vergütet.
  • Die Vergütung erhält der Insolvenzverwalter nur auf Antrag, der vom Insolvenzgericht durch Beschluss beschieden und  die Vergütung festgesetzt wird. Der Antrag kann erst nach der jeweiligen Beendigung der Tätigkeiten der vorläufigen und endgültigen Verwaltung gestellt werden. Damit das Gericht bei der Festsetzungsentscheidung  von dem richtigen Wert der Insolvenzmasse ausgehen kann, muss der Insolvenzverwalter mit seinem Antrag auch die sogenannte Schlussrechnung vorlegen. Hat das Gericht die Vergütung festgesetzt, darf der Verwalter diesen Betrag aus der Insolvenzmasse nehmen. Dem insolventen Unternehmen muss er darüber eine Rechnung ausstellen.
  • Der Verwalter muss besondere Tätigkeiten in seinem Antrag exakt aufzählen und erläutern. Eine besondere Tätigkeit kann aber alles sein, was von einem einfachen Liquidationsverfahren abweicht, dazu können z.B. die Fortführung eines Unternehmens, dessen Sanierung, der Verkauf des Unternehmens oder die Aufstellung eines Insolvenzplanes gehören.
  • Der Gläubiger kann Beschwerde gegen den gerichtlichen Beschluss einlegen, dann müssen die Rechtsmittelinstanzen insbesondere überprüfen, ob die vom Verwalter beschriebenen besonderen Tätigkeiten die Vervielfachung der Regelvergütung in dem festgesetzten Umfang rechtfertigen. Letztendlich hat der Bundesgerichtshof zu entscheiden.
  • Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter als Sachverständigen beauftragen zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bestehen. In diesen Fällen erhält er gesondert eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG).

 

Jedes fünfte deutsche Unternehmensinsolvenzverfahren landete im Jahr 2017  bei einem der  50 Top-Verwalter, insgesamt brachten sie es auf über 1.400 Verfahren.

Die Top-50-Verwalter 2017 in der Übersicht:
Name Kanzlei eröffnete
Verfahren 2017
Schulte-Kaubrügger, Christoph White & Case Insolvenz GbR 60
Laboga, Sebastian KÜBLER 44
Siemon, Klaus Siemon Insolvenzmanagement 44
Andres, Dirk AndresPartner Partnerschaft mbB 40
Flöther, Lucas F. Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung GbR 39
Borchardt, Peter-Alexander Reimer Rechtsanwälte Partnergesellschaft 37
Böhm, Gideon Münzel & Böhm Rechtsanwälte PartG mbB 35
Niering, Christoph Niering Stock Tömp Rechtsanwälte GbR 35
Sponagel, Moritz Dr. Sponagel Rechtsanwälte 34
Plathner, Jan Markus Brinkmann & Partner 33
Bähr, Biner White & Case Insolvenz GbR 33
d’Avoine, Marc d’Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte 31
Hammes, Dirk hammes. Rechtsanwälte – Insolvenzverwalter 31
Rattunde, Rolf LEONHARDT RATTUNDE 31
Hofmann, Matthias Pohlmann Hofmann Insolvenzverwalter Rechtsanwälte Partnerschaft 31
Graf Brockdorff, Christian BBL Bernsau Brockdorff Insolvenz- und Zwangsverwalter GbR 30
Ampferl, Hubert Dr. Beck & Partner GbR 30
Martini, Torsten LEONHARDT RATTUNDE 30
Undritz, Sven-Holger White & Case Insolvenz GbR 30
Hackländer, Philipp White & Case Insolvenz GbR 30
Böhme, Berend B+O Böhme Oelbermann 29
Liebig, Max JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter 29
Spiekermann, Olaf Brinkmann & Partner 28
Kreimer, Tanja Rechtsanwaltskanzlei Kreimer & Kollegen 28
Berner, Susanne Dr. Berner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH 27
Otto, Christian hww hermann wienberg wilhelm 26
Kebekus, Frank Kebekus et Zimmermann 26
Michels, Stephan Michels Vorast Insolvenzverwaltung GbR 26
Bünning, Ralph Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH 26
Freiherr v. d. Bussche, Boris BŞB | BUSSCHE – ŞAHIN – BÜLOW 25
Rebholz, Knut MÖNNING FESER PARTNER Rechtsanwälte Insolvenzverwalter 25
Schiebe, Robert Schiebe und Collegen 25
Voigt-Salus, Joachim VOIGT SALUS GbR 25
Koch, Carsten westhelleundpartner 25
Exner, Joachim Dr. Beck & Partner GbR 24
Penzlin, Dietmar Schmidt-Jortzig Petersen Penzlin Insolvenzverwaltung GbR 24
Beyer, Tim Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft
für Insolvenzverwaltung mbH
24
Köster, Malte WILLMERKÖSTER 24
Birkmann, Markus BBL Bernsau Brockdorff Insolvenz- und Zwangsverwalter GbR 23
Fink, Paul FRH Rechtsanwälte – Steuerberater 23
Pohlmann, Rolf G. Pohlmann Hofmann Insolvenzverwalter Rechtsanwälte Partnerschaft 23
Schwentker, Axel Schwentker • Bückmann 23
Sietz, Oliver VOIGT SALUS GbR 23
Grund, Andreas AndresPartner Partnerschaft mbB 22
Wegener, Dirk dhpg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Obermüller,
Rhode & Partner mbB
22
Eckert, Rainer Eckert Insolvenzrecht GbR 22
Mai, Vera Kanzlei Dr. Vera Mai Rechtsanwälte 22
Feser, Udo MÖNNING FESER PARTNER Rechtsanwälte Insolvenzverwalter 22
Lehnert, Mirko Schiebe und Collegen 22
Schwarz, Karina Schwarz + Rühmland Insolvenzverwaltungen GbR 21

 

Vereinfacht ausgedrückt, werden Insolvenzverwalter nach Erfolg bezahlt. Je größer die Insolvenzmasse und je mehr sie für die Gläubiger herausholen, desto höher fällt ihre Vergütung aus. Wird das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet, geht der Verwalter fast leer aus, abgesehen von Gutachterkosten.

Der Insolvenzmarkt scheint sich derzeit neu zu sortieren, während die Verwalterkanzleien mit den vielen Verfahren immer mehr Verfahren erhalten und die Branche dominieren, beklagen die kleineren Kanzleien den branchenweit grassierenden Auftragsmangel.

Diese Entwicklung wurde zuletzt bei der spektakulärsten Großinsolvenz der deutschen Wirtschaftsgeschichte, der Insolvenz von AirBerlin sichtbar, als sich im Estrel Congress Center die Crème de la Crème der Verwalter versammelte. Namentlich waren das u.a. Frank Kebekus von Kebekus & Zimmermann, Lucas Flöther von Flöther & Wissing, Stefan Denkhaus von BRL Boege Rohde Luebbehuesen, Arndt Geiwitz von SGP Schneider Geiwitz & Partner, Rainer Eckert, Kanzleivorsteher von Eckert Insolvenzrecht, Voigt Salus, Roland Berger und Falkensteg.

Bei Branche, in denen solche lukrative Geschäfte gemacht werden und jeder einmal am großen Rad drehen möchte, kommt es immer wieder zu Betrügereien mit hoher krimineller Energie.

Anhand von 3 Beispielen wird das Ausmaß dieser Fälle dargestellt.

Der Bayreuther Rechtsanwalt Torsten R. hat vermutlich schon seit über zehn Jahren als Insolvenzverwalter in etlichen Verfahren grob gegen seine Pflichten verstoßen und sich gesetzwidrig bereichert.

Der Schaden geht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Hof in die Millionen. Torsten R. fiel bei der Prüfung seiner Kontoauszüge auf. Die angegebene IBAN-Nummer passte nicht zur angegebenen Bankleitzahl. Als das Gericht die Nummer in einem ganz gewöhnlichen IBAN-Rechner im Internet überprüfte, stellte sich heraus, dass es diese Bankverbindung gar nicht gab. Daraufhin ließ sich die Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts die Akten weiterer, von Torsten R. betreuter Insolvenzverfahren bringen. Sie sah, dass alle Auszüge von ein und derselben Bank stammten, aber sie waren verschieden gestaltet. Auch hier standen den angegebenen IBAN-Nummern keine realen Konten gegenüber.

Der Insolvenzverwalter  hat inzwischen gestanden, die Auszüge der angeblichen Festgeldkonten selbst gefälscht zu haben. Er beharrt aber darauf, dass er zu den ihm angekreideten Entnahmen aus der Masse berechtigt gewesen sei, weil er als Insolvenzverwalter Aufwendungen gehabt habe. Das wurde aber von der Rechtspflegerin bestritten, weil Vorschüsse und Entnahmen vor der Schlussabrechnung eines Insolvenzverfahrens nur auf Antrag und nur nach der Bewilligung des Insolvenzgerichts legal möglich seien. Sie bat die Staatsanwaltschaft auch Vorwürfe kritisch zu prüfen, nach denen Torsten R. als Insolvenzverwalter Aufträge an Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erteilte, die in seiner eigenen Kanzlei arbeiteten.

Dieser Betrug ist nur zufällig durch eine ausgeschlafene und engagierte Beamtin aufgefallen.

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Fast 12 Jahre nach seinem kurzen Einsatz als Insolvenzverwalter für ein norddeutsches Bauunternehmen muss sich ein Bremer Fachanwalt für Insolvenzrecht wegen Betrug verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, für seine zehnwöchige Arbeit im Jahr 2007 eine Vergütung von 12,15 Millionen Euro zuzüglich Umsatzsteuer beantragt zu haben. Er soll dabei wesentliche Umstände verschwiegen und dadurch mindestens 148.000 Euro zu viel erhalten haben.

Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen, nachdem die Höhe der Vergütung bekannt geworden war. 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft auch gegen einen Rechtspfleger des zuständigen Amtsgerichts, in diese Untersuchungen schaltete sich auch die Zentralstelle für Korruptionsstraftaten in Osnabrück ein. Bis dahin blieb auch unentdeckt, dass aus der Insolvenzmasse des Unternehmens vor allem Verwalter und Mitglieder des Gläubigerausschusses und erst danach die Beschäftigten entlohnt wurden. Die früheren Klagen der Gläubiger wegen der ungewöhnlich hohen Entlohnung, waren zunächst gescheitert. 2016 hob das Oberlandesgericht Oldenburg die Entscheidung auf und ließ die Anklage zu dem Strafprozess vor einer anderen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Aurich zu. Nach einem Vergleich soll der Verwalter 9,5 Millionen Euro zurückzahlen. Das Bauunternehmen hat übrigens die damalige Insolvenz überstanden.

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Der Bauträger Roland Ernst hatte einen Insolvenzantrag gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter des Unternehmens wurde der Heidelberger Anwalt Jobst W. bestellt. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde schnell offensichtlich, dass es eine besondere Nähe zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Bauträger gab.

Nach späteren eigenen Aussagen war der Anwalt an insgesamt vier der rund 120 Fonds der Roland-Ernst-Gruppe beteiligt. Es handelte sich um die Fonds „Rathaus Limburger Hof“, „Ramada Leipzig“, „Teltow“ und „Dora“, außerdem war Jobst W. zu dem Zeitpunkt der Mitgesellschafter der Roland-Ernst-Firma GFG. Jobst W. hatte nach breitem öffentlichen Protest das Amtsgericht gebeten, ihn nach der anstehenden Gläubigerausschusssitzung von seinen Aufgaben zu entbinden und einen neuen (vorläufigen) Insolvenzverwalter zu bestellen.

Das Insolvenzgericht beteuerte dann, zum Zeitpunkt der Bestellung nichts von dem Engagements Jobst W. in den Ernst-Unternehmungen gewusst zu haben. Hätte man etwas davon gewusst, wäre er nicht bestellt worden… Hätte man mal ins Handelsregister geschaut…

Insolvenzverwalter  im Verbraucherinsolvenzverfahren – das ist nur „Beifang“

Auch in den Verbraucherinsolvenzverfahren wird vom Gericht ein Insolvenzverwalter zugeteilt. Die Kosten für den Insolvenzverwalter richten sich nach der Anzahl der Gläubiger und der Insolvenzmasse.

Ist die Anzahl der Gläubiger nicht höher als 10, erhält der Insolvenzverwalter mindestens 1.000,00 Euro. Sind es mehr als 10 Gläubiger kommen je 5 angefangene Gläubiger 150,00 Euro hinzu. Zusätzlich erhält der Insolvenzverwalter einen Anteil aus der Insolvenzmasse. Bei einer Insolvenzmasse bis zu 25.000,00 Euro erhält der Insolvenzverwalter 40 Prozent, bis zu 50.00,00 Euro sind es 25 Prozent. Wenn z.B. der Insolvenzschuldner 10 Gläubiger hat und eine Insolvenzmasse von insgesamt 10.000,00 Euro erzielt wurde, fallen für das Insolvenzgericht und für den Insolvenzverwalter Kosten von ca. 4.900,00 Euro an. Hat der Insolvenzschuldner 15 Gläubiger und es ist keine Insolvenzmasse vorhanden, dann fallen für das Insolvenzgericht und für den Insolvenzverwalter Kosten von ca. 2.050,00 Euro  an.

Vor diesem Hintergrund scheint es für die Schuldner oft nicht einsichtig zu sein, dass in den Verbraucherinsolvenzverfahren mit unglaublicher Energie, Engagement und Akribie um jeden Euro gerungen wird, der zur Masse gezogen werden kann und wie einzelne Mitarbeiter in den Insolvenzverwaltungskanzleien ihre Aufsicht über den Schuldner auslegen.

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Der Insolvenzverwalter drängt die allein erziehende Frau dazu, monatliche Raten in Höhe von 70 Euro an ihn zu zahlen,  damit die Schuldnerin die vorzeitige Restschuldbefreiung erlangt. Die Frau und ihre 2 Kinder beziehen aber Arbeitslosengeld 2, von dem keine Ratenzahlungen getätigt werden sollten und müssen sich die Zahlung vom Mund absparen.

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Das Auto eines Ehepaares soll weiter über die alte Finanzierung genutzt werden. Laut Insolvenzverwalter kommt bei ihm ein Verwertungsverzicht nur infrage, wenn die Insolvenzverfahren wirtschaftlich gleich gestellt werden und ihm eine „Feststellungskostenpauschale“ in Höhe von 4 Prozent des Verwertungserlöses – des >Liquidationswertes> von rund 6.500 Euro –  das sind 130 Euro pro Ehepartner –  zufließt.

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Auch kommt es häufig vor, dass der pfändbare Einkommensanteil beim Arbeitgeber vom Insolvenzverwalter und gleichzeitig der den Freibetrag übersteigende Betrag incl. komplettes Weihnachtsgeld vom Konto eingezogen wird. Die Schuldner brauchen einige Wochen, um sich finanziell zu erholen.

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Da muss der 74-jährige ehemalige selbständige Handwerksmeister dem 24-jährigen Sachbearbeiter des Insolvenzverwalters monatlich die Bankauszüge zeigen und sich rechtfertigen, was er mit dem pfändungsfreien Einkommen alles so macht.

 

Parallel zur gesetzlich festgelegten Stärkung der Gläubigerrechte vor 5 Jahren haben sich auch in der alltäglichen Insolvenzverfahrenspraxis die Macht und die Herrlichkeit der Insolvenzverwalter in den Verbraucherinsolvenzverfahren zu lasten der Schuldner ausgeweitet.

Die Kritik an dem Wildwuchs bei den Einkünften der Insolvenzverwalter wird noch übertönt von der Kritik an den Geschäftspraktiken der Inkassounternehmen. Hier werden die Scham und Leichtgläubigkeit der Schuldner häufig frech ausgenutzt, ohne die oftmals ausweglose Situation, in der sich viele Schuldner befinden, zu berücksichtigen.

 

 

7. Inkassounternehmen

Die Inkassounternehmen umgibt immer schon eine unseriöse Aura, weil niemand zugibt, sie zu kennen, es keine amtliche Statistik für diese Unternehmen gibt und die Branche bei Verfehlungen lediglich von „schwarzen Schafen“ spricht.

Nach Angaben des Bundes Deutscher Inkasso Unternehmen (BDIU) waren zum 1. Januar 2017 in Deutschland 2.081 Registrierungen für Inkassodienstleistungen hinterlegt. Alten Zahlen zufolge sollen in 2011 rund 750 Inkassodienstleister aktiv am Markt gearbeitet haben, die ein Forderungsvolumen von fast 27 Milliarden Euro hielten und in dem Jahr daraus fünf Milliarden Euro eingezogen haben. Es handelt sich hierbei überwiegend um regional tätige kleinere Unternehmen. Angenommen wird, dass über zwei Drittel aller Inkassofirmen maximal fünf Mitarbeiter beschäftigt haben. Im BDIU waren zu dieser Zeit 560 Unternehmen als Mitglied organisiert, der somit etwa 90 Prozent des Forderungsvolumens repräsentierte.

Die Hauptaufgabe von Inkassodienstleistern ist das Einziehen von Forderungen, die kaufmännisch ausgemahnt, aber noch nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Dabei können die Forderungen von den Ursprungsgläubigern abgetreten, verkauft oder mit einem Factoringauftrag versehen worden sein. Bei Bevollmächtigungen endet die Vertretungsbefugnis von Inkassounternehmen, wenn es im Mahnverfahren zu einer Abgabe an das Streitgericht gekommen ist und wenn im Rahmen von Zwangsvollstreckungen Handlungen zu einer Einleitung eines streitigen Verfahrens führen würden oder wenn Handlungen in einem streitigen Verfahren notwendig sind.

Viele Inkassounternehmen bieten noch zusätzliche Dienstleistungen wie kaufmännische Hilfstätigkeiten im Bereich der Angebots- und Rechnungserstellung und auch die langfristige Überwachung derzeit nicht einbringbarer titulierter Forderungen an. Dabei kommt es immer zu teurer Doppelbeauftragung von Inkassounternehmen und Rechtsanwälten.

Inkassounternehmen stehen in Konkurrenz zu Rechtsanwälten und den unternehmenseigenen Mahnabteilungen und müssen offensiv zeigen, dass sie „effektiver“ arbeiten.

Wie bei allen lukrativen Geschäften, hier geht man von einem Forderungsvolumen von geschätzt über 50 Milliarden Euro aus, hat sich eine Eigendynamik mit rechtlichen Grauzonen entwickelt. Mittlerweile gibt es einen regelrechten Handel mit den Forderungen, bei dem Forderungen weiterverkauft, als Pakete verschnürt weitergegeben und manchmal eine Forderung von mehreren Unternehmen mehrmals einzogen wird. Die Schuldner wissen häufig gar nicht, wer aktuell die Ursprungsforderung bearbeitet und wann sie an wem weitergegeben wurde.

In den letzten 5 Jahren hat sich eine lebhafte Diskussion um die Praktiken der Inkassounternehmen entfacht. Viele Überschuldungssituationen wären nicht so drastisch oder überhaupt erst entstanden, wenn die Inkassofirmen nicht mit ungerechtfertigten und unzulässig hohen Gebühren und Kosten Verschuldungssituationen schaffen oder verschärfen würden. Oft verdoppeln oder verdreifachen diese Kosten die ursprüngliche Forderung und früher übliche kostenlose Mahnungen werden gar nicht erst verschickt, sondern bei Zahlungsverzug die Forderung direkt an das Inkassounternehmen abgegeben.

Aus Unkenntnis, Angst vor dem Schufa-Eintrag und schlechtem Gewissen der Schuldner  wird meistens ungeprüft bezahlt und somit die wichtige materielle Grundlage für das Inkassogewerbe geschaffen.

Viele Verbraucherorganisationen und Initiativen bieten online einen „Inkasso Check“ an, bei dem Forderungen kostenlos überprüft, die Höhe der Kosten nachgerechnet und die Notwendigkeit der teuren Maßnahmen infrage gestellt wird.

Jede fünfte Person, die sich durch die Schritte des Online-Instruments geklickt hat, gab in Befragungen an, dass die Forderungen des Inkassounternehmens entweder gänzlich unbekannt waren oder schlicht falsch und deshalb auch nicht bezahlt wurden.

Immer mehr Schuldner beschweren sich über nicht gerechtfertigte Kosten und rüpelhafte Vorgehensweisen der Inkassounternehmen. Viele Firmen werden durch die Rechtsprechung in die Schranken verwiesen, allerdings immer auf den jeweiligen Einzelfall bezogen.

Da die Aufsicht über die Inkassounternehmen den Ländern obliegt, sind zentrale bundesweite Maßnahmen und die Zusammenführung von Daten nicht gewährleistet.

Hier ist der Gesetzgeber gefordert, den Wildwuchs, die Methoden und die Abzocke in dem Inkassogewerbe zu regeln.

Viele überschuldete Menschen sind diesen miesen Praktiken der Inkassounternehmen schutzlos ausgeliefert. Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt etwas mehr Ruhe in ihr Leben. Doch wie aufgezeigt,  kann es sein, dass sie mit während des Verfahrens richtig Stress bekommen. Da können sich diejenigen Schuldner glücklich nennen, die schon bei der Vorbereitung des Verfahrens von einer Beratungsstelle Rat, Hilfe und Schutz erhalten und wenn sie ganz viel Glück haben, werden sie sogar während des recht komplizierten Verfahrens bis zur Restschuldbefreiung beraten und begleitet.

 

 

8.Schuldner- und Insolvenzberatung

Die Schuldner- und Insolvenzberatung ist eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand. Dies ergibt sich aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, umzusetzen durch die Sozialgesetzbücher II, VIII, und XII bzw. den Landesausführungsgesetzen zur Insolvenzordnung.

Für den Begriff Schuldnerberatung gibt es keinen gesetzlichen Schutz oder eine bestehende Mindestqualifikation bzw. Ausbildung zum Schuldnerberater. Der Zusatz „staatliche Anerkennung“ bezieht sich in diesem Zusammenhang vielmehr auf die Berechtigung der Schuldnerberatung, eine Bescheinigung über das Scheitern des gesetzlich vorgeschriebenen Versuches der außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern gemäß der Insolvenzordnung auszustellen.

Die einzelnen Landesbehörden können bestimmen, welche Personen oder Beratungsstellen geeignet sind. Die Kriterien für die Anerkennung sind allerdings nicht bundeseinheitlich geregelt und somit kein Qualitätsnachweis für die Schuldnerberatung.

Das ist ein Grund dafür, dass es in Deutschland viele unterschiedliche Anbieter, die sich Schuldnerberatung oder Schuldenberatung nennen gibt und es z.B. nicht möglich ist, eine Ausbildung zum Schuldnerberater zu machen. Deshalb sind die Arbeitsweisen und inhaltlichen Schwerpunkte der Schuldnerberatungen und der Umfang der Beratungsdienstleistung insgesamt sehr unterschiedlich.

 

Anwaltliche Schuldnerberatung

Die anwaltliche Schuldnerberatung bietet eine nach § 305 Insolvenzordnung (InsO) anerkannte Beratung durch einen Rechtsanwalt an. Die anwaltlichen Schuldnerberatungen sind auf das Insolvenzrecht spezialisiert und dürfen im Falle des Falls bescheinigen, dass die außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern fehlgeschlagen ist. Eine solche Bescheinigung ist die Voraussetzung für die Verbraucherinsolvenz.

Die anwaltliche Schuldnerberatung gehört zu den geeigneten Stellen und ist somit eine staatliche anerkannte Schuldnerberatung.

Das Erstgespräch ist meist kurzfristig ohne längere Wartezeit beim Rechtsanwalt möglich, aber in der Regel schon kostenpflichtig. Sollte der außergerichtliche Einigungsversuch mit den Gläubigern scheitern, begleitet er seinen Mandanten während der Privat- oder Regelinsolvenz. Die Beratung und Begleitung sind in den einzelnen Beratungs- und Verfahrensabschnitten jeweils mit Kosten verbunden und diese können sich je nach Fall auf einige tausend Euro summieren und werden oft auch von Menschen, die keine pfändbaren Einkommensanteile oder ausschließlich Sozialleistungen beziehen, eingefordert.

Der Schuldner hat die Möglichkeit, einen entsprechenden Beratungsschein beim zuständigen Amtsgericht zu beantragen. Die Kosten werden nach erfolgter Bewilligung, ähnlich wie bei der Prozesskostenhilfe, vom Staat übernommen. In vielen Orten wird die Bewilligung aber nicht erteilt und die Gerichte verweisen auf die gemeinnützigen Beratungsstellen, die öffentliche Förderung für die Insolvenzberatung erhalten.

In der anwaltlichen Schuldnerberatung werden im Gegensatz zur sozialen Schuldnerberatung z.B. Haushaltsberatung, Hilfe bei der Beantragung öffentlicher Mittel, Unterhaltsregelung und Schuldnerschutzmaßnahmen gar nicht angeboten oder müssen gesondert honoriert werden.

Gewerbliche Schuldnerberatung

Gewerbliche Schuldnerberatungen haben in den vergangenen Jahrzehnten selbst daran mitgewirkt, dass ihr Ruf immer schlechter geworden ist.

Das Spektrum reicht von soliden und fachlich korrekten Beratungsstellen, über die, die keine staatliche Anerkennung als Schuldnerberatung gemäß § 305 InsO vorweisen können und solchen, die reine Finanzdienstleister bzw. Kreditgeber oder Kreditvermittler sind.

Gewerbliche Schuldnerberatungen nennen sich oft Schuldenberatung und besitzen dann auch keine staatliche Anerkennung nach der Insolvenzordnung. Sie leiten die Schuldner für eine Ausstellung der Bescheinigung über das Scheitern außergerichtlicher Einigungsversuche an  Rechtsanwälte weiter. Andere machen sogar Hausbesuche und drängen die Menschen zum Unterschreiben von vorgefertigten Verträgen oder bieten Zusatzleistungen an, wie Bausparverträge oder Versicherungen und machen damit die verbotenen Kopplungsgeschäfte.

Gewerbliche Schuldenregulierer bewerben meist reißerisch ihr Angebot und wollen „bei Schuldenproblemen kompetent, effizient, schnell, vertraulich und persönlich“ helfen.

Allerdings gehören zu einer erfolgreichen und sachgerechten Schuldnerberatung auch die Verhandlung mit Gläubigern und die Vertretung der Interessen des Schuldners. Die Vertretung und das Verhandeln im Namen des Schuldners kann aber nur derjenige anbieten, der eine Rechtsberatungsbefugnis nach dem Rechtsberatungsgesetz hat. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (29.07.2009 – I ZR 166/06) ist die Regulierung fremder Schulden eine erlaubnispflichtige Tätigkeit. Neben Rechtsanwälten darf, eine auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkte Rechtsberatung nur von den Schuldnerberatungsstellen der kommunalen und caritativen Einrichtungen und den Verbraucherzentralen durchgeführt werden. Die gewerblichen Schuldenregulierer haben damit keine Rechtsberatungsbefugnis.

Die gewerblichen  Schuldenregulierer weisen in der Regel darauf hin, dass ihre Tätigkeit keine Rechtsberatung ist und die rechtliche Betreuung und Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt erfolgt. Dieses Vorgehen legitimiert die unerlaubte Rechtsbesorgung aber nicht, weil der Schuldner keinen Einfluss auf die Auswahl und das Tätigwerden des Rechtsanwaltes hat und der Rechtsanwalt praktisch als Erfüllungsgehilfe des Regulierers fungiert.

Insgesamt gesehen ist das Angebot der gewerblichen Schuldnerberatung etwas, wo man für viel Geld wenig Gegenleistung bekommt.

Doch für viele überschuldete Menschen ist dies oft die einzige Möglichkeit, da sie die Anwälte nicht bezahlen können und die öffentliche Schuldnerberatung kein ausreichendes Angebot vorhält.

 

Öffentliche Schuldnerberatung

Neben kommunalen Beratungsstellen bieten auch Wohlfahrtsverbände eine Schuldnerberatung an. In den meisten Fällen ist die Beratung hier kostenlos, aber oft werden nicht alle Leistungen angeboten. Daneben gibt es in vielen Orten nur eine eingeschränkte Öffnungszeit für Beratungsgespräche, manchmal bieten die Träger nur an einzelnen Tagen in der Woche die Beratung an.

In den vergangenen Jahren wurden systematisch Stellen für die Fachkräfte abgebaut, voll ausfinanzierte Stellen sind nicht besetzt und öffentliche Fördermittel werden bei den Anstellungsträgern anderweitig verwendet. Diese Entwicklung hat nicht nur zu Wartezeiten bis zu einem halben Jahr geführt, sondern ist auch mit dafür verantwortlich, dass die Verbraucherinsolvenzverfahren in den letzten Jahren kontinuierlich sinken.

Auf der Bundesebene gab es bisher keine überverbandlich anerkannte Tätigkeitsbeschreibung für die Schuldnerberatung. Mittlerweile haben sich die Akteure der öffentlichen Schuldnerberatung im Großen und Ganzen auf die Form der Sozialen Schuldnerberatung geeinigt, die sich als Beratungsangebot der Sozialen Arbeit und der Verbraucherberatung versteht, die überschuldeten Klienten Hilfestellung gibt, um eine wirtschaftliche Sanierung und psychosoziale Stabilität bei den Hilfesuchenden zu erreichen.

Die Grundsätze der Sozialen Schuldnerberatung können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Soziale Schuldnerberatung ist einem mehrdimensionalen Beratungsansatz verpflichtet und richtet sich als persönliche Hilfe nach folgenden Prinzipien:

  • Freiwilligkeit: Ratsuchende entscheiden freiwillig, ob sie die Angebote der Schuldnerberatung nutzen.
  • Autonomie: Ratsuchende entscheiden eigenverantwortlich über Wege und Ziele möglicher Veränderung innerhalb des Unterstützungsprozesses. Die Berater achten die Autonomie der Ratsuchenden und gestalten den Beratungsprozess ergebnisoffen.
  • Partizipation: Die Ratsuchenden werden im Beratungsprozess an allen Schritten aktiv beteiligt.
  • Hilfe zur Selbsthilfe: Die Ratsuchenden werden unterstützt, die vorhandenen Ressourcen und ihre Fähigkeiten zu erkennen und zu nutzen. Dadurch können sie ihr Selbstwertgefühl steigern, ihre Selbsthilfepotenziale entwickeln, Kompetenzen aufbauen und Lebensperspektiven entwickeln. Des Weiteren soll die Selbstorganisation der Betroffenen angeregt werden.
  • Verschwiegenheit: Die Hilfeleistung erfolgt vertraulich, um die für einen erfolgreichen Beratungsprozess erforderlichen Bedingungen wie Offenheit, Transparenz und Vertrauen zu schaffen.
  • Nachvollziehbarkeit: Das Vorgehen der Berater ist für die Ratsuchenden jederzeit transparent und nachvollziehbar.
  • Fachlichkeit: Die Beratung erfolgt auf dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ver- und Überschuldung und zu Beratungsmethoden.
  • Ganzheitlichkeit: Die Berater berücksichtigen bei der Deutung und Bearbeitung der Überschuldungssituation alle problemrelevanten Ebenen. Insbesondere sind das pädagogische, sozialräumliche, psychosoziale, ökonomische und juristische Aspekte.
  • Orientierung an den Nutzern: Ratsuchende erhalten niedrigschwellig und nicht-diskriminierend Zugang zum Beratungsangebot.

 

Viele Träger von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, auch die Wohlfahrtsverbände, tun sich schwer, die Soziale Schuldnerberatung konzeptionell zu gestalten, sie sehen sich immer noch lieber als „Finanzdienstleister“ und schämen sich nicht, von den überschuldeten Menschen im Rahmen der „Schuldnermitfinanzierung“ Geld zu verlangen.

Derzeitige Förderpraxis lässt zahlreiche Zielgruppen außen vor

Bei der derzeitigen Förderungspraxis können zahlreiche Zielgruppen für die Schuldner- und Insolvenzberatung nicht adäquat mit Beratungsangeboten versorgt werden. So stehen die anwachsende Gruppe der überschuldeten älteren Menschen, überschuldete Jugendliche und junge Erwachsene und die überschuldeten Geringverdiener nicht im Fokus, ihnen fehlt schlichtweg der Zugang zu der nur noch refinanzierten öffentlichen Beratung.

Es fehlt z.B. ein Regelberatungsangebot für überschuldete ältere Menschen

Nach Angaben des Schuldneratlas 2018 der Creditreform ist die Überschuldung alter Menschen überdurchschnittlich stark gestiegen. Die Zahl der betroffenen Personen im Alter von 70 Jahren und älter wuchs um 35 Prozent auf 263.000. Auch unter den 60- bis 69-Jährigen stieg die Zahl derjenigen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, deutlich an. Die Zahl der Insolvenzen bei Personen in diesem Alter zog in den vergangenen Jahren ebenfalls kontinuierlich an.

Die Altersarmut ist einer der Hauptgründe für die Überschuldung, sie resultiert aus verschiedenen Entwicklungen:

  • Die Rentenreformen der letzten 20 Jahre hatten das Ziel, die Beitragssätze stabil zu halten zu Lasten des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente.
  • Erwerbsbiografien verlaufen nicht mehr so geradlinig wie früher. Wechselnde Arbeitsverhältnisse und vorübergehende Arbeitslosigkeit sind heutzutage nicht ungewöhnlich.
  • Auch die Beschäftigung im wachsenden Niedriglohnsektor und versicherungsfreie Jobs bei geringem Gehalt verschärfen die Situation und führen zu einer prekären Einkommenslage im Alter

und immer weniger Menschen sind in der Lage, Maßnahmen zur ausreichenden Altersvorsorge zu ergreifen.

 

Zu den allgemeinen Ursachen der Überschuldung kommen dann bei älteren Menschen noch zusätzliche Überschuldungsfaktoren hinzu, wie:

– Einkommensreduzierung bei Renteneintritt, Auswirkung der steigenden Altersarmut

– steigende Energie- und Lebenshaltungskosten bei stagnierenden Renteneinkünften

– steigende Gesundheitsausgaben

– mangelnde Unterstützung durch Angehörige

– finanzielle Unterstützung für die Familien ihrer Kinder und für die Enkel

– aus Scham werden oft die notwendigen finanziellen Hilfen des Staates nicht in Anspruch genommen

– Tod des Ehepartners, Mitverpflichtung bei Krediten des Verstorbenen, keinen Überblick     über die Finanzen, da nur der Ehepartner allein Einblick hatte

– hohe Ratenzahlung, die die Existenz gefährden und fehlende Prioritätensetzung bei der Ratenzahlung

– Überschuldung für Pflegedienstleistungen

und ältere Menschen werden häufig Opfer von Haustürgeschäften und unseriösen Geschäften.

Schulden zu haben, ist für viele ältere Menschen ein Tabuthema. Als Ansprechpartner müssen die Beratungsstellen auch langfristig zur Verfügung stehen und die älteren Menschen aktiv begleiten, z.B. beim Leben an der Pfändungsgrenze oder während des Insolvenzverfahrens. Es müssen passgenaue Angebote für ältere überschuldete Menschen entwickelt und die Präventionsarbeit ausgebaut werden. Notwendig ist eine frühzeitige Budgetberatung, Informationen über Sozialleistungen, Abbau von Beratungshemmschwellen und die Bearbeitung typischer Schuldenfallen im Alter.

 

 

Schlussbemerkungen

Die anfänglichen Ausführungen über das Schuldverhältnis sollen an dieser Stelle noch einmal präziser behandelt werden. Dass die Schulden der einen das Vermögen der anderen ist, ist zwar allgemein gesehen richtig, allerdings kommt es darauf an, unter welchen sozio-ökonomischen Bedingungen diese Prozesse stattfinden.

In denjenigen Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsverhältnisse dominant sind, entspringt das zinstragende Kapital der Zirkulation des industriellen Kapitals. Eine Bewegung des industriellen Kapitals ist ohne Kredit gar nicht möglich. Immer wenn Waren von einem Unternehmen verkauft werden, fließt vorgeschossenes Kapital, also die Investition in die Herstellung dieser Waren, zurück. Es wird aber nicht sogleich wieder als Kapital in eine nächste Runde der Warenproduktion investiert.

Statt auf die nächste Runde der Warenproduktion zu warten, kann das zurückfließende Kapital zunächst als zinstragendes Kapital verwendet werden. Das ist sogar notwendig, um den Gesamtprozess am Laufen zu halten.

Irgendwer gewährt immer Kredite, um

  • die nächste Runde in Gang zu setzen,
  • die neue Technik zum Einsatz zu bringen,
  • die Produktion auszuweiten

oder die Profitrate zu erhöhen.

Mithilfe des Kredits können sich die Kapitalisten dabei sowohl als Kreditgeber als auch als Kreditnehmer bereichern. Wenn aber die Angehörigen der subalternen, also der niedrigen Klassen zu Kreditnehmern werden, werden Teile ihrer Einkommen dann als Zinszahlungen kapitalisiert und es bilden sich Ausbeutungsverhältnisse. Der Kredit kann somit den einen noch reicher machen und den anderen nie. Es sei denn, er wird auch zum Kapitalisten.

Durch ein Insolvenzverfahren werden nicht Geld und Werte verbrannt, sondern es ändert sich etwas an ihrer Zirkulation. Für die einzelnen finanzkräftigen Unternehmen bieten die Insolvenzen der anderen zusätzlich die Möglichkeit, im Rahmen der Konkurrenz und der Steigerung des Profits eine privilegiertere Marktstellung zu erhalten.

Die Gedanken des großen Meisters von vor rund 150 Jahren haben auch ihre Richtigkeit bei der politischen Ökonomie der Insolvenzverfahren.

Bei den Insolvenzverfahren, so haben wir gesehen, zirkulieren viel Geld und Werte in die Taschen der Verfahrensbeteiligten, wobei der Schuldner am schlechtesten davon kommt. Weil er

  • verzinsliche Kredite erhalten hatte,
  • das schwächste Glied in der Kette ist

und er dazu noch moralisch verurteilt wird, da er „über seine Verhältnisse“ lebte und „mit Geld nicht umgehen“ kann.

Der Schuldner kann sich zwar nichts dafür kaufen, aber sich vielleicht etwas trösten: Mittlerweile läuft in der weltweiten Krise des Kapitals das gesamte System zunehmend auf Kredit und nicht nur Individuen, sondern ganze Regionen werden ökonomisch abgehängt.

 

 

 

Quellen: DGB Bundesvorstand, Statistisches Bundesamt, AG Schuldner- und Insolvenzberatung,Stadt Dortmund, Creditreform, schulnderatlas, BFG;
 ik-inkasso-watch, bag-schuldnerberatung, Bundesfinanzhof, Zentrum für Insolvenzrecht und Sanierungspraxis, IFF, Bund Deutscher Inkasso Unternehmen (BDIU), verbraucherzentrale-nrw, juraforum, forum schuldnerberatung, Zentrum für Insolvenzrecht und Sanierungspraxis, iff-Überschuldungsreport, agsbv, ver.di, WDR, WAZ, BÜNDNIS GEGEN WUCHER

Bild: picabay cco