Hype um BioNTech-Impfstoff – über Risiken und Geld spricht man lieber nicht

Von Jens Berger

Ein Zwischenbericht des US-Pharmamultis Pfizer sorgt zur Zeit für Furore. Der gemeinsam mit dem Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech entwickelte Corona-Impfstoff biete einen 90-Prozent-Schutz vor Covid-19. Der Dax legte in wenigen Minuten sechs Prozent zu, tags darauf zurrte die EU-Kommission gleich den Kauf von 300 Millionen Impfdosen fest. Die ARD war gleich so aus dem Häuschen, dass sie zur besten Sendezeit ein „ARD-Extra“ zeigte, das eher an einen Imagefilm für BioNTech erinnert. Dass dieser Impfstoff mehr als sechsmal soviel kostet wie der Impfstoffkandidat des Konkurrenten AstraZeneca, bleibt dabei unerwähnt. Dass fast nichts über Risiken und Nebenwirkungen bekannt ist, ebenfalls. Stattdessen plant man bereits die Massenimpfung in Impfzentren und auch hierbei spielt man die damit entstehenden Probleme galant herunter.

Was besagen die „magischen“ 90 Prozent?

Wie kommen Pfizer und BioNTech eigentlich auf die Aussage, ihr Impfstoffkandidat würde 90% Schutz bieten? Bei näherer Betrachtung der Zahlen stellen sich diese 90% als statistisch nicht sonderlich belastbar dar. An der kombinierten Phase2/3-Studie dieses Projekts nehmen insgesamt rund 43.500 Probanden teil – ein Großteil davon in den USA. Die Hälfte der Probanden erhält den Impfstoff, die andere Hälfte ein Placebo. Es handelt sich um eine Doppelblindstudie, bei der weder die Probanden noch die betreuenden Ärzte wissen, wer den Impfstoff und wer das Placebo erhält. Nach Studiendesign gilt der Impfstoff dann als wirksam, wenn eine bestimmte Zahl von Probanden an Covid-19 „erkrankt“ ist und die Zahl der Erkrankten in der Placebo-Gruppe um 50% höher ist als die Zahl der Erkrankten, die den Impfstoff erhalten haben. Diese 50% sind übrigens die Zielvorgabe der WHO und entsprechen der Schutzwirkung der jährlichen Grippe-Impfung. Von einem vollständigen Schutz geht also ohnehin niemand aus.

Ursprünglich wollte Pfizer den besagten Zwischenbericht bereits nach 32 erkrankten Patienten veröffentlichen und bei einer Schutzquote von mehr als 50% in den USA und später in der EU eine Notfallzulassung beantragen. Diesem allzu kühnen Plan machte die US-Zulassungsbehörde FDA jedoch einen Strich durch die Rechnung. Für Pfizer bedeutete dies aufgrund der hohen Infektionszahlen in den USA jedoch nur einen kleinen zeitlichen Aufschub. Nun habe man 94 Corona-Fälle unter den Probanden protokolliert und dies reiche als Wirksamkeitsnachweis aus. Zwar liefert Pfizer keine konkreten Zahlen, aber bei 90% Wirksamkeit muss man davon ausgehen, dass rechnerisch rund 86 erkrankte Probanden der Placebo-Gruppe angehören und nur höchstens acht erkrankte Probanden den Impfstoff erhalten haben. Nun muss man kein Statistiker sein, um diese „magischen“ 90% mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. 94 von 43.500 Probanden – das sind gerade einmal etwas mehr als zwei Promille; eine sehr kleine Stichprobe aus der Grundgesamtheit, die eine genaue Angabe des Wirksamkeitsgrads sicher nicht zulässt. Dennoch sind diese Zahlen – sofern sie denn auch korrekt sind – ein Hinweis darauf, dass der Impfstoff höchstwahrscheinlich eine Schutzwirkung hat. Doch wie genau und bei wem er wirkt, ist vollkommen unbekannt.

Denn bislang liegt nur die Pressemitteilung der beteiligten Pharmakonzerne vor. Weder die Öffentlichkeit noch andere Wissenschaftler haben Einblick in die Daten der Studie. Was beim russischen Impfstoffprojekt von unseren Medien scharf kritisiert wurde, wird bei beim deutsch-amerikanischen Impfstoffprojekt lieber erst gar nicht hinterfragt. Das ist fahrlässig, denn ohne diese Daten ist eine Bewertung schwer möglich. Wirkt der Impfstoff bei Angehörigen der Risikogruppe? Wirkt er bei Kindern? Und vor allem: Wie wirkt er? Verhindert er schwere Krankheitsverläufe? Verhindert er asymptomatische Verläufe? Letzteres ist gekoppelt an die sehr wichtige Frage, ob der Impfstoff „nur“ eine Erkrankung oder auch eine Infektion verhindert. Versuche an Primaten haben bei anderen Impfstoffkandidaten ergeben, dass sie bzw. die mit ihrer Hilfe vom Körper gebildeten Antikörper nur in den unteren, aber nicht in den oberen Atemwegen das Virus wirkungsvoll bekämpfen. Damit werden zwar schwere Krankheitsverläufe verhindert, die Geimpften bleiben jedoch infektiös und können andere Menschen anstecken. Wenn nun bereits Mitarbeiter des Gesundheitssystems als erste Personengruppe genannt werden, denen der Impfstoff verabreicht wird, ist diese feine Unterscheidung elementar – geht es bei ihnen ja – man mag das zynisch nennen – weniger um den Eigenschutz, als mehr darum, dass sie selbst keine Patienten anstecken sollen. Wenn der Impfstoff nun aber nur vor Erkrankung, aber nicht vor einer Infektion schützt, wäre dies nicht gegeben.

Ebenfalls vollkommen unklar ist, wie lange die Immunisierung durch den Impfstoff überhaupt anhält. Bekannt ist, dass bei einer normalen Infektion mit dem Sars-Cov2-Virus die gebildeten Antikörper nach rund drei Monaten nicht mehr nachweisbar sind. Ein längeres „Gedächtnis“ haben die sogenannten T-Helferzellen. Wie genau diese zelluläre Immunantwort – die übrigens auch durch eine Kreuzreaktivität auf vorangegangene „normale“ Corona-Erkältungsviren ausgelöst werden kann – funktioniert, ob sie nur eine Erkrankung oder auch eine Infektion verhindert, wie lange sie anhält und ob sie durch den Impfstoff überhaupt gebildet wird, ist unbekannt. Genau so unbekannt ist natürlich, ob die Impfung Schutz vor mutierten Virenvarianten bietet, mit denen später zu rechnen sein wird. Der ganz entscheidende Punkt, ob die Impfung länger als drei Monate Schutz bietet, wird also im Schatten der „magischen“ 90% vollkommen unterschlagen.

Über Nebenwirkungen und Langzeitfolgen spricht man lieber nicht

Geradezu bezeichnend ist auch, dass in den ganzen Jubelmeldungen die Frage der möglichen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen vollkommen unterschlagen wird. So kommt dieses Thema beispielsweise im gestrigen ARD-Aktuell lediglich in einem Kurzstatement eines Interviewpartners ganz am Ende der Sendung zur Sprache. Und dies in einer Form, die einem die Sprache verschlägt:

„Es ist eine ganz klare Aussage, die man diesen (Anmerkung der Redaktion: gemeint sind die älteren Menschen) Menschen geben kann: Die Wahrscheinlichkeit an der Erkrankung zu sterben, liegt bei 1:100. Das Risiko bei der Impfung liegt sicher bei unter 1:1.000. Also, wer bis zwei zählen kann, wüsste was er zu tun hat. Und wer dann noch an seine Kinder denkt, sollte bedenken: Sie und ihre Enkel leiden am allermeisten unter den derzeitigen Maßnahmen (…). Das ist etwas, was nur dann beendet werden kann, wenn alle älteren Menschen, die der höheren Risikogruppe angehören, sich impfen lassen. Also ein dringender Appell: Wenn nicht für Euch, dann macht es für Eure Kinder!“
– Rüdiger von Kries in der Sendung ARD-Aktuell vom 10.11.2020

Der Mann, der dies sagte, ist übrigens nicht nur Mitglied der ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts, sondern auch noch Mitglied der RKI-Arbeitsgruppe Covid-19-Impfung. Man ahnt also bereits, woher der Wind in Deutschland weht. Gesundheitsminister Spahn beziffert übrigens alleine die Zahl derjenigen, die aufgrund ihres Alters hierzulande zur „Risikogruppe“ gehören, auf 23 Millionen. Würde man also rein hypothetisch alle diese Menschen impfen, müssten (1:1000) 23.000 von ihnen – genau lässt sich der Experte dazu ja nicht aus – die Impfung mit starken Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen und schlimmstenfalls sogar mit dem Leben bezahlen. Also doppelt so viele, wie bislang in Deutschland an oder mit Corona verstorben sind.

Es ist jedoch streng genommen unmöglich, die Gefahren der Impfung überhaupt zu beziffern. Denn die ernüchternde Antwort auf jeden kritischen Ansatz lautet: Dazu gibt es schlicht keine Daten. Durch die Teleskopierung der Studien und der Zulassungsverfahren können seltene Nebenwirkungen nur sehr schlecht und Langzeitfolgen überhaupt nicht festgestellt werden. Und wenn es doch einmal schwere Nebenwirkungen gibt, so reagieren die Behörden ignorant. So laufen die in den USA wegen schwerer Nebenwirkungen gestoppten Studien zum AstraZeneca-Impfstoff in anderen Ländern, auch in Europa, munter weiter. In Brasilien wurde erst gestern die Versuchsreihe von Chinas Pharmakonzern Sinovac wegen eines „schweren Zwischenfalls“ gestoppt – in allen anderen Ländern laufen die Studien weiter und in China selbst wurde der Impfstoff bereits tausendfach verabreicht.

Dass gerade bei den technisch meist mit vollkommen neuen und unerprobten Verfahren entwickelten Corona-Impfstoffen vor allem durch eine überschießende Immunreaktion durchaus in seltenen Fällen mit schweren und sogar schwersten Nebenwirkungen zu rechnen ist, haben die NachDenkSeiten bereits häufiger beschrieben. Auch der österreichische Biologe Clemens Arvay weist in seinem jüngsten Video noch einmal ausdrücklich auf mögliche Gefahren hin. Solche Risiken sind für eine Massenimpfung, die laut Bundesregierung im Idealfall zwei Drittel aller Bundesbürger verabreicht bekommen sollen, schlicht nicht hinnehmbar. So schön der Gedanke an ein baldiges Ende dieses Wahnsinns ist, so klar ist auch, dass die kommende Impfung ein so noch nie dagewesenes Großexperiment mit vollkommen ungewissem Ausgang darstellt.

Impfzentren und Logistikprobleme

Auch wenn noch kein Corona-Impfstoff von den zuständigen Behörden in der EU zugelassen wurde und Fragen zur Wirksamkeit und den Risiken ungeklärt sind, planen Bund und Länder bereits unter Hochdruck an der konkreten Durchführung der Massenimpfung. Die soll nicht etwa von den betreuenden Hausärzten, sondern in riesigen, in Messehallen und ähnlichen Großgebäuden aufgebauten Impfzentren stattfinden. Bereits die Umgehung der Hausärzte stellt dabei insbesondere für die sogenannten Risikogruppen ein großes Problem dar.

Jeder Patient hat seine eigene Krankheitsgeschichte und vor allem bei den Angehörigen der Risikogruppen wird aufgrund der bei diesen Impfstoffen zu erwartenden massiven „Impfreaktionen“ (also z.B. Fieber, Kopfschmerzen, Schwächung des Immunsystems) eine individuelle Beratung und Anamnese nötig sein. Die können Hilfskräfte der Feuerwehren oder des THW – genügend Ärzte oder Krankenpfleger für diese Mammutaufgabe gibt es ja nicht – aber nicht liefern. Was soll denn passieren, wenn ein Hochbetagter bei der Impfung zusammenbricht? Während sein Hausarzt sicherlich mit dem gegebenen Hintergrundwissen zur Krankheitsgeschichte des Patienten adäquat reagieren könnte, sind anonyme Hilfskräfte mit einer solchen Situation komplett überfordert. Und dass es zu solchen Fällen kommen wird, sollte klar sein.

Wer gehört überhaupt zur Risikogruppe und wie ermittelt man diese Menschen? Sicher können alte Menschen anhand der Meldedaten ausgemacht werden. Aber auch Krebspatienten, Lungenkranke und Übergewichtige zählen ja zur Risikogruppe. Wie darf man sich das konkret vorstellen? Stehen dann Waagen vor den Impfzentren? Laut CDC gehören übrigens auch Schwangere zur Risikogruppe – und dies „nur“, weil sie eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, bei einer Covid-Erkrankung im Krankenhaus behandelt zu werden. Doppelt so hoch wie andere Frauen ihrer Altersklasse wohlgemerkt und damit immer noch in einem niedrigen Promillebereich, der weit unter dem von Älteren liegt. Wer definiert hier die Risikogruppe? Eine kleine Anekdote am Rande: Auch wenn Schwangere zur Risikogruppe gehören, so nehmen sie aus ethischen Gründen an keiner der laufenden Phase-3-Studien teil. Aus- und Nebenwirkungen des Impfstoffs auf Ungeborene sind also vollkommen unbekannt. Dennoch ist zumindest mir nicht bekannt, dass Schwangeren von einer Impfung abgeraten wird. Im Gegenteil. Im NDR-Corona-Podcast empfahl die Drosten-Vertretung Sandra Ciesek ihren schwangeren Hörerinnen sogar ausdrücklich die Impfung. Das ist unverantwortlich.

Als Argument für Impfzentren wird unter anderem angeführt, dass bei diesen Impfstoffen über die gesamte Logistikkette eine Temperatur von – je nach Quelle – -70° bis -80° Celsius eingehalten werden muss. Einen solchen „Spezialkühlschrank“ hat freilich kein Hausarzt und es ist ohnehin unklar, wie dieses Problem bei einer Massenimpfung gelöst werden soll. Man müsste wohl einen Logistik-Experten fragen, ob es überhaupt so viele hochspezialisierte Transporter und Kühlgeräte gibt, die vor Ort tausende Dosen des Impfstoffes lagern können.

Von der Politik kam dazu bislang nur ein wenig überzeugendes „Wir schaffen das“. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Logistik nicht als der entscheidende Flaschenhals herausstellt, und über die zu erwartenden Kosten, die leicht die Kosten für den Impfstoff selbst übersteigen könnten, wurde bislang auch noch nicht berichtet. Auf derart besondere Kühltechnik spezialisierte Firmen dürften sich jedenfalls bereits die Hände reiben.

Die Frage der Zulassung

Bei alldem wird auch stets vergessen, dass die Impfstoffe, von denen wir reden, überhaupt noch nicht zugelassen sind. Das soll jedoch in den USA in den nächsten Tagen und in der EU in den nächsten Wochen geschehen. Es wird zwar immer wieder darauf verwiesen, dass man keinen Druck auf die zuständigen Behörden ausübe, doch das ist natürlich Unsinn. Welcher kleine Beamte hat schon das Rückgrat, seine Bedenken durchzusetzen, wenn Landesregierungen, die Bundesregierung und die EU bereits Verträge in Milliardenhöhe abgeschlossen haben, der Impfstoff bereits in unzähligen Fabriken in Millionenauflage produziert wird und sogar die konkreten Planungen zur Durchführung der Impfung bereits realisiert werden? Und vor allem: Da die Politik ein Ende der Maßnahmen ja mittlerweile direkt an eine Impfung koppelt, ist auch der öffentliche Druck immens. Wer hier an eine sorgfältige, ergebnisoffene Prüfung glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Deutlich wird dies bereits durch den Nebensatz, dass die Behörden selbstverständlich Vorteile und Risiken eines Impfstoffs abwägen würden. Wie sollen sie das, wenn sie den Großteil der potentiellen Risiken gar nicht kennen, gar nicht kennen können? Nein, der Impfstoff wird zugelassen, das steht bereits fest. Und auch die Öffentlichkeit wird dies sicher mehrheitlich begrüßen, hat man uns doch seit Monaten eingetrichtert, dass dieser ganze Wahnsinn, der sich „Maßnahmen“ nennt, erst dann gelockert werden kann, wenn ein Impfstoff nicht nur bereitsteht, sondern auch so viele Menschen geimpft sind, dass nach Ansicht der Regierung die „Infektionslage“ überschaubar wird. Doch kaum wer wird auch das „Kleingedruckte“ in den Äußerungen der Politik vernommen haben. So hat sich die Kanzlerin selbst bereits festgelegt, dass die „Auflagen in ihrer Gesamtheit erst aufgehoben werden könnten, wenn 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung gegen das Virus immun seien.“ 60 Prozent von 80 Millionen Einwohnern sind 48 Millionen. Bei zwei Impfdosen pro Person – die sowohl beim Pfizer-BioNTech-Impfstoff als auch beim Impfstoff von AstraZeneca nötig sind – sind dies stolze 96 Millionen Impfdosen, die verabreicht werden müssen. Selbst wenn man zweckoptimistisch von 250.000 Impfungen pro Tag ausginge, würde dies mehr als ein Jahr dauern. Rechnet man die genannten Logistikprobleme hinzu, sind wohl eher zwei oder drei Jahre realistisch. Will die Bundesregierung die „Maßnahmen“ also bis ins Jahr 2023 fortführen?

(K)eine Frage des Geldes

Obgleich weder der Impfstoff von BioNTech noch die Konkurrenzprodukte von AstraZeneca, Sanofi oder Johnson&Johnson zugelassen sind, hat die EU gestern bereits die Verträge mit diesen Unternehmen besiegelt. Über die Finanzen schweigt man sich jedoch lieber aus. Und das mit gutem Grund, würde ansonsten doch ein dunkler Schatten vor allem auf die „Erfolgsgeschichte“ vom Mainzer Unternehmen BioNTech fallen. Während die Rahmenverträge mit AstraZeneca einen Abnehmerpreis von 2,50 Euro pro Impfdosis vorsehen, langen BioNTech und Pfizer so richtig zu und verlangen stolze 16,50 Euro pro Dosis – bei zwei Dosen pro Person, sind dies 33 Euro pro Geimpften. Da freuen sich vor allem die Aktionäre von BioNTech.

Notierten die Aktien dieses Unternehmens im Herbst 2019 noch bei 12 Euro das Stück, hat sich der Wert seitdem verachtfacht und notiert aktuell bei rund 95 Euro. Das kleine Mainzer Unternehmen ist damit mehr als 20 Milliarden Euro wert – mehr als der große Medizinkonzern Fresenius und mehr als die Pharmasparte von Bayer. Das Gründerpärchen Uğur Şahin und Özlem Türeci ist damit dank Corona in den erlauchten Kreis der deutschen Milliardäre aufgestiegen. Richtig profitieren konnten auch die Milliardärsbrüder Andreas und Thomas Strüngmann, die mit dem Generikahersteller Hexal reich wurden und früh als Großaktionäre bei BioNTech einstiegen. Heute gehören ihnen mehr als 50% des Unternehmens und alleine diese Beteiligung katapultierte sie, die laut Forbes Liste vor Corona ein Vermögen von 4,4 Milliarden US$ hatten, in den Kreis der reichsten Deutschen.

Nun kann man den Forschern von BioNTech vollkommen neidlos zugestehen, dass ihre Entwicklung durchaus beachtenswert ist und sie Außergewöhnliches geleistet haben. Das ist keine Kleinigkeit und wenn dieser Impfstoff wirklich sicher sein sollte, wäre dies umso bemerkenswerter. Prima. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass die Kosten für den Impfstoff nicht nur von der Allgemeinheit getragen werden, sondern dass zudem die Entwicklung des Impfstoffs vom Bundesforschungsministerium mit 375 Millionen Euro subventioniert wurde – dies war übrigens ein Zuschuss, der nicht zurückbezahlt werden muss und der dem Bund keine Beteiligung am Unternehmen zusichert. Die Allgemeinheit hat also den Impfstoff finanziert, der ihr jetzt zu einem sportlichen Preis verkauft wird.

Hier muss die Politik Fragen beantworten! Warum gibt es beispielsweise keinen Passus, der die Subventionen daran koppelt, dass der von der Allgemeinheit finanzierte Impfstoff später auch zum Selbstkostenpreis an die Allgemeinheit verkauft wird? Es kann doch nicht sein, dass die Unternehmensgründer und deren Investoren durch unsere Steuergelder zu Milliardären werden. Und: Wie kommt eigentlich der außergewöhnlich hohe Preis von 16,50 Euro pro Impfdosis zustande? Warum kann der – ja nun alles andere als gemeinwirtschaftlich aufgestellte – Pharmariese AstraZeneca einen vergleichbaren Impfstoff anbieten, der nur ein Sechstel dieses Preises kostet? Das Unternehmen BioNTech residiert übrigens unter der Postadresse „An der Goldgrube 12“. Und dies ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Es wäre schön, wenn die Kanzlerin oder ihr Gesundheitsminister diese Fragen beantworten können. Mindestens genauso schön wäre es, wenn die investigativen Formate der klassischen Medien diesen Fragen einmal auf den Grund gehen könnten. Für eine pauschale Medienkritik eignet sich das Thema übrigens diesmal nicht. Sowohl der SPIEGEL (gleich mehrfach, aber dafür auch ausschließlich hinter der Bezahlschranke) als auch tagesschau.de haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus auch kritische Fragen gestellt. Jedoch blieb dieser Restzweifel mal wieder folgenlos, wenn es um die „großen Formate“ ging. Sowohl bei SPIEGEL Online als auch in der Tagesschau und mehr noch in ARD Extra spielen die kritischen Fragen keine Rolle mehr und man fühlt sich eher an eine PR-Veranstaltung für die Pharmakonzerne erinnert.

Ergänzung 16:20: Unsere Leserin Alice Spatz macht uns darauf aufmerksam, dass der ARD-Interviewpartner Rüdiger von Kreis in seiner Selbstauskunft beim RKI einen Interessenkonflikt aufführt – eine von ihm durchgeführte Studie wird/wurde von Pfizer finanziert. Um so unverständlicher ist es, dass die ARD ausgerechnet ihn, der aufgrund der Interessenkollision lt. RKI “von den betroffenen Beratungspunkten“ ausgeschlossen ist, zu einem Impfstoff von Pfizer interviewt.

 

 

 

Der Beitrag erschien am 11.11.2020 auf den https://www.nachdenkseiten.de/

Bild: Von Gerd Altmann auf Pixabay cco