Lauterbach lässt sich bei der Krankenhausreform zu kurzsichtigen Sparmodellen hinreißen

Auf der Grundlage eines Vorschlags der Regierungskommission zur Krankenhausreform will Gesundheitsminister Lauterbach im Schnellverfahren die Ambulantisierung in deutschen Krankenhäusern forcieren. Bereits ab dem 1. Januar 2023 sollen sämtliche Behandlungen, soweit dies medizinisch vertretbar ist, auch als Tagesbehandlungen abgerechnet werden können. Mit dieser Ambulantisierung soll laut Gesundheitsminister ein Abbau stationärer Kapazitäten geschehen und Personal eingespart werden.

Im Hauruck-Verfahren und ohne Einbindung von PatientInnenvertretungen und Beschäftigten werden tiefgreifende Veränderungen der deutschen Krankenhauslandschaft forciert. Das Bündnis Klinikrettung kritisiert das undemokratische Vorgehen des Gesundheitsministers und macht auf die drohenden Folgen aufmerksam.

Klaus Emmerich, Klinikleiter i.R. und Mitglied im Bündnis Klinikrettung:

„Der Plan des Gesundheitsministers, jede vierte stationäre Behandlung zu ambulantisieren, bedroht die Gesundheitsversorgung in der Fläche. Denn damit steigt für kleine Landkrankenhäuser der Anreiz, sich auf ambulante Behandlungen zu konzentrieren und die stationäre Versorgung abzubauen. Krankenhausschließungen sind damit vorprogrammiert. Es ist absehbar, dass in vielen ländlichen Regionen Deutschlands die Notfallversorgung wegbrechen wird.“

Laura Valentukeviciute, Sprecherin vom Bündnis Klinikrettung:

„Es ist vollkommen fadenscheinig, zu behaupten, dass die Ambulantisierung bei Personalmangel und Unterbesetzung abhelfen kann. Deren Ursachen sind schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende Ausbildungsplätze. Hier muss der Gesundheitsminister anpacken, um den Personalmangel zu lösen.“

Laura Valentukeviciute weiter:

„Anstatt gut überlegte und substantielle Verbesserungen einzuleiten, lässt sich Herr Lauterbach von kurzfristigen Sparmodellen hinreißen. Bisher haben wir als Krankenhausreform von ihm nur ein Stückwerk von zweifelhaften Einzelmaßnahmen präsentiert bekommen. Dabei brauchen wir dringend eine grundlegende Reform: Weg von den ökonomischen und medizinischen Fehlanreizen des DRG-Systems, hin zu Bedarfsplanung und Selbstkostendeckung.“

Hintergrundinformationen

Spätestens seit 2019 gibt es offizielle Bestrebungen, die Krankenhauslandschaft in Deutschland zu dezimieren. Vor allem in ländlichen Regionen und benachteiligten Stadtbezirken schließen Abteilungen oder gleich ganze Krankenhäuser. Besonders betroffen sind Kinderkliniken, Gynäkologien und Geburtsstationen. Anfang 2022 hat der Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach eine Regierungskommission ins Leben gerufen, die Vorschläge für die Krankenhausstrukturreform erarbeiten soll. Mit Prof. Dr. Reinhard Busse und Prof. Dr. Boris Augurzky sind langjährige Schließungslobbyisten mit an Bord. Daneben sind die großen Krankenhäuser in der Kommission vertreten, ebenso die privaten Krankenversicherungen und Privatkliniken, für die Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg von der SANA Kliniken AG mit am Tisch sitzt. Die VertrterInnen der Beschäftigten, der PatientInnen und der kleinen wohnortnahen Krankenhäuser fehlen hingegen. Es ist absehbar, dass diese Kommission Reformen vorschlägt, die noch mehr Markt und Wettbewerb in den Krankenhaussektor bringen werden und zu massiven Schließungen führen werden.

Das Bündnis Klinikrettung hat einen Vorschlag für die Selbstkostendeckung ausgearbeitet und ihn dem Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach geschickt: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/09/220720_Buendnis-Klinikrettung_Krankenhaus-Rettungsreform_Finanzierungsvorschlaege_Brief-Lauterbach.pdf

Einen fachlichen Überblick zur Entstehung und Entwicklung von Medizinischen Versorgungzentren (MVZ) bietet die Expertise von Dr. Rainer Neef, Mitglied im Bündnis Klinikrettung: „Kann ein MVZ ein geschlossenes Krankenhaus ersetzen?“ https://www.gemeingut.org/kann-ein-mvz-ein-geschlossenes-krankenhaus-ersetzen/

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Das Bündnis Klinikrettung hat sich im Jahr 2020 auf Initiative von Krankenhauspersonal und anderen politisch aktiven Menschen gegründet, die sich für den flächendeckenden Erhalt der stationären klinischen Versorgung einsetzen. Das Bündnis Klinikrettung ist – insbesondere angesichts der Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie – davon überzeugt, dass die aktuelle Anzahl der Krankenhausbetten unverzichtbar ist und nicht weiter reduziert werden darf. Mehr Informationen zum Bündnis und weitere Hintergrundinformationen unter: https://www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen/

Gemeingut in BürgerInnenhand ist die Trägerorganisation des Bündnisses. GiB arbeitet seit zehn Jahren zu den Themen Privatisierung/öffentlich-private Partnerschaften und Schutz der Daseinsvorsorge. VertreterInnen der privatisierungskritischen Organisation wurden mehrfach als Sachverständige zu Anhörungen zum Thema Privatisierung der Daseinsvorsorge eingeladen.

 

 

 

 

 

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Bild: krankenhaus statt fabrik