Tarifbotschafter – die neue Einhegungsmethode aktiver ehrenamtlicher Mitglieder in der Dienstleistungsgewerkschaft

Unter der Überschrift „Tarifrunde 2020: Tarifbotschafter*innen gesucht“ versuchte die Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für die Tarifverhandlungen mit einer neuen Idee mobil zu machen. Auf den ersten Blick sah das Vorhaben recht gut aus, der zweite Blick offenbarte, dass dieses Modell nichts anderes ist, als das der alt bekannten Vertrauensleute. In neuer Verpackung soll das nun genutzt werden, damit bei den Tarifverhandlungen die Basis die Füße stillhält und nicht das passiert, was 2015 beim großen Streik der Erzieherinnen passierte: Auf der Grundlage einer demokratisch gewählten Streik-Delegierten-Konferenz wurde der Schlichterspruch kassiert.

Weil ver.di der unglaublich schwungvolle Arbeitskampf im Sozial- und Erziehungsdienst ihrer weiblichen Mitglieder von 2015 noch in den Knochen steckt, hatte man sich bei den vergangenen Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst 2020 und für die folgenden, das Modell der Tarifbotschafter ausgedacht.

ver.di wirbt für Tarifbotschafter erstmals in der Tarifrunde 2020

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Tarifbotschafter*innen habt Ihr den direkten Draht zu den Kolleg*innen in den Dienststellen, Betrieben oder auch im home office. Ihr nehmt den Puls an der Basis wahr – dieser Puls wird jetzt langsam schneller. Noch bis zum 17. August können sich alle Beschäftigten von Bund und Kommunen an der Forderungsdiskussion beteiligen.

Deswegen unsere Bitte: Nehmt Kontakt auf zu den Kolleg*innen, sprecht mit ihnen über ihre Forderung in dieser außergewöhnlichen Tarifrunde während der Corona-Pandemie. Die Beschäftigten von Bund und Kommunen halten das Land in der Krise am Laufen und sorgen mit ihrer Arbeit dafür, dass die Menschen verlässlich rundum versorgt und sicher sind. Und jetzt seid Ihr dran: Mit Wertschätzung in Form einer ordentlichen Tariferhöhung. Oder, wie unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview am 12. Juli gesagt hat: Wertschätzung drückt sich in unserer Gesellschaft auch immer durch Bezahlung aus. Dafür kämpfen wir gemeinsam!

Alle relevanten Informationen zur Tarifauseinandersetzung für den öffentlichen Dienst findet Ihr unter unverzichtbar.verdi.de. Gerne könnt Ihr auch Umfragen zur Forderung durchführen und Euch dafür, falls nicht schon geschehen, unter ……@verdi.de einen Schlüssel zusenden lassen, mit dem Ihr den digitalen Fragebogen runterladen könnt. Und natürlich könnt Ihr Euch als Tarifbotschafter*innen weiter einbringen: In den Videokonferenzen mit der ver.di-Verhandlungsspitze, angeführt von der stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Christine Behle und dem ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke.

In dieser Tarifrunde 2020 kommt es mehr denn je darauf an, dass sich alle beteiligen. Wir müssen in den Betrieben und Dienststellen sowie in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass die Arbeit beim Bund und in den Kommunen unverzichtbar ist.

Werde Tarifbotschafter*in!

Tarifbotschafter*innen sind wichtige Ansprechpartner*innen für die Tarifkampagne im Betrieb.

  • Tarifbotschafter*innen unterstützen dabei, Informationen aus der Verhandlung und aus der Tarifrunde aktiv an die Kolleg*innen im Betrieb weiterzugeben.
  • Umgekehrt unterstützen wir die Tarifbotschafter*innen aktiv und exklusiv: Christine Behle und Frank Werneke werden immer direkt nach den Verhandlungsterminen oder wenn es aufgrund aktueller Entwicklungen notwendig sein sollte, die Tarifbotschafter*innen zu einem Videobriefing einladen.
  • Wir werden über den aktuellen Stand informieren und mit den Tarifbotschafter*innen über das weitere Vorgehen diskutieren.

Tarifbotschafter*innen können sowohl erfahrene Gewerkschafter*innen sein, als auch Kolleg*innen, die neu Verantwortung für ihre zukünftigen Arbeitsbedingungen und die ihrer Kolleg*innen übernehmen möchten. Je mehr Kolleg*innen jetzt mitmachen, desto erfolgreicher könnt ihr diese entscheidende Tarifrunde gestalten!.

Tarifbotschafter*innen wissen mehr – Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst
Wenn du unter den Geltungsbereich des öffentlichen Dienstes fällst und in der besonderen Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst aktiv werden willst, haben wir genau das Richtige für dich. Denn wir suchen für jeden Betrieb, jede Einrichtung und Dienststelle Kolleg*innen, die als Tarifbotschafter*innen Verantwortung übernehmen. Als Tarifbotschafter*in informieren wir dich exklusiv direkt nach den Verhandlungen über den Sachstand, so dass du und deine Kolleg*innen gut informiert seid. Und wenn du dich mehr einbringen willst, ist das kein Problem. Dafür bieten wir kurze Online-Seminare z. B. „Grundlagenwissen für Tarifbotschafter*innen, alles Wichtige rund um Streikrecht und Arbeitskampf oder Ansprachetrainings an. Denn direkte Gespräche sind immer noch das wichtigste Mittel, um Kolleg*innen für die Beteiligung an einer Aktion oder einem Streik zu gewinnen. Hier kannst du dich direkt zu den Qualifizierungs-Seminaren für Tarifbotschafter*innen anmelden.“ (Zitat ver.di)

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Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst – undemokratische Voraussetzungen durch die Abschaffung der Streik-Delegierten-Konferenzen und dem Modell der Tarifbotschafter

Die Erfahrungen aus dem Arbeitskampf im Sozial- und Erziehungsdienst im Jahr 2015 haben gezeigt, dass der Erfolg des Arbeitskampfes davon abhängig ist, wie groß die Möglichkeit der aktiven Beteiligung der Streikenden in demokratischen Strukturen der Organisation ist. Die aktiven Mitglieder hatten es satt, von „oben“ informiert zu werden, wann sie und für welche Forderungen sie streiken sollen.

Für jeden Streik sollte gelten, dass die Mitglieder selbst über jeden Schritt im Arbeitskampf bestimmen können, dafür sollten schon in der Vorbereitung örtliche Streikleitungen gewählt werden, die auch rechenschaftspflichtig sind.

Die örtlichen Streikleitungen sollten sich regional und bundesweit treffen, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Auch über die Beendigung von Streikmaßnahmen sollte von den Streikenden selbst diskutiert und abgestimmt werden, da ein Streik nicht mal schnell ausgesetzt und wieder gestartet werden kann. Wie so oft, wird ein Ergebnis angenommen, auch wenn die Mehrheit der Streikenden der Meinung ist, länger streiken zu müssen. Beim Streik 2015 konnte mit einer demokratisch gewählten Streik-Delegierten-Konferenz, die verpflichtet war, sich mit den örtlichen Versammlungen und Streikleitungen rückzukoppeln, verhindert werden, dass der Streik ausgesetzt und der Schlichterspruch nicht angenommen wurde. Das war für die hauptamtliche Arbeitskampfleitung zu viel des Guten.

Die kraftvolle Streik-Delegierten-Konferenzen als gutes Beispiel für Demokratie im Arbeitskampf wurde dann still und leise und ohne großes Aufheben einfach abgeschafft und damit in der anstehenden Auseinandersetzung die Demokratie und Entscheidungsmacht den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst entzogen.

Die Informationsweitergabe und Transparenz über den aktuellen Verhandlungsstand durch die Verhandlungsführung mit Hilfe des Modells der Tarifbotschafter ist weder ein Ersatz einer demokratisch gewählten Streik-Delegierten-Konferenz noch Ausdruck einer vertrauensvollen und demokratischen Zusammenarbeit der haupt- und ehrenamtlichen Akteure im Arbeitskampf.

 

 

 

 

 

Quelle: ver.di

Bild: verdi