Krisengewinner: Inkassounternehmen

Im Jahr 2019 meldeten in Deutschland 19.005 Firmen Insolvenz an und es gab 86.838 Privatinsolvenzen.  Die durchschnittliche Schadenssumme je Insolvenzfall betrug für die privaten Insolvenzgläubiger, dazu zählen beispielsweise Banken, Lieferanten und sonstige Kreditgeber, 910.000  Euro. Zu den Leidtragenden einer Insolvenz zählen immer auch die Beschäftigten des insolventen Unternehmens. Die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze summierte sich deutschlandweit auf  218.000.

Für das Jahr 2020 rechnen Experten mit mindestens zehn Prozent mehr Insolvenzverfahren und mit einer Schadenssumme von insgesamt 223,5 Milliarden Euro.

Aber es gibt in den Insolvenzverfahren auch Gewinner, dazu gehören vor allem die Inkassounternehmen.

Für die Inkassoindustrie ist die Überschuldung der Menschen ein extrem lukratives Geschäft. Rund fünf Milliarden Euro setzt sie in Deutschland jährlich um, Tendenz steigend. Denn der Onlinehandel und ein wachsender Konsum bringen immer mehr unbezahlte Rechnungen mit sich. Schon heute sind knapp sieben Millionen Menschen bei uns überschuldet.

Die Inkassounternehmen umgibt immer schon eine unseriöse Aura, weil niemand zugibt, sie zu kennen, es keine amtliche Statistik für diese Unternehmen gibt und die Branche bei Verfehlungen lediglich von „schwarzen Schafen“ spricht.

Nach Angaben des Bundes Deutscher Inkasso Unternehmen (BDIU) sind derzeit in Deutschland knapp über 2.000 Registrierungen für Inkassodienstleistungen hinterlegt. Alten Zahlen zufolge sollen in 2011 rund 750 Inkassodienstleister aktiv am Markt gearbeitet haben, die ein Forderungsvolumen von fast 27 Milliarden Euro hielten und in dem Jahr daraus fünf Milliarden Euro eingezogen haben. Es handelt sich hierbei überwiegend um regional tätige kleinere Unternehmen. Angenommen wird, dass über zwei Drittel aller Inkassofirmen maximal fünf Mitarbeiter beschäftigt haben. Im BDIU waren zu dieser Zeit 560 Unternehmen als Mitglied organisiert, der somit etwa 90 Prozent des Forderungsvolumens repräsentierte.

Die Hauptaufgabe von Inkassodienstleistern ist das Einziehen von Forderungen, die kaufmännisch ausgemahnt, aber noch nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Dabei können die Forderungen von den Ursprungsgläubigern abgetreten, verkauft oder mit einem Factoringauftrag versehen worden sein. Bei Bevollmächtigungen endet die Vertretungsbefugnis von Inkassounternehmen, wenn es im Mahnverfahren zu einer Abgabe an das Streitgericht gekommen ist und wenn im Rahmen von Zwangsvollstreckungen Handlungen zu einer Einleitung eines streitigen Verfahrens führen würden oder wenn Handlungen in einem streitigen Verfahren notwendig sind.

Viele Inkassounternehmen bieten noch zusätzliche Dienstleistungen wie kaufmännische Hilfstätigkeiten im Bereich der Angebots- und Rechnungserstellung und auch die langfristige Überwachung derzeit nicht einbringbarer titulierter Forderungen an. Dabei kommt es immer zu teurer Doppelbeauftragung von Inkassounternehmen und Rechtsanwälten.

Inkassounternehmen stehen in Konkurrenz zu Rechtsanwälten und den unternehmenseigenen Mahnabteilungen und müssen offensiv zeigen, dass sie „effektiver“ arbeiten.

Wie bei allen lukrativen Geschäften, hier geht man von einem Forderungsvolumen von geschätzt über 50 Milliarden Euro aus, hat sich eine Eigendynamik mit rechtlichen Grauzonen entwickelt. Mittlerweile gibt es einen regelrechten Handel mit den Forderungen, bei dem Forderungen weiterverkauft, als Pakete verschnürt weitergegeben und manchmal eine Forderung von mehreren Unternehmen mehrmals einzogen wird. Die Schuldner wissen häufig gar nicht, wer aktuell die Ursprungsforderung bearbeitet und wann sie an wem weitergegeben wurde.

In den letzten 5 Jahren hat sich eine lebhafte Diskussion um die Praktiken der Inkassounternehmen entfacht. Viele Überschuldungssituationen wären nicht so drastisch oder überhaupt erst entstanden, wenn die Inkassofirmen nicht mit ungerechtfertigten und unzulässig hohen Gebühren und Kosten Verschuldungssituationen schaffen oder verschärfen würden. Oft verdoppeln oder verdreifachen diese Kosten die ursprüngliche Forderung und früher übliche kostenlose Mahnungen werden gar nicht erst verschickt, sondern bei Zahlungsverzug die Forderung direkt an das Inkassounternehmen abgegeben.

Aus Unkenntnis, Angst vor dem Schufa-Eintrag und schlechtem Gewissen der Schuldner  wird meistens ungeprüft bezahlt und somit die wichtige materielle Grundlage für das Inkassogewerbe geschaffen.

Viele Verbraucherorganisationen und Initiativen bieten online einen „Inkasso Check“ an, bei dem Forderungen kostenlos überprüft, die Höhe der Kosten nachgerechnet und die Notwendigkeit der teuren Maßnahmen infrage gestellt wird.

Jede fünfte Person, die sich durch die Schritte des Online-Instruments geklickt hat, gab in Befragungen an, dass die Forderungen des Inkassounternehmens entweder gänzlich unbekannt waren oder schlicht falsch und deshalb auch nicht bezahlt wurden.

Immer mehr Schuldner beschweren sich über nicht gerechtfertigte Kosten und rüpelhafte Vorgehensweisen der Inkassounternehmen. Viele Firmen werden durch die Rechtsprechung in die Schranken verwiesen, allerdings immer auf den jeweiligen Einzelfall bezogen.

Da die Aufsicht über die Inkassounternehmen den Ländern obliegt, sind zentrale bundesweite Maßnahmen und die Zusammenführung von Daten nicht gewährleistet.

Viele überschuldete Menschen sind diesen miesen Praktiken der Inkassounternehmen schutzlos ausgeliefert. Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt etwas mehr Ruhe in ihr Leben. Doch wie aufgezeigt,  kann es sein, dass sie mit während des Verfahrens richtig Stress bekommen. Da können sich diejenigen Schuldner glücklich nennen, die schon bei der Vorbereitung des Verfahrens von einer Beratungsstelle Rat, Hilfe und Schutz erhalten und wenn sie ganz viel Glück haben, werden sie sogar während des recht komplizierten Verfahrens bis zur Restschuldbefreiung beraten und begleitet.

Hier ist der Gesetzgeber gefordert, den Wildwuchs, die Methoden und die Abzocke in dem Inkassogewerbe zu regeln.

Um die Inkassounternehmen an eine etwas kürzere Leine zu führen hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht erarbeitet. Neben den zentralen Änderungen bei den Geschäfts- und Einigungsgebühren will der Entwurf unter anderem die doppelte Inanspruchnahme von Schuldnern durch Inkassounternehmen und Rechtsanwälte ausschließen und das Bewusstsein der Schuldner für die Folgen einer Nichtzahlung und der Abgabe eines Schuldanerkenntnisses stärken. Bei Klein-Beträgen bis zu 50 Euro können künftig sogar nur noch 18 Euro gefordert werden, wenn nach der ersten Mahnung gezahlt wird. Bei späterer Zahlung dann 36 Euro. Zusätzlich gibt es in der Regel noch eine Einigungsgebühr, für die Kosten bei außergerichtlichen Einigungen. Die soll bei Zahlung nach der ersten Mahnung auf einen Satz von 0,7 sinken – das entspricht in der untersten Wertstufe 31,50 Euro. Bisher üblich sind hier 67,50 Euro. Darüber hinaus sollen noch die alten Sätze gelten. Bei Vertragsschluss und bis spätestens bei der ersten Mahnung, soll auf mögliche Inkassogebühren hingewiesen werden und um dubiose Geldeintreiber zurückzudrängen, müssen Inkassounternehmen und Rechtsanwälte künftig die für sie zuständige Aufsichtsbehörde angeben.

Die Bundesregierung hat im Juli 2020 den Gesetzentwurf zur „Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften“ zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.

Nicht der große Wurf, aber immerhin etwas.

 

 

Quellen: DGB Bundesvorstand, Statistisches Bundesamt, AG Schuldner- und Insolvenzberatung, Gesetzentwurf (19/20348), Creditreform, Inkassoverband BDIU, AG Schuldnerberatung
Bild: pixabay cco