Staatliche Subvention des Niedriglohnsektors, genannt Grundrente – nach den Lohnaufstockern nun die Rentenaufstocker

Den Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge, belief sich die Zahl der abhängig erwerbstätigen Menschen, die zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen aufstockende Arbeitslosengeld II-Zahlungen erhielten, Ende Juni 2017 auf 1,076 Millionen. Sie stellen weiterhin knapp ein Viertel aller Hartz IV-Bezieher. Auf dem Rücken der Beschäftigten werden den Unternehmen die Personalkosten erspart und skandalös ist, dass diese Lohndrückerei vom Staat auch noch subventioniert wird.

Ähnliches soll nun bei den Renten passieren. Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass die neue Grundrente ein Alterseinkommen, zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs, garantieren soll.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte, ähnlich wie seine Vorgängerinnen Ursula von der Leyen und Andrea Nahles, ein Konzept für eine Grundrente vorgelegt. Demnach soll die Rente für drei bis vier Millionen Geringverdiener um bis zu 447 Euro erhöht werden.

Das scheint eine große Mogelpackung zu werden, bei der der Niedriglohnsektor weiter festgeschrieben und mit staatlichen Subventionen gefüttert wird, anstelle den Mindestlohn und die Grundsicherung kräftig anzuheben.

Bei den 1,076 Millionen Menschen, die 2017 zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen aufstockende Arbeitslosengeld II-Zahlungen erhielten, bilden mit einem Anteil von über einem Drittel Teilzeitbeschäftigte die größte Gruppe. Für sie dürften der Beschäftigungsumfang und die unzureichenden Löhne die Gründe für das Aufstocken mit Hartz-IV sein. Mit 17,2 Prozent geht hingegen nur ein geringer Anteil der Aufstocker einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung nach. Zu den subventionierten Beschäftigten zählen auch knapp 60.000 Auszubildenden, das sind 5,2 Prozent aller Aufstocker.

Nun hat sich die Regierung geeinigt und das Konzept für eine Aufstockung der Renten vorgelegt.

Vorgesehen ist, dass

  • für drei bis vier Millionen ehemaliger Geringverdiener die Rente um bis zu 447 Euro monatlich aufgestockt wird, wenn sie sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben und 35 Jahre mit Beitragszahlung und/oder Kindererziehung oder Pflegetätigkeit nachweisen können.
  • die Rentenversicherung künftig bei jedem Versicherten automatisch prüft, ob er Anspruch auf die Grundrente hat. Dafür wird die Summe der gesammelten Rentenpunkte durch die Versicherungsjahre geteilt. Kommt ein Versicherter im Jahresdurchschnitt auf weniger als 0,8 Punkte, wird er automatisch hochgewertet.
  • die Grundrente nicht nur für Neu-Rentner, sondern auch für die bisherigen Rentner gelten wird.
  • die Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden und zu 75 Prozent Frauen davon profitieren sollen

und die Grundrente bis spätestens zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll.

Strittig war lange, ob das alles ohne eine Bedürftigkeitsprüfung bei den alten Menschen gehen soll. Hier hat man sich darauf geeinigt, dass die Bewilligung der Grundrente von einer Einkommensprüfung  abhängig gemacht wird, wobei Rentenversicherung und Finanzverwaltung zusammenarbeiten sollen. Dabei soll ein Einkommensfreibetrag in Höhe von 1250 Euro für Alleinstehende und 1950 Euro für Paare gelten.

Die Grundrente sowie die geplanten Freibeträge in der Grundsicherung und beim Wohngeld sollen über Steuern und ohne  eine Beitragserhöhung in der Rentenversicherung finanziert werden. Dazu soll der Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung erhöht werden. Als wichtiger Beitrag zur Finanzierung der Maßnahmen wird die im Koalitionsvertrag vereinbarte Finanztransaktionsteuer eingeführt.

Somit wird wieder einmal der Niedriglohnsektor weiter festgeschrieben und mit staatlichen Subventionen gefüttert, anstelle den Mindestlohn und die Grundsicherung kräftig anzuheben.

Vielmehr sollte man kurzfristig

  • SGB II-Leistungen/Hartz IV durch eine Sanktionsfreie Mindestsicherung von 1.050 Euro grundlegend überwinden. Der Betrag umfasst dann den Lebensunterhalt sowie die Wohnkosten und bei Bedarf ergänzend Wohngeld gewähren.
  • Sanktionen in der Grundsicherung völlig ausschließen, das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft aufheben und stattdessen die gesetzlichen Unterhaltsansprüche berücksichtigen.
  • durch die Stärkung der Leistungsansprüche in der Gesetzlichen Rentenversicherung und mit der Solidarischen Mindestrente in Höhe von 1.050 Euro die Altersarmut bekämpfen.
  • die Solidarische Mindestrente dann für Personen im Rentenalter ohne ausreichendes Einkommen und Vermögen zur Verfügung stellen.
  • alle in Deutschland lebenden Erwachsenen unterhalb des Rentenalters, die über kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen, als Anspruchsberechtigte ansehen

und

das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen und die betreffenden Personen durch die regulären Grundsicherungssysteme absichern.

Niedriglohn und geringfügige Beschäftigung führt in die Sackgasse

Wie die vorgebliche Notwendigkeit der Lohn- und Rentenaufstockung durch öffentliche Mittel zeigt, ist die Lohnpolitik der letzten Jahrzehnte für die Beschäftigten und Rentenbezieher vor die Wand gefahren worden, als Preis für die Exportweltmeisterschaft und Vermögenbildung bei den Reichen.

Das Vorhaben, die Grundrente einzuführen, wird den Niedriglohnsektor weiter vergrößern, so, wie es mit der Hartz-IV-Einführung auch vorgesehen war.

Auf dem Rücken der Beschäftigten und alten Menschen werden den Unternehmen die Personalkosten erspart und die Lohn- und Rentendrückerei wird vom Staat auch noch subventioniert.

Die zur Schaustellung von Handlungsbereitschaft der Großen Koalition mit dem 3. Anlauf der Einführung der Grundrente soll verdecken, dass die öffentliche Hand geringfügig entlohnte Beschäftigte mit Milliardenbeträgen unterstützen muss, weil diese Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können und dass die Geschichte von der Brückenfunktion der Mini-Jobs ein Märchen ist, weil kaum jemand es schafft, über diese Beschäftigung den Um- und Aufstieg in ein sozialversicherungspflichtiges und finanziell ausreichendes Vollzeitarbeitsverhältnis zu erreichen.

 

 

Quellen: BA, Deutschlandfunk, Neue Zeit, Süddeutsche
Bild: ver.di