Zum Internationalen Frauentag: Gewerkschaft und Frauenpower

Die Forderungen der Tarifrunden im Sozial- und Erziehungsdienst sollten eigentlich schon seit 2009 deutlich über die klassischen Lohnforderungen hinausgehen und vor allem eine wichtige gesellschaftliche Komponente haben: Der Arbeitskampf sollte damals schon den Beschäftigten in diesem Bereich, die unter oft widrigen Bedingungen den Laden am Laufen halten, bessere Arbeitsbedingungen und ein Einkommen ermöglichen, das eine gute Lebensgestaltung und eine ausreichende Rente sichert.

Auch wollte man damit dem Fachkräftemangel in den Sozial- und Erziehungsberufen entgegentreten und die Dauersorgekrise im System beenden. Darüber hinaus ging es bisher aber auch um eine Aufwertung der typisch weiblichen Sorgearbeit, die zwar unverzichtbar ist, aber strukturell geringgeschätzt wird.

Mit der Aufwertungskampagne stellte sich die Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) an die Spitze einer gesellschaftlichen Emanzipationsbewegung, von der eine unglaubliche Kraft und Dynamik ausging und die für die gesamte Bevölkerung sichtbar wurde.

Die Ergebnisse der Auseinandersetzungen zwischen ver.di und den Vertretern der öffentlichen Einrichtungen, hier im Sozial- und Erziehungsdienst, können nur als erbärmlich bezeichnet werden.

Erbärmlich auch deshalb, weil ver.di besonders im Jahr 2015 noch einiges an Frauenpower zugelassen hatte, die in den sich anschließenden Auseinandersetzungen schnell eingehegt wurde. Die Gewerkschaft hatte dann vorgesorgt und mit der Einführung von „Tarifbotschaftern“ und dem Wegfall der kraftvollen Streik-Delegierten-Konferenzen, als gutes Beispiel für Partizipation der Beschäftigten im Arbeitskampf, still und leise innergewerkschaftliche Demokratiestrukturen einfach abgeschafft. Damit hat ver.di in den folgenden Auseinandersetzungen die Entscheidungsmacht den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst praktisch entzogen.

Man braucht kein Prophet zu sein, um den Ausgang der Tarifauseinandersetzung 2025 im Öffentlichen Dienst wieder als völlig unzureichend zu werten. Vor dem Hintergrund der neuen Burgfriedenspolitik der Gewerkschaften, Unternehmerschaft und Regierung wird auch die Aufwertung der weiblichen Sorge- und Erziehungsarbeit sicherlich wieder einmal auf der Strecke bleiben.

Lassen wir hier noch einmal die vergangenen Arbeitskämpfe der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst Revue passieren, die Erfahrungen aus dem Arbeitskampf 2015 aufzeigen und die Kritikpunkte benennen.

Seit 2009 arbeitet die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in ihren Arbeitskämpfen angeblich daran, den Beruf der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst aufzuwerten. Leider hat sich die Gewerkschaft dabei selbst im Weg gestanden und das Ergebnis heute, nach 16 Jahren, ist einfach nur beschämend.

Die bisher beste Frauenpower in den Gewerkschaften überhaupt, gab es in diesen Arbeitskämpfen. Doch wurden die engagierten Frauen regelmäßig von den ver.di Vorständen, hier auch besonders von den Frauen im Apparat, ausgebremst und auflaufen gelassen.

Das Ergebnis dieses Handelns von ver.di hat mit dazu beigetragen, dass es die folgenden  unhaltbaren Zustände im Sozial- und Erziehungsdienst gibt.

Zahlen und Fakten zur konkreten Arbeits- und Lebenssituation der Erzieherinnen:

  • Bis zum Jahr 2030 fehlen 230.000 Erzieherinnen in den Kitas in Deutschland. Schon heute führt der Personalmangel erheblich zur Verkürzung von Betreuungszeiten und wirkt sich negativ auf die pädagogische Qualität aus.
  • Knapp 2,6 Millionen Kita-Kinder waren zuletzt im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt. Unter Dreijährige gab es dort zuletzt 706.000. Damit lag die Beteiligungsquote bei den Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt deutschlandweit bei 91 Prozent und bei den Kindern im Alter von unter drei Jahren bei knapp 30 Prozent.
  • 29,6 Tage sind die Beschäftigten in Kitas durchschnittlich krankgeschrieben. Das sind 9,5 mehr Arbeitsunfähigkeitstage als in anderen Berufsgruppen.
  • Rund 61 Prozent des pädagogischen Personals in deutschen Kitas arbeitete zuletzt in Teilzeit. Und bei den Fachkräften ohne Leitungsaufgaben arbeiteten sogar rund 77 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit.
  • 78 Prozent der Kita-Fachkräfte begründen ihren Wunsch nach Arbeit in Teilzeit damit, dass die Belastung zu hoch sei. Die meisten Beschäftigten würden ihre Arbeitszeit pro Woche gerne noch weiter reduzieren.
  • Über 30 Prozent der Erzieherinnen sagen, dass sie ihren eigenen pädagogischen Ansprüchen im Arbeitsalltag nicht gerecht werden können.
  • 41,1 Prozent der Beschäftigten im Arbeitsbereich Kita verzichten aufgrund der hohen Arbeitsbelastung regelmäßig auf Pausen.
  • Viele Beschäftigte machen regelmäßig Überstunden, um nicht besetzte Stellen auszugleichen und ausgefallene Arbeitskräfte zu vertreten

und nur 6 Prozent der Kita-Beschäftigten gehen davon aus, unter den aktuellen Arbeitsbedingungen bis zum regulären Renteneintritt arbeiten zu können.

Aktuelle Entwicklung in den Kindertageseinrichtungen

Wenn von Betreuungsengpässen in den Einrichtungen die Rede ist, denken viele Menschen zunächst an die zahlreichen Familien, die keinen Platz in einer Kita, bei Tageseltern oder in der schulischen Ganztagsbetreuung bekommen haben. Doch auch ein großer Anteil der erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Eltern, die offiziell für ihr Kind einen Betreuungsplatz haben, kann nicht mit einer zuverlässigen Betreuung planen. So

  • werden 59 Prozent der erwerbstätigen Eltern Schließungen oder verkürzten Betreuungszeiten ihrer Kinder ausgesetzt,
  • waren knapp 60 Prozent von ihnen im vergangenen Herbst mit Kürzungen der Betreuungszeiten und/oder sogar kurzfristigen zeitweiligen Schließungen der Einrichtung konfrontiert,
  • berichten rund 29 Prozent der Eltern mit Kindern in Betreuung von zwei oder mehr ausgefallenen Betreuungstagen innerhalb von drei Monaten, knapp vier Prozent sogar von mehr als zehn Tagen,
  • gaben 44 Prozent an, dass die Einrichtung in den letzten drei Monaten ungeplant geschlossen hatte, beispielsweise wegen Personalmangels bei Erkrankungen.
  • kam es bei ebenfalls 44 Prozent zu Verkürzungen der vereinbarten Betreuungszeiten. Da ein Teil der Eltern sowohl mit Kürzungen als auch mit Schließungen zurechtkommen musste, summiert sich die Quote der Betroffenen insgesamt auf 59,2 Prozent.
  • waren unter den von Schließungen betroffenen Eltern rund 15 Prozent mit Schließungen an einem Tag konfrontiert, fast 22 Prozent mussten Schließungen an zwei bis fünf Tagen ausgleichen und je knapp vier Prozent sogar an sechs bis zehn bzw. mehr als zehn Tagen,
  • sagten 32 Prozent der von Schließungen oder Kürzungen der Betreuungszeiten Konfrontierten, dass ihre Arbeitssituation von „starken“ oder „äußersten“ Belastungen geprägt sei gegenüber 24 Prozent unter Müttern und Vätern, die nicht davon betroffen waren,
  • sind erwerbstätige Mütter noch deutlich stärker eingespannt als Väter. 64 Prozent der betroffenen Männer, die in heterosexuellen Partnerschaften leben, gaben an, ihre Partnerin sei eingesprungen, um die Betreuungslücke zu schließen, unter den Frauen sagten das 48 Prozent über ihren Partner,
  • haben 48 Prozent der betroffenen Mütter und 43 Prozent der Väter während der Schließung oder Kürzung der Betreuungszeit Urlaub genommen oder Überstunden abgebaut, um die Betreuungslücke auszugleichen,
  • mussten 33 Prozent der Väter und sogar 40 Prozent der Mütter zeitweilig ihre Arbeitszeit reduzieren. Gerade Letzteres vertieft die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt,

und

es spielen auch immer mehr Verwandte und/oder Freunde eine wichtige Rolle, um akute Betreuungskonflikte zu entschärfen.

Rückblick Tarifstreit im Sozial- und Erziehungsdienst im Jahr 2015

Die Verhandlungen im Tarifstreit der rund 240.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst hatten im Februar 2015 begonnen. Die Gewerkschaften forderten Einkommenserhöhungen im Umfang von durchschnittlich 10 Prozent und hatten eine Aufwertungskampagne für diese Berufe gestartet. Die Kitas wurden zum Teil fast vier Wochen lang bestreikt.

Schon Anfang April 2015 hatten es die Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten mit ihren Aktionen geschafft, die Öffentlichkeit und die meisten Medien für ihre Anliegen zu interessieren. Sie hatten aus den Erfahrungen im letzten großen Arbeitskampf 2009 gelernt, dass die Unterstützung schnell bröckelt, wenn die Eltern gezielt Stimmung gegen den Arbeitskampf machen, selbst eigene Demonstrationen veranstalten und rührende Geschichten von nicht versorgten Kleinkindern in Umlauf bringen. Die Eltern, die Schwierigkeiten haben, eine Betreuung für ihren Nachwuchs zu organisieren, gab es 2015 natürlich auch, aber schnell wurde die Absicht deutlich, die hinter den überzogenen Berichten stand.

Auch in der unbefristeten Streikphase von Mitte Mai bis Mitte Juni 2015 unterstützten die Eltern die Forderungen der Beschäftigten und organisierten sogar eine gemeinsame Betreuung für ihre Kinder, ohne sich öffentlich zu beklagen. So konnte auch die Aufwertungskampagne in der Öffentlichkeit immer wieder thematisiert werden, auch die Forderung nach durchschnittlich 10 Prozent Einkommenserhöhung wurde breit mitgetragen.

Was spätestens zu diesem Zeitpunkt fehlte, war die Thematisierung der Frage, was uns die Bildung unserer Kinder wert ist. Vor Ort hätten mit vielen Aktionen, gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften, den sozialen Bewegungen und Gruppen, Veranstaltungen durchgeführt werden müssen, die die Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen thematisieren und auf das Kaputtsparen in der öffentlichen Daseinsversorgung hinweisen.

So konnte sich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auch weigern, überhaupt über die Forderungen von ver.di, GEW und DBB zu diskutieren und war nur bereit, über „besonders belastete Beschäftigtengruppen“ zu reden. Also die klassische Aufspaltung der Streikenden.

Nach 4 Wochen Streik mussten die kommunalen Arbeitgeberverbände einsehen, dass die breite Unterstützung nicht abbrach und sie riefen Anfang Juni einseitig die Schlichtung an. Bei diesem Verfahren braucht nur eine Seite die Schlichtung anzurufen und der Streik wird gestoppt.

Die öffentlichen Unternehmensvertreter hantierten hier mit der sogenannten Einlassungspflicht, die bedeutet, dass wenn im Öffentlichen Dienst einer der Tarifpartner die Schlichtung wünscht, dann muss diese eingeleitet werden und gleichzeitig werden auch die Streiks beendet. So wurde es 1974 und zuletzt 2011 in einer Schlichtungsvereinbarung festgehalten.

Diese Regelung nützt in Tarifkonflikten aber nur der Unternehmerseite. Die damaligen Arbeitskämpfe bei Amazon, Post, Bahn und der Charité haben gezeigt, es ist kaum noch der Wille bei der organisierten Unternehmerschaft da, im „sozialpartnerschaftlichen Dialog“ früherer Zeiten einen Kompromiss zu finden. Auch die VKA setzte nun auf die Totalverweigerung.

Nach weiteren 2 Wochen Schlichtungsphase verkündeten die beiden Schlichter Georg Milbradt und Herbert Schmalstieg ein mageres Ergebnis. Anstelle der geforderten 10 Prozent Erhöhung des Entgelts, sollte es im Durchschnitt nur Erhöhungen von 3,4 Prozent geben. Dabei gab es dann noch deutliche Unterschiede für die einzelnen Gruppen, so dass viele Beschäftigte nur mit Erhöhungen zwischen 1 bis 3 Prozent nach Hause gehen sollten. Mit einer fünfjährigen Friedenspflicht sollten sie verpflichtet werden, bis Ende Juni 2020 auf jeden weiteren Kampf um eine höhere Eingruppierung zu verzichten.

Zum Erstaunen aller Beteiligten waren die Vertreter des Bundesvorstandes von ver.di vorschnell bereit, diesen Schlichterspruch zu akzeptieren. Nach vier Wochen Streik!

Weil die Basis von ver.di sich mittlerweile einige Rechte mehr als früher erstritten hatte, mussten diese Ergebnisse und die Umsetzung auf einer bundesweiten Delegiertenversammlung am 24.06.2015 diskutiert werden. Dort rieben sich einige Funktionäre die Augen, als sie sahen, dass es zu einer fast hundertprozentigen Ablehnung der Empfehlung der Schlichter kam und vor allem auch die lange Laufzeit der Einigung von 5 Jahren vehement abgelehnt wurde. Die Delegierten stellten übereinstimmend fest, dass mit dieser Schlichtungsempfehlung eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe nicht erreicht wird. Die Streik-Delegierten-Konferenz kam zu dem Schluss, der am 26. Juni tagenden ver.di-Bundestarifkommission zu empfehlen, eine aufsuchende Mitgliederbefragung durchzuführen, um die Meinung der Mitglieder einzuholen.

Die Umfrage lief bis Anfang August. Insgesamt lehnten 69,13 Prozent der ver.di-Mitglieder im Sozial- und Erziehungsdienst den Schlichterspruch ab.

Am 11. August tagte die Bundestarifkommission und machte den Weg für neue Streiks frei, in dem dort mit großer Mehrheit der Schlichterspruch abgelehnt und die VKA zu einem besseren Angebot aufgefordert wurde. Streiks wurden für Anfang Oktober in Aussicht gestellt.

Am 13.08.2015 begann die erneute Verhandlungsrunde mit der VKA, die am 30.09.2015 damit endete, dass man sich auf Nachbesserungen der Schlichtungsempfehlung verständigte. Es war nun ein um 9 Millionen Euro erhöhtes Angebot, das sind läppische 3 Prozent des Gesamtvolumens von 315 Millionen Euro im Jahr für die rund 240.000 Beschäftigten.

Viele ver.di-Mitglieder aus Städten, die als Streikhochburgen galten, plädierten für eine Fortsetzung der Kita-Streiks, doch die Mehrheit der Tarifkommission sprach sich für die Annahme des Ergebnisses aus.

Die sich anschließende Urabstimmung hatte dann Ende Oktober zum Ergebnis, dass sich 57 Prozent der ver.di-Mitglieder und 72 Prozent der Mitglieder der GEW für die Annahme aussprachen.

Die Beschäftigten hatten ursprünglich den materiellen Ausdruck der Anerkennung ihrer Tätigkeiten auf ein Volumen von rund 10 Prozent beziffert, bekommen haben sie aber im Schnitt nur 3,7 Prozent mehr Lohn.

Erfahrung aus dem Streik 2015
  • Mit der Aufwertungskampagne stellte sich ver.di an die Spitze einer gesellschaftlichen Emanzipationsbewegung, von der eine unglaubliche Kraft und Dynamik ausging, die für die gesamte Bevölkerung sichtbar war.
  • Von 240.000 kommunalen Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst traten rund 50.000 in den Streik.
  • Es kam zu einer Eintrittswelle vor allem für ver.di, mit 25.000 neuen Mitgliedern.
  • Bei diesem Streik wurde ver.di von der Beteiligungsbereitschaft der Mitglieder förmlich überrannt. Es wurde ein riesiges Maß an Streikdemokratie entwickelt, das zum Maßstab für künftige Arbeitskämpfe hätte werden können.
  • Das Konzept einer konflikt-, beteiligungs- und aktionsorientierten Gewerkschaftsarbeit hat bundesweit Früchte getragen, bei der die Streikenden vieles in ihre eigenen Hände nahmen und die alte Stellvertreterhaltung der Gewerkschaft deutlich geschwächt wurde.
  • Es konnten sich neue demokratische Formen des Arbeitskampfes, wie z.B. die Streik-Delegierten-Konferenz durchsetzen.
  • Was auf der Streik-Delegierten-Konferenz stattgefunden hat, war eine kleine Revolution, bei der die Basis ihrer Führung nicht folgte. Für die ver.di-Führung war das eine ganz neue Erfahrung.
  • Mit den Streikvollversammlungen und Delegiertenkonferenzen wurde der Arbeitskampf demokratisiert und das trug auch dazu bei, dass der Schlichterspruch konsequent zurückgewiesen wurde.
  • Nach dem Schlichterspruch hat ver.di alles getan, um nicht wieder streiken zu müssen. Damit hat die Gewerkschaft eine große Chance vertan. Die Enttäuschung bei den Mitgliedern war enorm, sie erlebten, wie die ver.di-Haltung ihnen den entstandenen Schwung nahm.
  • Der Vorschlag der Schlichter, die Einkommen zwischen 4,0 und 4,5 Prozent zu erhöhen, bedeutete nichts anderes, als eine Reallohnsenkung. Auf die fünfjährige Laufzeit bezogen, würde – im besten Fall – weniger als ein Prozent Lohnerhöhung erreicht. Damit lag das Ergebnis noch unter dem Inflationsausgleich.
  • Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst wurden durch die lange Laufzeit mit einer fünfjährigen Friedenspflicht, also mit einem faktischen Streikverbot bestraft.
  • Von einer Aufwertung des Berufsfeldes konnte überhaupt nicht die Rede sein. So ist die wichtigste Forderung der Streikenden völlig gescheitert.
  • Notwendig wäre hier eine neu konzipierte Eskalationsstrategie gewesen, die in den Kitas den öffentlichen Druck, der ja am Anfang vorhanden war, noch hätte steigern können.
  • Auch die Strategie der Öffentlichkeitsarbeit für die Kommunikation mit den Eltern, konservativen Kommunalpolitikern und den Medien sollte hinterfragt werden. Teilweise wurden die Eltern gezielt gegen die Streikenden ausgespielt, was die Medien dann gerne breittraten.
  • Die harte Haltung der Kommunalunternehmen hat gezeigt, dass die Gewerkschaftsbewegung auch Solidaritätsstreiks einsetzen muss. Dem stehen bisher nicht nur das restriktive deutsche Streikrecht entgegen, sondern auch die entsprechenden Traditionen und Erfahrungen.
  • Bei diesem Streik hätten sich Solidaritätsstreiks am ehesten bei freien und kirchlichen Trägern der Sozial- und Erziehungsarbeit angeboten, da die Beschäftigten dort oft angelehnt an den TVöD-SuE bezahlt werden. Dort hätte noch viel stärker zu Protestaktionen mobilisiert werden müssen. Einige Versuche in diese Richtung hatten bisher leider kaum Erfolg. Auch hätte von ver.di aus noch viel früher mit Organisierungskampagnen in den betroffenen Betrieben begonnen werden müssen.
  • Genau dort, bei den freien und gemeinnützigen/kirchlichen Einrichtungen, schuften die fast 80 Prozent der nicht organisierten, meist weiblichen Beschäftigten. Da sind eine stärkere Organisierung und Tarifbindung absolut notwendig. Dort müssen die Gewerkschaften stärker ihr Gesicht zeigen und mit mehr Mumm in die Betriebe gehen, als es bisher geschah.
  • Mittlerweile wird auch in den Gewerkschaften selbst stark bezweifelt, ob die Einlassungspflicht in diesem Konflikt wirklich bindend war. Andererseits wird der Weg über die Schlichtung mit dem schwachen Argument begründet, dass man sich ihr angesichts der öffentlichen Meinung nicht verweigern konnte. Auf jeden Fall war es ein Fehler, die Streikenden nicht auf die Möglichkeit einer Schlichtung vorzubereiten. Außerdem hat diese plötzliche Kehrtwende das Pflänzchen Streikdemokratie, wie z.B. die Streik-Delegierten-Konferenz, wieder zertreten.
  • Solidaritätsaktionen vor den Rathäusern, wie z.B. die Mahnwachen, konnten zu einer weiteren Verbreitung der Forderung der Streikenden beitragen. Aber es fehlten unterstützende Arbeitskampfmaßnahmen und Solidaritätsstreiks anderer Fachbereiche und anderer Gewerkschaften, sowie breit angelegte Diskussions- und Infoveranstaltungen, bei denen die Erziehungs- und Bildungsthemen vor Ort thematisiert und der desolate Zustand in den Bildungsinstitutionen aufgezeigt werden.
  • Beim Streik wurden ver.di und die GEW von der extrem harten Haltung der Vereinigung der kommunalen Anstellungsträger völlig überrascht. Umso mehr muss die alte Weisheit gelten, dass die Unternehmensvertreter nur dann noch Zugeständnisse machen, wenn sie durch ebenso harte Haltungen und ausdauernden Kämpfen dazu gezwungen werden.
  • Erstaunt waren alle darüber, wie hart die VKA verhandelten. Für sie ging es aber darum, wenn ein besseres Ergebnis erzielt worden wäre, es auch einen Einbruch bei anderen Billiglöhnern im sozialen und gesundheitlichen Sektor, wie der Alten- und Krankenpflege gegeben hätte, was sie partout nicht wollen

und

die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, als die große Gewerkschaft, die den Arbeitskampf maßgeblich führte, hat es nicht geschafft, das wichtigste Ziel dieser Auseinandersetzung, den Frauenberuf „Erzieherin“ endlich aufzuwerten, zu erreichen. Die Verärgerung der streikenden Frauen ist nachvollziehbar.  

Ausblick

In Anbetracht der heutigen Ausgangssituation wird es mit der Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe im Jahr 2025 wohl nichts Großes werden. Der Dienstleistungsgewerkschaft steckt der unglaublich effektive Arbeitskampf ihrer weiblichen Mitglieder noch in den Knochen. Sie hat vor einer neuen engagierten und heftigen Auseinandersetzung um mehr Anerkennung und einer weiteren Feminisierung des Arbeitskampfes schon lange die Hosen voll.

Wer aber nach vorne schaut, kann aus diesem Arbeitskampf ganz viel für den nächsten Anlauf zur Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe mitnehmen.

Dafür müssen unbedingt die freien und kirchlichen Einrichtungen einbezogen werden, damit dann nicht nur ein Drittel der Einrichtungen bestreikt, sondern im Arbeitskampf machtvoll zwei Drittel schließen. Dann wäre die Ausgangsposition nicht nur ausreichend stark, auch die Feminisierung des Arbeitskampfes würde weiter voranschreiten.

Was derzeit wieder fehlt, ist die Thematisierung der Frage, was uns die Bildung unserer Kinder wert ist. Vor Ort sollten viele Aktionen und Veranstaltungen, gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften, den sozialen Bewegungen und Gruppen durchgeführt werden, die die Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen thematisieren und auf das Kaputtsparen in der öffentlichen Daseinsversorgung hinweisen.

Für die aktuelle Tarifauseinandersetzung hatte die Gewerkschaft ja schon mit der Einrichtung von „Tarifbotschaftern“ und der Abschaffung der kraftvollen Streik-Delegierten-Konferenzen, als gutes Beispiel für Demokratie im Arbeitskampf, vorgesorgt und damit den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst die Entscheidungsmacht entzogen.

Voraussichtlich bleibt der Arbeitskampf im Sozial- und Erziehungsdienst 2015 mit seiner Eigendynamik, der großen Motivation und dem Engagement der Streikenden, mit seiner Frauenpower, seiner Dramaturgie und mit neuen Erkenntnissen für die Gewerkschaften etwas Einmaliges.

Und der im Jahr 2025? Nur ein laues Lüftchen.

 

 

 

 

 

 

Quellen: ver.di, gew, WAZ, Handelsblatt, IGM, Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung, ver.di Arbeitszeitbefragung für den öffentlichen Dienst 2024 und ver.di Kita-Personalcheck
Bild: Frauenstreik-DIELINKE