Zum Internationalen Frauentag: Geschlechtergerechtigkeit und Frieden!

Von Edith Bartelmus-Scholich

2022 findet der Internationale Frauentag unter historischen Bedingungen statt. Die Pandemie fordert nach wie vor Opfer und belastet Frauen* um ein Vielfaches mehr als Männer. Gleichzeitig sind in den letzten Monaten die Preise für Lebensmittel und Energie stark gestiegen. Wohnungen sind schon lange überteuert. Mit Sorge verfolgen viele Frauen die untauglichen politischen Versuche, den Klimawandel einzudämmen. Und nun herrscht in Europa auch noch Krieg. Die militärische Offensive Russlands in der Ukraine droht sich zu einem Weltenbrand auszuweiten.

Nie war es deshalb wichtiger zum Internationalen Frauentag auf die Straße zu gehen. Nie war es wichtiger Frauenpower in die Politik zu tragen.

Die multiple Krise trifft Frauen besonders hart

Krisen verstärken alle Ungleichheiten, das gilt besonders in unserer profitorientierten Gesellschaft und trifft auch auf die Corona-Krise zu. Frauen und Mädchen zählen zu benachteiligten Gruppen. Es sind vor allem Frauen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten. Deutlich über 70 Prozent der Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel, bei Sozialversicherungen und in Krankenhäusern sind weiblich. In Kitas und Vorschulen sind es über 90 Prozent. Da Frauen sich vermehrt um Kranke kümmern, sei es beruflich oder unbezahlt innerhalb der Familie, tragen sie ein hohes Infektionsrisiko. Die Pflege von Familienmitgliedern, die Kinderbetreuung, Homeschooling und Haushaltstätigkeiten lasten überwiegend auf den Schultern von Frauen.

Durch die Coronapandemie wird die klassische Rollenverteilung weiter zementiert. Während Männer zu rund 80 Prozent einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeit-Beschäftigung nachgehen, sind es bei Frauen nur 43 Prozent. In Minijobs sind 17,5 Prozent aller Frauen beschäftigt. Die Entlassungswellen im Zuge der Pandemie betrafen vor allem Sektoren, in denen Frauen überrepräsentiert sind. Ca. 29 Prozent mehr Frauen als Männer wurden entlassen. Fast jede dritte Frau arbeitet zu einem Niedriglohn – also unter 11,21 Euro die Stunde. Für sie führt Kurzarbeit häufig ins Jobcenter.

Existentielle Sorgen, Quarantäne und eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit führen zu einem deutlichen Anstieg von häuslicher Gewalt. Die Leidtragenden sind meist Frauen. In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2020 insgesamt 29.155 Fälle häuslicher Gewalt erfasst. Das ist ein Anstieg von 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 22.905 Opfer (70 Prozent) waren Frauen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Opferzahl um 7,9 Prozent.

Im vergangenen Jahr sind die Preise Produkte des alltäglichen Lebens explodiert. Die Inflationsrate lag im Januar 2022 bei 4,9 Prozent. Das ist der höchste Stand seit 28 Jahren. Besonders verteuert haben sich Heizöl und Benzin, Gemüse, Strom und Gas. Frauen spüren die Inflation besonders deutlich.

Schon seit Jahren steigen in den Städten die Mieten. Wie kaum eine andere Gruppe sind Frauen von den steigenden Mieten betroffen, vor allem wenn sie alleinerziehend sind. Steigende Mieten bei gleichzeitig steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen führen dazu, dass immer mehr Frauen von Obdachlosigkeit bedroht sind.

Frauen und Mädchen leiden besonders unter Folgen des menschengemachten Klimawandels und zwar nicht nur im globalen Süden. Ungefähr 80% der Menschen, die aufgrund von klimabedingten Katastrophen fliehen, sind Frauen. Auf der Flucht sind sie häufiger von körperlicher und sexualisierter Gewalt, Zwangsprostitution und Ausbeutung betroffen. Frauen und Kinder sterben bei einer Katastrophe mit 14-mal höherer Wahrscheinlichkeit als Männer. Auch bei der großen Hitzewelle in Europa 2003 starben mehr Frauen als Männer. Gleichzeitig machen sich viele Frauen große Sorgen zum die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder.

Und nun wird in Europa wieder Krieg geführt. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist nicht bloß ein regionaler Konflikt, sondern droht sich zu einem Krieg der Atommächte auszuweiten. Auch hier sind Frauen die Leidtragenden, ob als direkte Opfer des Krieges, als Flüchtende oder als Mütter, die um das Leben ihrer Kinder bangen.

Aber auf allen Feldern der Auseinandersetzung sind Frauen nicht nur Opfer, sondern auch Akteurinnen für den Wandel und Trägerinnen gesellschaftlicher Visionen.

Widerstand gegen Patriarchat, Kapitalismus und Krieg!

Die Bestandsaufnahme zeigt: Es kann so nicht weiter gehen. Die multiple Krise setzt allen Frauen zu und das Ziel einer geschlechtergerechten Gesellschaft geht dabei verloren.

2022 rücken diese Forderungen in den Mittelpunkt:

  • Die Aufwertung der Arbeits- und Lebensleistung von Frauen, auch und besonders in den systemrelevanten Berufen! Care-Arbeit muss besser entlohnt werden. Die Beschäftigten in den Pflegeberufen müssen entlastet werden.
  • Bessere Bedingungen Erwerbs- und Familienarbeit zu verbinden – für beide Geschlechter! Die wöchentliche Erwerbsarbeitszeit muss auf 30 Stunden gesenkt werden, bei vollem Lohnausgleich.
  • Wirksame Maßnahmen gegen häusliche Gewalt! Die Anzahl der Frauenhausplätze muss dauerhaft erhöht werden.
  • Inflationsausgleich für alle Beschäftigten und Bezieher:innen von Transferleistungen!
  • Ein kostenfreies Grundkontingent an Strom und Heizenergie!
  • Mietendeckel und Neubau von bezahlbaren (Sozial-)Wohnungen und besondere Berücksichtigung von Frauen bei der Vergabe!
  • Vorsorge gegen die Folgen des Klimawandels und politische Maßnahmen gegen die Erderwärmung! Deutschland muss bis 2035 klimaneutral werden.
  • Friedenspolitik statt Eskalation und Aufrüstung! Der Krieg in Europa ist nur durch Demilitarisierung zu stoppen.

Für diese Forderungen wird 2022 nicht nur am 8. März, sondern in verbindenden Kämpfen jeden Tag zu streiten sein.

Anmerkung:

1 „Frauen“ schließt trans* und/oder inter* Frauen mit ein.

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien am 28.02.2022 auf TopNews (scharf-links.de)

Bild: intern. frauentag cco