Zuhause ausgebeutet: Beim neuen Hype um „Homeoffice“ werden Unternehmensinteressen kaum thematisiert

Von Marcus Schwarzbach

SPD und Gewerkschaften fordern ein Recht auf Homeoffice, CDU und Unternehmensverbände lehnen verbindliche Regelungen ab. Fakten werden in den Betrieben geschaffen: Seit Ausbruch der Corona-Pandemie schoben die Unternehmen die Verantwortung für Infektionsschutz auf die Beschäftigten. Für viele hieß dies „Arbeit zuhause“, Pandemiepläne existierten in den Unternehmen im März meist nicht.

Unternehmen handelten „agil“, sie verlagerten Pflichten auf die Belegschaften: Ein Anspruch der Beschäftigten auf Arbeitsmittel, etwa Schreibtisch oder PC zu Hause, oder Entschädigungszahlungen der Unternehmen für die Raumnutzung sind kein Thema. „Finanzielle Unterstützung“ bleibe die die Ausnahme, meldet die Wirtschaftswoche: „Nur zwei der 22 Unternehmen, die sich auf die Anfrage äußerten, überweisen einen explizit auf das Homeoffice bezogenen Zuschuss“ (www.wiwo.de/finanzen/boerse/kostenerstattung-welche-unternehmen-fuer-das-homeoffice-zahlen/26687662.html). Gewerkschaftliche Betriebsbefragungen über Betriebsräte oder Vertrauensleute zu fehlenden Entschädigungen für Homeoffice-Arbeiter oder Forderungen nach konkreten Beträgen, die Unternehmen für Raumnutzung zahlen müssen, unterbleiben.

Negative Folgen werden von Gewerkschaftsvorständen kaum thematisiert.

Sie ignorieren dabei ihre eigenen Forschungsergebnisse zu Gefahren beim mobilen Arbeiten, denn Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschwinden zunehmend. Der DGB-Index Gute Arbeit meldet, während „15 Prozent der Beschäftigten mit festem Arbeitsplatz auch außerhalb der normalen Arbeitszeit erreichbar sein müssen, ist der Anteil bei Beschäftigten mit mobilen Arbeitsformen durchgängig höher – bei Beschäftigten mit Homeoffice beispielsweise fast 40 Prozent und bei Beschäftigten, die an öffentlichen Orten arbeiten sogar mehr als 50 Prozent“ (https://www.dgb.de/themen/++co++aeb6f25e-38ce-11eb-82a4-001a4a160123).

Gewerkschaftliche Strategien dazu fehlen, während die Kaptalseite klare Ziele hat. Als wäre es normal, wird von Unternehmen derzeit vorausgesetzt, dass Beschäftigte zuhause einen Arbeitsplatz einrichten. Gerne wird mit Sachzwang-Argumenten gearbeitet: „Automatisierung, Big Data und künstliche Intelligenz haben eine rasante Entwicklungsgeschwindigkeit“, gibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Linie vor (siehe https://arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/23DDAB5D5716F268C1258228003C5959/%24file/BDA_New_Work.pdf). Inzwischen wird Corona als Grund genannt.

Für Unternehmen geht es also keineswegs um Gesundheitsschutz, sondern um Kostensenkung. In der Praxis spielen „Desk-Sharing“-Konzepte eine große Rolle. Bei Neubaukonzepten sollen Kosten gesenkt werden, so dass etwa bei 400 Beschäftigten statt für jeden ein Arbeitsplätzen insgesamt nur 300 „flexible“ Plätze eingerichtet werden. „Auf einen eigenen, fest zugeordneten Arbeitsplatz muss man verzichten“, erläutert ein Internet-Portal unter der Überschrift „Schreibtisch verzweifelt gesucht“. Vor Arbeitsbeginn im Betrieb oder zuhause online suchen die Arbeitenden einen Platz – sollte keiner mehr vorhanden sein, soll – oft per Laptop – im „Homeoffice“ gearbeitet werden. Wichtig sei dabei eine „Clean Desk Policy: „Damit das Konzept funktioniert, muss zudem jeder den Schreibtisch am Ende seiner Arbeitszeit wieder vollständig aufräumen und Arbeitsmittel sowie persönliche Gegenstände anderweitig verstauen“ (www.arbeitsrecht-weltweit.de/2018/07/18/desk-sharing-schreibtisch-verzweifelt-gesucht).

Während die Gewerkschaften noch hoffen, durch ein Recht auf Homeoffice die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen zu können, zeigt die Umsetzung der Digitalisierung in den Betrieben, wer Profiteur der Entwicklung ist.

Angesichts der aufgezeigten Probleme, die das Arbeiten zu Hause mit sich bringt, ist offensichtlich: Die Hoffnungen vieler Beschäftigter, Beruf und Familie besser zu vereinbaren, lassen sich nur durch eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit mit Lohnausgleich, erreichen. Was aus Sicht der Beschäftigten zu tun ist, zeigen Befragungen zur Arbeitszeit. „Nur jeder fünfte der befragten Väter ist zufrieden, fast drei Viertel würden ihr Pensum gern um mindestens vier Wochenstunden reduzieren“, berichtet die Hans-Böckler-Stiftung jüngst von ihren Forschungsergebnissen (www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-der-betriebliche-gestaltungswille-zahlt-28852.htm).

 

Marcus Schwarzbach, Autor des isw- wirtschaftsinfo 56 „Homeoffice: Vom Traum zum Alptraum“, https://www.isw-muenchen.de/produkt/wirtschaftsinfo-56/

 

 

 

 

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